TE Vfgh Erkenntnis 1996/10/1 V48/96

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Veröffentlicht am 01.10.1996
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art18 Abs2
Entwicklungsprogramm Radkersburg vom 12.07.93
Stmk RaumOG 1974 §4
Stmk RaumOG 1974 §6 Z2
Stmk RaumOG 1974 §8 Abs3, Abs5

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit des Verzichts auf den Standort Halbenrain für eine Abfallbehandlungsanlage im Entwicklungsprogramm Radkersburg mangels ausreichender Grundlagenforschung; keine hinlängliche Beachtung der Verpflichtung zur Koordinierung von Planungen und zur Bedachtnahme auf Planungen des Abfallwirtschaftsverbandes; Unterlassung der Berücksichtigung des Deponiestandortes Halbenrain aus unsachlichen Erwägungen

Spruch

Die Z2 des §3 Abs8 der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 12. Juli 1993, mit der ein regionales Entwicklungsprogramm für die Planungsregion (politischer Bezirk) Radkersburg erlassen wird, LGBl. für die Steiermark Nr. 8/1994, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Auf dem Grundstück Nr. 597/27, KG Halbenrain, wird eine Abfalldeponie betrieben.

Mit Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 12. Juli 1993, LGBl. für die Steiermark Nr. 8/1994, wurde für die Planungsregion (politischer Bezirk) Radkersburg ein regionales Entwicklungsprogramm (im folgenden: Entwicklungsprogramm Radkersburg), erlassen.

Das Entwicklungsprogramm Radkersburg lautet in seinem §2 Z18 unter dem Titel "Begriffsbestimmungen":

"18. Standortbereiche für Abfallbehandlungsanlagen sind Flächen, die von Nutzungen freizuhalten sind, die einer den Prinzipien des Abfallwirtschaftskonzeptes entsprechenden Behandlung, Verwertung und Entsorgung widersprechen. Die Standortbereiche sind nach einer geologischen und raumordnungsfachlichen Vorauswahl zu bestimmen."

§3 des Entwicklungsprogrammes Radkersburg normiert unter dem Titel "Ziele und Festlegungen" in seinem Abs8 folgendes:

"(8) Technische Ver- und Entsorgung

1. Zur Verbesserung der ökonomischen und ökologischen Lebensgrundlagen für die Regionsbevölkerung und als Voraussetzung für die Verwirklichung des wirtschaftspolitischen Entwicklungsleitbildes nach Abs5 werden für die technische Ver- und Entsorgung folgende Ziele angestrebt:

a) - e) ...

f) Schaffung der Voraussetzungen für eine zeitgemäße gemeinschaftliche Abfallwirtschaft.

2. Zur Verwirklichung der Zielsetzungen nach Z. 1 litf werden die Grundstücke Nr. ... als Standortbereiche für Abfallbehandlungsanlagen in Abstimmung zum Abfallwirtschaftsplan festgelegt."

2. Aus Anlaß des beim Verfassungsgerichtshof zu B1727/94 protokollierten Beschwerdeverfahrens, in dem ein Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 15. Juli 1994 bekämpft wird, mit dem der Antrag des Abfallwirtschaftsverbandes Radkersburg "auf Abänderung des Abfallwirtschaftsplanes für den Bezirk Radkersburg in der Fassung des Verbandsbeschlusses vom 2. April 1993 (im Sinne der Bescheidbegründung richtig wohl: auf Genehmigung der Änderung des Abfallwirtschaftsplanes) gemäß §19 Abs1 des Steiermärkischen Abfallwirtschaftsgesetzes 1990, LGBl. 5/1991, (StAWG), abgewiesen wurde, sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des Entwicklungsprogramms Radkersburg entstanden.

In der unter der - in Prüfung gezogenen - Z2 enthaltenen Aufzählung von Grundstücksnummern findet sich keine Grundstücksnummer der KG Halbenrain. Es ist sohin weder die auf dem Grundstück Nr. 597/27, KG Halbenrain, rechtmäßig bestehende und betriebene Abfalldeponie angeführt, noch sind die im Beschluß des zu B1727/94 beschwerdeführenden Abfallwirtschaftsverbandes Radkersburg vom 2. April 1993 über die Änderung des §8 Abs4 des Abfallwirtschaftsplanes genannten Grundstücke, die der Erweiterung der bestehenden Abfalldeponie dienen sollen, genannt.

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hegte einerseits das Bedenken, daß §3 Abs8 Z2 des Entwicklungsprogrammes Radkersburg den Vorschriften der §4 (Bestandsaufnahmen), §6 Z2 (überörtliche Raumordnung - Aufgaben), §8 (Entwicklungsprogramm) und §10 (regionale Entwicklungsprogramme) des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. 127/1974, idgF, (Stmk. ROG), widerspricht.

