TE Vwgh Beschluss 1998/9/9 98/04/0057

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.09.1998
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §8;
GewO 1994 §356 Abs3;
GewO 1994 §359 Abs1;
GewO 1994 §74 Abs2 Z2;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §81;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, in der Beschwerdesache 1.) des L K, 2.) des H N, beide in S, beide vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 10. Februar 1998, Zl. WST1-BA-212/22, betreffend Verfahren gemäß § 81 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: T-AG in S, vertreten durch Dr. K und DDr. P, Rechtsanwälte), den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich wurde der mitbeteiligten Partei die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung ihrer an einem näher bezeichneten Standort bestehenden Betriebsanlage durch näher bezeichnete Veränderungen unter Vorschreibung von Auflagen gemäß den §§ 81, 77, 74 Abs. 2, § 359 Abs. 1 erster und zweiter Satz GewO 1994 und § 93 Abs. 2 ASchG erteilt. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Auch die mitbeteiligte Partei beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer nach ihrem gesamten Vorbringen durch den angefochtenen Bescheid in ihren aus der Gewerbeordnung erfließenden Nachbarrechten verletzt.

Die Beschwerde ist nicht zulässig.

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und sonstigen Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994 in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden,

2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen, ...

Gemäß § 356 Abs. 3 leg. cit. sind im Verfahren unter anderem zur Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 16. April 1985, Slg. N. F. Nr. 11.745/A, unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung dargelegt hat, liegt eine Einwendung im Sinne der eingangs dargestellten Gesetzeslage nur dann vor, wenn der Beteiligte (hier: der Nachbar) die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht. Dem betreffenden Vorbringen muß jedenfalls

entnommen werden können, daß überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes behauptet wird, und ferner, welcher Art dieses Recht ist. Das heißt, es muß auf einen oder mehrere der im § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1994, im Falle des § 74 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. auf einen oder mehrere der dort vorgeschriebenen Alternativtatbestände (Geruch, Lärm, Rauch, Staub , Erschütterung oder eine "in anderer Weise" auftretende Einwirkung) abgestellt sein. Im vorliegenden Fall erstatteten die Beschwerdeführer nach Erlassung der Kundmachung für die erstbehördliche Augenscheinsverhandlung folgenden mit 15. Dezember 1995 datierten Schriftsatz:

"Einwände, welche in Vorbereitung der für den 21.12.1995 um 8.30 Uhr an Ort und Stelle anberaumten mündlichen Verhandlung erhoben werden.

1.

Wir stellen fest:

1.1

Die Anlage, die aufgrund des positiven Genehmigungsbescheides aus dem Jahre 1991 umgebaut werden sollte, ist nicht umgebaut worden, sodaß nach wie vor jene Anlagen bestehen, wie sie vor 1991 bestanden haben.

1.2

Der jetzt eingereichte Antrag hat mit dem Genehmigungsbescheid aus dem Jahre 1991 nichts zu tun. Denn die jetzt beschriebene Technologie der beabsichtigten Änderung ist von der Technologie, wie sie im Genehmigungsbescheid aus 1991 genannt ist, völlig verschieden.

2.

Auf Seite 3 der Beilage 1 des gegenständlichen Antrages der Antragstellerin wird ausgeführt, man habe nicht vor, die 1991 genehmigte Ausweitung zu realisieren, sondern lediglich die Produktionslinie B 3 in der Halle Süd, wie sie schon jetzt betrieben wird, auf den letzten Stand der Fertigungstechnologie anzuheben. Diese Ausführungen sind unvollständig und daher unrichtig. Denn aus der Beschreibung des geplanten Umbaus wird deutlich, daß nicht nur eine Anhebung der Fertigungstechnologie auf den letzten Stand geplant ist, sondern auch eine wesentliche Vergrößerung der bisher ausgestoßenen Abgasmenge.

Die bisherige Produktion von 80 Tonnen/24 Stunden (die Anlage, wie sie durch den Bescheid von 1974 genehmigt wurde, ist auf diese Produktionsmenge ausgelegt) soll nun auf eine Produktion von 102 Tonnen/24 Stunden Glas (Seite 30 der Beilage I) erweitert werden. Eine Steigerung von 80 Tonnen auf 102 Tonnen bedeutet eine Produktionserhöhung um 28 %!

