TE Vwgh Beschluss 2019/11/21 Ra 2019/10/0106

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Veröffentlicht am 21.11.2019
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Index

L92004 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Oberösterreich
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §13a
B-VG Art133 Abs4
MSG OÖ 2011 §11 Abs4
MSG OÖ 2011 §11 Abs5
MSG OÖ 2011 §11 Abs7
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision des G W in L, vertreten durch MMag. Matthias Pichler, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 9, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 14. Juni 2019, Zl. LVwG-350681/2/KLi/JW, betreffend Mindestsicherung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Linz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 14. Juni 2019 sprach das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich - im Beschwerdeverfahren - aus, dass die dem Revisionswerber mit Bescheid der belangten Behörde vom 5. November 2015 zuerkannte Leistung der bedarfsorientierten Mindestsicherung gemäß § 11 Abs. 5 Oö. Mindestsicherungsgesetz - Oö. BMSG mit 30. April 2019 eingestellt werde und dass die Deckung des Wohnbedarfs des Revisionswerbers gemäß § 11 Abs. 7 Oö. BMSG ab 1. Mai 2019 erfolge, soweit dieser Bedarf nicht durch eigenes Einkommen gedeckt werden könne.

2 Dieser Entscheidung legte das Verwaltungsgericht - soweit für die vorliegende Revisionsentscheidung von Interesse - zugrunde, dem Revisionswerber sei mit Bescheid der belangten Behörde vom 5. November 2015 ab dem 29. Oktober 2014 Mindestsicherung gewährt worden; darüber hinaus habe er Leistungen des Arbeitsmarktservice (AMS) in Form von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe erhalten.

3 Seit 23. April 2018 sei über den Revisionswerber beim AMS eine Sperre verhängt worden, weil er den entsprechenden Verpflichtungen beim AMS zur Aufnahme einer Arbeit nicht nachgekommen sei. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25. Jänner 2019 sei der Revisionswerber - im Beschwerdeverfahren - verpflichtet worden, Auszahlungen des AMS aus dem Zeitraum vom 23. Jänner bis 19. März 2018 zurückzubezahlen. (Eine Revision des Revisionswerbers gegen das genannte Erkenntnis wurde mit hg. Beschluss vom 15. Mai 2019, Ra 2019/08/0034, zurückgewiesen.)

4 Da der Revisionswerber an Rücken-, Bandscheiben- sowie Knieproblemen leide, seien mit ihm Gespräche über die Vermittlung einer für ihn geeigneten Arbeitsstelle geführt worden. Bei dessen Vorsprache am 22. Februar 2019 sei dem Revisionswerber die Möglichkeit einer Zuteilung und Arbeitsaufnahme bei der Einrichtung "Jobimpuls" erklärt worden, bei der es für den Revisionswerber möglich wäre, einen für ihn geeigneten und besonders betreuten Arbeitsplatz im Ausmaß von 25 Stunden pro Woche zu erhalten. Der Revisionswerber habe sich bereit erklärt, bei "Jobimpuls" zu arbeiten, und sei im Rahmen des Gesprächs darauf hingewiesen worden, dass die Mindestsicherung bei Arbeitsverweigerung oder aus einem selbst verschuldeten Arbeitsverlust gekürzt bzw. eingestellt werden könne. 5 In weiterer Folge seien dem Revisionswerber über "Jobimpuls" Arbeitsstellen vorgeschlagen worden, u.a. eine Arbeit bei der Volkshilfe.

6 Dort habe am 2. April 2019 ein "Schnuppertag" stattgefunden, bei dem - auf die gesundheitlichen Einschränkungen des Revisionswerbers Rücksicht nehmend - eine für dessen Bedürfnisse adäquate Tätigkeit vorgestellt worden sei (welche abwechselnd im Sitzen unter Verwendung eines speziellen Gesundheitssessels und im Stehen ausgeführt werden könne). Der Revisionswerber habe dennoch erklärt, diese Tätigkeit nicht annehmen zu können.

7 Vom Revisionswerber aus dem Jahr 2018 vorgelegte Bewerbungen beträfen Stellen auf dem ersten Arbeitsmarkt; dabei habe der Revisionswerber selbst seine gesundheitlichen Einschränkungen nicht berücksichtigt. An den Ratschlag, sich auch für andere Tätigkeiten zu bewerben, habe sich der Revisionswerber nicht gehalten.

