TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/9 98/04/0120

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.09.1998
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde der E K in L, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 19. März 1998, Zl. 320.064/1-III/A/2a/97, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Verfahren gemäß § 77 GewO 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides wies der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 19. März 1998 die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 3. September 1997 erhobene Berufung gemäß § 63 Abs. 3 AVG ohne weiteres Verfahren zurück. Die belangte Behörde führte hiezu im wesentlichen aus, der Bürgermeister der Stadt Linz habe mit Bescheid vom 3. März 1997 als Gewerbebehörde erster Instanz über Ansuchen einer näher bezeichneten Gesellschaft die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen für die Errichtung und den Betrieb einer Druckerei samt Druckveredelung in einem näher bezeichneten Standort erteilt. Gegen diesen Bescheid habe die Beschwerdeführerin, welche im Zuge des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens Einwendungen wegen Gefährdung der Gesundheit und unzumutbarer Belästigungen erhoben habe, Berufung erhoben. Diese sei mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 3. September 1997, soweit Gesundheitsgefährdungen durch die Betriebsanlage geltend gemacht wurden, als unbegründet abgewiesen, im übrigen als unzulässig zurückgewiesen worden. Gegen diesen Bescheid habe die Beschwerdeführerin mit Datum 6. Oktober 1997 neuerlich Berufung mit folgendem Wortlaut erhoben:

"Ich berufe gegen Ihren obigen Bescheid und bitte um Fristerstreckung des von Ihnen verlangten Berufungsantrages."

Eine Ergänzung des Berufungsvorbringens sei innerhalb der Berufungsfrist nicht erfolgt. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde hiezu aus, gemäß § 63 Abs. 3 AVG habe die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richte und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Bei der zweiwöchigen Berufungsfrist handle es sich um eine gesetzliche Frist, die nicht durch die Behörde erstreckt werden könne. Eine bloße Berufungsanmeldung äußere, sofern nicht innerhalb der Berufungsfrist eine dem § 63 Abs. 3 AVG entsprechende Berufung eingebracht werde, keine rechtlichen Wirkungen. Das Fehlen eines begründeten Berufungsantrages führe, da dieser Mangel nicht gemäß § 13 Abs. 3 AVG verbessert werden könne, zur Zurückweisung der Berufung. Da die gegenständliche Berufung außer dem - im Gesetz nicht vorgesehenen - Begehren auf Fristerstreckung zur Einbringung eines begründeten Berufungsantrages kein begründetes Berufungsvorbringen enthalte, sei diese in Anwendung des § 63 Abs. 3 AVG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in "ihrem einfachgesetzlichen Recht auf ein ordentliches Verfahren, insbesondere auf Fällung einer Sachentscheidung über ihre Berufung, sowie in ihrem Recht als Eigentümerin der Nachbarliegenschaft auf Schutz vor von der Betriebsanlage ausgehenden Gefahren gegen Leben und Gesundheit, sowie vor unzumutbarer Belästigung durch Immissionen verletzt". In Ausführung dieser Beschwerdepunkte bringt sie im wesentlichen vor, die Regelung des § 63 Abs. 3 AVG bezwecke, daß die Berufungsbehörde der Eingabe, mit der gegen die Entscheidung einer Unterbehörde ein Rechtsmittel erhoben werde, entnehmen könne, was mit dem Verfahrensschritt nach Absicht der Partei bezweckt werde. Ob eine Eingabe, die als ordentliches Rechtsmittel die Sachentscheidung der Oberbehörde herbeiführen wolle, diesen Voraussetzungen entspreche, müsse daher in jedem Einzelfall nach dessen besonderen Merkmalen beurteilt werden, ohne daß sich hiefür allgemeine Grundsätze aufstellen ließen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei eine formalistische Auslegung der Begriffsmerkmale eines begründeten Berufungsantrages den Verwaltungsverfahrensgesetzen fremd, doch müsse eine Berufung erkennen lassen, was die Partei anstrebe und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaube. § 63 Abs. 3 AVG dürfe daher nicht formalistisch ausgelegt werden. Wenn aus den Berufungsausführungen im Zusammenhang mit dem Verhalten der Partei im Verfahren vor der Unterinstanz mit Sicherheit erschlossen werden könne, was sie mit der Berufung anstrebe, könne diese auch, wenn sie keinen ausdrücklichen Berufungsantrag enthalte, nicht unter Berufung auf § 63 Abs. 3 AVG als unzulässig zurückgewiesen werden. Das Fehlen eines Berufungsantrages sei dann kein relevanter Mangel, wenn sich aus der Berufungsschrift mit hinreichender Klarheit ergebe, was die Berufungswerber beabsichtigten. Wenn sich aus dem Berufungsvorbringen im Hinblick auf das bisherige Verhalten der Partei deutlich erkennen lasse, aus welchen Gründen der Berufungswerber mit der Entscheidung der Erstbehörde nicht einverstanden gewesen sei, ergebe sich auch ohne formellen Berufungsantrag zweifelsfrei, was der Berufungswerber mit der Berufung anstrebe, nämlich eine Entscheidung in seinem Sinn. Aus dem Verhalten der Beschwerdeführerin im Verfahren, in dem sie von Anfang an die von der Anlage ausgehende Gefahr für Leben und Gesundheit und die dadurch für sie entstehenden Beeinträchtigungen geltend gemacht habe, sei zweifelsfrei zu entnehmen, worum es der Beschwerdeführerin auch in der zuletzt erhobenen Berufung gehe. Dieser Umstand vermöge das Erfordernis des begründeten Berufungsantrages im vorliegenden Fall zu ersetzen, zumal der belangten Behörde hätte klar sein müssen, daß die Beschwerdeführerin mit ihrer Berufung die Aufhebung und Abänderung des Bescheides des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 3. September 1997 dahingehend bezweckte, daß ihren Einwendungen wegen Lebens- und Gesundheitsgefährdung und wegen Unzumutbarkeit infolge von Immissionen Folge gegeben und die beantragte Betriebsanlagengenehmigung abgewiesen werde. Daß die rechtzeitige Ausarbeitung einer Berufung durch einen rechtskundigen Beistand nicht innerhalb der Berufungsfrist - wie von der Beschwerdeführerin beabsichtigt - erfolgt sei, entbinde die belangte Behörde im vorliegenden Fall nicht von ihrer Verpflichtung zur Entscheidung über die Berufung in der Sache selbst. Sie hätte der Berufung stattzugeben und den angefochtenen Bescheid aufzuheben bzw. den Antrag auf Bewilligung der Betriebsanlage abzuweisen gehabt.

Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.

Fehlt einer - fristgerecht eingebrachten - Berufung ein begründeter Berufungsantrag, so fehlt eines der Mindesterfordernisse, die an eine Berufung zu stellen sind, und es ist eine Berufung, die keinen begründeten Berufungsantrag enthält - unbeschadet der im Beschwerdefall unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht in Betracht zu ziehenden Bestimmung des § 61 Abs. 5 AVG - von der Behörde als unzulässig zurückzuweisen. Wenn auch bei der Beurteilung der für ein zur meritorischen Behandlung geeignetes Rechtsmittel im Gesetz aufgestellten Voraussetzungen eine streng formalistische Auslegung nicht anzuwenden ist, so hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung gleichwohl den Standpunkt vertreten, daß aus der Berufung zumindest erkennbar sein muß, aus welchen Gründen der angefochtene Bescheid bekämpft wird. Einer schriftlich oder telegrafisch eingebrachten Berufung, der nur zu entnehmen ist, daß der Einschreiter gegen einen bestimmten Bescheid einer bestimmten Verwaltungsbehörde Berufung erhebe, nicht aber welchen Antrag er stelle und worin er die Unrichtigkeit dieses Bescheides erblicke, mangelt ein derartiger begründeter Berufungsantrag (vgl. hiezu u.a. das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1991, Zl. 91/04/0141).

Im vorliegenden Fall enthält die Berufung der Beschwerdeführerin - auch nicht etwa in Form einer Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen im Verwaltungsverfahren - keine Andeutung darüber, worin die Unrichtigkeit der bisher ergangenen Bescheide, insbesondere jenes der zweitinstanzlichen Behörde, gelegen sein solle. Denn der im angefochtenen Bescheid angeführten Textierung ist nur das Begehren auf Fristerstreckung zur Einbringung eines begründeten Berufungsantrages zu entnehmen. Eine Ergänzung dieses Berufungsvorbringens innerhalb der Berufungsfrist ist ebenfalls nicht erfolgt.

Die Zurückweisung der Berufung durch die belangte Behörde erweist sich daher als frei von Rechtsirrtum.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998040120.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten