TE Vwgh Erkenntnis 2019/10/16 Ro 2017/04/0024

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Veröffentlicht am 16.10.2019
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E1E
E3L E06300000
E3L E06301000
E3R E07201000
E3R E07202000
E6J
59/04 EU - EWR
97 Öffentliches Auftragswesen

Norm

BVergG 2006 §141 Abs3
BVergG 2006 §141 Abs5
BVergG 2006 §320
BVergG 2006 §331 idF 2013/I/128
EURallg
12010E018 AEUV Art18
32007R1370 öffentliche Personenverkehrsdienste Schiene Strasse
32007R1370 öffentliche Personenverkehrsdienste Schiene Strasse Art5 Abs6
32007R1370 öffentliche Personenverkehrsdienste Schiene Strasse Art7 Abs2
32014L0024 Vergabe-RL
32014L0025 Vergabekoordinierungs-RL Wasser Energie Verkehr
62014CJ0549 Finn Frogne VORAB
62015CJ0292 Hörmann Reisen VORAB
62017CJ0518 Rudigier VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, den Hofrat Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision der W GmbH in W, vertreten durch B&S Böhmdorfer Schender Rechtsanwälte GmbH in 1040 Wien, Gußhausstraße 6, gegen den am 1. August 2017 mündlich verkündeten und mit Datum vom 18. September 2017 schriftlich ausgefertigten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts, Zl. W131 2121539-2/111E und weitere, betreffend vergaberechtliches Feststellungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. Sgesellschaft mbH in W, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1011 Wien, Singerstr. 17-19, und

2. Ö AG in W, vertreten durch die Schramm Öhler Rechtsanwälte in 1010 Wien, Bartensteingasse 2-4), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird hinsichtlich des Spruchpunktes A)II. wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1 1. Die erstmitbeteiligte Partei (Auftraggeberin) schloss am 3. Februar 2011 mit der zweitmitbeteiligten Partei einen Vertrag betreffend die Erbringung von Verkehrsdienstleistungen im Schienenpersonenverkehr (Verkehrsdienstevertrag) ab. Gegenstand des Vertrages ist die Beauftragung von gemeinwirtschaftlichen Schienenpersonenverkehrsdienstleistungen gemäß Art. 5 Abs. 6 der Verordnung (EG) 1370/2007 für den Bund. Der Verkehrsdienstevertrag trat rückwirkend mit 1. April 2010 in Kraft und ist bis zum 31. Dezember 2019 befristet.

2 Die Auftraggeberin fixiert jährlich in Fahrplänen abgebildete Schienenpersonenverkehrsdienstleistungen, die von der zweitmitbeteiligten Partei erbracht werden. Am 15. Februar 2016 wurde der Fahrplan 2016 vertraglich zwischen der Auftraggeberin und der zweitmitbeteiligten Partei festgelegt.

3 Dagegen brachte die Revisionswerberin mit Schriftsätzen vom 16. Februar 2016 und vom 19. Februar 2016 Nachprüfungs- und Feststellungsanträge ein. Diese richteten sich gegen die Entscheidungen der Auftraggeberin vom 10. Februar 2016 (Mitteilung, dass die Zugverzeichnisse "endabgestimmt" seien) und vom 15. Februar 2016 (Mitteilung, dass die Zugverzeichnisse "unterfertigt" seien).

Die Revisionswerberin beantragte jeweils die Nichtigerklärung der Wahl des Vergabeverfahrens und der Wahl des Zuschlagsempfängers sowie in eventu die Feststellung, dass das Vergabeverfahren in rechtswidriger Weise ohne vorherige Bekanntmachung bzw. ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb durchgeführt wurde und dass die Durchführung einer Vergabe ohne Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und der Nichtdiskriminierung wegen Verstoß gegen das BVergG 2006, die hiezu ergangenen Verordnungen und das unmittelbar anwendbare Unionsrecht rechtswidrig war. Schließlich begehrte die Revisionswerberin jeweils, den Vertrag, mit dem die Auftraggeberin die gegenständlichen Schienenpersonenverkehrsdienstleistungen an die zweitmitbeteiligte Partei vergeben hat, für nichtig zu erklären.

4 2.1. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht sowohl die Anträge auf Nichtigerklärung der Wahl des Vergabeverfahrens und des Zuschlagsempfängers (Spruchpunkt A)I.) sowie auf Nichtigerklärung des zwischen der Auftraggeberin und der zweitmitbeteiligten Partei abgeschlossenen Vertrages (Spruchpunkt A)III.) als auch die Feststellungsanträge (Spruchpunkt A)II.) zurück.

Das Bundesverwaltungsgericht sprach zudem aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG gegen die Spruchpunkte A)I. und A)III. nicht zulässig sei. Gegen Spruchpunkt A)II. erklärte es die Revision hingegen für zulässig. Nur dieser Teil des Beschlusses ist Gegenstand der vorliegenden Revisionsentscheidung.

5 2.2. In seiner Begründung stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die im Fahrplan 2016 abgebildeten Schienenpersonenverkehrsdienstleistungen am 15. Februar 2016 zwischen der Auftraggeberin und der zweitmitbeteiligten Partei schriftlich fixiert worden seien und daher unstrittig von einer Zuschlagserteilung spätestens am 15. Februar 2016 auszugehen sei.

Die Auftraggeberin und die zweitmitbeteiligte Partei würden die Auffassung vertreten, dass auf Basis des im Jahr 2011 unterfertigten Verkehrsdienstevertrages die Fixierung der Schienenpersonenverkehrsdienstleistungen für den Fahrplan 2016 erfolgt sei, ohne das insoweit eine Neuvergabe im Sinn des Vergabeverfahrensbegriffes gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 BVergG 2006 stattgefunden habe. Die Revisionswerberin kenne - von einigen Anlagen abgesehen - den im Jahr 2011 abgeschlossenen Verkehrsdienstevertrag. Sie habe im Rahmen der Bekämpfung des Vertrages nicht erreichen können, dass dieser mit den darin enthaltenen Vertragsänderungsbestimmungen (zB in § 5) aus dem Rechtsbestand beseitigt worden wäre.

6 Auch wenn man entgegen dem Standpunkt der Auftraggeberin und der zweitmitbeteiligten Partei als wahr unterstelle, dass der Zuschlag am 15. Februar 2016 erteilt worden wäre, sei der Revisionswerberin dennoch durch die von ihr behauptete Direktvergabe kein Schaden entstanden bzw. drohe ihr keiner zu entstehen. Die Auftraggeberin durfte nämlich gemäß Art. 5 Abs. 6 der Verordnung (EG) 1370/2007 eine Vergabe ohne Durchführung eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens durchführen. Da die Revisionswerberin kein subjektives Recht auf Teilnahme an einem diesbezüglichen Vergabeverfahren habe, könne ihr kein Schaden - im Sinn einer Beeinträchtigung der Chancen zur Teilnahme an einem Vergabeverfahren - entstanden sein bzw. entstehen.

7 Wenn der Unionsgesetzgeber mit Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) 1370/2007 klarstelle, dass die Berichtigung einer Vorinformation unbeschadet des Zeitpunkts der Einleitung der Direktvergabe "erfolgt", also zu erfolgen habe, könne die Vorinformation nicht Rechtsbedingung bzw. Zulässigkeitsvoraussetzun g einer Direktvergabe im Sinn von Art. 5 Abs. 6 der Verordnung (EG) 1370/2007 sein. Eine Berichtigung erfolge nach dem klaren Wortlaut der Verordnung (EG) 1370/2007 gerade unbeschadet der Direktvergabe. Damit sei die Unterlassung einer Vorinformation auch bei Wahrunterstellung einer Zuschlagserteilung am 15. Februar 2016 individualschutzrechtlich gemäß Art. 5 Abs. 7 der Verordnung (EG) 1370/2007 in Verbindung mit § 141 BVergG 2006 nicht sanktioniert, zumal der Unionsgesetzgeber in Art. 5 Abs. 6 der Verordnung (EG) 1370/2007 die Zulässigkeit der Direktvergabe mit keinem Wort von der Vorinformation abhängig gemacht habe. Hätte der Unionsgesetzgeber dies individualschutzrechtlich sanktionieren wollen, wäre von ihm eine ausdrückliche Formulierung einer derartigen Zulässigkeitsbedingung für die Direktvergabe zu erwarten gewesen; dies auch deshalb, weil nach Art. 5 Abs. 7 der Verordnung (EG) 1370/2007 nur die Einhaltung der Vorschriften des Art. 5 Abs. 2 bis 6 der Verordnung (EG) 1370/2007 der individualschutzrechtlichen Überprüfung zugeführt können werden müssten. Der Unionsgesetzgeber habe insoweit gerade keine weitergehende Pflicht zum Individualrechtsschutz, zB gemäß Art. 5 Abs. 6 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) 1370/2007, normiert.

8 Es könne daher auch dahinstehen, ob allenfalls entgegen dem Standpunkt der Revisionswerberin der Fahrplan 2016 und damit die für den Geltungszeitraum dieses Fahrplans fixierten Schienenpersonenverkehrsdienstleistungen gerade keine Neuvergabe darstellten und daher am 15. Februar 2016 keine Zuschlagserteilung für den Fahrplan 2016 stattgefunden habe, weil man allenfalls den Argumenten der Auftraggeberin und der zweitmitbeteiligten Partei zu folgen hätte, dass bei einer vorgebrachten geringfügigen Kilometerleistungserhöhung bei einer gleichzeitig vorgebrachten geringfügigen Entgeltreduktion gerade keine Neuvergabe stattgefunden habe.

9 Die Revision gegen Spruchpunkt A)II. sei zuzulassen gewesen, weil insoweit keine gefestigte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Zulässigkeit der Direktvergabe gemäß Art. 5 Abs. 6 der Verordnung (EG) 1370/2007 in Abhängigkeit von einer Vorinformation gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) 1370/2007 vorgelegen sei.

10 3. Gegen Spruchpunkt A)II. dieses Beschlusses richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, die das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung eines Vorverfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt hat (die Spruchpunkte A)I. und A)III. werden durch die zu Ra 2017/04/0123 protokollierte außerordentliche Revision bekämpft).

11 Die Auftraggeberin und die zweitmitbeteiligte Partei erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück-, in eventu Abweisung der ordentlichen Revision beantragen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12 1. Die vorliegende ordentliche Revision begründet ihre Zulässigkeit ebenfalls damit, dass keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage vorliege, ob die Veröffentlichung einer Vorinformation gemäß Art. 7 Abs. 2 Verordnung (EG) 1370/2007 eine individualschutzrechtlich sanktionierte Rechtsbedingung für eine Direktvergabe von Schienenpersonenverkehrsdienstleistungen in Österreich sei. Es handle sich dabei um eine Rechtsfrage, der grundsätzliche, über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme, weil sie generell für die Vergabe sämtlicher öffentlicher Dienstleistungsaufträge im österreichischen Eisenbahnverkehr maßgeblich sei.

13 Der angefochtene Beschluss weiche aber auch von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Dieser habe im Erkenntnis Ra 2016/04/0064 auf das Urteil des EuGH in der Rechtssache C-549/14 (Finn Frogne) und die darin genannten Bedingungen, unter denen eine nachträgliche Leistungsänderung ohne Durchführung eines neuerlichen Vergabeverfahrens möglich sei, verwiesen. Der Verwaltungsgerichtshof habe das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil darin keine entsprechenden Feststellungen in Hinblick auf das genannte Urteil des EuGH getroffen worden seien. Der Gerichtshof gehe folglich davon aus, dass die Veröffentlichung einer Vorinformation eine zwingende Rechtsbedingung bei einer Direktvergabe sei und dass ein Verstoß gegen diese

unionsrechtliche Verpflichtung auch im Vergabeverfahren (individualrechtlich) geltend gemacht werden könne. 14 Die Revision ist zulässig und auch berechtigt. 15 2. Im vorliegenden Fall geht es um Dienstleistungen des Eisenbahnverkehrs nach Kategorie 18 des Anhanges IV zum Bundesvergabegesetz 2006 (BVergG 2006) und somit um nicht prioritäre Dienstleistungen.

Für diese bestimmen § 141 Abs. 3 und § 280 Abs. 3 BVergG 2006 in der Fassung BGBl. I Nr. 128/2013 in Zusammenhang mit der Zulässigkeit einer Vergabe in einem formfreien Verfahren unmittelbar an einen ausgewählten Unternehmer (Direktvergabe), dass die "Anwendung des Art. 5 Abs. 2 und 4 bis 6 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 (...) unberührt (bleibt)".

16 § 331 BVergG 2006 in der Fassung BGBl. I Nr. 128/2013 hat

auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Einleitung des Verfahrens

§ 331. (1) Ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages hatte, kann, sofern ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht, die Feststellung beantragen, dass

1.

(...)

2.

die Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne vorherige

Bekanntmachung bzw. ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbares Unionsrecht rechtswidrig war, oder

         3.       bis 5 (...)

(2) bis (4) (...)"

17 Die Verordnung (EG) Nr. 1370 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße, ABl. Nr. L 315 vom 3.12. 2007, S. 1 (Verordnung (EG) 1370/2007), lautet in der im vorliegenden Fall maßgeblichen Stammfassung auszugsweise wie folgt:

"in Erwägung nachstehender Gründe:

(...)

(26) Diese Verordnung gibt den zuständigen Behörden im Falle öffentlicher Dienstleistungen die Möglichkeit, auf der Grundlage eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags einen Betreiber für die Erbringung öffentlicher Personenverkehrsdienste auszuwählen. Angesichts der unterschiedlichen territorialen Organisation der Mitgliedstaaten in dieser Hinsicht ist es gerechtfertigt, den zuständigen Behörden zu gestatten, öffentliche Dienstleistungsaufträge im Eisenbahnverkehr direkt zu vergeben.

(...)

(29) Hinsichtlich der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge sollten die zuständigen Behörden - außer bei Notmaßnahmen und Aufträgen für geringe Entfernungen - die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um mindestens ein Jahr im Voraus bekannt zu geben, dass sie solche Aufträge zu vergeben beabsichtigen, so dass potenzielle Betreiber eines öffentlichen Dienstes darauf reagieren können.

(30) Bei direkt vergebenen öffentlichen Dienstleistungsaufträgen sollte für größere Transparenz gesorgt werden.

Artikel 5

Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge

(1) bis (5) (...)

(6) Sofern dies nicht nach nationalem Recht untersagt ist, können die zuständigen Behörden entscheiden, öffentliche Dienstleistungsaufträge im Eisenbahnverkehr - mit Ausnahme anderer schienengestützter Verkehrsträger wie Untergrund- oder Straßenbahnen - direkt zu vergeben. Abweichend von Artikel 4 Absatz 3 haben diese Aufträge eine Höchstlaufzeit von zehn Jahren, soweit nicht Artikel 4 Absatz 4 anzuwenden ist.

(7) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die gemäß den Absätzen 2 bis 6 getroffenen Entscheidungen wirksam und rasch auf Antrag einer Person überprüft werden können, die ein Interesse daran hat bzw. hatte, einen bestimmten Auftrag zu erhalten, und die angibt, durch einen Verstoß dieser Entscheidungen gegen Gemeinschaftsrecht oder nationale Vorschriften zur Durchführung des Gemeinschaftsrechts geschädigt zu sein oder geschädigt werden zu können.

Sind die für die Nachprüfungsverfahren zuständigen Stellen keine Gerichte, so sind ihre Entscheidungen stets schriftlich zu begründen. In einem solchem Fall ist ferner zu gewährleisten, dass Beschwerden aufgrund rechtswidriger Handlungen der Nachprüfungsstellen oder aufgrund fehlerhafter Ausübung der diesen übertragenen Befugnisse der gerichtlichen Überprüfung oder der Überprüfung durch andere Stellen, die Gerichte im Sinne von

Artikel 234 des Vertrags und unabhängig von der vertragsschließenden Behörde und der Nachprüfungsstellen sind, unterzogen werden können.

Artikel 7

Veröffentlichung

(1) (...)

(2) Jede zuständige Behörde ergreift die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass spätestens ein Jahr vor Einleitung des wettbewerblichen Vergabeverfahrens oder ein Jahr vor der Direktvergabe mindestens die folgenden Informationen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden:

a)

der Name und die Anschrift der zuständigen Behörde;

b)

die Art des geplanten Vergabeverfahrens;

c)

die von der Vergabe möglicherweise betroffenen Dienste und Gebiete.

Die zuständigen Behörden können beschließen, diese Informationen nicht zu veröffentlichen, wenn der öffentliche Dienstleistungsauftrag eine jährliche öffentliche Personenverkehrsleistung von weniger als 50 000 km aufweist.

Sollten sich diese Informationen nach ihrer Veröffentlichung ändern, so hat die zuständige Behörde so rasch wie möglich eine Berichtigung zu veröffentlichen. Diese Berichtigung erfolgt unbeschadet des Zeitpunkts der Einleitung der Direktvergabe oder des wettbewerblichen Vergabeverfahrens.

(3) bis (4) (...)"

18 3. In der vorliegenden Rechtssache stellt sich zunächst die Frage, ob die Revisionswerberin als potentielle Betreiberin eines öffentlichen Dienstes (im Sinn des Art. 2 lit. d und des Erwägungsgrundes 29 der Verordnung (EG) 1370/2007) die Unterlassung einer Vorinformation gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) 1370/2007 vor dem Verwaltungsgericht geltend machen kann.

19 3.1. Das Bundesverwaltungsgericht begründete die Zurückweisung der diesbezüglichen Feststellungsanträge der Revisionswerberin damit, dass dieser durch die von ihr behauptete Direktvergabe kein Schaden - im Sinn einer Beeinträchtigung der Chancen zur Teilnahme an einem Vergabeverfahren - entstanden sei bzw. zu entstehen drohe. Es sei im vorliegenden Fall nämlich eine Vergabe ohne Durchführung eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens zulässig gewesen und der Revisionswerberin komme kein subjektives Recht auf Teilnahme an einem diesbezüglichen Vergabeverfahren zu. Die Unterlassung einer Vorinformation sei zudem individualschutzrechtlich nicht sanktioniert.

20 3.2. Die Revision tritt dem entgegen und führt aus, dass nach dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) 1370/2007 die durch eine Vorinformation veröffentlichten Daten dazu dienen würden, einen fairen Wettbewerb und insbesondere ein Mindestmaß an Transparenz auf dem europäischen Schienenmarkt zu gewährleisten. Es solle dadurch den Mitbewerbern die Möglichkeit gegeben werden, auf Grund der Veröffentlichung einer der Verordnung (EG) 1370/2007 entsprechenden Vorinformation zu überprüfen, ob die jeweilige Direktvergabe den unionsrechtlichen Vorgaben entspricht. Die Veröffentlichung einer Vorinformation sei daher zwingende Voraussetzung (Rechtsbedingung) für eine Direktvergabe von Schienenpersonenverkehrsdienstleistungen im Rahmen der Verordnung (EG) 1370/2007. Ein Verstoß dagegen führe zur Unzulässigkeit der Direktvergabe. Dies könne auch in einem Vergabeverfahren von einem Mitbewerber geltend gemacht werden. 21 Eine Veröffentlichung der Vorinformation hätte der Revisionswerberin die Möglichkeit gegeben, ein wettbewerbsfähiges (besseres) Angebot zu legen, dadurch den Zuschlag zu erhalten und somit den durch den Zuschlag erzielbaren Gewinn zu erwirtschaften. Ein dem Antragsteller drohender Schaden liege bereits dann vor, wenn die Möglichkeit für ihn am Vergabeverfahren teilzunehmen, durch die behauptete Rechtswidrigkeit beeinträchtigt werden könne. 22 3.3. Die Auftraggeberin und die zweitmitbeteiligte Partei vertreten in ihrer Revisionsbeantwortung hingegen jeweils die Auffassung, dass Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) 1370/2007 lediglich als reine Ordnungsvorschrift zu verstehen sei und die Vorinformation nicht Rechtsbedingung, also Zulässigkeitsvoraussetzung einer Direktvergabe im Sinn von Art. 5 Abs. 6 der Verordnung (EG) 1370/2007 sein könne. So ermögliche Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) 1370/2007 die Berichtigung der Vorinformation unbeschadet des Zeitpunkts der Einleitung der Direktvergabe. Die Auftraggeber seien nach Publikation der Korrektur nicht erneut an die Jahresfrist gebunden. 23 Für diese Sichtweise spreche auch der Wortlaut des Art. 5 Abs. 7 der Verordnung (EG) 1370/2007, wonach lediglich Entscheidungen basierend auf Art. 5 Abs. 2 bis 6 der Verordnung (EG) 1370/2007 dem Rechtsschutz unterlägen. Um einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) 1370/2007 einer gerichtlichen Nachprüfung zugänglich zu machen, hätte der Unionsgesetzgeber entweder die Vorinformation in Art. 5 Abs. 6 der Verordnung (EG) 1370/2007 als Voraussetzung definieren oder Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) 1370/2007 in Art. 5 Abs. 7 der Verordnung (EG) 1370/2007 aufnehmen müssen. Dies sei durch den Unionsgesetzgeber auch bewusst so gewollt gewesen, finde sich doch in Art. 14 des ersten Vorschlags zur Verordnung (EG) 1370/2007 noch ein umfassender und nicht auf Art. 5 Abs. 2 bis 6 der Verordnung (EG) 1370/2007 beschränkter Rechtsschutz. 24 Da eine Direktvergabe charakteristischerweise ohne Beteiligungsanspruch weiterer Interessenten durchgeführt werde, sei das Bundesverwaltungsgericht zutreffend zum Ergebnis gelangt, dass der Revisionswerberin kein Schaden entstanden sei bzw. zu entstehen drohe. Da auch die Zulässigkeit der Direktvergabe außer Frage stehe, liege keine denkmögliche Beeinträchtigung der Teilnahme an diesen Vergabeverfahren vor.

25 3.4. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der Frage, ob der Bundesgesetzgeber der in der Verordnung (EG) 1370/2007 festgelegten Verpflichtung zur Festlegung eines effektiven Rechtsschutzes, der auch Direktvergaben erfasst, nachgekommen ist, im Erkenntnis vom 11. Dezember 2013, 2012/04/0082, auseinandergesetzt.

Dabei hat er, mit Verweis auf die Rechtsprechung des OGH im Beschluss vom 9. August 2011, 4 Ob 100/11a, klargestellt, dass nach § 141 Abs. 3 und 5 BVergG 2006 in Verbindung mit der Verordnung (EG) 1370/2007 bei der (beabsichtigten) Direktvergabe von Aufträgen nach Art. 5 Abs. 6 der genannten Verordnung nicht nur die Wahl des Vergabeverfahrens, sondern sämtliche im Zuge des Vergabeverfahrens nach außen in Erscheinung tretende Festlegungen des Auftraggebers anfechtbar sind. Die Wortfolge "die Anwendung des Art. 5 Abs. 2 und 4 bis 6 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 bleibt unberührt" in § 141 Abs. 3 BVergG 2006 ist dahingehend zu verstehen, dass dem Auftraggeber die Möglichkeit der Direktvergabe auf Grund unmittelbarer Anwendung des Art. 5 Abs. 6 der Verordnung (EG) 1370/2007 zur Verfügung steht und von der im Einleitungssatz des Art. 5 Abs. 6 der Verordnung (EG) 1370/2007 den Mitgliedstaaten offen stehenden Untersagungsmöglichkeit vom Bundesgesetzgeber kein Gebrauch gemacht wurde (vgl. zum Ganzen das zitierte Erkenntnis VwGH 2012/04/0082 sowie das daran anschließende Erkenntnis VwGH 26.2.2014, 2011/04/0134). 26 Der EuGH hat in seinem Urteil vom 27. Oktober 2016, Rs C- 292/15, Hörmann Reisen GmbH, zum Zweck der Verordnung (EG) 1370/2007 festgehalten, dass dieser nach ihrem Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 darin bestehe, festzulegen, wie die zuständigen Behörden unter Einhaltung des (Unionsrechts) im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs tätig werden können, um die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu gewährleisten, die unter anderem zahlreicher, sicherer, höherwertiger oder preisgünstiger sind als diejenigen, die das freie Spiel des Marktes ermöglicht hätte. Dass die Verordnung (EG) 1370/2007 ihrem Wesen nach Modalitäten für das Tätigwerden bei allgemeinen Systemen zur Vergabe öffentlicher Aufträge vorsehen soll, impliziert, dass sie im Verhältnis zu Letzteren Sonderregeln enthält.

27 Eine solche "spezifischere" Pflicht, die den Richtlinien 2014/24/EU und 2014/25/EU als lex specialis vorgeht, stellt Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) 1370/2007 dar (vgl. EuGH 20.9.2018, Rs C-518/17, Rudigier, Rn. 52).

Durch diese Bestimmung ist bei Direktvergaben die Verpflichtung zur Veröffentlichung klar vorgegeben. Art. 7 Abs. 2 lit. c der Verordnung (EG) 1370/2007 verlangt dabei "die von der Vergabe möglicherweise betroffenen Dienste und Gebiete" zu

veröffentlichen. Aus dem klaren Wortlaut des Erwägungsgrundes 29 der Verordnung (EG) 1370/2007 ergibt sich ohne Zweifel, dass die Veröffentlichung dem Zweck dienen soll, dass potentielle Betreiber eines öffentlichen Dienstes "darauf" (gemeint die Bekanntgabe bzw. die Absicht des Auftraggebers, solche Aufträge zu vergeben) reagieren können. Ausgehend von diesem Zweck der Veröffentlichung muss eine Vorinformation in einer einzelfallbezogenen Bewertung so gefasst sein, dass im Sinn des Erwägungsgrundes 29 der Verordnung (EG) 1370/2007 potentielle Betreiber eines öffentlichen Dienstes darauf reagieren können (vgl. VwGH 21.12.2016, Ra 2016/04/0139, mwN). Diese sollen durch die Vorinformation in die Lage versetzt werden, in Grundzügen ihre Ressourcen einzuschätzen, zu planen und zu kalkulieren und sich auf Basis dieser Überlegungen an den Auftraggeber zu wenden (vgl. VwGH 1.10.2018, Ra 2015/04/0060).

28 Nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) 1370/2007 ergreift jede zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass spätestens ein Jahr vor Einleitung des wettbewerblichen Vergabeverfahrens oder ein Jahr vor der Direktvergabe die in den lit. a bis c angeführten Mindestinformationen veröffentlicht werden. Ausdrückliche Regelungen über die Folgen einer unterbliebenen Vorinformation - etwa für die Frage der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit von Entscheidungen eines Auftraggebers in einem Vergabeverfahren - enthält die Verordnung Nr. 1370/2007 nicht (siehe dazu auch Kaufmann/Lübbig/Prieß/Pünder/Fehling, VO (EG) 1370/2007 (2010) Art. 7 Rz. 57).

29 Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass es sich bei der Regelung des Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) 1370/2007 bloß um eine sanktionslose Obliegenheit handle. Dies wurde vom Verwaltungsgerichtshof bereits im Vorlagebeschluss an den EuGH in der Rechtssache C-518/17, Rudigier, - mit Blick auf die verfolgten Zielsetzungen der Beachtung des Transparenzgebotes und der Nichtdiskriminierung - jedenfalls in jenen Fällen verneint, in denen die Auftragserteilung im Wege einer Direktvergabe erfolgen soll (vgl. VwGH 29.6.2017, Ra 2016/04/0115, EU 2017/0003). 30 Der EuGH hat im Urteil vom 20. September 2018, Rs C-518/17, Rudigier, zur Frage, ob die Rechtswidrigkeit, die aus der Verletzung oder dem Versäumnis der in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) 1370/2007 vorgesehenen Vorinformationspflicht folgt, geeignet ist, zur Aufhebung einer ordnungsgemäß veröffentlichten Ausschreibung zu führen, zunächst ebenfalls festgehalten, dass der Unionsgesetzgeber keine spezifische Bestimmung in Bezug auf einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) 1370/2007 vorgesehen hat und deshalb eine entsprechende Regelung Angelegenheit des nationalen Rechts ist (vgl. Rn. 60 ff des genannten Urteils).

31 Die derart normierten Verfahrensmodalitäten dürfen dabei nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die entsprechenden innerstaatlichen Rechtsbehelfe (Äquivalenzgrundsatz) und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Die Verletzung der Vorinformationspflicht nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) 1370/2007 führt somit nach dem EuGH dann nicht zur Aufhebung der betroffenen Ausschreibung, wenn die Grundsätze der Äquivalenz, der Effektivität und der Gleichbehandlung beachtet werden (vgl. VwGH 21.11.2018, Ra 2016/04/0115).

32 In Zusammenhang mit dem Effektivitätsgrundsatz wies der EuGH im Urteil "Rudigier" darauf hin, dass das Recht, das den Wirtschaftsteilnehmern aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) 1370/2007 erwächst, zweierlei bezweckt: Zum einen soll ihnen, wie im Wesentlichen im Erwägungsgrund 29 der Verordnung ausgeführt, ermöglicht werden, auf die Absichten des (öffentlichen) Auftraggebers, insbesondere auf die Art der von ihm geplanten Vergabe (Ausschreibung oder Direktvergabe), zu reagieren, und zum anderen soll ihnen die Zeit für eine bessere Vorbereitung auf die Ausschreibung gegeben werden (vgl. Rn. 64 des genannten Urteils).

33 Für den EuGH ist daher bei der Prüfung, ob der Effektivitätsgrundsatz beachtet wurde, danach zu unterscheiden, ob eine Direktvergabe oder eine Ausschreibung beabsichtigt ist:

"66 Bei einer Direktvergabe kann das Fehlen einer Vorinformation dazu führen, dass der Wirtschaftsteilnehmer keine Einwände erheben kann, bevor nicht die Direktvergabe durchgeführt ist, wodurch er Gefahr läuft, dass er endgültig von der Teilnahme an der wettbewerblichen Vergabe ausgeschlossen wird. Eine solche Situation kann den Effektivitätsgrundsatz untergraben.

67 Erfolgt die Verletzung von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 dagegen in einem Kontext, in dem der (öffentliche) Auftraggeber eine Ausschreibung durch einen späteren regulären Aufruf zum Wettbewerb beabsichtigt, so steht eine solche Verletzung für sich genommen nicht der Möglichkeit einer tatsächlichen Teilnahme des Wirtschaftsteilnehmers an dieser Ausschreibung entgegen."

34 Daraus folgt, dass in Fällen, in dem die Auftragserteilung im Weg der Direktvergabe erfolgt, dem Effektivitätsgrundsatz nur entsprochen wird, wenn die Unterlassung einer Vorinformation von potentiellen Betreibern eines öffentlichen Dienstes bekämpft werden kann.

35 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss angesichts des umfassenden Gebotes eines effektiven Rechtsschutzes auch die fehlerhafte Wahl eines Vergabeverfahrens ohne Bekanntmachung bekämpft werden können, und zwar gerade auch von jenen Unternehmen, die nicht eingeladen wurden an dem betreffenden Vergabeverfahren teilzunehmen (vgl. VwGH 9.9.2015, 2013/04/0111). Nichts anderes gilt für eine Direktvergabe, der nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) 1370/2007 eine Veröffentlichung vorausgehen muss, um dem potentiellen Betreiber eines öffentlichen Dienstes die Möglichkeit einzuräumen, auf die Bekanntgabe bzw. die Absicht des Auftraggebers zu reagieren.

36 Die Antragslegitimation des potentiellen Betreibers eines öffentlichen Dienstes kann damit auch nicht mit dem Argument verneint werden, ihm sei kein Schaden - im Sinn einer Beeinträchtigung der Chancen zur Teilnahme an einem Vergabeverfahren - entstanden bzw. ihm drohe kein solcher zu entstehen.

Grundsätzlich gilt, dass ein zur Zulässigkeit eines Feststellungsantrages führender eingetretener Schaden bereits dann vorliegt, wenn die Möglichkeit des Antragstellers beeinträchtigt wurde, am Vergabeverfahren teilzunehmen und er im Rahmen dieser Teilnahme in der Lage gewesen wäre, ein für den Zuschlag in Betracht kommendes Angebot zu legen (vgl. VwGH 24.2.2010, 2009/04/0209).

Im Fall einer im Zuge einer Direktvergabe entgegen Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) 1370/2007 unterlassenen Veröffentlichung einer Vorinformation droht insofern ein Schaden, als dem potentiellen Betreiber eines öffentlichen Dienstes die Möglichkeit genommen wird, auf die Bekanntgabe bzw. die Absicht des Auftraggebers, solche Aufträge zu vergeben, zu reagieren und sich - nach entsprechender Auseinandersetzung mit den veröffentlichten Informationen - an den Auftraggeber zu wenden, aber auch die aus dem Verstoß gegen Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) 1370/2007 resultierende Unzulässigkeit der Direktvergabe vor dem Verwaltungsgericht geltend zu machen.

37 Indem das Bundesverwaltungsgericht dies verkannte und die Feststellungsanträge der Revisionswerberin mangels Antragslegitimation zurückwies, hat es seine Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

38 4.1. Damit kann es - entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts - aber auch nicht dahin gestellt bleiben, ob der Fahrplan 2016 und damit die für den Geltungszeitraum dieses Fahrplans fixierten Schienenpersonenverkehrsdienstleistungen überhaupt eine Neuvergabe darstellt und am 15. Februar 2016 eine Zuschlagserteilung für den Fahrplan 2016 stattgefunden hat. Das Bundesverwaltungsgericht führte dazu lediglich aus, es wäre allenfalls davon auszugehen, dass bei einer geringfügigen Kilometerleistungserhöhung bei einer gleichzeitig geringfügigen Entgeltreduktion keine Neuvergabe stattgefunden habe.

39 4.2. Auch die Auftraggeberin vertritt in ihrer Revisionsbeantwortung die Auffassung, dass sie im vorliegenden Fall keine Direktvergabe im Sinn des Art. 5 Abs. 6 der Verordnung (EG) 1370/2007 vorgenommen habe und deshalb auch kein vergaberechtlich relevanter Vorgang durchgeführt worden sei. Die Revisionswerberin bekämpfe mit der Fahrplananpassung 2016 die notwendigerweise durchzuführende und systemimmanente Anpassung des Verkehrsdienstevertrages aus dem Jahr 2011. Es habe keine Neuvergabe stattgefunden, sondern lediglich eine im ursprünglichen Verkehrsdienstevertrag vorgesehene Vertragsanpassung. Dies stelle auf Grund der unwesentlichen Änderungen keine vergaberechtlich relevante Handlung dar.

40 4.3. Der EuGH hat im Urteil vom 7. September 2016, Rs C- 549/14, Finn Frogne, zur unionsrechtlichen Zulässigkeit einer Änderung bestehender Verträge ausführlich Stellung genommen. Demnach darf grundsätzlich eine wesentliche Änderung eines öffentlichen Auftrags nach dessen Vergabe nicht freihändig von dem öffentlichen Auftraggeber und dem Zuschlagsempfänger vorgenommen werden, sondern sie muss zu einem neuen Vergabeverfahren über den so geänderten Auftrag führen. Etwas anderes kann nur gelten, wenn diese Änderung in den Bestimmungen des ursprünglichen Auftrags eingeplant war (vgl. Rn. 30 des genannten Urteils). Obwohl der Grundsatz der Gleichbehandlung und die Transparenzpflicht auch bei besonderen öffentlichen Aufträgen zu beachten sind, hindert dies nicht daran, auf deren spezifische Eigenschaften Rücksicht zu nehmen. Das entsprechende rechtliche Gebot und die betreffenden konkreten Erfordernisse sind dadurch in Einklang zu bringen, dass einerseits die Auftragsbedingungen, wie sie in den entsprechenden Unterlagen festgelegt wurden, bis zum Abschluss der Phase der Erfüllung des Auftrags strikt eingehalten werden, andererseits aber der öffentliche Auftraggeber die Möglichkeit hat, sich in diesen Unterlagen ausdrücklich die Befugnis vorzubehalten, bestimmte, selbst wichtige Bedingungen nach der Vergabe des Auftrags anzupassen. Indem er sich diese Befugnis ausdrücklich vorbehält und in den besagten Unterlagen die Modalitäten festlegt, unter denen davon Gebrauch gemacht wird, gewährleistet der öffentliche Auftraggeber, dass sämtliche an dem Auftrag interessierten Wirtschaftsteilnehmer hiervon von Anfang an Kenntnis haben und daher bei der Abfassung ihres Angebots gleichgestellt sind.

Fehlt es hingegen an solchen Bestimmungen in den Auftragsunterlagen, erfordert die Notwendigkeit, für einen bestimmten öffentlichen Auftrag auf alle Wirtschaftsteilnehmer dieselben Bedingungen anzuwenden, die Eröffnung eines neuen Vergabeverfahrens (vgl. Rn. 37 f des genannten Urteils). Das bedeutet im Ergebnis, dass ein öffentlicher Auftrag nach seiner Vergabe nicht wesentlich geändert werden darf, ohne dass ein neues Vergabeverfahren eröffnet wird, selbst wenn die betreffende Änderung objektiv eine Vergleichsvereinbarung darstellt, die von Seiten beider Parteien wechselseitige Zugeständnisse beinhaltet und dazu dient, einen Streit mit ungewissem Ausgang beizulegen, der aus einer Störung des Vertragsverhältnisses entstanden ist. Etwas anderes kann nur gelten, wenn die Auftragsunterlagen sowohl die Befugnis vorsehen, bestimmte, selbst wichtige Bedingungen nach der Auftragsvergabe anzupassen, als auch die Modalitäten regeln, nach denen von dieser Befugnis Gebrauch gemacht wird (vgl. Rn. 40 des genannten Urteils).

41 Ausgehend von dieser Rechtsprechung des EuGH hat es der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 15. März 2017, Ra 2016/04/0064, in dem es um die Zulässigkeit einer - ohne einer eigenen Vorinformation erfolgten - Änderung bestehender Verkehrsdiensteverträge ging, für maßgeblich erachtet, ob die Auftragsunterlagen (die Bedingungen des bereits geschlossenen Vertrages) die Befugnis des öffentlichen Auftraggebers vorsehen, bestimmte Bedingungen nach der Auftragsvergabe anzupassen, und auch die Modalitäten regeln, nach denen von dieser Befugnis Gebrauch gemacht wird. Der EuGH spricht bei der Umschreibung dieser Befugnis von "bestimmten Bedingungen" ("certaines conditions" bzw. "certain conditions"). Daraus ist zu schließen, dass eine Vertragsklausel, die eine Befugnis zur nachträglichen Anpassung des abgeschlossenen Vertrages beinhaltet, die anzupassenden Bedingungen des Vertrages entsprechend zu konkretisieren hat und in diesem Sinn eine Bestimmtheit aufweisen muss. Es kann nämlich nicht unterstellt werden, dass der öffentliche Auftraggeber sich mit einer allgemein gehaltenen Vertragsklausel völlig unbeschränkt die Möglichkeit nachträglicher Änderungen vorbehalten kann. Dies würde zunächst den aus dem AEUV hervorgehenden Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung sowie der sich daraus ergebenden Transparenzpflicht widersprechen, auf die der EuGH im Urteil "Finn Frogne" hinweist.

42 Im vorliegenden Fall hat sich das Bundesverwaltungsgericht mit diesen Aspekten (aus den dargestellten Gründen) nicht näher auseinandergesetzt. Es erwähnt zwar Vertragsänderungsbestimmungen, die im Verkehrsdienstevertrag aus dem Jahr 2011 enthalten seien, und geht offenbar davon aus, dass die für den Fahrplan 2016 fixierten Schienenpersonenverkehrsdienstleistungen keine Neuvergabe darstellen würden. Auch die Auftraggeberin vertritt in ihrer Revisionsbeantwortung die Auffassung, es habe kein vergaberechtlich relevanter Vorgang stattgefunden, sondern lediglich eine im ursprünglichen Verkehrsdienstevertrag vorgesehene Vertragsanpassung.

43 Der angefochtene Beschluss enthält allerdings keine Feststellungen zum Inhalt der genannten Änderungsbestimmungen im Verkehrsdienstevertrag. Ohne diese Feststellungen jedoch kann nicht beurteilt werden, ob es sich im vorliegenden Fall um eine zulässige Vertragsanpassung im Rahmen des bestehenden Verkehrsdienstevertrages handelt, die der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH im Urteil "Finn Frogne" entspricht, oder ob die erfolgte Festlegung der Schienenpersonenverkehrsdienstleistu ngen für den Fahrplan 2016 als Neuvergabe und somit als Beschaffungsvorgang im Sinn der vergaberechtlichen Bestimmungen, insbesondere jener der Verordnung (EG) 1370/2007, zu qualifizieren ist.

44 Da die entsprechenden Feststellungen zur Änderungsklausel im angefochtenen Beschluss fehlen und das Bundesverwaltungsgericht dabei die Rechtsprechung des EuGH im Urteil "Finn Frogne" nicht berücksichtigt hat, liegt ein sekundärer Verfahrensmangel vor. 45 5. Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts war daher im angefochtenen Umfang (Spruchpunkt A)II.) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben (vgl. zum Primärantrag der Revisionswerberin, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden, VwGH 9.9.2015, Ro 2014/03/0023, mwN).

46 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil das Verwaltungsgericht - ein Tribunal im Sinne des Art. 6 MRK und ein Gericht im Sinne des Art. 47 GRC - eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat, weshalb weder Art. 6 MRK noch Art. 47 GRC der Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof entgegenstehen (vgl. VwGH 18.5.2016, Ra 2016/04/0001, mwN). 47 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in der Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in dem in der genannten Verordnung pauschalierten Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist (vgl. VwGH 18.2.2015, Ra 2014/04/0014).

Wien, am 16. Oktober 2019

Gerichtsentscheidung

EuGH 62014CJ0549 Finn Frogne VORAB
EuGH 62015CJ0292 Hörmann Reisen VORAB
EuGH 62017CJ0518 Rudigier VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RO2017040024.J00

Im RIS seit

21.01.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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