TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/8 96/08/0121

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Veröffentlicht am 08.09.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des Ing. J in W, vertreten durch Dr. Stefan Petrofsky, Rechtsanwalt in Wien XIX, Pyrkergasse 36, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 20. Dezember 1995, Zl. Abt. 12/7022/7100B, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Arbeitsamtes Versicherungsdienste vom 13. Dezember 1994, mit dem die Zuerkennung der dem Beschwerdeführer gewährten Notstandshilfe für die Zeiträume 30. November 1988 bis 31. Jänner 1989, 12. Februar 1989 bis 30. November 1990 und 30. November 1992 bis 31. Dezember 1993 widerrufen und der Beschwerdeführer zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen in der Höhe von insgesamt S 208.628,-- verpflichtet worden war, keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

Diese Entscheidung begründete die belangte Behörde im wesentlichen wie folgt:

"Sie haben in den spruchrelevanten Zeiträumen Notstandshilfe bezogen.

Wie nachträglich dem Arbeitsmarktservice bekannt wurde, erzielten Sie jedoch gleichzeitig ein Einkommen aus einer Tätigkeit zur Fa. V., das im monatlichen Durchschnitt die jeweiligen Geringfügigkeitsgrenzen nach § 5 Abs. 2 ASVG in Verbindung mit § 12 Abs. 6 AlVG überschritt. Da Sie demzufolge nicht als arbeitslos anzusehen waren und Sie überdies diese Tätigkeit dem Arbeitsmarktservice nicht gemeldet hatten, erging der erstinstanzliche Bescheid.

Dagegen haben Sie Berufung eingebracht und darin den grundsätzlichen Erhalt dieser Zahlungen in der vom Arbeitsmarktservice festgestellten Höhe nicht bestritten.

Sie wandten aber ein, daß Sie diese Zahlungen für Ihre in Polen lebende Schwester übernommen hätten, die grundsätzlich dafür berechtigt gewesen sei.

Im Rahmen des Berufungsverfahrens wurden Sie dazu persönlich gehört (am 13.4.95) und wurde Ihnen zum Nachweis Ihrer Ausführungen eine Frist gesetzt, die Sie jedoch ungenützt verstreichen ließen.

Der ho. zuständige Ausschuß vertrat in freier Beweiswürdigung die Auffassung, daß die von Ihnen übernommenen Geldleistungen von der Fa. V. auch Ihnen als persönliche Einkünfte zuzurechnen sind.

Die von Ihnen dabei als Einkünfte erzielten Beträge übersteigen im monatlichen Durchschnitt die jeweils geltenden

Geringfügigkeitsgrenzen:

Geringfügigkeitsgrenzen:

Jahr  Gesamteinkünfte   mtl. Durchschnitt Geringfügigkeitsgrenze

1988  S 174.165,--      S 14.514,--       S 2.527,--

1989  S 178.149,--      S 14.846,--       S 2.593,--

1990  S 212.582,--      S 17.715,--       S 2.658,--

1991  S 738.245,--      S 61.520,--       S 2.772,--

1992  S 756.297,--      S 63.025,--       S 2.924,--

1993  S 653.056,--      S 54.421,--       S 3.102,--

Aufgrund dieser Einkünfte war Arbeitslosigkeit von 1988 b. 1993 gemäß § 12 Abs. 6 AlVG nicht gegeben und daher die zuerkannte Leistung gemäß § 24 Abs. 2 AlVG zu widerrufen. Indem Sie diese Tätigkeit dem Arbeitsmarktservice nicht rechtzeitig gemeldet hatten, ist auch der Tatbestand des § 25 Abs. 1 AlVG erfüllt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Nach dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten wurden die Ermittlungen, die zur Erlassung des erstinstanzlichen und des angefochtenen Bescheides führten, durch eine am 25. November 1993 eingelangte anonyme Anzeige ausgelöst. Vor der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides wurde u.a. am 16. Dezember 1993 eine Niederschrift mit dem Beschwerdeführer aufgenommen (Aktenblatt 246), ein Erhebungsblatt über Ermittlungen an Ort und Stelle angelegt (Aktenblatt 255), ein Zeuge befragt (Aktenblatt 260a), eine Auskunft der im angefochtenen Bescheid genannten Gesellschaft eingeholt (Aktenblatt 262), ein Telefonat mit dem Beschwerdeführer geführt (Aktenblatt 263), die schon erwähnte Gesellschaft um weitere Auskünfte ersucht (Aktenblatt 273, 274, 298) und eine weitere Niederschrift mit dem Beschwerdeführer aufgenommen (Aktenblatt 315). In einem Nachtrag zu seiner Berufung legte der Beschwerdeführer Urkunden vor, die beweisen sollten, daß nicht er, sondern seine in Polen lebende Schwester die Provisionszahlungen erhalten habe (Aktenblatt 346a). Am 3. April 1995 wurde mit dem Beschwerdeführer eine Niederschrift über seine angeblichen Auslandsaufenthalte aufgenommen (Aktenblatt 349). In einer weiteren Niederschrift wurde einem Mitarbeiter seines Rechtsvertreters "das Schreiben" der genannten Gesellschaft (welches, geht aus der Niederschrift nicht hervor) zur Kenntnis gebracht und für die angekündigte schriftliche Stellungnahme eine Frist bis zum 12. Mai 1995 gesetzt (Aktenblatt 350). Statt der angekündigten Stellungnahme teilte der Rechtsvertreter in der Folge mit, daß er den Beschwerdeführer nicht mehr vertrete (Aktenblatt 361).

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides u.a. die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammenzufassen. Diese Zusammenfassung wird kurz ausfallen können, wenn keine einander widersprechenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vorliegen oder eine Partei den für sie nachteiligen Ermittlungsergebnissen nur die pauschale Behauptung eines wenig wahrscheinlichen Sachverhaltes entgegenstellt. Tritt an die Stelle einer Darlegung der maßgeblichen Erwägungen jedoch - wie im vorliegenden Fall - in bezug auf die strittigen und für die Entscheidung maßgeblichen Beweisfragen der bloße Hinweis auf eine "in freier Beweiswürdigung" vertretene "Auffassung", so wird die Grenze zwischen freier Beweiswürdigung und Willkür verwischt (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 1056, Entscheidung 89 zu § 60 AVG). Ein solcher Begründungsmangel wird auch durch ausführliche Darlegungen in der Gegenschrift nicht saniert.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 8. September 1998

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996080121.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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