TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/11 W268 2147642-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.11.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

11.11.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W268 2147642-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Iris Gachowetz über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.01.2017, Zl. 1075279509-150741046, zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 25.06.2015 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der am 26.06.2015 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung gab er an, der Volksgruppe Darod und dem Subclan Dhulbahante anzugehören und aus XXXX im Ort XXXX zu stammen. Hinsichtlich seiner Fluchtgründe führte er aus, er habe Somalia aufgrund des Stammeskrieges in seiner Herkunftsregion verlassen. Dadurch sei das Leben schwierig und eingeschränkt. Zudem gebe es eine prekäre Versorgungslage.

2. Mit Schriftsatz vom 11.07.2019 übermittelte der BF zwei Schriftsätze eines Krankenhauses in Somalia, aus welchen hervorgeht, dass der Vater des BF erschossen wurde und die Mutter aufgrund einer Kopfverletzung im Krankenhaus behandelt werde.

3. Am 22.12.2018 wurde der BF vor dem BFA zu seinen Fluchtgründen näher befragt. Er brachte dort im Wesentlichen vor, er habe mit seinem Vater gemeinsam ein Geschäft betrieben. Die Regierung von Somaliland werfe dem BF vor, er würde den Khatumo-State finanziell unterstützen und sie mit Waffen beliefern. Der BF sei deshalb für einen Monat eingesperrt worden. Die Stammesältesten seines Subclans hätten den BF gegen eine Kaution von 30000 Dollar frei bekommen. Anschließend habe der Bruder des BF zwei Polizisten, die bei der damaligen Verhaftung des BF involviert gewesen seien, getötet. Die Polizei von Somaliland hätte anschließend u.a. nach dem BF bei ihm zu Hause und im Geschäft gesucht. Der BF sei deshalb aus Somalia geflohen. Im August 2015 sei schließlich der Vater des BF wegen der zwei ermordeten Polizisten getötet und seine Mutter verletzt worden.

4. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.01.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem BF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II). Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wurde dem BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 26.01.2018 erteilt (Spruchpunkt III). In der Beweiswürdigung führte die Behörde aus, dass der BF eine asylrelevante Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft habe machen können. Der Fluchtgrund - die Regierung von Somaliland habe ihm unbegründet vorgeworfen, mit Khatumostate zu kooperieren - sei in der Erstbefragung nicht erwähnt worden. Eine sachliche Rechtfertigung des gesteigerten Fluchtvorbringens sei dem BF aber nicht gelungen. Aufgrund der prekären Sicherheitslage in XXXX sei dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.

5. Mit Verfahrensordnung vom 26.01.2017 wurde der BF gemäß § 63 Abs. 2 AVG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

6. Mit Schriftsatz vom 10.02.2017 wurde fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides erhoben und Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht. Das Fluchtvorbringen des BF sei glaubhaft und schlüssig geschildert worden. Die Beweiswürdigung fokussiere zu stark auf die Aussagen der Erstbefragung. Dem BF wäre bei richtiger Beurteilung der Sach- und Rechtlage der Status des Asylberechtigten zu gewähren gewesen.

7. Die Beschwerdevorlage langte am 16.02.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde in Folge der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugewiesen.

8. Am 03.07.2019 wurde eine mündliche Verhandlung unter Teilnahme des BF vor dem Bundesverwaltungsgericht abgehalten. Hinsichtlich des Verfahrensinhaltes sowie des Inhaltes der Beschwerde im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Das Bundesverwaltungsgericht stellt den Verfahrensgang fest, wie dieser bei Punkt I wiedergegeben ist.

1.2. Zur Person des Beschwerdeführers

Der BF, dessen präzise Identität nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte, ist volljähriger Staatsangehöriger Somalias, Angehöriger des Clans der Darod, des Subclans Dhulbahante und des Subsubclans XXXX . Er bekennt sich zum moslemischen Glauben. Er stammt aus XXXX in der Region Somaliland, wo er bis zu seiner Ausreise 2015 gemeinsam mit seiner Frau, seinen Eltern und seinen Geschwistern lebte und acht Jahre lang die Schule besuchte. Nachdem er die Schule abgeschlossen hatte, arbeitete er im Geschäft seines Vaters in XXXX .

Zwei Schwestern, die Mutter und die Frau des BF leben mittlerweile in Kenia. Der Vater des BF ist verstorben.

Der unbescholtene BF lebt aktuell aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter in Österreich. Der BF lebt von seinem Einkommen als Lagerarbeiter in Österreich.

1.3. Zu den Fluchtgründen des BF

Der BF war nach seiner Schulzeit im Geschäft seines Vaters als Verkäufer tätig. Eines Tages, etwa im April 2015, kamen Polizisten zum BF in das Geschäft seines Vaters. Die Polizisten warfen dem BF unbegründet, glaublich, um von der Familie des BF Geld zu erpressen, vor, Mitglieder des Khatumo State zu unterstützen. Der BF wurde deshalb festgenommen und zur Polizeistation gebracht. Er war einen Monat inhaftiert und wurde währenddessen täglich geschlagen. Die Clanältesten vom Clan des BF nahmen Verhandlungen mit der Polizei auf; so wurde der BF schließlich gegen Zahlung einer Kaution freigelassen. Am Tag seiner Enthaftung nahm der Halbbruder des BF ein Gewehr vom Geschäft des Vaters des BF und erschoss zwei Polizisten, die bei der damaligen Verhaftung des BF involviert waren. Die beiden getöteten Polizisten gehörten dem Clan der XXXX an. Die XXXX sind ein anderer Subclan der Darod. Dadurch wurde eine Blutfehde entfacht. Im August 2015 wurde deshalb der Vater des BF erschossen und seine Mutter am Kopf verletzt, weil die Angehörigen der getöteten Polizisten den Halbbruder und den BF nicht finden konnten. Die Blutfehde ist noch nicht beendet, weil der Halbbruder des BF in Folge zwei Personen des Clans XXXX tötete und von Seiten des BF bis jetzt nur der Vater des BF getötet wurde. Im Übrigen möchte auch deshalb die somalische Polizei den BF töten, um den Ausbruch eines Clankonfliktes zu verhindern.

1.4. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat

Zur Situation in Somalia-Somaliland enthält das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 12.01.2018 in der Fassung der Kurzinformation vom 17.09.2018 folgende - mit Blick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers maßgebliche - Ausführungen, die das Bundesverwaltungsgericht als örtliche Gegebenheiten im Herkunftsstaat feststellt. Im Hinblick auf die dem Bundesverwaltungsgericht mittlerweile vorliegenden neueren Länderfeststellungen hat sich die allgemeine Lage in Bezug auf das Vorbringen des BF nicht geändert.

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 17.09.2018: Positiver Trend bei Versorgungslage (betrifft: Abschnitt 21/Grundversorgung und Abschnitt 21.1/Dürresituation) Nach den überdurchschnittlichen Gu-Regenfällen 2018 wird die Getreideernte die größten Erträge seit 2010 einbringen. Die Lage bei der Nahrungsversorgung hat sich weiter verbessert (UN OCHA 11.09.2018; vgl. UN OCHA 05.09.2018), dies gilt auch für Einkommensmöglichkeiten und Marktbedingungen (FSNAU 01.09.2018).

Die Preise für unterschiedliche Grundnahrungsmittel haben sich in Mogadischu gegenüber dem Vorjahr drastisch verbilligt und liegen nunmehr unter dem Fünfjahresmittel. Dies betrifft namentlich Bohnen (cowpea), rotes Sorghum und Mais (FEWS NET 31.08.2018). Insgesamt hat sich die Ernährungssituation verbessert, auch wenn es im ganzen Land noch eine hohe Rate an Unterernährung gibt - speziell unter IDPs (UN OCHA 11.09.2018).

Die Dürre ist zwar offiziell vorbei, es braucht aber mehr als eine gute Regenzeit, bevor sich die Menschen davon erholen (UN OCHA 02.09.2018). Vor allem vom Verlust ihres Viehs, von Überschwemmungen (im April/Mai 2018, Juba- und Shabelle-Täler) und vom Zyklon Sagar (Mai 2018, Nordsomalia) betroffene Gemeinden werden noch längere Zeit für eine Rehabilitation brauchen. Zwischen Februar und Juli 2018 konnten humanitäre Organisationen 1,9 Millionen Menschen pro Monat erreichen (UN OCHA 05.09.2018).