Dementsprechend wird auch die Abgasmenge größer.

Die Abgasmenge von bisher 186000 Nm 3/h wird laut Seite 32 der Beilage auf 250000 Nm/h gesteigert, was einer Vergrößerung der Abgasmenge um 34 % entspricht!

Wir als Anrainer sind daher besonders besorgt, daß die Vergrößerung der Produktion und damit auch der sogar überproportionalen Vergrößerung der Abgasmenge (statt 28 % Produktionssteigerung wird die Abgasmenge um 34 % gesteigert) für die Umwelt und im konkreten für uns Anrainer negative Auswirkungen hat.

Wir als Anrainer haben grundsätzlich nichts dagegen, daß die Anlage in der nunmehr geplanten Form vergrößert wird, es muß jedoch gleichzeitig garantiert sein, daß die Beeinträchtigungen der Umwelt und der Anrainer nicht größer werden als bisher, und zwar in der Form, daß konkrete Auflagen erteilt, ein Probebetrieb durchgeführt und sowohl während des Probebetriebes wirksame Messungen als auch nach dem Probebetrieb nach einer endgültigen Genehmigung wiederum laufende Messungen durchgeführt werden. Darüberhinaus müssen die Anrainer die Möglichkeit haben, laufend in die Meßdaten, und zwar sowohl der Emissionen als auch der Immissionen, Einsicht haben.

3.

Im Konkreten müssen der Weg der Genehmigung und die Bescheide, die erlassen werden, den im Nachstehenden beschriebenen Weg gehen und die dementsprechenden Auflagen enthalten, was wir hiermit beantragen:

1. Es ist als jeweiliger Maximalwert festzusetzen:

1.1 für den Massenstrom pro Schadstoffanteil,

1.2 für die Schadstoffe gemessen als Halbstundenmittelwert in Kilogramm.

2. Die Werte haben sich auf folgende Schadstoffe zu beziehen:

-

Formaldehyd

-

Phenol

-

Gesamt-Kohlenstoff

-

Staub

-

Fluorwasserstoff

-

Ammoniak

-

und allfällige andere gesundheitsgefährdende Stoffe

              3.              Als maximale Emissionsgrenzwerte müssen jene festgesetzt werden, die in Spalte 2 der Emissionsgrenzwerte-Tabelle in Beilage 1 auf Seite 32 aufscheinen, jedoch nicht für 250000 Nm/h, sondern reduziert auf maximal 186000 Nm 3/h.

(Damit soll gewährleistet werden, daß die Schadstoffmenge trotz erhöhter Abgasmenge nicht größer wird. Die in Spalte 2 angeführten Werte müssen daher im Verhältnis von 250 : 186 reduziert werden, das heißt um 25,6 % auf 74,4 % der dort genannten Werte. Lediglich in Fußnote sei bemerkt: Die Antragstellerin ist durchaus in der Lage, wesentlich geringere Emissionsgrenzwerte zu erzielen, wie sie es selbst in Spalte 3 der genannten Tabelle anführt.)

              4.              Maximale Immissionswerte sind festzusetzen.

4.1 Auf Basis dieser Emissionswerte (Punkt 3) muß nun eine Immissionsprognose vorgenommen werden, und zwar pro Wetterlage an den immissionsmäßigen Schwerpunkten der Umgebung.

4.2 Die so prognostizierten Werte müssen auf ihre Gesundheitsschädlichkeit beurteilt werden (z.B. ist Formaldehyd krebsfördernd).

4.3. Dann erfolgt die Festsetzung der maximal zulässigen Immissionwerte.

5. Die Genehmigung der Anlage darf zuerst nur für einen Probebetrieb auf ein Jahr erteilt werden, in welchem Emissionen und Immissionen laufend gemessen und darauf überprüft werden müssen, ob sie die gesetzten Maximalwerte nicht überschreiten.

