TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/30 G310 2223710-1

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Veröffentlicht am 30.09.2019
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Entscheidungsdatum

30.09.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §53 Abs1

Spruch

G310 2223710-1/2E

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, StA. Serbien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.08.2019, Zl. XXXX, betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides) zu Recht erkannt:

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids

wird Folge gegeben und wird der Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin (BF) beantragte am 11.07.2019 in Österreich internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab sie zusammengefasst an, sie sei im Oktober 2018 mit einem österreichischen Staatsbürger zwangsverheiratet worden und aufgrund der von ihr nunmehr beabsichtigten Scheidung werde sie von ihrem Vater und Bruder bedroht.

Mit dem oben angeführten Bescheid wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.), kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt , eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Zulässigkeit der Abschiebung nach Serbien festgestellt (Spruchpunkt III.), einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 1 Z 1 und 2 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt IV.), keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt V.), und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein Einreiseverbot in der Dauer von vier Jahren erlassen (Spruchpunkt VI.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung damit, dass die BF aus Serbien und damit aus einem sicheren Herkunftsstaat stamme und sich vor der Antragstellung schon mindestens drei Monate in Österreich aufgehalten habe. Im angefochtenen Bescheid wird dazu weiter ausgeführt:

"Für die Behörde steht fest, dass für Sie bei Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben ist. Sie bedürfen daher nicht des Schutzes Österreichs. Es ist in Ihrem Fall davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten ist. Da Ihrem Antrag auf internationalen Schutz keine Aussicht auf Erfolg beschieden ist und Ihnen auch keine sonstige reale und menschenrechtsrelevante Gefahr im Herkunftsstaat droht, ist es Ihnen zumutbar, den Ausgang Ihres Asylverfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten. Ihr Interesse auf einen Verbleib in Österreich während des gesamten Asylverfahrens tritt hinter das Interesse Österreichs auf eine rasche und effektive Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück."

Eine weitere Begründung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung erfolgte nicht.

In der Beschwerde, die sich gegen alle Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids richtet, beantragte die BF die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Hierzu wurde zusammengefasst ausgeführt, dass sich das BFA bei der Begründung einen schon mehrfach verwendeten alten Textbaustein verwendet habe, was auch bereits seitens des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) moniert worden sei, wonach eine pauschale Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bei allen Asylwerbern, die aus sicheren Herkunftsstaaten stammen, nicht zulässig sei. Die hypothetische individuelle Abschiebesituation der BF sei ebenso wenig wie Art. 61 der Istanbul Konvention und das Verbot der Zurückweisung berücksichtigt worden. Der direkte Zugang zu einem Frauenhaus scheine zufolge der Berichtslage ausgeschlossen, ebenso eine vorübergehende oder kurzfristige Rückkehr zur Familie. Der BF drohe im Falle einer Rückkehr erneut Opfer häuslicher Gewalt zu werden und zwangsverheiratet zu werden. Daher sie die BF bei einer Rückkehr auf jeden Fall dem realen Risiko ausgesetzt eine Verletzung im Sinne des Art. 3 EMRK zu erleiden. Beigelegt wurde eine Anfragebeantwortung von ACCORD vom 06.09.2019 über die Lage von Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, insbesondere in Bezug auf Angehörige der albanischen Minderheit.

Das BFA legte dem BVwG die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, wo diese am 25.09.2019 einlangten.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens und des Gerichtsakts des BVwG.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Aufgrund der in § 18 Abs. 5 BFA-VG nunmehr auch ausdrücklich angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag des BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen (vgl VwGH 13.09.2016, Fr 2016/01/0014, 19.06.2017, Fr 2017/19/0023 und 0024, und 27.07.2017, Fr 2017/18/0022).

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG kann das BFA einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn beispielsweise der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt (Z1).

Das BVwG hat über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 BFA-VG (oder gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Eine pauschale Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bei allen Asylwerbern, die aus sicheren Herkunftsstaaten stammen, ist nicht zulässig. Die Aberkennung bedarf vielmehr - auch angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen, insbesondere der Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen vor Rechtskraft der Entscheidung über Anträge auf internationalen Schutz - einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung, zumal die Zulässigkeit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung in solchen Fällen gerade vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Gnandi vs. Belgien (C-181/16 vom 19.06.2018) generell in Zweifel gezogen wird (vgl z.B. das Teilerkenntnis des BVwG in der Rechtssache W237 2201985-1 ua).

Die Aberkennung bedarf somit einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung jedoch nicht fallspezifisch, sondern begnügte sich mit allgemein gehaltenen Textbausteinen, ohne auf den vorliegenden Einzelfall Bezug zu nehmen und ohne auf die konkreten Interessen der BF an einem Verbleib in Österreich einzugehen.

Darüber hinaus wurde eine Fassung von § 18 BFA-VG verwendet, die bis 19.07.2015 gültig war.

Durch die Einschätzung, ihrem Antrag auf internationalen Schutz sei keine Aussicht auf Erfolg beschieden, wird überdies das Ergebnis des Beschwerdeverfahrens in unzulässiger Weise vorweggenommen.

Das von der BF behauptete reale Risiko einer Verletzung der hier zu berücksichtigenden Konventionsbestimmungen kann bei einer Grobprüfung dieses Vorbringens nicht von vornherein ausgeschlossen werden, weswegen spruchgemäß zu entscheiden war.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen war.

Zu Spruchteil C):

Die Revision ist wegen der Einzelfallbezogenheit dieser Entscheidung, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G310.2223710.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.12.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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