Die Stufe für akute Unterernährung hat sich verbessert. Die Zahl von an schwerer akuter Unterernährung Betroffenen ist nur bei zwei Gruppen kritisch: Bei den IDPs in Mogadischu und in der Guban Pastoral Livelihood in West-Somaliland (UN OCHA 05.09.2018). Allerdings werden auch noch andere Teile oder Gruppen Somalias als Hotspots genannt, wo Interventionen als dringend erachtet werden.

Dies sind im ländlichen Raum: Northern Inland Pastoral of Northeast (Teile von Sanaag, Sool und Bari); Hawd Pastoral of Northeast (Teile von Togdheer, Sool und Nugaal); Northwest Guban Pastoral (Teile von Awdal); der Bezirk Belet Weyne (Shabelle-Tal und agro-pastorale Teile); Agro-pastorale Teile und das Juba-Tal in Gedo; die Bezirke Mataban, Jalalaqsi und Buulo Burte in Hiiraan; Teile des Juba-Tals in Middle Juba. An Gruppen sind es die IDPs in Bossaso, Garoowe, Galkacyo, Qardho, Mogadischu, Baidoa, Kismayo und Doolow (FSNAU 1.9.2018).

Überhaupt bleiben IDPs die am meisten vulnerable Gruppe (UN OCHA 11.9.2018).

In Nordsomalia werden aus einigen Gebieten immer noch Wasser- und Weidemangel berichtet, da die Gu-Regenzeit dort auch im Jahr 2018 nicht ertragreich ausgefallen ist. Es handelt sich um Teile der Regionen Bari und Nugaal (Puntland) sowie von Sool und Sanaag (Somaliland). Dort findet die Wasserversorgung teils immer noch mit Tanklastwagen statt, rund 48.000 Haushalte sind betroffen. Humanitäre Organisationen wie ACTED sind dort aktiv und konnten für über 31.000 Haushalte samt Vieh die Wasserversorgung wiederherstellen (ACTED 12.09.2018).

Insgesamt sind ca. 4,6 Millionen Menschen weiter auf Unterstützung angewiesen, im Februar 2018 waren es noch 5,4 Millionen gewesen (UN OCHA 11.09.2018). Von den 4,6 Millionen befinden sich ca. 1,4 Millionen auf IPC-Stufe 3 (IPC = Klassifizierung zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung), weitere ca. 170.000 auf IPC-Stufe 4 (FSNAU 01.09.2018). Darunter scheinen sich viele Kinder zu finden. Ca. 240.000 Kinder gelten als akut unterernährt, weiter 55.000 als schwer unterernährt (UN OCHA 02.09.2018).

Für die Deyr-Regenzeit 2018 (Oktober-Dezember) wird eine überdurchschnittliche Niederschlagsmenge prognostiziert (UN OCHA 05.09.2018; vgl. FAO 06.09.2018). Damit wird auch eine weitere Verbesserung bei den Weideflächen und bei der Wasserverfügbarkeit und i.d.F. Verbesserungen bei der Viehzucht und in der Landwirtschaft einhergehen (FAO 06.09.2018).

Zusätzliche Ernten und weiter verbesserte Marktbedingungen werden zu weiteren Verbesserungen führen (FSNAU 01.09.2018) Allerdings werden auch für das äthiopische Hochland höhere Niederschlagsmengen prognostiziert, was das Überschwemmungsrisiko entlang von Juba und Shabelle steigen lässt. Gegenwärtig sind einige Flussufer bzw. Flusseinfassungen beschädigt, was selbst bei normalen Regenmengen eine Gefahr darstellt (FAO 06.09.2018).

Immerhin hat Somalia 2018 die schwersten Überschwemmungen seit 60 Jahren erlebt (WB 06.09.2018).

KI vom 03.05.2018: Überdurchschnittliche Niederschläge, bessere Versorgungssicherheit prognostiziert (betrifft: Abschnitt 21/Grundversorgung und Abschnitt 21.1/Dürresituation) Schon in den vor der Gu-Regenzeit gemachten Prognosen zeichnete sich eine Entspannung der Situation ab, obwohl damals nur unterdurchschnittliche Regenmengen prognostiziert wurden.

Anfang 2018 wurde für Februar-Juni 2018 prognostiziert, dass die Bevölkerung in folgende IPC-Stufen (Klassifizierung zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung) einzuordnen sein wird: 56% Stufe 1 (minimal); 22% Stufe 2 (stressed); 18% Stufe 3 (crisis); 4% Stufe 4 (emergency); 0% Stufe 5 (famine). IDP-Lager in Südsomalia wurden durchwegs mit Stufe 3 IPC prognostiziert; Städte in Lower und Middle Shabelle, Bay und Jubaland mit Stufe 2; Mogadischu mit Stufe 1. Landesweit zeigt sich, dass die Bevölkerung in den Städten besser versorgt ist, als jene auf dem Lande (FAO 2018).

Verbesserungen bei Nahrungsmittelsicherheit und Ernährung sind auf die höhere Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln aus der Deyr-Ernte und aus der gestiegenen Milchproduktion zurückzuführen. Gleichzeitig wird die humanitäre Hilfe aufrechterhalten. Viele Haushalte können Nahrungsmittel mit von humanitären Akteuren zur Verfügung gestellten Geldmitteln oder Gutscheinen erwerben (FEWS 3.2018).

Im ersten Quartal 2018 bezogen monatlich 1,84 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Im letzten Quartal 2017 waren es noch 2,5 Millionen gewesen. Insgesamt erreicht die Unterstützung rund 70% der Menschen die sich auf oder über Stufe 3 IPC befinden (FEWS 4.2018a).

Auch im Jahr 2018 wird humanitäre Hilfe weiterhin in großem Ausmaß erforderlich sein (FEWS 3.2018). Der bereits eingetretene Rückgang an Hunger ist auch im Vergleich der Daten der beiden Deyr-Regenzeiten 2016/17 und 2017/18 zu erkennen (FEWS 3.2018):

Nunmehr ist es im April 2018 in fast allen Landesteilen zu mittleren bis starken Regenfällen gekommen (FAO 27.04.2018). In fast ganz Somalia lag die Niederschlagsmenge der GuRegenzeit bis zum 20.04.2018 bei 200% des mehrjährigen Durchschnitts. Nur im Nordosten blieben die Niederschläge unterdurchschnittlich (FEWS 4.2018a). Allerdings werden die Niederschläge bis Juni weiter anhalten (FEWS 4.2018a; vgl. FAO 27.04.2018), auch wenn mit einem Rückgang der Niederschlagsmengen gerechnet wird (FEWS 4.2018a). Für den Zeitraum Juni-September 2018 wurde eine deutliche Entspannung bei der Nahrungsmittelversorgung angekündigt. Nur noch für Hilfsorganisationen leicht zugängliche Gebiete im Nordwesten werden unter Stufe 4 IPC (emergency) eingestuft, der große Rest des Landes fällt in die Stufen 1-3, Süd-/Zentralsomalia gänzlich (bis auf IDPKonzentrationen) in die Stufen 1-2 (FEWS 4.2018b).

Aufgrund der überdurchschnittlichen Niederschläge in der Gu-Regenzeit Anfang 2018 wird erwartet, dass sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln in einigen Teilen Südsomalias noch weiter verbessern wird, als zu Jahresbeginn bereits prognostiziert. Zwar wurden in von Überflutungen betroffenen Gebieten Teile der Ernte vernichtet, jedoch sind die Bedingungen insgesamt so günstig, dass mit einer überdurchschnittlichen Ernte zu rechnen ist (FEWS 4.2018b). Die Felder befinden sich in gutem Zustand. In der Landwirtschaft gibt es Arbeitsmöglichkeiten auf Normalniveau (FEWS 4.2018a).