8 In rechtlicher Hinsicht gründete das Verwaltungsgericht die von ihm bestätigte Einstellung der Leistungen der Mindestsicherung (unter Aufrechterhaltung der "Bedarfsdeckung im unerlässlichen Ausmaß" im Sinn des § 11 Abs. 7 Oö. BMSG) insbesondere auf § 11 Abs. 4 und 5 Oö. BMSG, weil der Revisionswerber entgegen § 11 Abs. 1 Oö. BMSG seine Arbeitskraft nicht in zumutbarer Weise eingesetzt und sich nicht um entsprechende Erwerbsmöglichkeiten bemüht habe.

9 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 12 Eine die Zulässigkeit der Revision begründende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt vor, wenn die Entscheidung über die Revision von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängt (vgl. etwa VwGH 8.10.2014, Ro 2014/10/0106, mwN).

13 3. Die Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision werfen eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht auf.

14 3.1. Darin wird zunächst als Rechtsfrage ausgeführt, "ob bei einer gänzlichen Kürzung der bedarfsorientierten Mindestsicherung unter Anwendung der Ausnahmebestimmung des § 11 Abs 5 Oö. BMSG eine von Abs 4 geforderte vorangehende Ermahnung durch die zuständige Behörde zu erfolgen hat".

15 Dabei lässt der Revisionswerber die - von ihm nicht bestrittene - Feststellung des Verwaltungsgerichtes außer Acht, dass der Revisionswerber bei dem Gespräch am 22. Februar 2019 darauf hingewiesen wurde, dass die Mindestsicherung bei Arbeitsverweigerung oder aus einem selbst verschuldeten Arbeitsverlust gekürzt bzw. eingestellt werden könne. Die im erwähnten Zulässigkeitsvorbringen angesprochene Ermahnung des Revisionswerbers gemäß § 11 Abs. 4 Oö. BMSG ist daher erfolgt. 16 3.2. Im Weiteren bringt der Revisionswerber vor, das Verwaltungsgericht habe kein Ermittlungsverfahren zur konkreten Situation des Arbeitsmarktes und der Möglichkeit einer Beschäftigung des Revisionswerbers durchgeführt und deshalb nicht erkennen können, "dass im Rahmen der gesundheitlichen Einschränkungen des Revisionswerbers weder adäquate Arbeitsstellen angeboten wurden noch solche zur Verfügung standen und sohin der Revisionswerber ausreichend seine Arbeitswilligkeit nachgewiesen hat".

17 Auch damit lässt er die eingangs wiedergegebenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes (vgl. insbesondere Rz 4 bis 7) völlig außer Acht, sodass sich die Revision insofern als nicht gesetzmäßig ausgeführt erweist (vgl. etwa VwGH 23.2.2017, Ra 2016/09/0103, mwN).

18 3.3. Schließlich führt der Revisionswerber aus, das Verwaltungsgericht hätte ihn angesichts seiner einigermaßen konkreten und sachbezogenen Behauptungen zu einer Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens und zu entsprechenden Beweisanboten auffordern und ein allenfalls erforderliches Ermittlungsverfahren durchführen müssen. Der darin gelegene Verfahrensmangel sei relevant, weil das Verwaltungsgericht bei seiner Vermeidung erkennen hätte müssen, "dass der Revisionswerber nicht dazu in der Lage ist, die ihm angebotenen und auferlegten Arbeiten durchzuführen".

19 Damit wird allerdings die Relevanz des solcherart behaupteten Verfahrensmangels nicht konkret dargetan, sodass der Revisionswerber auch mit diesem Vorbringen eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht aufwirft (vgl. etwa die Nachweise bei Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 E 140 ff zu § 28 VwGG).

20 Überdies sei in diesem Zusammenhang die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Erinnerung gerufen, wonach die Behörde - bzw. das Verwaltungsgericht - auch nach § 13a AVG - iVm § 17 VwGVG - nicht verhalten ist, die Partei in materiellrechtlicher Hinsicht zu beraten und sie etwa anzuleiten, welche Behauptungen sie aufstellen bzw. dass sie Beweisanträge bestimmten Inhaltes stellen solle (vgl. etwa die Nachweise bei Hengstschläger/Leeb, AVG2 Rz 6 zu § 13a).

21 4. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 21. November 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019100106.L00

Im RIS seit

21.01.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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