TE Vwgh Beschluss 2019/10/3 Ra 2018/06/0054

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Veröffentlicht am 03.10.2019
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Steiermark
L82006 Bauordnung Steiermark
24/01 Strafgesetzbuch
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

BauG Stmk 1995 §118
StGB §34 Abs1
StGB §34 Abs1 Z12
StGB §34 Abs1 Z7
VStG §19 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Senatspräsidentin Dr. Bayjones und Hofrätin Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 31. Jänner 2018, LVwG 30.38-2844/2017-10, betreffend eine Übertretung des Steiermärkischen Baugesetzes (mitbeteiligte Partei: M M in G, vertreten durch die Mag. Brunner, Mag. Stummvoll Rechtsanwälte OG in 8020 Graz, Volksgartenstraße 1), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark (LVwG) wurde die Beschwerde der mitbeteiligten Partei gegen das Straferkenntnis des Revisionswerbers vom 14. September 2017 mit der Maßgabe, dass die mitbeteiligte Partei die ihr angelastete Tat als nach § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG strafrechtlich verantwortliche Person des Unternehmens X zu verantworten habe, und einer Einschränkung in Bezug auf den Tatzeitraum als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.). Hinsichtlich des Strafausmaßes wurde der Beschwerde dahingehend Folge gegeben, dass die Geldstrafe gemäß § 19 VStG in Verbindung mit § 38 VwGVG mit EUR 70,00, im Fall der Uneinbringlichkeit fünf Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, sowie der Kostenbeitrag für das Verwaltungsstrafverfahren mit EUR 10,00 neu festgesetzt wurden (Spruchpunkt II.) Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt (Spruchpunkt III.).

5 Mit dem genannten Straferkenntnis war die mitbeteiligte Partei einer Übertretung des § 118 Abs. 2 Z 11 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk BauG), LGBl. Nr. 59/1995 in der Fassung LGBl. Nr. 61/2017, in Verbindung mit einem näher genannten Auflagenpunkt des Bescheides des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 18. September 2015 und in Verbindung mit § 9 Abs. 2 VStG schuldig erkannt worden, weil sie es als verantwortlicher Beauftragter der Y Gesellschaft zu verantworten habe, dass entgegen diesem Auflagenpunkt zu näher angeführten Zeiten Bau- und Abbrucharbeiten an einem näher bezeichneten Objekt durchgeführt worden waren. Über die mitbeteiligte Partei war gemäß § 118 Abs. 2 Z 11 Stmk BauG eine Geldstrafe von EUR 700,00 (im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen) und ein Beitrag von EUR 70,00 zu den Kosten des Strafverfahrens verhängt worden.

6 In der Begründung legte das LVwG - soweit für das vorliegende Verfahren relevant - dar, der objektive Tatbestand sei als verwirklicht anzusehen, weil dem Auflagenpunkt des genannten Bescheides unbestritten nicht nachgekommen worden sei. Was die subjektive Tatseite betreffe, rechtfertige die mitbeteiligte Partei die Überschreitung der bewilligten täglichen Bauzeit von 6 bis 19 Uhr damit, dass im Zusammenhang "mit der Aufstockung von Holzfertigteilen" um Erteilung der Bewilligung zur Nutzung öffentlichen Gutes zur Materiallagerung (Autokraneinsatz) angesucht worden sei. Das Straßenamt der Stadt Graz habe mit Bescheid vom 2. März 2017 dem Ansuchen, diese Arbeiten am Tag durchzuführen, auf Grund der "Gefahrenquelle tagsüber" nicht stattgegeben und diese in der Zeit von 20.00 bis 4.30 Uhr genehmigt. Selbst wenn die Notwendigkeit der Bauzeitenüberschreitung während des Bauverfahrens nicht absehbar gewesen sein sollte, hätte dies spätestens im Zuge der Detailplanung auffallen müssen und wäre es der Bewilligungsinhaberin zumutbar gewesen, einen entsprechenden Antrag auf Abänderung der Bauzeitenauflage einzubringen, was aber unterlassen worden sei. Insofern liege zumindest Fahrlässigkeit vor.

7 Das LVwG führte zur Strafbemessung (Spruchpunkt II.) nach Wiedergabe des § 19 VStG aus, die im Anlassfall verletzte gesetzliche Bestimmung diene dem Schutz der von der Baubehörde zu wahrenden öffentlichen Interessen und auch dem Schutz der von der Baubehörde ebenfalls zu wahrenden subjektiv-öffentlichen Interessen der Nachbarn, wonach schädliche Immissionen oder sonstige Belästigungen für die Bewohner der angrenzenden Grundstücke hintangehalten werden müssten. Durch das festgestellte Verhalten sei gegen den Schutzzweck dieser gesetzlichen Bestimmung verstoßen worden. Als erschwerend sei die einschlägige Vorstrafe, als mildernd die Unbesonnenheit der mitbeteiligten Partei (gemeint: im Umgang mit den zu beachtenden Bescheidauflagen) zu werten, welche die Tat in einem die Schuld nicht ausschließenden Rechtsirrtum (gemeint: in Bezug auf das Vorliegen widersprüchlicher Bauzeiten im Baubewilligungsbescheid bzw. im Bescheid über die Bewilligung der Benützung öffentlichen Gutes) begangen habe. Zu berücksichtigen sei auch der Umstand, dass die Intensität des Eingriffes in den Schutzzweck der Auflage nicht objektiviert werden könne. Die "unregelmäßigen" Bauarbeiten ließen sich weder qualifizieren noch quantifizieren und müsse auch dieser Umstand der mitbeteiligten Partei zu Gute gehalten werden. Das Aussprechen einer Ermahnung sei nicht möglich (wird näher ausgeführt). Unter Berücksichtigung der Milderungsgründe (der Revisionswerber habe solche nicht angenommen) sei die verhängte Strafe zu hoch und demnach tat- und schuldangemessen zu reduzieren.

8 Gegen Spruchpunkt II. dieses Erkenntnisses richtet sich die vorliegende Amtsrevision.

Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.

9 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird vorgebracht, die Strafbemessung durch das LVwG sei unvertretbar. Das LVwG sei bei den Erwägungen zur subjektiven Tatseite davon ausgegangen, dass der mitbeteiligten Partei als in der Baubranche Tätige auf Grund der erteilten Baubewilligung hätte bewusst sein müssen, dass eine Bauführung außerhalb der dafür vorgesehenen Zeiten nicht zulässig gewesen sei, und sie im Zweifel geeignete Erkundigungen einzuholen gehabt hätte, weshalb zumindest fahrlässiges Verhalten vorliege. Das LVwG habe das Verschulden der mitbeteiligten Partei somit nicht als geringfügig angesehen. Indem das LVwG den verschuldeten Rechtsirrtum hingegen auch bei der Strafzumessung in Form einer "Unbesonnenheit" berücksichtigt habe, handle es nicht nur inkonsistent, sondern weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum diesbezüglichen Doppelverwertungsgebot ab. Der Gesetzgeber habe diese Umstände bereits durch die Gliederung der Absätze in § 118 Stmk BauG mit ihren unterschiedlichen Strafrahmen entsprechend gewichtet. Der Revisionswerber habe die Geldstrafe mit Hinweis auf die einschlägige Verwaltungsvorstrafe der mitbeteiligten Partei im untersten Bereich angesetzt. Liege keine Rechtswidrigkeit der Strafbemessung durch den Revisionswerber vor, rechtfertige dies nicht eine Reduktion des Strafbetrages um ganze 90 %, zumal das LVwG selbst von einem klaren Verstoß der mitbeteiligten Partei gegen den Schutzzweck der relevanten Norm ausgehe. Der Strafrahmen des § 118 Abs. 2 Stmk BauG lasse überdies erkennen, dass Verletzungen dieser Norm einen schwer wiegenden Unrechtsgehalt aufwiesen, sodass auch Überlegungen der Spezial- wie auch der Generalprävention für die Verhängung einer hohen Strafe sprechen könnten. Das LVwG habe jedoch das genaue Gegenteil gemacht. 10 Bei der Strafbemessung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Vom Verwaltungsgerichtshof ist daher (bloß) zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, das heißt, ob die verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf die Strafbemessungsgründe vertretbar erscheint (vgl. VwGH 27.6.2019, Ra 2018/02/0096, mwN).

11 Mit dem oben wiedergegebenen Zulässigkeitsvorbringen betreffend die Unzulässigkeit einer "doppelten Verwertung" der vom LVwG angenommenen Unbesonnenheit des Mitbeteiligten wird keine grundsätzliche Rechtsfrage aufgezeigt. Im Übrigen übersieht der Revisionswerber, dass das LVwG keineswegs von der hg. Rechtsprechung zur Strafbemessung nach dem VStG abgegangen ist.

12 Nach Ansicht des Revisionswerbers ist die Unbesonnenheit bereits von der Verschuldensform der Fahrlässigkeit eingeschlossen und dürfe daher nicht noch einmal berücksichtigt werden. Die angeführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes, von denen das LVwG abgewichen sein soll, betrafen jeweils Fälle, in denen die Behörde zu Unrecht strafsatzrelevante Umstände zusätzlich noch als Strafbemessungsgründe berücksichtigt hatte (in VwGH 21.5.1992, 92/09/0015, betreffend eine Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes richtete sich die Strafhöhe nach der Anzahl der ungenehmigt Beschäftigten; in VwGH 19.7.2013, 2013/02/0101, betreffend eine Übertretung der Straßenverkehrsordnung war der Grad der Alkoholisierung für den anzuwendenden Strafsatz relevant), sind aber mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Mit dem Vorbringen, die Unbesonnenheit sei von der Schuldform der Fahrlässigkeit bereits eingeschlossen, ist der Revisionswerber auf den gemäß § 19 Abs. 2 VStG sinngemäß anzuwendenden § 34 Abs. 1 StGB zu verweisen, nach dessen Z 7 die Begehung der Tat nur aus Unbesonnenheit einen Milderungsgrund darstellt. Dass dies bei Fahrlässigkeitsdelikten nicht in Frage komme, ist nicht zu ersehen. Im Übrigen ist nach Z 12 dieser Bestimmung auch ein Milderungsgrund, wenn die Tat in einem die Schuld nicht ausschließenden Rechtsirrtum begangen wurde, insbesondere wenn der Täter wegen vorsätzlicher Begehung bestraft wird. Eine Berücksichtigung des Rechtsirrtums als Milderungsgrund auch bei einem Fahrlässigkeitsdelikt wie im vorliegenden Fall ist damit jedoch nicht ausgeschlossen. Aus der Gliederung der Absätze des § 118 Stmk BauG und den unterschiedlichen Strafrahmen ist ebenfalls nicht abzuleiten, dass aus general- und spezialpräventiven Gründen grundsätzlich mit der Verhängung einer hohen Strafe vorzugehen wäre. Dass sonst unvertretbare Strafbemessung vorliege, wird nicht dargetan.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

13 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 3. Oktober 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018060054.L00

Im RIS seit

16.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

16.12.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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