In den meisten Gebieten haben sich Weidegründe und Wasserverfügbarkeit verbessert (FEWS 4.2018a; vgl. FEWS 4.2018b), der Zustand der Tiere hat sich normalisiert. Allerdings bleibt die durchschnittliche Herdengröße noch hinter dem Normalzustand zurück. Arme Nomaden in Nord- und Zentralsomalia werden weiterhin über zu wenig Vieh verfügen. Dort wird Stufe 3 IPC (crisis) vermutlich weiter vorherrschen (FEWS 4.2018b). Die Entspannung wird auf Karten dokumentiert:

Der Handelspreis für 1kg Sorghum ist in Baidoa im ersten Quartal 2018 um 37% eingebrochen, jener für 1kg Mais in Qoryooley um 32%. Auch bei armen Haushalten verbessert sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln, sie haben nun auf normalem Niveau Zugang zu Arbeit in der Landwirtschaft und die Nahrungsmittelpreise haben sich ebenfalls normalisiert. Mit dem Tageseinkommen können nunmehr 10-18kg lokalen Getreides erstanden werden - 20%-60% mehr als noch vor einem Jahr (FEWS 4.2018a).

Untenstehend findet sich die detaillierte Prognosekarte der Agentur FSNAU der FAO für die Monate 2-6/2018:

Zusätzlich zu den Niederschlägen fließen aus dem äthiopischen Hochland beträchtliche Mengen Wasser zu (FEWS 4.2018a; vgl. FAO 27.04.2018). Dadurch kam es in einigen Gebieten zu Überschwemmungen. Belet Weyne war besonders stark betroffen, 70% der Haushalte mussten ihre Häuser verlassen. In Qoryooley waren es 250 Haushalte. Außerdem betroffen waren einige Dörfer in Middle Juba und im Bezirk Wanla Weyne. Auch einige landwirtschaftlich genutzte Gebiete in Bay, Lower Juba, Togdheer und Hiiraan wurden überflutet (FEWS 4.2018a). Die Pegel der Flüsse werden vermutlich weiter steigen. Bisher sind rund 630.000 Menschen von Sturzfluten oder Überschwemmung betroffen, ca. 215.000 haben ihre Häuser verlassen müssen (davon 180.000 im Gebiet Belet Weyne). Andererseits verlassen manche IDPs die Lager, um von den Niederschlägen in ihrer ursprünglichen Heimat zu profitieren (UN OCHA 2.5.2018).

2. Politische Lage

Anstehende Wahlen wurden wiederholt verschoben (USDOS 03.03.2017; vgl. AA 01.01.2017). Diese erneute Verschiebung der Parlamentswahlen wirft einen Schatten auf das vergleichsweise demokratische Somaliland. Das Oberhaus, die Guurti, geht in das zwölfte Amtsjahr, ohne wiedergewählt zu sein (AA 01.01.2017). Die Präsidentenwahlen wurden im März 2017 erneut verschoben (UNSC 09.05.2017). Allerdings war diese Verschiebung angesichts der Dürresituation u.a. auch von den Oppositionsparteien gefordert worden (FT 29.06.2017; vgl. BFA 3./4.2017). Im November 2017 wurden die Wahlen schließlich abgehalten. Gewonnen hat der Kandidat der regierenden Kulmiye-Partei, Muse Bihi Abdi. Er gewann die Wahl mit 55% und ist damit der fünfte Präsident seit der Ausrufung der Unabhängigkeit im Jahr 1991. Nach den Wahlen war es zu Demonstrationen gekommen, da der unterlegene Kandidat der Wadani-Partei das Ergebnis zuerst nicht anerkennen wollte. Die Situation beruhigte sich bald. Internationale Wahlbeobachter erklärten, dass die Wahlen internationalen Standards entsprochen haben (VOA 21.11.2017). Es kam zu keinen signifikanten Irregularitäten (ISS 10.01.2018).

Das Gebiet der früheren Kolonie Britisch-Somaliland im Nordwesten Somalias hat sich 1991 für unabhängig erklärt, wird aber von keinem Staat anerkannt. Allerdings bemühen sich die Nachbarn in der Region sowie zunehmend weitere Staaten in Anerkennung der bisherigen Stabilisierungs- und Entwicklungsfortschritte um pragmatische Zusammenarbeit. Somaliland hat seit der Erklärung der Unabhängigkeit mehrere allgemeine Wahlen erlebt (AA 01.01.2017). Im Westen und in den zentralen Teilen von Somaliland ist es gelungen, einfache Regierungsstrukturen zu etablieren. Da die Regierung aber nur wenig externe Unterstützung erhält, wird nur eine minimalistische Verwaltung geboten; dabei konzentriert man sich auf die Erhaltung der öffentlichen Sicherheit (BS 2016). Es ist mit internationaler Hilfe gelungen, Bezirksverwaltungen und Bezirksräte zu etablieren (BFA 8.2017).

Somaliland hat beachtliche demokratische Erfolge erzielt (UNDP 10.12.2017). Somaliland gilt als Vorbildstaat am Horn von Afrika. Obwohl es kaum internationale Unterstützung erhielt, klappt die Demokratie ebenso wie Bildung und Frieden (SZ 13.02.2017). Somaliland ist es gelungen, eine Wahldemokratie aufzubauen. Das Land ist dabei, diese Staatsform zu konsolidieren. Wahlen wurden bisher von Beobachtern als halbwegs frei und fair beschrieben. Die demokratischen Institutionen Somalilands arbeiten recht gut, ihre Arbeit wird aber durch einen Mangel an Ressourcen und geringe Kapazitäten des öffentlichen Dienstes erschwert. Außerdem kommt es zu Bevorzugungen auf Basis des Clans. Trotzdem haben die gewählten politischen Repräsentanten seit den ersten demokratischen Wahlen im Jahr 2002 an Legitimität und Macht gewonnen. V.a. die Bevölkerung in den westlichen und zentralen Teilen Somalilands akzeptiert die bestehenden Regierungsinstitutionen - allerdings nicht exklusiv. Auch traditionelle Normen und Institutionen bestehen fort. Während Somaliland also bei der Wiederherstellung staatlicher Strukturen und demokratischer Reformen erfolgreich war, kämpft das Land mit massiven strukturellen Restriktionen. Der Staatsapparat bleibt schwach und unterfinanziert und das Land ist von einem inakzeptablen Maß an Armut geprägt (BS 2016).

Gemäß der 2001 angenommenen Verfassung durften politische Parteien gegründet werden und an den Kommunalwahlen 2002 teilnehmen. Allerdings durften nur die drei in diesen Kommunalwahlen stärksten Parteien dauerhaft etabliert werden (AA 01.01.2017; vgl. BS 2016). Damit soll eine Zersplitterung der Parteienlandschaft entlang von Clans verhindert werden. Zunächst erhielten die UDUB (Ururka Dimuqraadiga Ummadda Bahawday, Union der Demokraten) sowie Kulmiye (Solidarität) und UCID (Ururka Caddaalada iyo Daryeelka, Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung) die dauerhafte Zulassung (AA 01.01.2017; vgl. BS 2016). Bei Gemeindewahlen sind alle registrierten politischen Vereinigungen zugelassen; und die Gemeindewahlen entscheiden darüber, welche drei Parteien für die nächsten Wahlen auf nationaler Ebene zugelassen werden. Bei den Gemeindewahlen im November 2012 entschied sich die Bevölkerung für Kulmiye, UCID und Waddani als nationale Parteien (BS 2016). Die UDUB verlor die Zulassung, stattdessen wurde die Waddani-Partei im Rahmen eines festgelegten Verfahrens zugelassen. Politisches Engagement im Rahmen anderer Gruppen wird staatlicherseits beobachtet. Gegebenenfalls werden strafrechtliche Maßnahmen ergriffen (AA 01.01.2017).

Das Innenministerium hat 2.700 Sultane registriert. Diese erhalten für ihre Beteiligung an den Lokalverwaltungen auch ein Gehalt (UNHRC 06.09.2017).

Somaliland definiert seine Grenzen gemäß der kolonialen Grenzziehung; Puntland hingegen definiert seine Grenzen genealogisch entlang der Siedlungsgebiete des Clans der Darod. Insgesamt ist die Ostgrenze Somalilands zu Puntland nicht demarkiert, und die Grenze bleibt umstritten (EASO 2.2016). Das Verhältnis zwischen dem im Nordwesten gelegenen Somaliland und dem Rest des Landes ist problematisch (AA 4.2017a). Das nicht-anerkannte Somaliland ist vom Großteil externer (finanzieller) Unterstützung abgeschnitten. Dies hat dazu geführt, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt zwischen Regierung und Bürgern ungewöhnlich stark ist. Die Demokratie hat sich aus einer Reihe großer Clankonferenzen entwickelt und ist damit mit einem hohen Maß an Legitimität versehen (ECO 13.11.2017).

3. Sicherheitslage

Hinsichtlich Somaliland ist kein essentielles Sicherheitsproblem bekannt (BFA 8.2017). In Somaliland herrscht Frieden (ZEIT 22.11.2017). Der in Somaliland etablierten de factoRegierung ist es gelungen, ein für die Region durchaus bemerkenswertes Maß an Stabilität und Ordnung herzustellen (AA 4.2017a). Die somaliländische Regierung übt über das ihr unterstehende Gebiet Kontrolle aus (USDOS 03.03.2017). In Somaliland wurde im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht (AA 01.01.2017). Somaliland ist das sicherste Gebiet Somalias, die Sicherheitslage ist dort deutlich stabiler (UNHRC 06.09.2017; vgl. ÖB 9.2016). Mehrere Quellen bezeichnen Somaliland als sicher. Die Einwohner bewegen sich frei und gewiss, nicht angegriffen zu werden. In Hargeysa und auch in den ländlichen Gebieten - mit Ausnahme der umstrittenen Teile - sind lebensbedrohliche Zwischenfälle eine Seltenheit (BFA 8.2017). Insbesondere die Regionen Awdal, Woqooyi Galbeed und Togdheer gelten als relativ friedlich (EASO 2.2016). Politische Konflikte und Machtkämpfe werden gewaltlos ausgetragen (BS 2016).

Somaliland war in der Lage, die Bedrohung durch al Shabaab einzudämmen (UNHRC 06.09.2017). Anschläge oder Kampfhandlungen der al Shabaab gab es keine (ÖB 9.2016), die Terrorgruppe kontrolliert in Somaliland keine Gebiete (AA 01.01.2017). Seit 2008 hat es in Somaliland keine terroristischen Aktivitäten der al Shabaab mehr gegeben. Trotzdem bleibt die Gruppe für Somaliland eine Bedrohung. Es ist davon auszugehen, dass die al Shabaab in Hargeysa über eine Präsenz verfügt. Die Kapazitäten der al Shabaab in Hargeysa sind jedoch gering. Eine (temporäre) Präsenz und sporadische Aktivitäten der al Shabaab werden aus den umstrittenen Gebieten in Ost-Somaliland und aus Burco gemeldet (BFA 8.2017). In Sool (v.a. Laascaanood) und Sanaag scheint die Präsenz der al Shabaab verstärkt worden zu sein (SEMG 08.11.2017). Aufgrund der Mitwirkung der Bevölkerung wurden zahlreiche Mitglieder der al Shabaab verhaftet. Immer wieder hört man auch von Verhaftungen an Straßensperren. Über 50 Angehörige der al Shabaab befinden sich in somaliländischen Gefängnissen. Deserteure der al Shabaab scheinen in Somaliland kaum gefährdet zu sein. Es gibt keine Berichte, wonach in Hargeysa schon einmal ein Deserteur der al Shabaab exekutiert worden wäre (BFA 8.2017).

Clankonflikte bestehen wie überall in Somalia auch in Somaliland, und es kann zu Auseinandersetzungen und Racheakten kommen, die zivile Opfern fordern. Clankonflikte stellen aber kein Sicherheitsproblem dar, das die politische Stabilität der Region gefährde. Somaliland hat Regierungsstrukturen aufgebaut, die das Machtstreben der verschiedenen Clans ausbalancieren. Das ganze politische System beruht auf Kompromissen zwischen den Clans (ÖB 9.2016). Mit internationaler Hilfe ist es gelungen, in Somaliland Bezirksverwaltungen und Bezirksräte zu etablieren (BFA 8.2017). Den Behörden ist es gelungen, einen relativ wirksamen Schutz gegen Banden und Milizen zu gewährleisten (AA 01.01.2017). Hinsichtlich Hargeysa gibt es keine Sicherheitsprobleme. Die Kriminalitätsrate ist relativ niedrig. Wenn es zu einem Mord kommt, dann handelt es sich üblicherweise um einen gezielten Rachemord auf der Basis eines Clan-Konflikts. Hargeysa und Burco sind relativ ruhig (BFA 8.2017).

Die Grenze zu Puntland ist umstritten (AA 01.01.2017) und international nicht anerkannt. Dort kommt es gelegentlich zu Schusswechseln (ÖB 9.2016) bzw. zu kleineren Scharmützeln mit beheimateten Milizen (AA 4.2017a). Dabei geht es um die östlichen Drittel der Regionen Sool und Sanaag (BFA 8.2017). In der Grenzregion Sanaag bestehen Spannungen (ÖB 9.2016). Der Osten der Region Sanaag steht nicht unter Kontrolle der somaliländischen Regierung; überhaupt hat die Regierung in den Gebieten der Warsangeli keinen großen Einfluss. Auf den Bezirk Laasqoray nehmen weder Somaliland noch Puntland maßgeblichen Einfluss, Teile davon werden von den dort lebenden Warsangeli de facto selbst verwaltet (BFA 8.2017).

Im Südosten des Landes haben Angehörige des Dulbahante-Clans im Jahr 2012 den sogenannten Khatumo-Staat ausgerufen. Dieser umfasst die bereits zuvor von der Miliz SSC (Sool-Sanaag-Cayn) beanspruchten Gebiete des Dulbahante-Clans. Allerdings kontrolliert Khatumo nur kleine Teile des beanspruchten Territoriums. Khatumo verfügt über eine eigene Miliz, nicht aber über funktionierende Verwaltungsstrukturen. Khatumo hat keinen großen Einfluss und die Vertreter halten sich oft in Äthiopien auf, wo sie von Somaliland nicht verfolgt werden können.

Der Konflikt zwischen Somaliland und Khatumo wird nur mit geringer Intensität ausgetragen (EASO 2.2016). Seit 2014 ist es in der Region Sool zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Somaliland und der Khatumo-Miliz gekommen (ÖB 9.2016). Seit Beginn des Jahres 2017 hat es so gut wie keine bewaffneten Aktivitäten von Khatumo oder mit Bezug auf Khatumo gegeben. Die Lage in den Gebieten OstSomalilands an der Grenze zu Puntland bleibt aber weiterhin fragil. Dabei geht es nicht so sehr um den Konflikt zwischen Puntland und Somaliland, sondern um lokale Clans, die regelmäßig in Schießereien verwickelt sind. Diese sind im Jahr 2017 - vermutlich aufgrund der Dürre und der damit verbundenen Verknappung der Ressourcen - eskaliert. Dabei standen sich in erster Linie Subclans der Dulbahante gegenüber. Im weitesten Sinne ist das Gebiet von Khatumo also immer noch ein ‚umstrittenes' Gebiet. Die somaliländische Polizei und die Armee werden häufig in die Region verlegt, zuletzt vor allem im Zuge der Wählerregistrierung. Auch gegenwärtig verfügt die somaliländische Armee in Ost-Somaliland über eine verstärkte Präsenz (BFA 8.2017).

Der Führer des selbsternannten "Khatumo-Staates", Ali Khalif Galayd, hat Friedensgespräche mit Somaliland initiiert; dabei wurde im Juni 2017 auch die "Rückkehr" von Khatumo zu Somaliland in Aussicht gestellt (UNSC 05.09.2017) und es ist zu einer Einigung gekommen (SEMG 08.11.2017).

Derzeit ist das Verhältnis zwischen Khatumo und Somaliland relativ vernünftig. Man führt Verhandlungen. Allerdings zerfällt die pro-Khatumo-Front innerhalb der Dulbahante zusehends. Einige Älteste unterschiedlicher Subclans haben dem Präsidenten von Khatumo schon die Unterstützung entzogen. Diese Spaltung spiegelt sich etwa in Form der Schaffung der Dulbahante Liberation Front (DLF) wider (BFA 8.2017). In der Folge kam es auch zu Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Fraktionen der Dulbahante. Im Zuge der Vorbereitungen der somaliländischen Präsidentschaftswahl ist es zu Angriffen von Dulbahante-Milizen auf mit der Wahl verbundenen Zielen gekommen (SEMG 08.11.2017).