Bei den Messungen sowohl der Emissionen als auch der Immissionen muß darauf Rücksicht genommen werden, daß es verschiedene Betriebszustände gibt, also jeweils verschiedene Produkte erzeugt werden, die eine Veränderung der jeweiligen Abgasmenge und ihrer Zusammensetzung zur Folge haben. Die unterschiedlichen Emissionen differieren bis zu 300 % (siehe Meßprotokolle aus 1991).

6. Erst dann, wenn der Probebetrieb erfolgreich, das heißt auflagenmäßig, stattgefunden hat, darf der endgültige Bescheid erlassen werden.

Dort ist aber auch als Auflage vorzusehen, daß laufende Messungen im Halbstundenrhythmus stattfinden und die Meßprotokolle einmal monatlich bei der Gewerbebehörde zur öffentlichen Einsicht durch die Anrainer

aufgelegt werden.

Aus all den angeführten Gründen wird beantragt,

die beantragte Genehmigung der Betriebsanlage nur in der Form und unter den Auflagen zu erteilen, wie wir es beantragt haben."

In der Augenscheinsverhandlung 21. Dezember 1995 beantragten die Beschwerdeführer, "den Auflagenpunkt 33 und 34 des Bescheides vom 17.9.1991 im konkreten Verfahren nochmals als Auflage vorzuschreiben". Ferner beantragten sie die Einholung eines forsttechnischen Sachverständigen zur Feststellung, ob die Grenzwerte der Forstverordnung 1984 für Immissionen von Fluorwasserstoff und Ammoniak durch die beantragte Anlage überschritten werden oder nicht. In der mündlichen Augenscheinsverhandlung vom 26. Jänner 1996 beantragten die Beschwerdeführer die Aufnahme weiterer konkret formulierter Auflagen in den Genehmigungsbescheid und nahmen kritisch gegen das Gutachten eines Amtssachverständigen Stellung. Diesen Erklärungen ist die Behauptung, die Beschwerdeführer befürchteten, durch das in Rede stehende Projekt in einem konkret bezeichneten subjektiven Recht im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1994 verletzt zu werden, nicht zu entnehmen. Ihr Vorbringen erschöpft sich vielmehr in Hinweisen auf diverse Punkte, die von der Behörde bei Erlassung des Genehmigungsbescheides zu beachten sein werden und in der Forderung nach Vorschreibung bestimmter Auflagen. Dieses Vorbringen stellt daher auch in seiner Gesamtheit keine Einwendungen im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994 dar, weshalb dadurch auch eine Parteistellung der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verwaltungsverfahren nicht begründet wurde. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine auf Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG gestützte Beschwerde nur dann zulässig, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des von ihm geltend gemachten Beschwerdepunktes in einem gesetzlich normierten subjektiven Recht verletzt wurde. Dies gilt selbst dann, wenn dem Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren zu Unrecht Parteistellung zuerkannt worden sein sollte.

In den in der Gewerbeordnung 1994 festgelegten Nachbarrechten können Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 GewO 1994 durch einen nach § 77 oder nach § 81 in Verbindung mit § 77 leg. cit. ergehenden Genehmigungsbescheid nur im Rahmen ihrer nach § 356 Abs. 3 leg. cit. rechtzeitig erhobenen Einwendungen, mit denen sie ihre Parteistellung im Genehmigungsverfahren begründet haben, verletzt werden (vgl. zum Ganzen den hg. Beschluß vom 28. Jänner 1993, Zl. 92/04/0211). Da die Beschwerdeführer, wie oben dargelegt, mangels Erhebung geeigneter qualifizierter Einwendungen im vorliegenden Verfahren keine Parteirechte erworben haben, können sie auch durch den angefochtenen Bescheid nicht in diesbezüglichen Rechten verletzt sein.

Die Beschwerde war daher zufolge des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung ohne weiteres Eingehen auf den Inhalt des Beschwerdevorbringens gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens der mitbeteiligten Partei betrifft die in der verzeichneten Höhe nicht zu entrichtenden "Gebühren". Wien, am 9. September 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998040057.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten