TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/10 96/15/0152

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Veröffentlicht am 10.09.1998
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

EStG 1972 §34 impl;
EStG 1988 §34 Abs1;
EStG 1988 §34 Abs3;
EStG 1988 §34;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des JH in G, vertreten durch Dr. Eduard Wegrostek, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Domgasse 6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 31. Mai 1996, Zl. GA 8 - 2129/95, betreffend Jahresausgleich 1993, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte, beim Jahresausgleich für das Jahr 1993 einen Betrag von S 920.000,-- als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 EStG 1988 zu berücksichtigen; dies mit folgender Begründung:

Sein Sohn habe ein altes Haus umgebaut und adaptiert und daraus ein schönes Gasthaus gemacht. Bei Betriebsaufnahme im Mai 1993 seien erhebliche Einrichtungskosten offen gewesen; hiezu wären Personal- und Betriebskosten gekommen. Schon im Juli 1993 seien einlangende Rechnungen in der Höhe von ca. S 500.000,-- nicht mehr finanzierbar gewesen. In dieser Situation habe der Beschwerdeführer im Hinblick auf die existenzgefährdende Notlage seines Sohnes einschreiten müssen und habe Zahlungen von insgesamt S 920.000,-- als Eigenerlag auf das Konto seines Sohnes vorgenommen.

Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung der erwähnten Zahlungen als außergewöhnliche Belastung mit der Begründung ab, Schuldtilgungen, die Übernahme von Verbindlichkeiten und Bürgschaften zur Abwehr einer existenzbedrohenden Notlage für in Bedrängnis geratene Angehörige stellten nach herrschender Lehre und Rechtsprechung keine zwangsläufig erwachsenen Aufwendungen dar.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Er machte geltend, der Betrieb des Sohnes sei "unter voller Beratung des WIFI" errichtet worden, habe sich aber von Anfang an entgegen dem Gutachten und den fundiert erscheinenden Annahmen entwickelt. Die Bau- und Investitionskosten seien unterschätzt worden, der Personalstand sei zu hoch gewesen. Ferner habe sich gezeigt, daß am Standort kein Markt für eine gehobene Küche sei. Mit den angeführten Zahlungen "in stiller Beteiligung" sei "nach den Akten des WIFI und nach unseren Absprachen meine Leistung erledigt" gewesen. Der Beschwerdeführer habe sich diesen rettenden Maßnahmen nicht entziehen können; niemand hätte es verstanden, wenn er seinen Sohn bei der gegebenen Sachlage im Stich gelassen hätte.

In seiner abweisenden Berufungsvorentscheidung hielt das Finanzamt dem Beschwerdeführer vor, bei der Beurteilung der Zwangsläufigkeit im Sinne des § 34 EStG 1988 käme es auf die Begründung des Schuldverhältnisses (Darlehen, Bürgschaft usw.) an. Bereits das Eingehen der zu späteren Zahlungen führenden Verpflichtung müsse zwangsläufig erfolgen. Die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schließe eine außergewöhnliche Belastung jedenfalls dann aus, wenn schon bei einer Betriebsgründung Bürgschaften übernommen sowie sonstige Unterstützungszusagen getätigt würden. Bei näherer Betrachtung des Falles stelle sich jedoch die Frage, ob eine außergewöhnliche Belastung vorliege, schon deshalb nicht, weil die Hingabe der S 920.000,-- nur eine Vermögensumschichtung darstelle. Nach der Aktenlage sei der Beschwerdeführer bei dem Förderungsansuchen seines Sohnes nämlich stets als echter stiller Gesellschafter des Unternehmens aufgetreten. Dies sei auch unbestritten. Infolge Fehleinschätzung des Marktes sei das Unternehmen des Sohnes in Schwierigkeiten geraten. Der Beschwerdeführer habe sich genötigt gesehen, dem Unternehmen zur Abwendung eines Insolvenzverfahrens weitere S 920.000,-- zur Verfügung zu stellen. Dadurch habe das Unternehmen und die Kapitalbeteiligung des Beschwerdeführers gerettet werden können. Der Verwaltungsgerichtshof habe jedoch klargestellt, daß Aufwendungen zur Vermeidung von Kapitalverlusten nicht abzugsfähig seien.

Der Beschwerdeführer beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Er brachte unter anderem vor, die Begründung der Berufungsvorentscheidung gehe am Sachverhalt vorbei. Den Darlegungen, die Hingabe des Betrages von S 920.000,-- stelle eine Vermögensumschichtung dar und der Beschwerdeführer scheine als echter stiller Gesellschafter des Unternehmens auf, hielt der Beschwerdeführer entgegen, es sei "nie die Rede von irgendeiner Beteiligung, irgendeinem Anspruch daraus oder einer stillen Gesellschaft gewesen". In seiner Berufung habe er daher auch die Bezeichnung "in stiller Beteiligung" in Anführungszeichen gesetzt. Vielmehr habe er seinen Sohn "pflichtgemäß bei der Existenzgründung geholfen und dann, als alles schief ging, nicht zur Rettung einer nicht vorhandenen Kapitalbeteiligung, sondern allein zur wirtschaftlichen und familiären Rettung meines Sohnes mein Jahreseinkommen hineingebuttert".

Die belangte Behörde hielt dem Beschwerdeführer vor, die Einsichtnahme in den Steuerakt seines Sohnes habe ergeben, daß in der Bilanz zum 31. Dezember 1993 unter "sonstige Verbindlichkeiten" eine Position "Verrechnung Dr. H." in Höhe von S 1,250.000,-- ausgewiesen sei. Eine außergewöhnliche Belastung liege nur dann vor, wenn Ausgaben getätigt werden, die zu einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder Wertverzehr, somit zu einer Vermögensminderung führten. Bloße Vermögensumschichtungen führten nicht zu einer außergewöhnlichen Belastung. Da dem hingegebenen, als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Betrag eine Forderung in der Höhe von S 1,250.000,-- gegenüberstehe, liege nach Auffassung der Berufungsbehörde eine Vermögensumschichtung vor.

Zu diesem Vorhalt erklärte der Beschwerdeführer - neben wiederholenden Hinweisen auf das schon bisher Vorgebrachte - die gegenständlichen Ausgaben hätten tatsächlich zu einem "endgültigen Verbrauch, Verschleiß und Wertverzehr, somit zu einer Vermögensminderung" geführt. Der Beschwerdeführer habe "Gründungsbeiträge zur Selbständigmachung und Unternehmensgründung für meinen Sohn (S 1,5 Mio a fonds perdu, S 1,5 Mio als Darlehen, nach neuer Sicht ebenfalls a fonds perdu) ohne jede Beteiligung im Jahre 1992 gegeben und selbstverständlich steuerlich nicht geltend gemacht. Was sich dann ab 1993 abspielt, sind einzig die sicher aus ganzer sittlicher Verpflichtung heraus für meinen Sohn und seine Familie gegebenen Existenzrettungsbeiträge, auf die alle gesetzlichen Voraussetzungen für außergewöhnliche Belastung zutreffen".

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der angefochtene, die Berücksichtigung des geltend gemachten Betrages von S 920.000,-- als außergewöhnliche Belastung verweigernde Bescheid beruht auf der Feststellung, in der Bilanz des Sohnes des Beschwerdeführers zum 31. Dezember 1993 sei unter den Verbindlichkeiten die Position "Verrechnung Dr. H." mit S 1,250.000,-- ausgewiesen. Dem daraus abgeleiteten Vorhalt, daß eine Vermögensumschichtung vorliege, sei der Beschwerdeführer in der Vorhaltsbeantwortung nicht substantiiert entgegengetreten. Dem hingegebenen, als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Betrag stehe somit eine Forderung in der Höhe von S 1,250.000,-- gegenüber. Es liege eine Vermögensumschichtung und keine außergewöhnliche Belastung vor.

Die belangte Behörde bezieht sich offenbar auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach unter den im § 34 EStG genannten Aufwendungen nur vermögensmindernde Ausgaben zu verstehen sind, die mit einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigen Wertverzehr verknüpft sind. Ihnen stehen die Ausgaben gegenüber, die nicht zu einer Vermögensminderung, sondern zu einer bloßen Vermögensumschichtung führen und die deshalb nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1985, Zl. 84/13/0113).

Insbesondere stellte eine Darlehensgewährung keine außergewöhnliche Belastung dar, weil sie nur zu einer Vermögensumschichtung führt; an die Stelle des hingegebenen Geldbetrages tritt die Forderung aus dem Darlehen (vgl. die Erkenntnisse vom 1. März 1989, Zl. 85/13/0091, vom 12. September 1989, Zl. 88/14/0163, vom 29. November 1990, Zl. 90/14/0228, und vom 7. August 1992, Zl. 91/14/0046).

Ergänzend ist in diesem Zusammenhang auf die Darlegungen des Erkenntnisses vom 12. September 1989, Zl. 88/14/0163, hinzuweisen, wonach (jedoch) im Ausfall einer zwangsläufig begründeten Darlehensforderung eine Aufwendung erblickt werden könnte, die das Einkommen des Jahres des Ausfalles belastet.

Die Beschwerde hält den oben wiedergegebenen Annahmen des angefochtenen Bescheides entgegen, es sei der "privatrechtliche Vermerk" in der Bilanz des Sohnes des Beschwerdeführers "als Bescheidinhalt übernommen" worden. Es fehlten Feststellungen, ob tatsächlich eine Forderung vorliege. Es könne "wohl kaum von einer Vermögensumschichtung gesprochen werden, wenn einem schwer notleidenden Betrieb ein finanzieller Zuschuß in annähernder Höhe der behaupteten Forderung gewährt wird und meine weiteren aus meinem Einkommen getragenen Leistungen die Höhe der behaupteten Forderung weit übersteigen".

Diese Darlegungen der Beschwerde sind ebenso unklar und präzisierungsbedürftig wie jene Darlegungen des Beschwerdeführers in der Vorhaltsbeantwortung, die die von ihm getätigten Zuwendungen an seinen Sohn und insbesondere deren Widmung betreffen. Dennoch durfte die belangte Behörde angesichts des Vorbringens des Beschwerdeführers in der Vorhaltsbeantwortung, er habe seinem Sohn schon im Jahre 1992 insgesamt S 3 Mio zugewendet ("S 1,5 Mio a fonds perdu, S 1,5 Mio als Darlehen, nach neuer Sicht ebenfalls a fonds perdu") im Zusammenhalt mit der schon zuvor vorgetragenen Behauptung, im Jahre 1993 sei ein weiterer Betrag von S 920.000,-- geleistet worden, nicht ohne weitere Ermittlungen und Feststellungen von der Annahme ausgehen, (gerade) durch die Hingabe des Betrages von S 920.000,-- sei eine Forderung des Beschwerdeführers in wenigstens derselben Höhe entstanden. Angesichts des Vorbringens des Beschwerdeführers über schon vorher geleistete Zahlungen erscheint nämlich nicht ausgeschlossen, daß die in der Bilanz des Sohnes des Beschwerdeführers ausgewiesene Forderung nicht durch die in Rede stehende Zahlung im Jahr 1993, sondern durch Zahlungen (etwa) im Jahre 1992 begründet wurde. Zur Klärung der Frage, ob die vom Beschwerdeführer im Jahr 1993 geleistete, in Rede stehende Zahlung - infolge Begründung einer Forderung durch diese Zahlung - bloß zu einer Vermögensumschichtung führte, waren somit Ermittlungen in Richtung der Widmung der jeweils zugewendeten Beträge bzw. der bei der Zuwendung getroffenen Vereinbarungen, insbesondere in Richtung einer Rückzahlung der geleisteten Beträge durch den Empfänger, und entsprechende Feststellungen geboten.

Die tragende Annahme der belangten Behörde, die in Rede stehende Zahlung des Beschwerdeführers an dessen Sohn habe infolge Begründung einer Forderung durch die Zahlung zu einer bloßen Vermögensumschichtung geführt, beruht somit nicht auf einem mängelfreien Verfahren.

Feststellungen, auf deren Grundlage das Merkmal der "Zwangsläufigkeit" unter dem Gesichtspunkt einer sittlichen Verpflichtung des Beschwerdeführers, die strittige Zuwendung zu tätigen, anhand der in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Grundsätze (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 7. September 1993, Zl. 90/14/0063, vom 21. September 1993, Zl. 93/14/0105, vom 15. Februar 1994, Zl. 93/14/0227, vom 18. Jänner 1995, Zl. 92/13/0145, und vom 28. Februar 1995, Zl. 95/14/0016, sowie die dort jeweils zitierte Vorjudikatur) abschließend beurteilt werden könnte, wurden nicht getroffen. Mangels entsprechender Feststellungen kann somit nicht gesagt werden, daß die belangte Behörde schon unter dem Gesichtspunkt der "Zwangsläufigkeit" auch bei Vermeidung des oben bezeichneten Verfahrensmangels in der Frage einer Vermögensumschichtung zu keinem anderen Ergebnis hätte gelangen können.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 und 3 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 10. September 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996150152.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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