Der Verfassungsgerichtshof ging dabei vorläufig davon aus, daß zwar Standorte für die Abfallwirtschaft in einem regionalen Entwicklungsprogramm aus überörtlichen Interessen auch parzellenscharf ausgewiesen werden können, die Steiermärkische Landesregierung als verordnungserlassende Behörde aber den ihr eingeräumten planerischen Gestaltungsfreiraum dadurch überschritten habe, daß sie vor Festlegung der als Standortbereiche für Abfallbehandlungsanlagen in Abstimmung zum Abfallwirtschaftsplan festgelegten Grundstücke in ihrer Verordnung über das Entwicklungsprogramm Radkersburg keine hinreichende Grundlagenforschung angestellt hat und daher ihrer Verpflichtung gemäß §4 in Verbindung mit §8 Abs3 Stmk. ROG nicht zureichend nachgekommen ist.

2.2. Ferner hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß bei Festlegung der Standortbereiche für Abfallbehandlungsanlagen die Steiermärkische Landesregierung ihre Verpflichtung zur Koordinierung ihrer Planung mit den Planungen des Abfallwirtschaftsverbandes Radkersburg gemäß §6 Z2 Stmk. ROG sowie ihre Verpflichtung zur Bedachtnahme auf die Planungen des Abfallwirtschaftsverbandes Radkersburg gemäß §8 Abs5 Stmk. ROG nicht hinlänglich beachtete. Der Verfassungsgerichtshof überließ die Klärung der Frage, welche "raumordnungsfachlichen Gesichtspunkte" den von der Fachabteilung für Abfallwirtschaft des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vorgetragenen Gesichtspunkten für die weitere Nutzung der Deponie Halbenrain entgegenstehen und auf den Ausweis eines Deponiestandortes im Bereich Halbenrain verzichten lassen, und die weitere Vorlage der "möglicherweise unvollständigen Verordnungsakt(en)" dem Verordnungsprüfungsverfahren.

3. Die Steiermärkische Landesregierung hat ungeachtet des Hinweises auf die nach §20 Abs2 VerfGG eintretenden Säumnisfolgen weder innerhalb der ihr gesetzten achtwöchigen noch innerhalb der auf Grund eines entsprechenden Antrages um fünf Wochen verlängerten Frist eine Äußerung zum Gegenstand erstattet. Auch wurden keine weiteren Aktenteile vorgelegt.

II. 1. Der Verfassungsgerichtshof hat bei seiner Entscheidung über die zu B1727/94 protokollierte - zulässige - Beschwerde des Abfallwirtschaftsverbandes Radkersburg ebenso wie die in jenem Beschwerdeverfahren belangte Behörde bei Erlassung ihres vor dem Verfassungsgerichtshof angefochtenen Bescheides vom 15. Juli 1994 die Z2 des §3 Abs8 des Entwicklungsprogramms Radkersburg anzuwenden. Die vom Abfallwirtschaftsverband Radkersburg beschlossene Änderung des Abfallwirtschaftsplanes, mit der die Müllablagerung auf der bestehenden Abfalldeponie Halbenrain auf den Grundstücken Nr. 597/27 und auf Teilen von 597/28 der KG Halbenrain festgelegt werden sollte, widerspricht nämlich der taxativen Aufzählung von Grundstücken in der Z2 des §3 Abs8 des Entwicklungsprogramms Radkersburg "als Standortbereiche für Abfallbehandlungsanlagen" und bildet damit die Rechtsgrundlage für die Verweigerung der Genehmigung des Abänderungsbeschlusses des Abfallwirtschaftsverbandes Radkersburg durch die Steiermärkische Landesregierung.

Das Verordnungsprüfungsverfahren ist sohin zulässig.

2. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes treffen auch in der Sache zu:

2.1. §4 Abs1 Stmk. ROG verpflichtet die Landesregierung "als Grundlage für die überörtliche Raumordnung" "die jeweils hiefür bedeutsamen natürlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Gegebenheiten ... einschließlich der bisherigen Entwicklung zu erheben und unter Berücksichtigung der voraussehbaren Veränderungen in Bestandsaufnahmen festzuhalten". Aufgabe der überörtlichen Raumordnung ist es gemäß §6 Z2 leg.cit. "raumbedeutsame Maßnahmen des Landes, der Gemeinden sowie anderer Planungsträger und Unternehmungen von besonderer Bedeutung ... unter Zugrundelegung der Raumordnungsgrundsätze aufeinander abzustimmen (Koordinierung)". In Durchführung der Aufgaben der überörtlichen Raumordnung hat die Landesregierung gemäß §8 Stmk. ROG Entwicklungsprogramme zu erlassen, in denen "unter Bedachtnahme auf die Ergebnisse der Bestandsaufnahme jene Maßnahmen in einer Reihenfolge festzulegen (sind), die zur Erreichung der Ziele der Raumordnung erforderlich sind".

Entwicklungsprogramme können auch "für Planungsregionen

(regionale Entwicklungsprogramme) ... aufgestellt werden". Dabei

ist auch auf "Planungen ... der Gemeinden, sonstiger

Körperschaften öffentlichen Rechtes sowie anderer Planungsträger

und der Unternehmungen von besonderer Bedeutung ... tunlichst

Bedacht zu nehmen". Regionale Entwicklungsprogramme gemäß §10

Stmk. ROG "haben die anzustrebende ... Entwicklung der

Planungsregion in Zielen und Maßnahmen darzustellen". Sie haben regionsspezifische Ziele, insbesondere auch für den Bereich der "Abfallwirtschaft" (§10 Abs2 Z1 litl Stmk. ROG), sowie Maßnahmen zur Erreichung jener Ziele zu enthalten. Gemäß §10 Abs3 litb leg.cit. können in einem zeichnerisch darzustellenden Regionalplan insbesondere auch "Standorte bzw. Flächen für überörtliche Sondernutzungen im Sinne §25 Abs2 im öffentlichen Interesse (z.B. für die Abfallwirtschaft, ...)" ausgewiesen werden.

Auf Grund der wiedergegebenen Rechtslage geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, daß Standorte für die Abfallwirtschaft in einem regionalen Entwicklungsprogramm aus überörtlichen Interessen auch parzellenscharf ausgewiesen werden können. Die dabei der Steiermärkischen Landesregierung eingeräumte planerische Gestaltungsfreiheit findet allerdings ihre Grenze in der Notwendigkeit einer gehörigen Grundlagenforschung, der Koordinierung mit den Planungen anderer Planungsträger, zu denen auch die Abfallwirtschaftsverbände als Körperschaften öffentlichen Rechts zählen, und in der Notwendigkeit sachlicher, auf entsprechende Grundlagenüberlegungen gestützter Festlegungen. Von der Sache her nicht zu rechtfertigende Standortfestlegungen, etwa auch für Abfalldeponien, verstoßen gegen den Gleichheitssatz (vgl. in diesem Sinn das zum burgenländischen Raumordnungsrecht ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. März 1995, B1363/93). Der gesetzlichen Verpflichtung zur Bedachtnahme auf die Planungen sonstiger Planungsträger (§8 Abs5 Stmk. ROG) ist nur dann Genüge getan, wenn diese Planungen entweder übernommen werden oder wenn eine diesen Planungen widersprechende Festlegung in einem Entwicklungsprogramm aus entsprechenden raumordnungsfachlichen Überlegungen erfolgt.

2.2. Es ist unbestritten, daß im Entwurf eines regionalen Entwicklungsprogramms für die Planungsregion Radkersburg vom 14. November 1990 auf der Grundlage einer Bestandsaufnahme unter dem Titel "Technische Ver- und Entsorgung" auch in der KG Halbenrain mehrere Grundstücke, darunter Teile der Grundstücke Nr. 597/22 bis 24, (aus der später durch Teilung die Grundstücke Nr. 597/27 und 597/28 geschaffen wurden), als Standortbereich einer Restedeponie ausgewiesen werden sollten. Dieser bereits zur Stellungnahme versandte Entwurf wurde laut Verordnungsakt "auf direkte Weisung ..." zurückgezogen. Gründe für die Zurückziehung sind weder dem Verordnungsakt zu entnehmen noch im vorliegenden Verfahren hervorgekommen.

Mit Schreiben vom 18. April 1991 wurde neuerlich der Entwurf eines regionalen Entwicklungsprogramms für die Planungsregion Radkersburg zur Stellungnahme aufgelegt und versendet. In diesem Entwurf findet sich kein Grundstück der KG Halbenrain als Standortbereich für eine Restedeponie ausgewiesen. Gegen die fehlende Berücksichtigung des bereits bestehenden und erweiterungsfähigen Deponiestandortes wurden vom Betreiber der Deponie, der ASA, sowie vom Eigentümer des Grundstücks Nr. 597/24, KG Halbenrain, Einwendungen erhoben. Eine Auseinandersetzung mit diesen Einwendungen ist aus dem Verordnungsakt nicht ersichtlich. Das Bundeskanzleramt hat zu Z404.205/21-IV/4/91 "- auf der Grundlage verschiedener Ressortstellungnahmen - aus Sicht des Bundes" zum Verordnungsentwurf des regionalen Entwicklungsprogramms für den Bezirk Radkersburg festgestellt:

"Hinsichtlich der Abfallentwicklung wird auf die schon bestehende Deponie in Halbenrain hingewiesen, ... . Angeblich waren im 1. Entwurf des regionalen Entwicklungsprogrammes für die Region Radkersburg auch diese Flächen als Deponiestandorte vorgesehen; dies fand jedoch keinen Niederschlag mehr im nunmehr vorliegenden Entwurf, ohne daß dies näher erläutert wurde."

Vor Erlassung der Verordnung über das regionale Entwicklungsprogramm beschloß die Verbandsversammlung des Abfallwirtschaftsverbandes Radkersburg am 2. April 1993 die Änderung des §8 Abs4 des Abfallwirtschaftsplanes wie folgt:

"Bis zur Inbetriebnahme der im Abfallwirtschaftsplan Radkersburg ausgewiesenen Resteabfalldeponie werden der Hausmüll und der nicht gefährliche Industrie- und Gewerbemüll auf den im Lageplan im Anhang 2 ausgewiesenen Grundstücken Nr. 597/27 und Teile 597/28 der KG Halbenrain abgelagert."

Dazu hielt die Fachabteilung Ic (Abfallwirtschaft) der Landesbaudirektion des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung in einer gutachterlichen Stellungnahme zusammenfassend fest,

"daß bei Einhaltung der angeführten bzw. vorzuschreibenden Mengen- und Herkunftsangaben der abzulagernden Abfälle sowie aufgrund der abfallwirtschaftlichen Erfordernis(se) die Grundsätze und Ziele gem. StAWG weitgehendst erfüllt sind. Es gibt aus abfallwirtschaftlicher Sicht keine Einwände gegen die vom Abfallwirtschaftsverband Radkersburg beschlossene Grundsatzvereinbarung mit der Fa. A.S.A.-Abfall Service Halbenrain Ges.m.b.H.. Es wird daher seitens der zuständigen Fachabteilung für Abfallwirtschaft der im Sinne dieser Vereinbarung notwendigen Änderung des Abfallwirtschaftsplanes Radkersburg im Interesse der Aufrechterhaltung eines geordneten Entsorgungszustandes zugestimmt."

Der Umweltschutzkoordinator, Leiter der Rechtsabteilung 3 des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung, stellte mit Brief vom 8. Juli 1993 daraufhin unter Hinweis auf diese gutachterliche Stellungnahme die bescheidmäßige Genehmigung der Änderung des Abfallwirtschaftsplanes in Aussicht.

Demgegenüber beschloß die Steiermärkische Landesregierung am 12. Juli 1993 das regionale Entwicklungsprogramm Radkersburg ohne Berücksichtigung des - bereits bestehenden und vom Abfallwirtschaftsverband Radkersburg zur Erweiterung vorgesehenen - Deponiestandortes Halbenrain. In den Erläuterungen zu §3 Abs8 Z2 des Entwicklungsprogramms Radkersburg wird auf S. 62 lediglich ausgeführt:

"Aufgrund einer raumordnungsfachlichen Vorauswahl wurden in den Gemeinden Weinburg am Saßbach, Eichfeld, St. Peter am Ottersbach, Gosdorf, Murfeld und Ratschendorf Standortbereiche für Abfallbehandlungsanlagen, respektive für Restmülldeponien festgelegt. In der nachfolgenden Liste werden die betroffenen Grundstücke angeführt. Diese Grundstücke sind von Nutzungen freizuhalten, welche einer bestimmungsgemäßen Nutzung entgegenstehen."

Eine Erläuterung der Gründe für die raumordnungsfachliche Vorauswahl, insbesondere für die fehlende Berücksichtigung der bestehenden Deponie Halbenrain, findet sich ebensowenig wie eine Auseinandersetzung mit den Planungsabsichten des Abfallwirtschaftsverbandes Radkersburg.

Mit einem neuerlichen, an den Abfallwirtschaftsverband Radkersburg gerichteten Schreiben der Fachabteilung Ic des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 11. Mai 1994 "wird bestätigt, daß nach ho. Ansicht der Deponiestandort Halbenrain im regionalen Entwicklungsprogramm angeführt gehört ... . Die ho. Fachabteilung war bei der Endabfassung des revidierten Entwicklungsprogrammes für den Bezirk Radkersburg nicht eingebunden."

2.3. Der Verfassungsgerichtshof entnimmt dem unter 2.2. dargestellten Sachverhalt, daß die Steiermärkische Landesregierung vor Festlegung der als Standortbereiche für Abfallbehandlungsanlagen vorgesehenen Grundstücke in ihrer Verordnung über das Entwicklungsprogramm Radkersburg keine hinreichende Grundlagenforschung angestellt hat, aus der sich der Verzicht auf den bereits bestehenden Deponiestandort Halbenrain ableiten ließe. Die Steiermärkische Landesregierung ist mithin vor Erlassung ihrer Verordnung vom 12. Juli 1993 ihrer Verpflichtung gemäß §4 in Verbindung mit §8 Abs3 Stmk. ROG nicht zureichend nachgekommen.

2.4. Die Steiermärkische Landesregierung hat ferner ihre Verpflichtung zur Koordinierung ihrer Planung mit den Planungen des Abfallwirtschaftsverbandes Radkersburg gemäß §6 Z2 Stmk. ROG sowie ihre Verpflichtung zur Bedachtnahme auf die Planungen des Abfallwirtschaftsverbandes Radkersburg gemäß §8 Abs5 Stmk.

ROG nicht hinlänglich beachtet: Weder den Erläuterungen zur Verordnung noch dem, dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Verordnungsakt lassen sich Gründe entnehmen, aus denen sich die im Entwicklungsprogramm Radkersburg fehlende Berücksichtigung des bestehenden und vom Abfallwirtschaftsverband Radkersburg zur Erweiterung vorgeschlagenen Standortbereiches Halbenrain rechtfertigen ließe.

In Anbetracht der diesbezüglich völlig fehlenden Überlegungen im, dem Verfassungsgerichtshof zu B1727/94 vorgelegten Verordnungsakt, der insoweit unwidersprochen gebliebenen Ausführungen des Beschwerdeführers in jenem Verfahren und nicht zuletzt auf Grund des Schweigens der Steiermärkischen Landesregierung im Verordnungsprüfungsverfahren geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, daß die Berücksichtigung des Deponiestandortes Halbenrain im regionalen Entwicklungsprogramm Radkersburg aus unsachlichen Erwägungen unterblieben ist und daher dem Gleichheitssatz zuwiderläuft. Insbesondere wurden von der Steiermärkischen Landesregierung keine "raumordnungsfachlichen Gesichtspunkte" aufgezeigt, die den von der Fachabteilung für Abfallwirtschaft des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vorgetragenen Gesichtspunkten, die für den Ausweis eines Deponiestandortes im Bereich Halbenrain sprechen, entgegenstehen.

Der Verfassungsgerichtshof übersieht nicht, daß er in VfSlg. 13231/1992 einen mit Jänner 1991 datierten Entwurf eines Entwicklungsprogramms Radkersburg als Argument dafür gelten ließ, daß einer Erweiterung der Abfallbehandlungsanlage in der Gemeinde Halbenrain - seinerzeit - überörtliche Interessen entgegenstanden. Er hält es gleichwohl mit den dargestellten Rechtsgrundlagen eines gehörigen Planungsverfahrens für unvereinbar, daß im endgültigen, am 12. Juli 1993 beschlossenen Entwicklungsprogramm entgegen den zeitgerecht (im April 1993) geäußerten Planungsabsichten des Abfallwirtschaftsverbandes Radkersburg und der Stellungnahme der für die Abfallwirtschaft zuständigen Fachabteilung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung ohne ein Wort der Begründung - sei es in den Erläuterungen zum Entwicklungsprogramm Radkersburg, sei es zumindest in dem dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden, möglicherweise unvollständigen Verordnungsakt - Halbenrain als Deponiestandort schlechthin vernachlässigt wird.

Die Z2 des §3 Abs8 der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 12. Juli 1993, mit der ein regionales Entwicklungsprogramm für die Planungsregion (politischer Bezirk) Radkersburg erlassen wird, LGBl. für die Steiermark Nr. 8/1994, war sohin gemäß Art139 Abs1 B-VG als gesetzwidrig aufzuheben.

3. Die Verpflichtung der Steiermärkischen Landesregierung zur Kundmachung der Aufhebung ergibt sich aus Art139 Abs5 B-VG.

Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Raumordnung, Planungsakte (Raumordnung), Verordnungserlassung, Abfallwirtschaft, Mülldeponie

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:V48.1996

Dokumentnummer

JFT_10038999_96V00048_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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