Eine vollständige und inhaltlich umfassende Darstellung kann nicht gewährleistet werden; die Gebietsgrenzen sind relativ, jedoch annähernd. Laut Lagekarte verfügt Somaliland in den einfarbig markierten Landesteilen über relevanten Einfluss. Somaliland kann dafür auf die maßgeblichen Ressourcen zurückgreifen, um auch längerfristig Einfluss zu gewährleisten. Schraffierte Gebiete unterliegen dem Einfluss von zwei dermaßen relevanten Parteien (hier: Somaliland, Puntland). Strichlierte Linien umreißen die Operationsgebiete weiterer, weniger relevanter Parteien mit geringerem Einfluss (hier: Clan-Milizen; al Shabaab in den Golis/Galgala Bergen) (BFA 8.2017). Nur verhältnismäßig kleine Teile der somaliländischen Einflusszonen sind umstritten: Die östlichen Drittel der Regionen Sool und Sanaag zwischen Puntland und Somaliland; In den Bezirken Buuhoodle, Laascaanood, Xudun und Taalex kommt es sporadisch zu Auseinandersetzungen zwischen Somaliland und einzelnen Dulbahante-Milizen; Auf den Bezirk Laasqoray nehmen weder Somaliland noch Puntland maßgeblichen Einfluss, Teile davon werden von den dort lebenden Warsangeli de facto selbst verwaltet. Im Gebiet der Galgala-Berge an der Grenze von Somaliland und Puntland hat sich bereits vor Jahren eine Gruppe der al Shabaab festgesetzt. Sie unternimmt von dort aus - meist kleinere - Operationen ins Umland (BFA 8.2017).

In den somaliländischen Regionen Awdal, Sanaag, Sool, Togdheer und Woqooyi Galbeed lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 3,5 Millionen Einwohner (UNFPA 10.2014). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2016 insgesamt 29 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "violence against civilians"). Bei 24 dieser 29 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2017 waren es 24 derartige Vorfälle (davon 17 mit je einem Toten). Im Laut ACLED Datenbank entwickelte sich die Zahl an Zwischenfällen mit Todesopfern (meist ein Todesopfer) in Somaliland folgendermaßen (es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann.

(...)

4. Rechtsschutz/Justizwesen

In Somaliland sind die Grundsätze der Gewaltenteilung in der Verfassung niedergeschrieben. Allerdings ist die Verfassungsrealität eine andere. Richter sind einer vielfältigen politischen Einflussnahme durch staatliche Amtsträger ausgesetzt (AA 1.1.2017; vgl. ÖB 9.2016, BS 2016). In Gerichtsverfahren ist politische Einflussnahme durch staatliche Amtsträger weit verbreitet - speziell bei Verfahren gegen Journalisten (USDOS 03.03.2017).

In Somaliland gibt es zwar funktionierende Gerichte, allerdings gibt es gleichzeitig Kapazitätsprobleme (USDOS 03.03.2017; vgl. BS 2016, ÖB 9.2016). Es fehlt an ausgebildeten Richtern und Juristen sowie an einer nachvollziehbaren Rechtsdokumentation (ÖB 9.2016; vgl. BS 2016). UNODC und andere UN-Agenturen unterstützen Somaliland dabei, das Justizsystem und die Haftbedingungen zu verbessern (ÖB 9.2016). Mit internationaler Hilfe ist aber in die Gerichte investiert worden. Die sogenannten mobile courts funktionieren relativ gut und haben den Zugang der Bürger zur formellen Justiz verbessert (BFA 8.2017). Das Justizsystem in Somaliland ist eine Mischung aus traditionellem Recht (xeer), Scharia und formellem Recht (BS 2016; vgl. USDOS 03.03.2017, ÖB 9.2016). Die Scharia wird in erster Linie in Familienangelegenheiten herangezogen. Das formelle Recht wird oft dem traditionellen Recht untergeordnet, da die Kapazitäten ordentlicher Gerichte eingeschränkt sind (BS 2016). Zwar sind die drei Rechtsformen nicht gut integriert (USDOS 03.03.2017). Doch selbst wenn sich das formelle Recht und das traditionelle Recht in manchen Punkten widersprechen, so werden die Rechtssysteme nicht als konkurrierend sondern vielmehr als komplementär erachtet. Generell können sich die Menschen aussuchen, ob sie sich an formelle, traditionelle oder religiöse Institutionen wenden (BS 2016). Allerdings richtet sich der Bürger im Fall des Falles zuerst an seinen Clan. Auch wenn ein Mord passiert, wird vorerst im traditionellen System Blutgeld verhandelt. Kommt man zu keiner Lösung, richtet man sich an die Gerichte (BFA 8.2017). In Somaliland kommt das traditionelle Recht einer Angabe von 2006 zufolge bei 80% der Rechtsstreitigkeiten zur Anwendung. Gerichte anerkennen xeerEntscheide (traditionelles Recht) (SEM 31.05.2017).

In Somaliland sind ansatzweise rechtsstaatliche Grundsätze im Strafrecht zu beobachten. Dazu gehört das Bemühen, eine diskriminierende Strafverfolgung und -zumessung möglichst zu vermeiden (AA 01.01.2017). Auch Bürgerrechte sind in Somaliland formell garantiert. Eine grundlegende Rechtstaatlichkeit konnte etabliert werden. Die Polizei und andere Regierungsinstitutionen arbeiten ausreichend gut. In entlegenen Gebieten vertreten allerdings lokale Behörden und Älteste die Rechtsordnung. Dort sind Frauen- und Minderheitenrechte nur unzureichend geschützt (BS 2016). Auch das Verwaltungssystem reicht nicht bis in alle entlegenen Gebiete. Die Politik muss im Hinterland mit lokalen traditionellen und religiösen Autoritäten kooperieren, um die Verwaltung gewährleisten zu können (BS 2016). In den nicht von der Regierung kontrollierten Gebieten werden Urteile häufig nach traditionellem Recht von Clan-Ältesten gesprochen. Diese Verfahren betreffen in der Regel nur den relativ eng begrenzten Bereich eines bestimmten Clans. Bei Sachverhalten, die mehrere Clans betreffen, kommt es häufig zu außergerichtlichen Vereinbarungen (Friedensrichter), auch und gerade in Strafsachen. Repressionen gegenüber Familie und Nahestehenden ("Sippenhaft") spielen dabei eine wichtige Rolle (AA 01.01.2017).

Das vorhandene Maß an Schutz für Privateigentum wird - wie der Rechtsschutz generell - durch die Schwäche des Justizsystems, durch Korruption und Clan-Einfluss eingeschränkt (BS 2016).

Vor somaliländischen Gerichten gilt generell die Unschuldsvermutung, das Recht auf ein öffentliches Verfahren und das Recht auf rechtliche Vertretung. Verteidiger dürfen Zeugen befragen und einberufen. Für Angeklagte, die einer schweren Straftat bezichtigt werden, gibt es eine kostenlose Rechtsvertretung. Außerdem gibt es im Land eine funktionierende Legal Aid Clinic (USDOS 03.03.2017). Es gibt zwar einen Instanzenzug, allerdings werden manchmal Zeugen eingeschüchtert und Beweismaterial nicht ausreichend beigebracht. Insgesamt werden die Verfahrensrechte in Somaliland aber eher eingehalten, als in anderen Landesteilen (AA 01.01.2017).

5. Sicherheitsbehörden

Somaliland verfügt über eine eigene Armee und über eigene Polizeikräfte (EASO 2.2016; vgl. ÖB 9.2016). In Somaliland stellt sich der staatliche Schutz besser dar, als in Süd-/Zentralsomalia (ÖB 9.2016). Die Sicherheitsorgane haben in Somaliland eine besonders starke Stellung. Ihre zivile Kontrolle durch die politischen Führer ist stärker als im Rest des Landes, aber gleichwohl lückenhaft (AA 01.01.2017). Die Sicherheitskräfte in Somaliland können in einem vergleichsweise befriedeten Umfeld ein höheres Maß an Sicherheit im Hinblick auf terroristische Aktivitäten und allgemeine Kriminalität herstellen als in anderen Landesteilen. Dies gilt insbesondere für die westlichen Gebiete (Regionen Awdal und Woqooyi Galbeed mit den Städten Hargeysa und Berbera) (AA 13.09.2017).

