TE Vfgh Erkenntnis 2019/10/3 E4959/2018 ua

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Veröffentlicht am 03.10.2019
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung eines Folgeantrags auf internationalen Schutz einer irakischen Familie; keine Auseinandersetzung mit Länderberichten betreffend die Situation von Minderjährigen

Spruch

I. 1. Die Beschwerdeführer sind durch die Spruchpunkte II. bis IV. des angefochtenen Erkenntnisses im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Insoweit wird die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1.       Die Beschwerdeführer sind irakische Staatsangehörige, gehören der kurdischen Volksgruppe an und bekennen sich zum sunnitischen Islam. Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehegatte und Cousin der Zweitbeschwerdeführerin. Beide sind die Eltern des am 14. August 2006 geborenen Drittbeschwerdeführers und der am 27. Oktober 2007 geborenen Viertbeschwerdeführerin.

1.1. Die Beschwerdeführer stellten am 28. März 2016 den ersten Antrag auf internationalen Schutz. Zu den Fluchtgründen gab der Erstbeschwerdeführer an, er sei als Soldat dem Militärdienst ferngeblieben und deshalb als Verräter betrachtet worden. Zudem gebe es einen Bürgerkrieg sowie Probleme zwischen Sunniten und Schiiten. Es habe weiters einen Vorfall mit einem Schüler gegeben, in Folge dessen er nach Kirkuk versetzt worden sei. Er habe im April 2004 einen Drohbrief im Zusammenhang mit dem genannten Vorfall erhalten, habe jedoch den Inhalt nicht verstanden, da dieser auf Arabisch gewesen sei. Er werde vom Militär gesucht und sowohl seine Familie, als auch die seiner Ehefrau hätten ihnen mit dem Tod gedroht, da sie bereits die westlichen Sitten angenommen hätten. Die Zweitbeschwerdeführerin gab ebenfalls an, dass Krieg herrsche und sie Angst vor dem Islamischen Staat habe. Außerdem hätten Frauen im Irak keine Rechte. Ihr sei von ihrem Vater verboten worden, die Schule zu beenden, und ihr Bruder würde sie im Falle einer Rückkehr töten, da sie keinen Schleier mehr trage. Die minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer brachten keine eigenen Fluchtgründe vor.

1.2. Mit Bescheiden vom 5. April 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß §3 Abs1 Asylgesetz 2005 (in der Folge: AsylG 2005) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Irak gemäß §8 Abs1 Z1 AsylG 2005 ab. Das BFA erteilte ihnen keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §57 AsylG 2005. Gemäß §10 Abs1 Z3 AsylG 2005 iVm §9 BFA–Verfahrensgesetz wurden gegen sie Rückkehrentscheidungen gemäß §52 Abs2 Z2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (in der Folge: FPG 2005) erlassen und weiters gemäß §52 Abs9 FPG 2005 festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß §46 FPG 2005 in den Irak zulässig sei. Zudem entschied das BFA, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer gemäß §55 Abs1 bis 3 FPG 2005 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage. Diese Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.

1.3. Die Zweitbeschwerdeführerin stellte am 7. August 2018 für sich und die Dritt- und Viertbeschwerdeführer einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Begründend gab sie an, dass ihre schon bisher vorgebrachten Fluchtgründe weiterhin aufrecht seien. Hinzugekommen sei nun aber, dass sie und ihr Mann sich getrennt hätten, als sie in Deutschland – wo sie ein weiteres negatives Asylverfahren gehabt hätten – nicht mit ihrem Mann nach Frankreich habe gehen wollen, sondern alleine mit den Dritt- und Viertbeschwerdeführern nach Österreich zurückgekehrt sei. Im Falle ihrer Rückkehr würde sie von ihrem Vater, der sie via Telefonanruf bedroht habe, wegen der Trennung getötet werden.

1.4.    Der Erstbeschwerdeführer stellte am 3. September 2018 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Er gab ebenfalls an, dass die schon bisher vorgebrachten Gründe weiterhin aufrecht seien und die Trennung von seiner Frau ein zusätzlicher Grund sei. Er habe über seine Geschwister erfahren, dass das Familienoberhaupt ihm mit dem Tode gedroht habe, da er auf Grund der Trennung innerhalb seines Stammes keine Würde mehr besitze.

1.5. Mit Bescheiden vom 12. November 2018 wies das BFA die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Irak gemäß §68 Abs1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 wegen entschiedener Sache zurück. Das BFA erteilte ihnen keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §57 AsylG 2005. Gemäß §10 Abs1 Z3 AsylG 2005 iVm §9 BFA–Verfahrensgesetz wurden gegen sie Rückkehrentscheidungen gemäß §52 Abs2 Z2 FPG 2005 erlassen und weiters gemäß §52 Abs9 FPG 2005 festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß §46 FPG 2005 in den Irak zulässig sei. Zudem entschied das BFA, dass gemäß §55 Abs1a FPG 2005 keine Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer zustehe.

