TE Vfgh Beschluss 1996/10/9 B426/96, B1637/96

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Veröffentlicht am 09.10.1996
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art144 Abs2
VfGG §33
ZPO §146 Abs1

Leitsatz

Stattgabe eines Wiedereinsetzungsantrags nach Zurückweisung der Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof wegen Fristversäumnis aufgrund Vorliegens eines bloß minderen Versehens; Ablehnung der Beschwerde

Spruch

I. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird Folge gegeben.

Der Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 13. März 1996, B426/96-3, wird aufgehoben.

II. Die Behandlung der bisher zu B426/96 protokollierten Beschwerde wird abgelehnt.

Die Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der Verfassungsgerichtshof wies mit Beschluß vom 13. März 1996, B426/96-3, die vom Antragsteller gemäß Art144 B-VG erhobene Beschwerde gegen den im Instanzenzug ergangenen, einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung abweisenden Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Dezember 1995, Zl. 303.374/4-III/11/95, wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist zurück; der Ministerialbescheid war dem Adressaten bereits am 18. Dezember 1995 zugestellt, die Beschwerde jedoch erst am 30. Jänner 1996 zur Post gegeben worden.

Der Beschluß des Verfassungsgerichtshofs wurde den Rechtsvertretern des Antragstellers am 6. Mai 1996 zugestellt.

2. Mit einem am 15. Mai 1996 zur Post gegebenen, zu B1637/96 protokollierten Schriftsatz begehrt der Einschreiter die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist. Zur Begründung des Antrags wird im wesentlichen ausgeführt, daß die äußerst verläßliche, seit zehn Jahren in der Kanzlei des Rechtsvertreters tätige Sekretärin die - üblicherweise von ihr vorgenommene - Eintragung der Frist im Terminkalender unterlassen hatte und die sachbearbeitende, ebenfalls zuverlässige und erfahrene Rechtsanwaltsanwärterin den Termin tags darauf versehentlich mit 30. Jänner 1996 (statt 29. Jänner 1996) eingetragen hatte. Das Vorbringen wird durch eine eidesstattliche Erklärung der Sekretärin und Rechtsanwaltsanwärterin sowie eine Abschrift aus dem Terminkalender belegt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über den Wiedereinsetzungsantrag erwogen:

1. Gemäß §33 VerfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VerfGG im §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen der §§146ff ZPO sinngemäß anzuwenden.

Nach §146 ZPO ist einer Partei soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg. 10489/1985, 10880/1986).

2. Der glaubwürdige Umstand, daß durch (sonst zuverlässige) Mitarbeiterinnen der Kanzlei eine Termineintragung vorerst unterlassen und in der Folge unrichtig nachgetragen wurde, stellt für den Rechtsanwalt ein unvorhergesehenes Ereignis dieses minderen Versehensgrades iSd §146 Abs1 ZPO dar, weshalb dem Wiedereinsetzungsantrag Folge zu geben war.

3. Der Beschluß des Verfassungsgerichtshofs vom 13. März 1996, B426/96-3, war infolgedessen gemäß §150 Abs1 letzter Satz ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG aufzuheben (vgl. VfSlg. 13649/1993; VfGH 26.2.1996 B1175/95).

III. Der Gerichtshof lehnt jedoch

unter einem die Behandlung der Beschwerde aus folgenden Erwägungen ab:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die Beschwerde rügt die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen. Die Sache ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs3 Z1 VerfGG).

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:B426.1996

Dokumentnummer

JFT_10038991_96B00426_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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