TE OGH 2017/10/12 22R14/17i

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Veröffentlicht am 12.10.2017
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Das Landesgericht Korneuburg als Berufungsgericht hat durch seine Richter Mag Iglseder als Vorsitzenden sowie Mag Jarec LLM und Mag Straßl in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei C***** S*****, vertreten durch Nitsch Pajor Zöllner Rechtsanwälte OG in Wien, wider die beklagte und widerklagende Partei Verlassenschaft nach E***** L***** (verst 29.05.2016), vertreten durch Dr Alfred Steinbuch, Rechtsanwalt in Wien, wegen € 12.202,40 sA (führendes Verfahren 3 C 95/14t) und € 24.852,-- sA (verbundenes Verfahren 3 C 334/14i) infolge Berufung der klagenden und widerbeklagten Partei (Berufungs-interesse: jeweils € 6.252,40) gegen das Urteil des Bezirks-gerichts Schwechat vom 20.01.2017, 3 C 95/14t-74, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben, und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass es zu lauten hat:

„[A] im führenden Verfahren:

[1] Die Klagsforderung besteht mit € 12.202,40 zu Recht.

[2] Die Gegenforderung besteht nicht zu Recht.

[3] Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei € 12.202,40 samt 4 % Zinsen aus € 2.040,-- ab 11.03.2013, aus € 2.462,-- ab 04.07.2013 und aus € 7.700,-- ab 03.12.2013 zu zahlen.

[4] Die Kostenentscheidung bleibt bis zur Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten.

[B] im verbundenen Verfahren:

[1] Das Klagebegehren, die widerbeklagte Partei sei schuldig, der widerklagenden Partei € 24.852,-- samt 4 % Zinsen aus diesem Betrag ab 04.12.2013 zu zahlen, wird abgewiesen.

[2] Die Kostenentscheidung bleibt bis zur Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten.“

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger und Widerbeklagte war ab 07.03.2013 Mieter des straßenseitig gelegenen Gebäudeteils des auf der Liegenschaft 2326 Maria Lanzendorf, F*****, situierten Hauses. E**** L*****, die vormalige Beklagte und Widerklägerin (aus Gründen der Übersichtlichkeit weiterhin als die Beklagte bezeichnet) war Vermieterin. Die Parteien vereinbarten die Vollanwendung des MRG. Bei Anmietung erlegte der Kläger eine Kaution von € 2.550,--, hinsichtlich derer einen Zinsenzuwachs von € 50,-- unstrittig ist. Das Mietverhältnis endete durch Aufkündigung durch den Kläger zum 30.11.2013. Am 03.12.2013 stellte er das Bestandobjekt an die Beklagte zurück.

Der Kläger begehrte im führenden Verfahren den Zuspruch von € 12.202,40 samt Zinsen und brachte dazu im Wesentlichen vor, dass die (vorzeitige) Beendigung des Mietverhältnisses allein auf das schuldhafte Verhalten der Beklagten zurückzuführen gewesen sei. Sie habe ihm daher aus dem Titel des Schadenersatzes die frustrierte Maklerprovision von € 2.040,-- und die Übersiedlungskosten von € 5.100,-- zu ersetzen. Unabhängig davon habe er Anspruch auf Rückzahlung der Kaution von € 2.600,--. Überdies habe sich die Beklagte schon im Mietvertrags verpflichtet, die Kosten für die notwendigen Umbauarbeiten für den Bodenaufbau in der Küche zu ersetzen; diesbezüglich habe er € 2.462,40 aufgewendet.

Der Beklagte begehrte die Klagsabweisung, bestritt, und brachte zusammengefasst Folgendes vor: Da es der Kläger selbst gewesen sei, der das Bestandverhältnis beenden habe wollen, hafte sie nicht für Maklerprovision und Umzugskosten. Im Übrigen habe sie das Mietobjekt bei Vertragsbeginn in ordnungsgemäßem Zustand übergeben; der Kläger habe aber unsachgemäße Sanierungsarbeiten – insbesondere durch Herausreißen von Fußböden sowie mangelhafte Verlegung von Fliesen und einer Gasleitung – durchgeführt und daher das Mietobjekt schadhaft zurückgestellt, wobei die Sanierungskosten von € 21.116,40 (einschließlich der Kosten von € 300,-- für eine Kommissionierung durch das Gaswerk aufgrund der Verlegung einer Gasleitung durch den Kläger) die Klagsforderung übersteigen und dem allenfalls zu Recht bestehenden Klagebegehren aufrechnungsweise entgegengehalten würden. (Aufgrund eines Rechenfehlers im Schriftsatz ON 5 ist die Gegenforderung allerdings im Umfang von – erkennbar doppelt verrechneten - € 5.258,40 unschlüssig.)