1.6.    Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 10. Dezember 2018 des Bundesverwaltungsgerichtes – ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung – als unbegründet abgewiesen.

1.7.    Das Bundesverwaltungsgericht führt im Rahmen der Beweiswürdigung zunächst an, dass es sich den Ausführungen des BFA im angefochtenen Bescheid anschließe und dem Verfahrensergebnis vollinhaltlich beitrete. Weiters weist es darauf hin, dass sich die Ausführungen des BFA nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes als tragfähig darstellten und insofern keiner weiteren Ergänzungen bedürften. Auch stellten sich die vom BFA zur Beurteilung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogenen Quellen sich als schlüssig und aktuell dar, weshalb kein Grund bestehe, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

1.8.    Die Beschwerdeführer hätten ihre zweiten Anträge auf internationalen Schutz einerseits damit begründet, dass ihre im ersten Asylverfahren vorgebrachten Gründe nach wie vor aufrecht seien. Darüber sei jedoch bereits mit den Bescheiden vom 5. April 2018 rechtskräftig abgesprochen worden. Weiters habe das BFA zu Recht ausgeführt, dass das darüber hinausgehende Vorbringen, die Beschwerdeführer hätten sich während ihres Aufenthaltes in Deutschland getrennt und daher eine Verfolgung durch ihre Familie zu befürchten, keinen glaubhaften Kern aufweise, zumal der Erstbeschwerdeführer bereits kurz nach seiner Rückkehr nach Österreich auf eigenen Wunsch am 16. Oktober 2018 im Zuge einer Familienzusammenführung wieder in die gleiche Betreuungsstelle wie die anderen Beschwerdeführer überstellt worden sei. Das BFA habe auch das Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin, eine Sprachnachricht ihres Vaters zu besitzen, in der sie dieser wegen der Trennung von ihrem Mann bedroht habe, zutreffend für zu wenig substantiiert erklärt, zumal sie diese Nachricht dem BFA nicht vorgelegt habe. Es lägen keine allgemein bekannten Umstände vor, die darauf hindeuteten, dass nunmehr die Voraussetzungen für eine Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vorlägen. Es sei nicht erkennbar, dass sich die Lage im Irak seit Abschluss des ersten Asylverfahrens verschlechtert habe oder dass die Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat in ihren Rechten nach Art2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt würden.

1.9.    Da weder in der maßgeblichen Sachlage – und zwar sowohl im Hinblick auf den Sachverhalt, der in der Sphäre der Beschwerdeführer gelegen sei, als auch auf jenen, der von Amts wegen aufzugreifen sei – noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, die eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, liege nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes eine entschiedene Sache vor, über die nicht neuerlich meritorisch entschieden werden könne.

1.10.   Im Hinblick auf die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels und der Erlassung einer Rückkehrentscheidung führt das Bundesverwaltungsgericht, nach Abwägung der Interessen aller Beschwerdeführer, an, dass zum Entscheidungszeitpunkt keine entscheidungserheblichen integrativen Anknüpfungspunkte im österreichischen Bundesgebiet vorlägen und die öffentlichen Interessen an einer Rückkehr der Beschwerdeführer in einer Gesamtabwägung daher schwerer wögen. Unter Berücksichtigung sämtlicher individuellen Umstände der Beschwerdeführer sowie vor dem Hintergrund der Ausführungen zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass keine Umstände vorlägen, die eine Abschiebung in den Irak unzulässig machten.

2.       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der insbesondere die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) behauptet sowie die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.

3.       Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gerichtsakten vorgelegt. Das BFA und das Bundesverwaltungsgericht haben von der Erstattung einer Gegenschrift bzw Äußerung abgesehen.

II.      Erwägungen

Die Beschwerde ist zulässig.

A. Soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, die erlassene Rückkehrentscheidung und den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak richtet, ist sie auch begründet.

1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

1.1.    Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg. cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

1.2.    Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

2.       Solche Fehler sind dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:

2.1.    Ein Antrag auf internationalen Schutz, also das – auf welche Weise auch immer artikulierte – Ersuchen eines Fremden in Österreich, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen, gilt als Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und bei Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§2 Abs1 Z13 AsylG 2005). Das wirkt sich auch bei der Behandlung von Folgeanträgen aus: Hinsichtlich eines Folgeantrages in einem Asylverfahren nach dem AsylG 2005 ist das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet, Sachverhaltsänderungen sowohl in Bezug auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten, als auch in Bezug auf die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten einer Prüfung zu unterziehen (vgl VfSlg 19.466/2011 mwN).

2.2.    In seiner Beweiswürdigung führt das Bundesverwaltungsgericht an, dass es sich den Feststellungen des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes und der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens und den dazugehörigen Ausführungen vollinhaltlich anschließe und auch die herangezogenen Quellen ausreichend aktuell und schlüssig seien und somit dem Erkenntnis zugrunde gelegt würden.

3.       Vor dem Hintergrund der im angefochtenen Erkenntnis wiedergegebenen Länderberichte geht das Bundesverwaltungsgericht in nicht nachvollziehbarer Weise davon aus, dass die Beschwerdeführer durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat nicht in Rechten nach Art2 und 3 EMRK verletzt würden. Es werden lediglich jene Länderberichte im Erkenntnis wiedergegeben, die dem Bescheid des BFA zugrunde gelegt wurden. Ein darüber hinausgehendes Ermittlungsverfahren ist auch aus den dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Akten nicht ersichtlich. Das Bundesverwaltungsgericht hat also weder ein mündliches Verfahren durchgeführt noch sich mit der Rückkehrsituation der Beschwerdeführer auseinander gesetzt, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es in seinen Ausführungen zur Versagung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und der Zulässigkeit der Abschiebung keinen konkreten Rückkehrort nennt.

4.       Überdies enthalten die im angefochtenen Erkenntnis wiedergegebenen Länderberichte kaum Ausführungen zur Situation von Kindern im Irak. Es findet sich lediglich ein Länderbericht aus Oktober 2017 wieder, der sich mit Kindesentführungen im Großraum Bagdad auseinandersetzt und aus dem hervorgeht, dass sunnitische Kinder als besonders gefährdet gelten würden.

4.1.    Bei der Behandlung von Anträgen auf internationalen Schutz von Minderjährigen sind, unabhängig davon, ob diese unbegleitet sind oder gemeinsam mit ihren Eltern oder anderen Angehörigen leben, zur Beurteilung der Sicherheitslage bei entsprechend schlechter, volatiler allgemeiner Situation einschlägige Herkunftsländerinformationen jedenfalls erforderlich, in die auch die Erfahrungen in Bezug auf Kinder Eingang finden (vgl UNHCR, Richtlinien zum Internationalen Schutz: Asylanträge von Kindern im Zusammenhang mit Art1 [A] 2 und 1 [F] des Abkommens von 1951 bzw des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, 22.12.2009, Rz 74). Bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte in den Herkunftsländerinformationen hat sich das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich mit der Situation von Minderjährigen auseinanderzusetzen. Dementsprechend hat der Verfassungsgerichtshof wiederholt hervorgehoben, welche Bedeutung die Länderfeststellungen im Hinblick auf Minderjährige haben (vgl zB VfGH 9.6.2017, E484/2017 ua; 11.10.2017, E1803/2017 ua; 25.9.2018, E1463/2018 ua; 26.2.2019, E3837/2018 ua; 13.3.2019, E1480/2018 ua; 26.6.2019, E2838/2018 ua).

4.2.    Das Bundesverwaltungsgericht unterlässt eine Auseinandersetzung mit den Länderberichten und der Frage, ob dem zum Zeitpunkt der Entscheidung dreizehnjährigen Drittbeschwerdeführers und der elfjährigen Viertbeschwerdeführerin im Fall einer Rückkehr eine Verletzung ihrer gemäß Art2 und Art3 EMRK gewährleisteten Rechte droht (VfGH 11.6.2018, E4469/2017 ua; 25.9.2018, E1764/2018 ua; 11.12.2018, E2025/2018 ua). Wenngleich das Bundesverwaltungsgericht die Minderjährigkeit der Dritt- und Viertbeschwerdeführer im Rahmen seiner Abwägung nach Art8 EMRK berücksichtigt, lässt es eine gesonderte Prüfung im Hinblick auf Art2 und 3 EMRK außer Acht und schließt sich lediglich den Erwägungen des BFA an. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes ist daher hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf die Dritt- und Viertbeschwerdeführer begründungslos ergangen.

B. Im Übrigen – soweit sich die Beschwerde gegen die durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigte Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten richtet – wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt:

5.       Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

2. Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten richtet, abzusehen.

III.    Ergebnis

1.       Die Beschwerdeführer sind durch die angefochtene Entscheidung, soweit damit die Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Irak, die Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung sowie die Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden.

Das Erkenntnis ist daher in diesem Umfang aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

2.       Im Übrigen wird von der Behandlung der Beschwerde abgesehen und diese gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Damit erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

3.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 bzw §19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4.       Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten.

Schlagworte

Asylrecht, Kinder, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2019:E4959.2018

Zuletzt aktualisiert am

13.12.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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