Die letzte verlässliche Zahl zur somaliländischen Polizei wird mit

6.816 im Jahr 2011 angegeben. Im Februar 2017 wurde die Zahl somaliländischer Polizisten auf 6.000 geschätzt. Die Präsenz der Polizei reicht bis nach Ost-Somaliland. Die Menschen nehmen ihre Dienste auch in Anspruch, man kann sich bei Vergehen an die Polizei wenden. Die Polizei verhaftet Verdächtige. In diesem Sinne gibt es auch einen Form von Rechtsstaatlichkeit. Allerdings kann sich auch die Polizei der Clan-Dynamik nicht entziehen (BFA 8.2017). Weitere Sicherheitsinstitutionen sind die Special Police Units (SPU;

zuständig für den Schutz internationaler Organisationen und NGOs);

die Rapid Reaction Unit; und der nationale Geheimdienst. Daneben besteht eine National Coast Guard (BFA 8.2017). Eine Spezialeinheit zur Terrorismusbekämpfung wurde mit Unterstützung Großbritanniens ausgebildet (ÖB 9.2016). Die Einrichtung einer nachrichtendienstlich arbeitenden Innenbehörde ist nicht rechtlich geregelt. Allerdings gibt es dem Vernehmen nach eine Einheit mit vergleichbaren Aufgaben (AA 01.01.2017). Insgesamt arbeiten die Polizei und andere Regierungsinstitutionen ausreichend gut (BS 2016).

Die somaliländische Armee wird von einem zentralen Kommando mit Sitz in Hargeysa geführt. Sie verfügt über Regionalkommanden und ist nach westlichem Vorbild in Groß- und Kleinverbänden organisiert. Die Mannschaften der Armee sind relativ diszipliniert, Vergehen werden i. d.R. verfolgt und bestraft (BFA 8.2017).

6. Folter und unmenschliche Behandlung

Die Sicherheitskräfte Somalilands entziehen sich in ihrem Handeln weitgehend der öffentlichen Kontrolle. Vorwürfe aufgrund systematischer Verfolgung werden nicht erhoben (AA 01.01.2017). Der aktuelle Menschenrechtsbericht des US-Außenministeriums meldet - wie auch die vorhergehenden Berichte - bezüglich Somaliland keine Vorfälle von Folter (USDOS 03.03.2017).

7. Korruption

In Somaliland gibt es einen nationalen Rechnungsprüfer und eine Anti-KorruptionsKommission, deren Mitglieder vom Präsidenten ernannt werden. Im Jahr 2016 wurden keine öffentlich Bediensteten wegen Korruption angeklagt (USDOS 3.3.2017). Es gibt keine rechtlichen Konsequenzen für korrupte Staatsbedienstete. Die Verwaltung und auch die Justiz sind von Korruption und von auf den Clans gründenden Patronage-Netzwerken durchdrungen (BS 2016). Dabei ist es z.B. im Zuge des Beschlusses zur Verpachtung des Hafens von Berbera an die Vereinten Arabischen Emirate zu Stimmenkauf gekommen (SEMG 8.11.2017).

8. NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Internationale und lokale NGOs können in Somaliland im Allgemeinen ohne größere Einschränkungen agieren (USDOS 03.03.2017). Es gibt eine große Zahl an Organisationen der Zivilgesellschaft, etwa für Frauen, Jugendliche, Berufsgruppen etc. (BS 2016). Es gibt keine Berichte darüber, dass al Shabaab in Somaliland Bedienstete von NGOs bedrohen würde. NGOs werden in Somaliland von der al Shabaab in Ruhe gelassen (BFA 8.2017). Menschenrechtsorganisationen werden zwar möglicherweise politisch gebilligt und gefördert, sind aber in aller Regel gleichwohl Repressionen durch staatliche Sicherheitsorgane ausgesetzt (AA 01.01.2017).

9. Ombudsmann

Im Unterschied zur zentralstaatlichen Ebene bzw. Süd-/Zentralsomalia und Puntland gibt es in Somaliland bereits ein den Statuten nach unabhängiges Menschenrechtsinstitut, das sich bemüht, nach den "Pariser Prinzipien" für solche Institute zu arbeiten. Dieses Institut sieht sich jedoch gleichfalls Versuchen politischer Einflussnahme ausgesetzt (AA 1.1.2017). Zudem mangelt es dieser Somaliland National Human Rights Commission (SNHRC) an Ressourcen und an erfahrenem Personal (USDOS 03.03.2017; vgl. AA 01.01.2017).

10. Wehrdienst und Rekrutierungen

In Somaliland gibt es keinen verpflichtenden Militärdienst (AA 01.01.2017).

11. Allgemeine Menschenrechtslage

In der Verfassung von Somaliland ist der Schutz der Menschenrechte ebenso verankert, wie die prägende Rolle der Scharia als Rechtsquelle (AA 01.01.2017). Die Menschenrechtslage in Somaliland ist besser als jene in Süd-/Zentralsomalia (UNHRC 06.09.2017). In den Zentren von Somaliland herrscht im Wesentlichen Rechtsstaatlichkeit und die Polizei und andere Behörden arbeiten halbwegs gut. In den abgelegen Gebieten des Landes sorgen lokale Autoritäten für Recht und Ordnung. In diesem Kontext werden Frauen- und Minderheitenrechte oft nur unzureichend gewährleistet (BS 2016). Zu Somaliland liegen keine Erkenntnisse hinsichtlich extralegaler Tötungen, willkürlicher Festnahmen, "Verschwindenlassen", systematischer Verfolgung oder Menschenhandel vor. Vorwürfe dieser Art werden nicht erhoben (AA 01.01.2017). Bei Human Rights Watch werden für das Jahr 2016 lediglich die Einschränkung der Meinungsfreiheit und die Ausführung der Todesstrafe als für Somaliland relevante Kritik hervorgehoben (HRW 12.01.2017). Amnesty International erwähnt im Jahresbericht für 2016 lediglich Probleme mit der Meinungsfreiheit (AI 22.02.2017). In den Regionen Sool und Sanaag kam es gegenüber Personen, welche sich gegen die somaliländische Wählerregistrierung stellten, zu unverhältnismäßiger Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte. Mindestens zehn Personen starben dabei im Jahr 2016 (USDOS 03.03.2017).

16. Religionsfreiheit

Die somaliländische Verfassung erklärt den Islam zur Staatsreligion (USDOS 15.08.2017; vgl. AA 01.01.2017) und verbietet die Konversion zu einer sowie die Missionierung für eine andere Religion (USDOS 15.08.2017). In Hargeysa oder Somaliland gibt es keine Religionspolizei. Der Islam und die damit verbundenen Regeln finden breite Akzeptanz (BFA 8.2017). Es gibt keine Berichte über religiöse Spannungen oder Konflikte (BFA 8.2017). Der die Religionsfreiheit betreffende Bericht des US-Außenministeriums nennt für Somaliland keine Vorfälle von behördlichem Vorgehen gegen Nicht-Muslime (USDOS 15.08.2017). Im Oktober 2016 konnte in Hargeysa eine katholische Kirche wiedereröffnet werden (USDOS 15.08.2017; vgl. BFA 8.2017).

17. Minderheiten/Clans

Mehrheitsclans in Somaliland: In der Region Awdal wohnen v.a. Angehörige der Dir/Gadabursi und Dir/Issa. In den Regionen Woqooyi Galbeed und Togdheer wohnen v.a. Angehörige der Isaaq/Habr Jeelo, Isaaq/Habr Yonis, Isaaq/Idagala und Isaaq/Habr Awal. In der Region Sool wohnen v.a. Angehörige der Darod/Dulbahante (Taleex, Xudun, Laascaanood), Isaaq/Habr Yonis (Xudun, Laascaanood) und Isaaq/Habr Jeelo (Caynabo). In der Region Sanaag wohnen v.a. Angehörige der Darod/Warsangeli (Laasqoray, Ceerigaabo), Isaaq/Habr Yonis (Ceerigaabo) und Isaaq/Habr Jeelo (Ceel Afweyn) (EASO 2.2016). Die Minderheiten der Berufskasten in Somaliland werden unter dem Begriff "Gabooye" zusammengefasst (Musa Dheriyo, Tumal, Madhiban, Yibir) (UNHRC 28.10.2015).