Als Widerklägerin im verbundenen Verfahren begehrte die Beklagte – wiederum rechnerisch nicht vollständig nachvollziehbar – den Zuspruch von € 24.852,-- samt Zinsen; und zwar die bereits im führenden Verfahren aufrechnungsweise eingewendeten Sanierungskosten von insgesamt € 15.558,-- (davon € 10.299,60 für das Entfernen unsachgemäß verlegten Fliesen im Wohnraum und € 5.258,40 für Trockenbaumaßnahmen) zuzüglich der € 300,-- für das Gaswerk und € 9.600,-- für einen Mietzinsentgang von zwölf Monaten aufgrund der vom Widerbeklagten herbeigeführten Unvermietbarkeit.

Der Kläger und Widerbeklagte bestritt im führenden Verfahren die Gegenforderung und beantragte im verbundenen Verfahren die Klagsabweisung. Die Beklagte habe durch seine Umbauarbeiten keinen Schaden erlitten; vielmehr habe er durch seine Arbeiten zur Verbesserung des Bestandobjekts beigetragen. Schließlich habe die Beklagte bei der Rückstellung des Mietobjekts auch bestätigt, dass keine Schäden oder Mängel vorlägen. Auch seien die begehrten Sanierungskosten überhöht. Bei den Kosten des Gaswerks handle sich um Sowieso-Kosten. Einen Mietzinsentgang – insbesondere in der angegebenen Dauer – habe er nicht zu verantworten.

Des Weiteren wendete der Widerbeklagte die im führenden Verfahren klagsweise geltend gemachten Beträge im verbundenen Verfahren aufrechnungsweise ein und erstattete dazu kongruentes Vorbringen.

Mit dem angefochtenen Urteil stellte das Erstgericht im führenden Verfahren die Klagsforderung mit € 9.402,40 (Punkt 1.) und die Gegenforderungen mit € 3.452,40 (Punkt 2.) als zu Recht bestehend fest, verhielt die Beklagte daher zur Zahlung von € 5.950,-- samt Zinsen (Punkt 3.) und wies das Mehrbegehren von € 2.600,-- samt Zinsen ab (Punkt 4.); im verbundenen Verfahren stellte es die Klagsforderung mit € 3.452,40 (Punkt 5.) und die Gegenforderung bis zur Höhe der Klagsforderung (Punkt 6.) als zu Recht bestehend fest und wies das „darüber hinausgehende“ Klagebegehren von „€ 21.399,60“ ab. Die Kostenentscheidung behielt es sich (bis zur Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache) vor. Dazu traf es die aus den Seiten 11 bis 16 der Urteilsausfertigung ON 74 ersichtlichen Feststellungen, auf die verwiesen wird. In rechtlicher Hinsicht führte es zunächst aus, dass die Beklagte dem Kläger die Kosten der vereinbarten Fußbodensanierung in der angemessenen Höhe von € 2.262,40 zu ersetzen habe. Im übrigen sei der Kläger berechtigt gewesen zahlreiche (weitere) Umbauarbeiten durchzuführen. Diese Umbauten sollten im Bestandobjekt verbleiben, eine Wiederherstellungsverpflichtung sei nicht vereinbart worden. Daher könne der Kläger nicht verpflichtet werden, die Kosten für die Wiederherstellung der Umbauarbeiten zu ersetzen. Ein Bestandnehmer habe allerdings das Bestandobjekt ohne Schäden zurückzustellen; lediglich die durch den vertragsgemäßen Gebrauch bewirkte Abnützung habe der Vermieter (entschädigungslos) zu dulden. Da der Kläger die Umbauarbeiten teilweise nicht fertiggestellt habe – etwa indem er zahlreiche Dübellöcher zurückgelassen habe – könne von einer normalen Abnutzung nicht die Rede sein. Der Kläger sei daher zur Zahlung der Sanierungskosten von € 4.952,40 ebenso verpflichtet wie zur Zahlung der Kosten für die Abnahme der neu errichteten Gasleitung von € 300,-- und des Mietzinsentgangs von € 800,-- für einen Monat, in dem die Sanierungsarbeiten abgeschlossen werden hätten können. Die Beklagte sei berechtigt, diese Forderungen mit dem Kautionsrückforderungsanspruch des Klägers zu verrechnen. Durch das Verhalten der Beklagten gegenüber dem Kläger sei es diesem nicht mehr zumutbar gewesen, das Bestandverhältnis fortzusetzen, sodass dieser berechtigt gewesen sei, das Bestandverhältnis gemäß § 1117 ABGB aufzulösen. Als Folge dessen hätten sich die Kosten für die Entrichtung der Maklerprovision von € 2.040,-- sowie die Umzugskosten von € 5.100,-- als frustriert herausgestellt, sodass die Beklagte dafür Schadenersatz zu leisten habe. Wenn in einer Entscheidung über zwei verbundene Rechtssachen sowohl über Gegenforderungen als auch über idente Widerklageforderungen zu entscheiden sei, könne bei Beurteilung des Widerklagebegehrens noch nicht über die Tilgungswirkung der Gegenforderung abgesprochen werden, weil diese erst mit Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung eintrete. Daher könne die teilweise Tilgung des Widerklagebegehrens durch ihre erfolgreiche Berücksichtigung als Gegenforderung nicht zu einer entsprechenden Klagsabweisung führen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers und Widerbeklagten aus den Berufungsgründen der Aktenwidrigkeit, der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung einschließlich des Fehlens von Tatsachenfeststellungen mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben, und das Widerklagebegehren zur Gänze abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt der Berufung keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist berechtigt.

Aus Gründen der Vereinfachung ist sogleich auf die Rechtsrüge einzugehen, weil sich – auch schon aufgrund des vom Erstgericht festgestellten Sachverhalts – das Klagebegehren im führenden Verfahren zur Gänze als berechtigt, das Widerklagebegehren im verbundenen Verfahren hingegen als zur Gänze unberechtigt erweist.

Zusammengefasst meint der Berufungswerber, dass er nicht zur Wiederherstellung des von ihm verursachten – im Zeitpunkt der Rückstellung des Bestandobjekts – mangelhaften Zustands desselben verpflichtet gewesen sei, weil die Beklagte die Auflösung des Mietverhältnisses verschuldet habe.

Diese Ausführungen sind im Kern zutreffend. Das Erst- gericht hat das Verhalten der Beklagten gegenüber dem Kläger während des aufrechten Bestandverhältnisses detailliert festgestellt und daraus stichhaltig – und im übrigen (im Zusammenhang mit dem Ersatz von Maklerprovision und Umzugskosten) von der Beklagten unbekämpft – den Schluss gezogen, dass dieses Verhalten eine sofortige Auflösung des Mietverhältnisses durch den Kläger gerechtfertigt habe. Dass der Kläger stattdessen das Bestandverhältnis (wohl fristwidrig und formungültig) aufgekündigt hat, ist dabei unschädlich (7 Ob 322/00d = immolex 2001/99). Ist der Vermieter aber berechtigt, das Mietverhältnis unverzüglich aufzulösen, kann er - außer etwa bei Gefahr im Verzug - auch nicht gehalten sein, bereits begonnene Sanierungsmaßnahmen im Bestandobjekt zu einem Abschluss zu bringen. Den erstgerichtlichen Feststellungen (UA S 13 f) lässt sich nun entnehmen, dass der vom Kläger geschaffene, im Zeitpunkt der Rückstellung mangelhafte Zustand des Bestandobjekts – vor allem in Form offener Bohr- und Dübellöcher, Wand- und Deckenöffnungen sowie fehlender Fliesen - allein darauf zurückzuführen war, dass die bereits begonnenen Sanierungsarbeiten noch nicht abgeschlossen waren; während die von der Beklagten behauptete mangelhafte Ausführung bereits fertig gestellter Sanierungsarbeiten – vor allem die Neuverfliesung des Bodens – oder andere, mit den Sanierungsarbeiten in keinem Zusammenhang stehende Beschädigungen gerade nicht vorlagen. Der Kläger hat also keinen Ersatz für (weitere) Sanierungsarbeiten zu leisten, die nur deshalb erforderlich wurden, weil er die Arbeiten aufgrund der berechtigten Auflösung des Bestandverhältnisses nicht mehr fertigstellen konnte, und die sich in Wahrheit als Fortsetzung der vom Kläger begonnenen Sanierungsarbeiten darstellen. Dieses Ergebnis findet auch in dem im erstinstanzlichen Verfahren erstatteten Vorbringen des Klägers, die Beklagte habe durch seine Umbauarbeiten keinen Schaden erlitten, Deckung. Folglich haftet er aber auch nicht für einen Mietzinsentgang für die Dauer der Durchführung dieser Arbeiten.

Das Erstgericht hat aber auch unbekämpft festgestellt, dass die Beklagte der Umgestaltung des Erdgeschosses zugestimmt habe. Dass davon die Neuverlegung der Gasleitung nicht umfasst gewesen wäre, hat es hingegen nicht festgestellt. Damit fehlt es auch an einem rechtswidrigen (vertragswidrigen) Verhalten des Klägers, das ihn hinsichtlich der Kosten der Kommissionierung der Gasleitung ersatzpflichtig machen würde.

Der Berufung war daher Folge zu geben, was im führenden Verfahren die Konsequenz hat, dass die Gegenforderungen nicht zu Recht bestehen, sodass dem Klagebegehren zur Gänze stattzugeben war; und im verbundenen Verfahren, dass die Klagsforderung (ohne Berücksichtigung einer Gegenforderung des Widerbeklagten) abzuweisen war.

Hat das Erstgericht die Kostenentscheidung vorbehalten, so hat auch das Berufungsgericht keine Kostenentscheidung zu treffen (§ 52 Abs 3 ZPO).

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision beruht auf §§ 500 Abs 2 Z 3 ZPO, weil eine Rechtsfrage der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität nicht zu beantworten war; die Revision ist daher - außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO – gemäß § 502 Abs 3 ZPO jedenfalls unzulässig.

Textnummer

EKO0000007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LG00119:2017:02200R00014.17I.1012.000

Im RIS seit

28.01.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.01.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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