TE Vwgh Erkenntnis 2019/12/10 Ra 2018/15/0123

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Veröffentlicht am 10.12.2019
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §183
BAO §269 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des J H in S, vertreten durch die Haslinger / Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Roseggerstraße 58, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 5. Oktober 2018, Zl. RV/5100951/2016, betreffend Umsatzsteuer 2012 (gemeint offenbar 2011), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis vom 25. Mai 2016, 2013/15/0293, verwiesen, mit dem der Verwaltungsgerichtshof den damals angefochtenen Bescheid des unabhängigen Finanzsenates betreffend Umsatzsteuerfestsetzung für Juli bis September 2011 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben hat. 2 Strittig war der Vorsteuerabzug für den Erwerb einer Liegenschaft, welchen die seinerzeit belangte Behörde dem Revisionswerber mit der Begründung versagte, dass er die Liegenschaft im zeitlichen Nahbereich zur späteren Insolvenz des Veräußerers, einer GmbH, deren Hauptgesellschafter und Hauptgläubiger er war, erworben hatte.

3 Der Verwaltungsgerichtshof sprach im Vorerkenntnis aus, mit dem bloßen Hinweis auf die zeitliche Nähe des Erwerbs zur Insolvenz des Veräußerers wird nicht plausibel gemacht, dass gegenständlich eine Konstellation vorläge, die eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der Missbrauchsthematik notwendig gemacht hätte. Dass durch die nachfolgende Insolvenz der GmbH der Umsatzsteueranspruch des Abgabengläubigers letztlich nicht zur Gänze realisierbar ist, ist nicht dem Revisionswerber in seiner Eigenschaft als Erwerber der Liegenschaft anzulasten, sondern ist ein allgemein mit Umsatzgeschäften verbundenes Risiko. Soweit der Bescheid auch darauf gestützt worden war, dass der Kaufpreis überhöht sei, wies der Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis darauf hin, dass in dem Ausmaß, in dem aus gesellschaftsrechtlichen Gründen ein überhöhter Kaufpreis gezahlt worden sein sollte, der Vorsteuerabzug nicht zustünde. 4 Mit dem hier angefochtenen - im fortgesetzten Verfahren ergangenen - Erkenntnis gab das mittlerweile zuständig gewordene Bundesfinanzgericht der Beschwerde gegen den gemäß § 253 BAO an die Stelle des Umsatzsteuerfestsetzungsbescheides Juli bis September 2011 getretenen Umsatzsteuerbescheid 2011 teilweise Folge.

5 Begründend führte das Bundesfinanzgericht aus, nach Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens sei davon auszugehen, dass der Verkehrswert der Liegenschaft zum Zeitpunkt des Erwerbs durch den Revisionswerber 1,032.000 EUR betragen habe. Der Revisionswerber habe die Liegenschaft um 1,7 Mio. EUR erworben. Im fortgesetzten Verfahren habe der Revisionswerber vorgebracht, dass auf Anraten des seinerzeitigen Steuerberaters F ein nicht zu weit unter dem Buchwert (von 2,171.089 EUR) liegender Kaufpreis angesetzt worden sei. Der Revisionswerber hätte sich sonst der Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung wegen des Vorwurfs der Untreue gemäß § 153 StGB oder der betrügerischen Krida iSd § 156 StGB ausgesetzt. Dem hielt das Bundesfinanzgericht entgegen, dass es nicht nachvollziehbar sei, wie ein Geschäftsführer, der eine Liegenschaft zum Verkehrswert veräußere, die genannten Straftatbestände erfüllen könnte, zumal es keine Seltenheit sei, dass der Buchwert nicht jenen Wert widerspiegle, der im realen Geschäftsleben erzielbar sei. Auch die (schriftliche) Zeugenaussage des F könne daran nichts ändern. Dieser habe zwar mit Schreiben vom 26. Juni 2016 bestätigt, dass der Kaufpreis vor dem Hintergrund seiner Beratung mit 1,7 Mio. EUR festgelegt worden sei, jedoch nicht angegeben, dass der Kaufpreis vereinbart worden sei, weil der Revisionswerber einer strafrechtlichen Verfolgung habe entgehen wollen. Der Antrag auf Ladung des F zur mündlichen Verhandlung sei abzuweisen, zumal kein persönliches Befragungsrecht von Zeugen durch den Abgabepflichtigen oder seinen Vertreter bestünde.

6 Der Revisionswerber habe somit keine Gründe aufzeigen können, warum eine der GmbH fremd gegenüberstehende Person bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes ebenfalls einen Kaufpreis bezahlt hätte, der fast 40 % über dem Verkehrswert der Liegenschaft liege. Der Vorsteuerabzug sei nur im Ausmaß des angemessenen Entgelts, gegenständlich also nur für den Betrag von 1,032.000 EUR zu gewähren.

7 Die ordentliche Revision ließ das Bundesfinanzgericht mit der Begründung nicht zu, dass es im Revisionsfall ausschließlich um die Würdigung der vorliegenden Beweismittel (Sachverständigengutachten, Zeugenaussagen) gehe und der Verwaltungsgerichtshof die zu Grunde liegende Rechtsfrage bereits mit dem Vorerkenntnis geklärt habe.

8 Dagegen wendet sich die außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Einleitung des Vorverfahrens erwogen hat:

9 Der Revisionswerber führt zur Zulässigkeit der Revision u. a. aus, er habe, um den Vorwurf einer subjektiven, auf Vorteilsgewährung gerichteten Willensentscheidung zugunsten der GmbH zu widerlegen, mit Schriftsatz vom 14. November 2016 beantragt, den Steuerberater F als Zeugen zu vernehmen. Mit Schreiben vom 18. Mai 2018 habe das Bundesfinanzgericht dem Zeugen das Vorbringen des Revisionswerbers zur Kaufpreisfindung vorgehalten und ihn aufgefordert, dazu schriftlich Stellung zu nehmen. In seiner schriftlichen Antwort vom 26. Juni 2018 habe F bestätigt, dass er den Rat erteilt habe, den Kaufpreis am Buchwert zu orientieren und mit 1,7 Mio. EUR zu bemessen. Mit welcher Begründung er diesen Rat erteilt habe (Gefahr des Vorwurfs einer verdeckten Einlagenrückgewähr bzw. Gewinnausschüttung, Untreue, betrügerische Krida), habe F nicht ausgeführt. Da es bei mangelnder konkreter Fragestellung einem Zeugen nicht zugemutet werden könne, von sich aus zu erkennen und darauf einzugehen, welche Tatsachen entscheidungswesentlich seien, habe der Revisionswerber mit Eingabe vom 3. Juli 2018 um eine ergänzende Fragestellung ersucht und den Antrag gestellt, den Zeugen zur mündlichen Verhandlung zu laden. Das Bundesfinanzgericht habe dies abgelehnt. Die Ausführungen des Bundesfinanzgerichts, wonach keine Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung des Revisionswerbers bestanden habe, würden verkennen, dass es auf die subjektive Einschätzung des Revisionswerbers ankomme, welcher die Beratung durch den Steuerberater zu Grunde gelegen sei. Durch die Nichteinvernahme des vom Revisionswerber beantragten Zeugen zu diesem Punkt habe das Bundesfinanzgericht - wie im Einzelnen ausgeführt - auch gegen das dem Revisionswerber nach Art. 47 Abs. 2 GRC zukommende Recht auf ein faires Verfahren verstoßen. Das Bundesfinanzgericht sei dadurch zur völlig unvertretbaren Auffassung gelangt, dass beim Revisionswerber die Absicht auf Vorteilsgewährung vorgelegen habe.

10 Die Revision ist wegen des gerügten Verfahrensmangels zulässig und begründet.

11 Gemäß § 269 Abs. 1 BAO haben die Verwaltungsgerichte im Beschwerdeverfahren - abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen - die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden auferlegt und eingeräumt sind. Zu solchen Obliegenheiten und Befugnissen zählen insbesondere Beweisaufnahmen (vgl. VwGH 19.10.2016, Ra 2016/15/0058).

12 Nach § 270 BAO ist auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge im Beschwerdeverfahren Bedacht zu nehmen.

13 Gemäß § 183 Abs. 3 BAO ist von der Aufnahme von den Parteien beantragter Beweise abzusehen, wenn die unter Beweis zu stellenden Tatsachen als richtig anerkannt werden oder unerheblich sind, wenn die Beweisaufnahme mit unverhältnismäßigem Kostenaufwand verbunden wäre, oder wenn sich aus den Umständen erhellt, dass die Beweise in der offenbaren Absicht, das Verfahren zu verschleppen, angeboten worden sind.

14 Die Aussage eines Zeugen kann schriftlich eingeholt werden, wenn die Abgabenbehörde (das Bundesfinanzgericht) das persönliche Erscheinen des Zeugen nicht für erforderlich erachtet (§ 173 Abs. 1 iVm § 269 Abs. 1 BAO).

15 Im Revisionsfall hat das Bundesfinanzgericht dem Antrag des Revisionswerbers auf ergänzende Zeugenvernehmung zur Frage, wie der Steuerberater seinen Rat hinsichtlich der Kaufpreisbemessung begründet habe, nicht entsprochen. Wenn es auch zutrifft, dass die Bundesabgabenordnung der Partei kein Recht auf Ladung eines Zeugen zur mündlichen Verhandlung einräumt, ändert dies nichts daran, dass ein insoweit unerledigter Beweisantrag vorlag. Da sich das Bundesfinanzgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung auf das Fehlen einer entsprechenden Bekundung durch den Zeugen gestützt und die behaupteten strafrechtlichen Bedenken des Revisionswerbers als nicht nachvollziehbar beurteilt hat, erweist sich der Verfahrensmangel auch als wesentlich.

16 Das angefochtene Erkenntnis war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

17 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 10. Dezember 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018150123.L00

Im RIS seit

18.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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