Wie in den restlichen Landesteilen bekennt sich die Verfassung zum Gebot der Nichtdiskriminierung. Clan-Zugehörigkeit spielt jedoch eine große Rolle (AA 01.01.2017), Minderheitenschutz besteht offiziell nicht. Das bedeutet, dass Angehörige v.a. der Gabooye weiterhin marginalisiert bleiben (ÖB 9.2016). Auch weiterhin berichten Minderheitenvertreter über die Schwierigkeiten, welchen ihre Gruppen bei der Integration in die somaliländische Gesellschaft ausgesetzt sind (UNHRC 06.09.2017). Eine aktive Verfolgung findet allerdings nicht statt. Die Gabooye leiden unter sozialer und wirtschaftlicher Benachteiligung und werden am Arbeitsmarkt diskriminiert (ÖB 9.2016). Dabei kommt es zu keiner systematischen Benachteiligung durch Polizei und Gerichte, wiewohl es vorkommt, dass Vergehen gegenüber Minderheiten-Angehörigen seitens der Polizei nicht nachgegangen wird (SEM 31.05.2017). Die offizielle Anerkennung von Gabooye-Suldaans hat zu einer Aufwertung der berufsständischen Gruppen geführt. Ihr gesellschaftlicher Ruf hat sich dadurch generell verbessert. Damit geht auch soziale Sicherheit einher. Die Gabooye haben im xeer (traditionelles Recht) ihre Rechte. Zusätzlich sind Verfahren im xeer meist nicht korrumpierbar und fairer. Auch von den somaliländischen Gerichten werden die Minderheiten in den letzten Jahren mehrheitlich fair behandelt (SEM 31.05.2017).

Weiterhin kommt es zur Tabuisierung von Mischehen (UNHRC 06.09.2017). In Somaliland lehnen die Clanfamilien Isaaq und Darod Mischehen vehement ab, während sie die Dir eher akzeptieren (SEM 31.5.2017). In einem Fall wurde ein Paar, das geheiratet hatte, von Angehörigen des Mehrheitsclans (zu welchem die Frau gehörte) entdeckt und geschlagen (UNHRC 06.09.2017).

In Somaliland sind die Clan-Ältesten der Minderheiten gleich wie jene der Mehrheitsclans offiziell anerkannt, und die Minderheiten sind in den politischen Parteien vertreten. Einige Älteste (Suldaan) der Gabooye sind im Oberhaus des Parlaments (Guurti) vertreten. In der Regierung und dem Repräsentantenhaus hingegen sind sie nicht vertreten, ebensowenig in vielen lokalen Räten (SEM 31.5.2017). Der stellvertretende Vorsitzende der Somaliland Human Rights Commission gehört einer Minderheit an, außerdem hat der Präsident einen eigenen Berater für Minderheitenprobleme. Im August 2016 wurde zudem ein Angehöriger der Dulbahante zum Innenminister ernannt. Dieser soll sich auch um Beschwerden der Bewohner von Sool und Sanaag kümmern, wonach ihre Regionen vernachlässigt würden (USDOS 3.3.2017). In Somaliland gibt es einige Nichtregierungsorganisationen, die sich explizit (auch) um die Minderheiten - hier speziell um berufsständische Gruppen - kümmern. Dazu gehören: Daami Youth Development Organization (DYDO), Somaliland National Youth Organization (SONYO Umbrella), Ubax Social and Welfare Organization (USWO), Voices of Somaliland Minority Women Organization (VOSOMWO) (SEM 31.5.2017);

Insgesamt kommt es nur sporadisch zum Aufflammen bewaffneter Clan-Auseinandersetzungen. Zwar kommt es manchmal zu Zusammenstößen, diese sind aber meist nur kleine Schusswechsel. Die Regierung ruft meist die Ältesten auf, die Kämpfe zu beenden. Eskaliert ein Clan-Konflikt, dann schreiten die Sicherheitskräfte ein. Dann versucht die Regierung, das Problem zu lösen. Dieser Ansatz ist nicht immer erfolgreich: Manchmal schießen die Sicherheitskräfte auf beide Seiten, wodurch die Situation weiter verschlimmert wird (BFA 8.2017). Relevanter und von größerer Auswirkung ist das System der Blutrache. Hier können selbst Personen betroffen sein, die nach Jahren in der Diaspora nach Hause zurückkehren. Während Sicherheitskräfte in größere Clankonflikte eingreifen tun sie dies bei Blutfehden nur selten bzw. ist ein Eingreifen nicht möglich. Gleichzeitig sind Polizisten selbst Angehörige eines Clans, was die Sache erschwert (BFA 8.2017).

19. Bewegungsfreiheit

Innerstaatliche Fluchtalternativen bestehen für einen Teil der somalischen Bevölkerung mit Sicherheit. Üblicherweise genießen Somalis den Schutz ihres eigenen Clans, weshalb man davon ausgehen kann, dass sie in Gebieten, in denen ihr Clan Einfluss genießt, grundsätzlich in Sicherheit sind (ÖB 9.2016). Es gibt keine spezifischen Berichte zu Sicherheitszwischenfällen entlang der Straßen in Somaliland (EASO 2.2016). Reisen sind möglich, auch nach Laascaanood oder weiter in die puntländische Hauptstadt Garoowe. Eine der Sicherheitsmaßnahmen, mit denen Somaliland versucht, Verbrechen und Terrorismus entgegenzutreten, sind umfassende Kontrollen an den Verbindungsstraßen. An der somaliländisch-puntländischen Grenze kann es bei der Einreise nach Somaliland zu Grenzkontrollen kommen (BFA 8.2017). Eine effektive Ausreisekontrolle an den Grenzübergängen von Somaliland in die Nachbarländer findet nicht statt. Die "grüne Grenze" sowie die Seegrenze sind weitgehend nicht überwacht. Kontrollen werden dagegen bei Flugreisen ab Hargeysa durchgeführt (AA 1.1.2017). Vertretern der somalischen Bundesregierung verweigert Somaliland die Einreise - auch solchen, die eigentlich aus Somaliland stammen. Somaliland verhindert, dass Staatsbürger, welche dort am föderalen (gesamtsomalischen) Prozess mitwirken wollen, nach Mogadischu reisen (USDOS 03.03.2017).

20. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

Somaliland hat sowohl aus dem Jemen kommende Flüchtlinge als auch IDPs aus Süd/Zentralsomalia aufgenommen (UNHRC 06.09.2017). Somaliland kooperiert mit dem UNHCR und IOM, um IDPs, Flüchtlingen, Rückkehrern, Asylwerbern oder Staatenlosen Unterstützung zukommen zu lassen. Mit der Unterstützung des UNHCR registriert Somaliland auch weiterhin Asylwerber. Im Jahr 2016 sind weniger als 1.000 Personen registriert worden. In einigen Fällen wurde Äthiopiern und Eritreern die Registrierung verweigert (USDOS 03.03.2017). Im November 2017 befanden sich ca. 14.500 Asylwerber und 14.200 Flüchtlinge in Somalia. 62% davon waren Äthiopier, weitere 37% Jemeniten. Mindestens 58% der Asylwerber und Flüchtlinge befinden sich Somaliland, mindestens weitere 23% in Puntland; in Mogadischu befinden sich 10% (UNHCR 30.11.2017b). Jemenitische Flüchtlinge erhalten in Somaliland den Flüchtlingsstatus prima facie (RMMS 7.2016). Außerdem befinden sich in Somaliland mindestens 20.000 illegale Migranten - darunter viele Wirtschaftsmigranten aus Äthiopien. Die somaliländische Regierung schätzt diese Zahl sogar auf 80.000 (RMMS 7.2016).

Die relative Sicherheit in Somaliland hat zahlreiche Vertriebene oder Flüchtende aus Zentral- und Südsomalia angezogen (ÖB 9.2016; vgl. RMMS 7.2016). Nach Aussage mehrerer UNOrganisationen betreffen Abschiebungen ausschließlich äthiopische Staatsangehörige (ÖB 9.2016). Es sind keine Berichte bekannt, wonach aus Somaliland oder Puntland IDPs aus Süd-/Zentralsomalia deportiert worden wären (NLMBZ 11.2017; vgl. ÖB 9.2016).

