TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/26 W129 2156081-1

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Veröffentlicht am 26.07.2019
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Entscheidungsdatum

26.07.2019

Norm

B-KUVG §90 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
GehG §23a
GehG §23b
GehG §83c
VwGVG §28 Abs2
WHG §9

Spruch

W129 2156081-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde von GrInsp. XXXX gegen den Bescheid des Landespolizeidirektors Niederösterreich vom 14.02.2017, GZ: P6/20795/OZ-1/2016-PA, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der Spruch des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe bestätigt, dass es zu lauten hat:

"Der Antrag des Beschwerdeführers wird als unbegründet abgewiesen."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben vom 19.02.2016 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Auszahlung des Schmerzensgelds gemäß § 83c GehG und des Verdienstentganges gemäß § 9 WHG. In diesem führte er zusammengefasst und sinngemäß aus, dass er sich am 05.11.2015 um ca. 16.00 Uhr während seines 12-stündigen Dienstes, nach einer mobilen Streifentätigkeit, beim Ausstiegen aus dem Dienst Kfz, indem er mit dem linken Fuß (Sohle der Halbschuhe) in dem, im Bereich der Dienst-Garagen befindlichen, Kanalgitter hängen geblieben sei, verletzt habe. Dadurch habe er sich den linken Knöchel verdreht und sei zu Sturz gekommen. Beim reflexartigen Versuch sich abzustützen, sei er mit dem rechten Ellenbogen gegen die B-Säule des DienstKfz gestoßen. Er habe dabei eine Zerrung/Dehnung im linken Sprunggelenk bzw. eine starke Prellung im rechten Ellenbogen erlitten. Aufgrund dieses Unfalles sei er bis einschließlich 06.12.2015 und - nach dem Versuch einer vergeblichen Dienstverrichtung am 09.12.2015 - ab dem 10.12.2015 bis einschließlich 06.01.2016 im Krankenstand gewesen. Der Unfall sei von der BVA als Dienstunfall anerkannt worden. Von der Landespolizeidirektion sei ein Verdienstentgang von brutto EUR 2.469,60 berechnet worden.

2. Im Zuge der Niederschrift vom 13.09.2016 gab der Beschwerdeführer an, dass er um bescheidmäßige Ablehnung seines diesbezüglichen Ansuchens gem. § 83c GehG iVm dem WHG ersuche, um ein Rechtsmittel in Anspruch nehmen zu dürfen.

3. Der Spruch des angefochtenen Bescheides der Landespolizeidirektion Niederösterreich (im Folgenden: belangte Behörde) vom 14.02.2017 lautet wie folgt:

"Ihr Antrag auf Zuerkennung von Ausgleichsmaßnahmen für entgangenes Schmerzengeld gemäß § 4 Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz (WHG) iVm § 83c Gehaltsgesetz 1956 (GG) vom 13. September 2016 wird als unbegründet abgewiesen."

Begründend wurde zusammengefasst und im Wesentlichsten ausgeführt, dass es sich um einen Dienstunfall gehandelt habe, den er beim Aussteigen aus einem Dienstfahrzeug, nach einer mobilen Streifentätigkeit, zum Zwecke eines Batteriewechsels für ein Lasergerät, erlitten habe. Es handelt sich daher keinesfalls um einen Dienst- oder Arbeitsunfall, der in unmittelbarer Ausübung exekutivdienstlicher Pflichten erlitten worden sei. Darüber hinaus habe er sich ohne Fremdverschulden verletzt. Somit könne ein Schmerzensgeldanspruch nicht gerichtlich durchgesetzt werden. Schon der Wortlaut der Überschrift des § 83c GehG bringe zum Ausdruck, dass eine Leistung auf dieser Grundlage nur dann erfolgen könne, wenn überhaupt ein Anspruch auf Schmerzensgeld bestehe.

4. Mit Beschwerde vom 19.03.2017 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichsten zusammengefasst und sinngemäß vor, dass in der Begründung angeführt werde, dass das Zustandekommen der Verletzung "nach" einer mobilen Streifentätigkeit und "vor" dem durch das BPK angeordneten Verkehrsüberwachungsdienst passiert sei - beides würden exekutivdienstliche Pflichten darstellen. Im Bescheid sei angeführt worden, dass es sich nicht um einen Dienstunfall "in Ausübung von unmittelbaren exekutivdienstlichen Pflichten" gehandelt habe - diesbezüglich ersuche er, ihm mitzuteilen, wann der sicherheitspolizeiliche Streifendienst (exekutivdienstliche Pflicht) geendet habe, bzw wann der durch das BPK angeordnete Verkehrsüberwachungsdienst (ebenfalls eine exekutivdienstliche Plicht) mit Geschwindigkeitsmessung begonnen hätte und was die Zeit zwischen diesen beiden exekutivdienstlichen Pflichten darstelle. Auch könne nicht nachvollzogen werden, dass nach Ansicht der belangten Behörde kein Anspruch gemäß § 83c GehG bestehe, weil die Formulierung einen Täter voraussetze.

5. Am 08.05.2017 langte das Schreiben beim Bundesverwaltungsgericht ein, mit dem die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt vorlegte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

Der Beschwerdeführer verletzte sich am 05.11.2015, um ca. 16.00 Uhr, beim Aussteigen aus dem Dienstfahrzug, während seines 12-stündigen Dienstes nach einer mobilen Streifentätigkeit, zum Zwecke des Batteriewechsels für ein Lasergerät, indem er mit dem linken Fuß (Sohle der Halbschuhe), im Bereich der Dienstgaragen bzw. vor den Dienstgaragen befindlichen Kanalgitter hängen blieb. Dadurch verdrehte er sich den linken Knöchel und kam zu Sturz. Beim reflexartigen Versuch sich abzustützen, stieß er mit dem rechten Ellenbogen gegen die B-Säule des Dienst-Kfz. Die Verletzung zog er sich ohne Fremdverschulden/Fremdeinwirkung zu. Er erlitt dabei eine Zerrung/Dehnung im linken Sprunggelenk bzw. erlitt starke Prellung im rechten Ellenbogen.

Aufgrund des Unfalles war er bis einschließlich 06.10.2015 und - nach dem vergeblichen Versuch einer Dienstverrichtung am 09.12.2015 - ab dem 10.12.2015 bis einschließlich 06.01.2016 erwerbsunfähig.

Der Unfall wurde von der BVA als Dienstunfall anerkannt.

Von der Landespolizeidirektion wurde ein Verdienstentgang von brutto EUR 2.469,60 berechnet.

2. Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, insbesondere dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dem angefochtenen Bescheid sowie der Beschwerde. Der maßgebliche Sachverhalt ist nicht strittig.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend die genaue Örtlichkeit ist auszuführen, dass der belangten Behörde zu folgen ist, dass der genaue Ort keinen Einfluss auf die rechtliche Beurteilung hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß Art. 30 der Dienstrechts-Novelle 2018, BGBl. I Nr. 60/2018, wurden "das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz -WHG, BGBl. Nr. 177/1992, zuletzt geändert durch das 2. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl. I Nr. I Nr. 35/2012, und die Bundesministeriengesetz-Novelle 2017, BGBl. I Nr. 164/2017", mit Ablauf des 30. Juni 2018 aufgehoben.

§ 23a und § 23b Gehaltsgesetz 1956 (GehG) lauten:

Besondere Hilfeleistungen

§ 23a. Der Bund hat als besondere Hilfeleistung die vorläufige Übernahme von Ansprüchen zu erbringen, wenn

1. eine Beamtin oder ein Beamter

a) einen Dienstunfall gemäß § 90 Abs. 1 des Beamten-Kranken-und Unfallversicherungsgesetzes - B-KUVG, BGBl. Nr. 200/1967, oder

b) einen Arbeitsunfall gemäß § 175 Abs. 1 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955,

in unmittelbarer Ausübung ihrer oder seiner dienstlichen Pflichten erleidet, und

2. dieser Dienst- oder Arbeitsunfall eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung zur Folge hatte und

3. der Beamtin oder dem Beamten dadurch Heilungskosten erwachsen oder ihre oder seine Erwerbsfähigkeit voraussichtlich durch mindestens zehn Kalendertage gemindert ist.

Vorschuss zur besonderen Hilfeleistung

§ 23b. (1) Der Bund leistet als besondere Hilfeleistung einen Vorschuss (vorläufige Übernahme von Ansprüchen), wenn

1. sich die Beamtin oder der Beamte im Zusammenhang mit einem Dienst- oder Arbeitsunfall im Sinne des § 23a Abs. 1 an einem Strafverfahren beteiligt, das nach Prüfung des Bestandes der Ansprüche mit einer rechtskräftigen Entscheidung über Ersatzansprüche der Beamtin oder des Beamten oder der Hinterbliebenen gegen den Täter abgeschlossen wird, oder

2. solche Ersatzansprüche der Beamtin oder des Beamten im Zivilrechtsweg nach Prüfung des Bestandes der Ansprüche rechtskräftig zugesprochen werden.

(2) Ein Vorschuss nach Abs. 1 Z 1 und Z 2 ist höchstens bis zum 27-fachen Referenzbetrag gemäß § 3 Abs. 4 für Heilungskosten, Schmerzengeld sowie für jenes Einkommen, das der Beamtin oder dem Beamten wegen der erlittenen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung entgangen ist oder künftig entgeht, zu leisten.

(3) Das Schmerzengeld und das Einkommen gemäß Abs. 2 umfassen auch die jeweils bis zur rechtskräftigen Entscheidung über Ersatzansprüche anfallenden Zinsen.

(4) Ist eine gerichtliche Entscheidung über die Ansprüche gemäß Abs. 2 unzulässig, kann diese nicht erfolgen oder ist diese ohne Prüfung des Bestandes der Ansprüche erfolgt, hat die Dienstbehörde nach Prüfung des Bestandes der Ansprüche die Heilungskosten sowie jenes Einkommen, das der Beamtin oder dem Beamten wegen der erlittenen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung entgangen ist oder künftig entgeht, zu ersetzen. Die Zahlung von Schmerzengeld ist nach Prüfung des Bestandes der Ansprüche höchstens bis zum fünffachen Referenzbetrag gemäß § 3 Abs. 4 möglich. Die Gesamtkosten dürfen jedoch jene gemäß Abs. 2 nicht überschreiten.

(5) Die vorläufige Leistungspflicht des Bundes besteht nur insoweit, als die Ansprüche der Beamtin oder des Beamten nicht durch die gesetzliche Unfallversicherung oder nach dem Bundesgesetz über die Gewährung von Hilfeleistungen an Opfer von Verbrechen, BGBl. Nr. 288/1972, gedeckt sind.

(6) Die Ansprüche der Beamtin oder des Beamten gegen die Täterin oder den Täter gehen, soweit sie vom Bund bezahlt werden, durch Legalzession auf den Bund über.

3.2. Wenn das Verwaltungsgericht in der Sache selbst entscheidet, hat es seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten; allfällige Änderungen des maßgeblichen Sachverhalts und der Rechtslage sind also zu berücksichtigen (siehe VwGH vom 30.03.2017, Ro 2015/03/0036).

Mit der Dienstrechtsnovelle 2018, BGBl. I Nr. 60/2018, erfolgte eine Gleichstellung der übrigen Bundesbediensteten mit Wachebediensteten bei schweren Dienstunfällen. Im Zuge dessen erfolgte die Eingliederung der Kernbestimmungen des Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetzes - WHG, BGBl. Nr. 177/1992, in die §§ 23a ff GehG und wurde ebenso der bisherige § 83c GehG in diese Bestimmungen eingearbeitet. Auch wenn in den erläuternden Bestimmungen (196 dB, XXVI. GP, S.27) ausgeführt wird, dass bei Anlassfällen bis zum Ablauf des 30. Juni 2018 noch das WHG zur Anwendung kommt, lässt sich dies aus den gesetzlichen Bestimmungen nicht entnehmen. Ebenso wenig handelt es sich gegenständlich um einen zeitraumbezogenen Abspruch. Demnach ist die zum Zeitpunkt dieser Entscheidung maßgebliche Rechtslage zu berücksichtigen.

3.3. Der Beschwerdeführer hat sich gegenständlich bei einem Dienstunfall iSd § 90 Abs. 1 B-KUVG verletzt und war dadurch bis einschließlich 06.10.2015 und - nach dem vergeblichen Versuch einer Dienstverrichtung am 09.12.2015 - ab dem 10.12.2015 bis einschließlich 06.01.2016 an der Ausübung seines Dienstes verhindert. Es ist daher zu prüfen, ob der Bund im Sinne des § 23a (f) GehG als besondere Hilfeleistung die vorläufige Übernahme von Ansprüchen zu erbringen hat.

Gemäß § 23b GehG leistet der Bund als besondere Hilfeleistung einen Vorschuss (vorläufige Übernahme von Ansprüchen), wenn

1. sich die Beamtin oder der Beamte im Zusammenhang mit einem Dienst- oder Arbeitsunfall im Sinne des § 23a Abs. 1 an einem Strafverfahren beteiligt, das nach Prüfung des Bestandes der Ansprüche mit einer rechtskräftigen Entscheidung über Ersatzansprüche der Beamtin oder des Beamten oder der Hinterbliebenen gegen den Täter abgeschlossen wird, oder

2. solche Ersatzansprüche der Beamtin oder des Beamten im Zivilrechtsweg nach Prüfung des Bestandes der Ansprüche rechtskräftig zugesprochen werden.

Beides liegt unstrittig gegenständlich nicht vor. Auch in ihrer Beschwerde hat der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet, dass Fremdverschulden vorliegt.

Mangels eines Anspruches des Beschwerdeführers war die Beschwerde daher abzuweisen.

3.4. Darüber hinaus wäre auch nach der alten Rechtslage der Anspruch zu verneinen gewesen:

§ 83c GehG 1956 aF lautete wie folgt:

"Ausgleichsmaßnahme für entgangenes Schmerzensgeld

§ 83c. Dem Beamten des Exekutivdienstes, der die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Z 1 und 2 des Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetzes, BGBl. Nr. 177/1992, erfüllt, kann, wenn eine gerichtliche Entscheidung über den geltend gemachten Schmerzensgeldbetrag nicht zulässig ist oder nicht erfolgen kann, eine einmalige Geldaushilfe bis zur Höhe des [...] Referenzbetrages gemäß § 3 Abs. 4 gewährt werden. Abweichend von § 1 gilt dies auch für im Exekutivdienst verwendete Vertragsbedienstete."

Die Bestimmungen des Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz (WHG) aF lauten auszugsweise, wie folgt:

"Voraussetzungen für die Hilfeleistungen

§ 4. (1) Der Bund hat die besondere Hilfeleistung an Wachebedienstete zu erbringen, wenn

1. ein Wachebediensteter

a) einen Dienstunfall gemäß § 90 Abs. 1 B-KUVG, BGBl. Nr. 200/1967, oder

b) einen Arbeitsunfall gemäß § 175 Abs. 1 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955,

in unmittelbarer Ausübung seiner exekutivdienstlichen Pflichten erleidet, und

2. dieser Dienst- oder Arbeitsunfall eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung zur Folge hatte und

3. dem Wachebediensteten dadurch Heilungskosten erwachsen oder seine Erwerbsfähigkeit voraussichtlich durch mindestens zehn Kalendertage gemindert ist.

Z 3 ist nicht auf die Vorschussleistung von Schmerzensgeld nach § 9 Abs. 1a anzuwenden.

(2) - (3) [...]

Vorläufige Übernahme von Ansprüchen durch den Bund

Voraussetzungen

§ 9. (1) Der Bund leistet als Träger von Privatrechten an den Wachebediensteten oder an seine Hinterbliebenen einen Vorschuß, wenn

1. sich der Wachebedienstete oder seine Hinterbliebenen im Zusammenhang mit einem Dienst- oder Arbeitsunfall im Sinne dieses Bundesgesetzes an einem Strafverfahren beteiligen, das mit einer rechtskräftigen Entscheidung über Ersatzansprüche des Wachebediensteten oder seiner Hinterbliebenen gegen den Täter abgeschlossen wird, oder

2. solche Ersatzansprüche dem Wachebediensteten oder seinen Hinterbliebenen im Zivilrechtsweg rechtskräftig zugesprochen werden.

(1a) - (1b) [...]

(2) Ist eine gerichtliche Entscheidung über Ersatzansprüche unzulässig oder kann sie nicht erfolgen, so leistet der Bund ausgenommen beim Schmerzengeld an den Wachebediensteten oder an seine Hinterbliebenen einen den persönlichen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Wachebediensteten oder seiner Hinterbliebenen angemessenen Vorschuss. Dieser Vorschuß ist höchstens bis zum 60fachen Betrag des jeweiligen, für die Gewährung von Ausgleichszulagen gemäß § 293 Abs. 1 lit. b ASVG maßgebenden Richtsatzes zu leisten.

