RS Vfgh 2019/9/23 E968/2019

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Veröffentlicht am 23.09.2019
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

EU-Grundrechte-Charta Art47 Abs2
AsylG 2005 §3, §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
BFA-VG §21 Abs7
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz eines iranischen Staatsangehörigen; keine hinreichende Klärung des Sachverhalts hinsichtlich der Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens sowie der Beurteilung des Glaubensabfalls des Beschwerdeführers

Rechtssatz

Die Entscheidung über das Vorliegen eines Asylgrundes hängt hier wesentlich von der Glaubwürdigkeit des Asylwerbers in Bezug auf seine innere Einstellung, nämlich seine religiöse Überzeugung, ab. Für die Beurteilung, ob es sich bei der Konversion des Beschwerdeführers um eine Scheinkonversion handelt, kommt nach der ständigen Rsp des VfGH und VwGH der Frage der inneren (Glaubens-)Überzeugung des Beschwerdeführers maßgebliche Bedeutung zu. Für diese Beurteilung ist insbesondere der persönliche Eindruck des Beschwerdeführers wesentlich.

Einen solchen persönlichen Eindruck vermag vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles aber nur eine Einvernahme in einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu vermitteln. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ist die Glaubwürdigkeit der Konversion anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln.

Die Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers wird - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - nämlich wesentlich damit begründet, die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers werde durch Widersprüche im Vorbringen massiv beeinträchtigt. Die Angaben zu seiner Konversion stellten gegenüber dem ersten Verfahren keinen neuen Sachverhalt dar, da sie im ersten Verfahren bereits vorgebracht worden seien. Dem gesamten Vorbringen sei "der glaubhafte Kern abzusprechen". Das nunmehrige Vorbringen des Beschwerdeführers sei auf Grund massiver Ungereimtheiten und Widersprüche nicht glaubwürdig und begründe daher keinen neuen Sachverhalt. Daran vermochten auch die nunmehr vorgebrachten kirchlichen Aktivitäten des Beschwerdeführers nichts zu ändern, zumal die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers derart massiv angegriffen sei, dass auch das Vorbringen, der Beschwerdeführer sei nunmehr innerlich konvertiert, keinen neuen Sachverhalt begründen könne. Vor diesem Hintergrund schließe sich das BVwG dem Ergebnis der beweiswürdigenden Überlegungen der belangten Behörde vollinhaltlich an, nämlich dass der Beschwerdeführer auch seinen Folgeantrag nunmehr rechtsmissbräuchlich zur Verlängerung seines Aufenthaltes gestellt habe.

Da der Beschwerdeführer vorliegend detailliert seine Mitarbeit und sein Engagement in der Kirche und seine intensive Einbindung in die Arbeit der Gemeinde schildert sowie seinen praktizierten Glauben vorbringt und auch Urkunden zum Beleg dessen vorlegt, handelt es sich auch nicht um einen Fall, in dem der persönliche Eindruck ausnahmsweise nicht maßgeblich ist und das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung aus diesem Grund in dieser Hinsicht keine Bedenken im Hinblick auf Art47 Abs2 GRC aufwerfen würde.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Verhandlung mündliche, Ermittlungsverfahren, EU-Recht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2019:E968.2019

Zuletzt aktualisiert am

05.12.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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