TE Vfgh Erkenntnis 2019/12/12 E252/2019

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Veröffentlicht am 12.12.2019
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Index

L1000 Gemeindeordnung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall

Leitsatz

Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses im Anlassfall

Spruch

I. Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Das Land Tirol ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

1.        Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des in EZ 1502 vorgetragenen Grundstückes Nr 363/6 und des in EZ 719 vorgetragenen Grundstückes Nr 362/1, beide KG 81313 Zirl. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Zirl vom 18. Dezember 2012 wurde der Gemeinde die Straßenbaubewilligung für das Straßenbauvorhaben "Verbreiterung Freiungweg" unter Vorschreibung von Auflagen und Bedingungen erteilt. Gegen diesen Bescheid erhob unter anderem die Beschwerdeführerin Berufung an den Gemeindevorstand der Marktgemeinde Zirl, der dieser mit Bescheid vom 14. Juni 2013 keine Folge gab. Die gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde Zirl erhobene Vorstellung wurde von der Tiroler Landesregierung als Vorstellungsbehörde mit Bescheid vom 9. September 2013 als unbegründet abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 4. August 2015 als unbegründet ab. Die Straßenbaubewilligung erwuchs in Rechtskraft.

2.       Am 20. November 2014 beschloss der Gemeinderat der Marktgemeinde Zirl die "Verordnung über die Erklärung einer Straße zur Gemeindestraße gem. §13 Tiroler Straßengesetz (Freiungweg)", die durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit von 24. November 2014 bis 9. Dezember 2014 kundgemacht wurde.

3.       Am 16. Oktober 2015 beantragte die Marktgemeinde Zirl bei der Tiroler Landesregierung als zuständige Enteignungsbehörde zur Verwirklichung des Straßenbauvorhabens die Einleitung des Enteignungsverfahrens. Im Verlauf des Enteignungsverfahrens konnten sich die Marktgemeinde Zirl und die Beschwer-deführerin auf eine Entschädigungsvereinbarung einigen, die die Entscheidung der Behörde über die Vergütung gemäß §68 Abs3 des Gesetzes vom 16. November 1988 über die öffentlichen Straßen und Wege (Tiroler Straßengesetz), LGBl 13/1989, (im Folgenden: Tir StraßenG), ersetzte.

4.       Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 29. August 2017 wurde je eine Teilfläche der beiden Grundstücke der Beschwerdeführerin enteignet. Die dau-erhaft beanspruchten Teilflächen wurden für dauernd lastenfrei erklärt. Für die Vergütung der enteigneten Grundstücksteile wurde gemäß §69 Abs3 Tir StraßenG eine Entschädigungsvereinbarung zwischen der Marktgemeinde Zirl und der Beschwerdeführerin abgeschlossen, welche die Entscheidung der Behörde über die Vergütung ersetzt. Diese Entschädigungsvereinbarung wurde dem Enteignungsbescheid zugrunde gelegt. Die Leistungsfrist für die Marktgemeinde Zirl für die Entrichtung des festgelegten Vergütungsbetrages an die Beschwerdeführerin wurde mit vier Wochen nach Eintritt der Rechtskraft des Enteignungsbescheides festgesetzt.

5.       Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde wies das Landesverwal-tungsgericht Tirol ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Er-kenntnis vom 3. Dezember 2018 als unbegründet ab.

6.       Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungs-gesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.

7.       Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs1 Z2 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Zahlenfolge "363/6, 362/1," in §1 der "Verordnung über die Erklärung einer Straße zur Gemeindestraße gem. §13 Tiroler Straßengesetz (Freiungweg)" des Gemeinderates der Marktgemeinde Zirl vom 20. November 2014, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit von 24. November 2014 bis 9. Dezember 2014, ein. Mit Erkenntnis vom 3. Dezember 2019, V83/2019, hob er die "Verordnung über die Erklärung einer Straße zur Gemeindestraße gem. §13 Tiroler Straßengesetz (Freiungweg)" des Gemeinderates der Marktgemeinde Zirl vom 20. November 2014 zur Gänze auf.

8.       Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

8.1.    Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat eine gesetzwidrige Verordnung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war.

8.2.    Die Beschwerdeführerin wurde also durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg 10.303/1984, 10.515/1985).

8.3.    Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

9.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

10.      Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlassfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2019:E252.2019

Zuletzt aktualisiert am

28.01.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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