(3) Die vorläufige Leistungspflicht des Bundes nach Abs. 1 und 2 besteht nur insoweit, als die Ansprüche des Wachebediensteten oder seiner Hinterbliebenen nicht durch die gesetzliche Unfallversicherung oder nach dem Bundesgesetz über die Gewährung von Hilfeleistungen an Opfer von Verbrechen, BGBl. Nr. 288/1972, gedeckt sind.

[...]"

Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus Folgendes:

Die Zuerkennung einer Ausgleichsmaßnahme für entgangenes Schmerzensgeld gemäß § 83c GehG 1956 aF setzt voraus, dass ein Anspruch auf Schmerzensgeld überhaupt entstanden ist und eine gerichtliche Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch auf Schmerzensgeld unzulässig oder nicht möglich ist.

Der Beschwerdeführer hat sich die Verletzung ohne fremdes Zutun zugezogen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 13.11.2014, 2011/12/0037, ausgeführt, dass die Zuerkennung einer Geldaushilfe gemäß § 83c GehG 1956 aF nicht in Betracht kommt, wenn die Schadenszufügung ohne fremde Einwirkung, somit ohne Zutun einer anderen Person, erfolgt ist und kein gegen eine andere Person gerichteter Schmerzensgeldanspruch besteht.

Voraussetzung für die Zuerkennung einer Ausgleichsmaßnahme gemäß § 83c GehG 1956 aF ist daher, dass der Schaden dem Beamten durch eine andere Person zugefügt worden ist. Eigenverschulden des Beamten bzw. eine Verletzung ohne fremdes Zutun schließen daher von vornherein einen Anspruch auf Schmerzensgeld und damit auch auf Zahlung einer Ausgleichsmaßnahme für entgangenes Schmerzensgeld aus.

Für dieses Ergebnis sprechen nach den Ausführungen des VwGH im oben genannten Erkenntnis auch die Gründe für die Einführung des § 83c GehG 1956 aF: Das WHG regelt unter anderem die vorläufige Übernahme von Ansprüchen des Wachebediensteten oder seiner Hinterbliebenen durch den Bund, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Gemäß § 9 Abs. 1 WHG aF leistet der Bund als Träger von Privatrechten an den Wachebediensteten oder an seine Hinterbliebenen einen Vorschuss, wenn sich der Wachebedienstete oder seine Hinterbliebenen im Zusammenhang mit einem Dienst- oder Arbeitsunfall im Sinne des WHG an einem Strafverfahren beteiligen, das mit einer rechtskräftigen Entscheidung über Ersatzansprüche des Wachebediensteten oder seiner Hinterbliebenen gegen den Täter abgeschlossen wird, oder wenn solche Ersatzansprüche dem Wachebediensteten oder seinen Hinterbliebenen im Zivilrechtsweg rechtskräftig zugesprochen werden. Ist eine gerichtliche Entscheidung über Ersatzansprüche unzulässig oder kann sie nicht erfolgen, so leistet der Bund gemäß § 9 Abs. 2 WHG aF ausgenommen beim Schmerzensgeld an den Wachebediensteten oder an seine Hinterbliebenen einen den persönlichen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Wachebediensteten oder seiner Hinterbliebenen angemessenen Vorschuss. § 9 WHG aF stellt somit auf gegen den Täter gerichtete Ersatzansprüche ab, für die der Bund unter bestimmten Voraussetzungen einen Vorschuss leistet.

§ 83c GehG 1956 aF wurde eingeführt, um auch Wachebediensteten, über deren bei Gericht geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch eine gerichtliche Entscheidung nicht zulässig (unbekannter Täter) oder nicht erfolgen kann (abwesender oder flüchtiger Täter) und die deshalb auch nicht in den Genuss eines Vorschusses nach § 9 WHG aF gelangen können, einen gewissen Ausgleich für entgangenes Schmerzensgeld und die im dienstlichen Einsatz erlittene Unbill gewähren zu können. Aufgrund dieses Zusammenhangs zwischen § 9 WHG aF und § 83c GehG 1956 aF ergibt sich, dass die Wendung "wenn eine gerichtliche Entscheidung über den geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch nicht zulässig ist oder nicht erfolgen kann" in § 83c GehG 1956 aF darauf abstellt, dass eine gerichtliche Entscheidung über den geltend gemachten Schmerzensgeldbetrag gegen den Täter nicht zulässig ist oder nicht erfolgen kann. Auch diese Überlegungen führen zu dem Ergebnis, dass ein Anspruch auf eine Ausgleichsmaßnahme gemäß § 83c GehG 1956 aF nicht besteht, wenn eine Schadenszufügung ohne Fremdeinwirkung erfolgte und somit kein gegen eine andere Person gerichteter Schmerzensgeldanspruch besteht.

Daher scheidet - auch nach der alten Rechtslage - das Bestehen eines Schmerzensgeldanspruchs im Beschwerdefall mangels Schadenszufügung durch eine andere Person (einen Täter), von der ein Schmerzensgeld hätte gefordert werden können, aus.

Da im vorliegenden Beschwerdefall von einem Dienstunfall mit Verletzungsfolgen ohne Fremdeinwirkung auszugehen ist, hätte aus den angeführten Erwägungen - auch nach der alten Rechtslage - kein Anspruch des Beschwerdeführers auf eine Ausgleichsmaßnahme für entgangenes Schmerzensgeld gemäß § 83c GehG 1956 aF bestanden.

Weiters ist zu beachten:

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 20.10.2014, GZ. 2010/12/0178, ausgeführt, dass durch § 4 Abs. 1 Z. 1 und 2 WHG alle Arbeits- und Dienstunfälle erfasst würden, die in unmittelbarer Ausübung exekutivdienstlicher Pflichten erlitten wurden, und eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung zur Folge hatten. Die - im Anlassfall zu beurteilende - Teilnahme an einem Einsatztraining, bei dem der Beamte einen Dienstunfall erlitten hatte, weil ihn ein Kollege im Zuge des Techniktrainings bei einer Schießstandanlage niedergerissen hatte, wurde als unmittelbare Ausübung exekutivdienstlicher Pflichten qualifiziert, da die Teilnahme an einem derartigen Einsatztraining zu den exekutivdienstlichen Pflichten des Beamten gehört und wurde auch von ihm unmittelbar ausgeübt.

Im gegenständlichen Fall verletzte sich der Beschwerdeführer am 05.11.2015, um ca. 16.00 Uhr, beim Aussteigen aus dem Dienstfahrzug, während seines 12-stündigen Dienstes nach einer mobilen Streifentätigkeit, zum Zwecke des Batteriewechsels für ein Lasergerät, indem er mit dem linken Fuß (Sohle der Halbschuhe), im Bereich der Dienstgaragen befindlichen Kanalgitter hängen blieb. Gemäß § 5 Abs. 3 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) besteht der sicherheitspolizeiliche Exekutivdienst aus dem Streifen- und Überwachungsdienst, der Ausübung der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht, der Gefahrenabwehr sowie aus dem Ermittlungs- und dem Erkennungsdienst. Der Dienstunfall des Beschwerdeführers stand in keinem Zusammenhang zu einer derartigen exekutivdienstlichen Tätigkeit. Es handelt sich daher - vor dem Hintergrund der oben dargestellten Rechtslage (aF) - keinesfalls um einen Dienst- oder Arbeitsunfall, den der Beschwerdeführer in unmittelbarer Ausübung seiner exekutivdienstlichen Pflichten erlitten hätte.

Angesichts der oben dargestellten alten Rechtslage ist daher davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer auch nach der alten Rechtslage ein Anspruch auf Zuerkennung eines Vorschusses nach dem WHG zu verneinen wäre.

3.5. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden, da der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt ist und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Die Lösung des Falles hängt ausschließlich von Rechtsfragen ab. Der zugrundeliegende Sachverhalt ist nicht strittig. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S 389, entgegen.

Zu Spruchpunkt B):

4.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

4.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt. Insbesondere fehlt es an einer Rechtsprechung zur mit BGBl. I Nr. 60/2018 erfolgten Neugestaltung der "besonderen Hilfeleistung" gemäß § 23a ff GehG. Über die in einem vergleichbaren Fall (BVwG 06.03.2019, W128 2187053-1) eingebrachte ordentliche Revision wurde - soweit ersichtlich - bis dato noch nicht abgesprochen.

Schlagworte

Anspruchsvoraussetzungen, besondere Hilfsleistung für
Wachebedienstete, Dienstunfall, Eigenverschulden,
Entschädigungsantrag, Körperverletzung, Polizist, Rechtslage,
Schmerzengeld, Verdienstentgang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W129.2156081.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.01.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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