21. Grundversorgung/Wirtschaft

In Somaliland ist es den Menschen aufgrund der besseren Sicherheitslage und der grundsätzlich besseren Organisation der staatlichen Stellen und besseren staatlichen Interventionen im Krisenfalle rascher möglich, den Lebensunterhalt wieder aus eigener Kraft zu bestreiten (AA 1.1.2017).

Die Arbeitslosigkeit in Somaliland beträgt bei jungen Menschen rund 60% (CNN 01.08.2017). Nach anderen Angaben beträgt die Arbeitslosigkeit insgesamt 47,4% (RMMS 7.2016). Die Suche nach Arbeitsmöglichkeiten gehört zu den Hauptgründen für Migration (ÖB 9.2016). Die Regierung hat gemeinsam mit der Weltbank im November 2017 ein Programm gestartet, das rund 3.500 Jobs schaffen soll. Dabei wird in hunderte Betriebe investiert. Der Privatsektor trägt 90% zum BIP bei (WB 01.11.2017). Trotz der Erfolge bei der Friedens- und Staatsbildung stehen Somaliland nur eingeschränkte Kapazitäten zur Verfügung. Da Somaliland international nicht anerkannt worden ist, erhält es von den OECD-Staaten auch nur eingeschränkt Unterstützung. Trotzdem stehen grundlegende Verwaltungsdienste zur Verfügung, z.B. die grundlegende Infrastruktur oder Behörden. Das Verwaltungssystem ist aber urban und reicht nicht bis in entlegene Gebiete. Insgesamt fehlt es Somaliland an finanziellen Ressourcen, um ein Wohlfahrtssystem zu finanzieren. Im Land herrscht noch immer ein inakzeptables Maß an Armut (BS 2016). Die fehlende Anerkennung hindert das Land vor allem daran, wirtschaftlich voranzukommen. Keine internationale Bank lässt sich nieder. Äthiopien ist der einzige treue Handelspartner. Viele Familien sind abhängig vom Geld der Diaspora (SZ 13.02.2017).

Somaliländer, die im Ausland an Geld und materielle Ressourcen gekommen sind, kehren zunehmend aus der Diaspora zurück und sind vor allem am wirtschaftlichen Vorankommen des Landes interessiert (ZEIT 22.11.2017). Der Handel und die wirtschaftliche Betätigung insgesamt haben einen spürbaren Aufschwung genommen, der jedoch bislang fast ausschließlich der dort lebenden Stadtbevölkerung zu Gute kommt (AA 4.2017b). Ökonomische Aktivitäten unterliegen kaum staatlichen Regulierungen. Der somaliländische Shilling ist verhältnismäßig stabil. Der Bildungssektor in Somaliland verbessert sich ständig. Der private Bildungssektor boomt und es gibt einige Universitäten und Colleges (BS 2016). Somaliland hat mit den Vereinten Arabischen Emiraten einen Vertrag über den Ausbau des Hafens Berbera und die Errichtung eines Stützpunktes der VAE abgeschlossen (ECO 13.11.2017). Alleine beim Hafen sollen über 440 Millionen US-Dollar investiert werden. Berbera kann damit zu einem weiteren wichtigen Hafen für das Binnenland Äthiopien mutieren. Das Nachbarland hat sich Anteile am Hafen gesichert (CNN 01.08.2017; vgl. FT 29.6.2017).

21.1. Dürre-Situation

Teile von Somaliland waren schwer von der Dürre betroffen. Dort ist die Situation aber bei weitem weniger schlecht als im Süden. Im Rahmen der Dürre sind die meisten Gebiete Somalilands besser durch internationale humanitäre Unterstützung abgedeckt, da die Möglichkeiten im Gegensatz zu Süd-/Zentralsomalia wenig eingeschränkt sind (ICG 09.05.2017). Die Behörden Somalilands sprechen von 80% Verlusten beim Viehbestand (BBC 11.5.2017; vgl. TG 24.05.2017), andere Schätzungen sprechen von 50% (TG 24.05.2017).

Die Gesamtsituation in Bezug auf die Dürre ist in Somaliland erheblich besser als in den anderen Landesteilen (UNHRC 06.09.2017). Der Konflikt in den umstrittenen Gebieten von Sool und Sanaag schränkt den Zugang für humanitäre Organisationen ein (USDOS 03.03.2017). Auch die fehlende Anerkennung Somalilands als souveräner Staat hat Auswirkungen, da dadurch der Zugriff auf relevante Fonds der Weltbank oder des Weltwährungsfonds verwehrt bleibt (F24 22.07.2017). Im März 2017 waren Behördenangaben zufolge in der Region Sanaag 25 Menschen an Hunger gestorben (VOA 22.03.2017). Die Aufnahmegemeinden für aufgrund der Dürre geflüchtete Somaliländer waren bisher großzügig, so wurden etwa in der westlichen Region Awdal zahlreiche IDPs aus OstSomaliland empfangen. In Hargeysa beherbergen Familien ihre Verwandten vom Land. Im Land wird von einer "leveling drought" gesprochen, einer Dürre, von der alle betroffen sind und die alle gleichstellt. In der Somali-Gesellschaft ist es durchaus üblich, von Dürre Betroffene aufzunehmen, da man selbst von der nächsten Dürre betroffen sein könnte und sich so diesbezüglich versichert. Erst wenn die Dürre weiterhin anhält und tatsächlich alle Ressourcen verbraucht sind, wird es auch zu sicherheitsrelevanten Zwischenfällen kommen (BFA 8.2017). Während die agro-pastorale Wirtschaft im ländlichen Raum und damit der Lebensunterhalt hunderttausender Menschen schwer getroffen wurde, ermöglicht es die in Somaliland weit verbreitete, am Mobilfunknetz aufgebaute Zahlungs- und Transfertechnologie, dass in städtischen Gebieten lebende Menschen ihren Verwandten auf dem Land ohne Zeitverlust Geld zukommen zu lassen (BBC 13.09.2017). Auch die DeyrRegenfälle Ende 2017 sind unterdurchschnittlich ausgefallen, Somaliland erhielt nur rund 75% der üblichen Menge (FEWS 3.1.2018). Laut Behörden sind 80% des Viehbestandes verendet. Viehbauern haben die am schlimmsten von der Dürre betroffenen Gebiete verlassen und sind teilweise in Lagern untergekommen, wo ihnen Hilfe zur Verfügung gestellt wird. Sie erhalten dort 100 US-Dollar pro Monat von NGOs, das Geld wird auf Mobiltelefone transferiert (F24 22.07.2017).

22. Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung ist im gesamten Land äußerst mangelhaft (AA 01.01.2017) bzw. weist sie zahlreiche Schwächen auf. Die medizinische Versorgung hat sich im Laufe der letzten Jahre aber substantiell verbessert. Das öffentliche Gesundheitsnetz ist nur schwach reguliert. Die meisten Gesundheitsdienste werden von den UN und NGOs geleistet (ÖB 9.2016). Der Zugang zu medizinischer Versorgung variiert in ganz Somalia, scheint aber in Somaliland (und Mogadischu) am besten zu sein (LI 11.06.2015). Allerdings mangelt es Somaliland an finanziellen Ressourcen, um ein umfassendes Sozialsystem zu erhalten (BS 2016). Nur rund 4% des staatlichen Budgets sind für die medizinische Versorgung vorgesehen (DEVEX 14.11.2017).

Die Gesundheitsversorgung ist in den Städten konzentriert, die Organisation liegt meist bei Privaten oder bei internationalen Organisationen (BS 2016). Allerdings betreibt alleine die Somali Red Crescent Society (SRCS) mit Unterstützung des IKRK 33 mobile Kliniken, um auch in entlegenen Gebieten eine grundlegende Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Seit Juli 2017 ist an jede mobile Klinik auch ein Ernährungsspezialist angeschlossen. Die Dienste dieser Kliniken sind gratis (DEVEX 14.11.2017). Es gibt sieben öffentliche Spitäler, darunter das Hargeysa Group Hospital und das Berbera General Hospital. Im somaliländischen Gesundheitssystem gibt es vier Ebene

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten