TE Vwgh Erkenntnis 1974/1/30 0227/72

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Veröffentlicht am 30.01.1974
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Index

Verwaltungsverfahren - AVG

Norm

AVG §37
AVG §45 Abs3
AVG §50 Abs1
AVG §52
AVG §52 Abs2
BAO §177
StVO 1960 §1 Abs1
StVO 1960 §2 Abs1 Z1
StVO 1960 §5 Abs2
VStG §24

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Härtel und die Hofräte DDr. Dolp, Dr. Schmid, Dr. Schmelz und Dr. Reichel als Richter, im Beisein des Schriftführers Ministerialoberkommissär Dr. Gancz, über die Beschwerde des PA in A, vertreten durch Dr. Karl Polak, Rechtsanwalt in Linz, Flußgasse 13, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 28. April 1970, Zl. VerkR- 43.880/1-1970, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 19 60, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 27. Februar 1969 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 27. Juli 1968 um ca. 21,45 Uhr in Linz auf dem Franzosenhausweg einen Personenkraftwagen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt, wobei ein Blutalkoholgehalt von mehr als 0,8 %o anzunehmen gewesen sei; er habe dadurch die Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 begangen, und es werde über ihn gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 eine Geldstrafe von S 5.000,-- (Ersatzarreststrafe 14 Tage) verhängt. Dieses Straferkenntnis wurde damit begründet, daß die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verwaltungsübertretung durch die Erhebungen der Sicherheitswache, durch das Ergebnis der klinischen Untersuchung, durch die Aussagen der vernommenen Zeugen sowie durch die eigenen Angaben des Beschwerdeführers einwandfrei erwiesen sei. Demnach habe der Beschwerdeführer am 27. Juli 1968 um ca. 21,45 Uhr einen Personenkraftwagen in Linz auf dem Franzosenhausweg in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt. Er sei an einem Unfall mit Sachschaden beteiligt gewesen und er sei auf Grund der deutlich erkennbaren Alkoholisierungssymptome durch die einschreitende Sicherheitswache einer Atemluftprobe unterzogen worden, die positiv ausgefallen sei. Die klinische Untersuchung habe eine Fahruntauglichkeit des Beschwerdeführers infolge Alkoholbeeinträchtigung ergeben. Eine Blutabnahme habe der Beschwerdeführer abgelehnt. Der Beschwerdeführer habe behauptet, lediglich 2/8 l Wein sowie eine geringe Menge Bier (ein Seidel oder eine halbe Flasche) getrunken zu haben. Diese Angaben seien such durch Zeugen im wesentlichen bestätigt worden. Der Beschwerdeführer folgere daraus, daß in Anbetracht seines hohen Körpergewichtes (118 kg) aus dem Genuß der angeführten Getränke keine Alkoholbeeinträchtigung entstanden sein könne. Dieser Verantwortung sei aber entgegenzuhalten, daß der Amtsarzt sein Gutachten auf Grund eigenen Augenscheines und der dabei festgestellten Symptome erstellt habe, wobei das hohe Körpergewicht des Beschwerdeführers nicht habe übersehen werden können. Der Beschwerdeführer habe die Verweigerung der Blutprobe, abgesehen von der mangelnden gesetzlichen Verpflichtung, damit begründet, daß er einmal beim Blutspenden schmerzende Nachwirkungen verspürt und er daher vor ähnlichen Eingriffen Angst habe. Dem sei entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer wohl - wenn er von dem für ihn positiven Ausgang der Blutuntersuchung überzeugt gewesen wäre - diese kleine Unannehmlichkeit auf sich genommen hätte. Zu dem Antrag des Beschwerdeführers auf Verweis des Alkoteströhrchens sei zu bemerken, daß dieses im gegenständlichen Verfahren als Beweismittel keine Rolle spiele, da das Resultat der positiven Alkotestprobe lediglich die Vorführung zum Amtsarzt gewesen sei, dessen Gutachten allein ausschlaggebende Bedeutung zukomme. Der Beschwerdeführer habe weiters behauptet, daß sich der Verkehrsunfall nicht auf einer öffentlichen Straße zugetragen habe. Dies gehe aus einer dort befindlichen Tafel mit der Aufschrift "Ende der öffentlichen Straße" hervor. Für die Qualifikation einer Straße als öffentlich sei jedoch nicht das Eigentum am Straßengrund maßgebend, sondern die Tatsache der Benützbarkeit jedermann unter den gleichen Bedingungen. Dies sei jedoch im gegenständlichen Fall zweifellos gegeben, weil ja auch der Beschwerdeführer diese Straße - abgesehen von seinem Unfallgegner - benützt habe, ohne ein besonderes Naheverhältnis zum Eigentümer des Straßengrundes geltend zu machen. Damit eine Verkehrsfläche als nicht öffentlich angesehen werden könne, müsse die Öffentlichkeit auf eine wirksamere Weise als durch die oben angeführte Tafel, z. B. durch Abschrankung, ausgeschlossen werden.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 28. April 1970 wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung und in den Stellungnahmen zu den Erhebungsergebnissen vor allem ausgeführt, es sei durch die Einholung eines Gutachtens eines medizinischen Sachverständigen auf Grund der von ihm genossenen Alkoholmenge ein Blutalkoholgehalt von weniger als 0,8 %o festzustellen gewesen; die Atemluftprobe sei auch nur wenige Minuten nach dem letzten Alkoholkonsum durchgeführt worden und es sei dadurch ein höherer als der tatsächliche Blutalkoholgehalt angezeigt worden, weshalb die Beischaffung dieses Alkoteströhrchens beantragt worden sei. Nach dem weiteren Berufungsvorbringen scheine der untersuchende Amtsarzt, dessen fachärztliche Eignung als Gutachter bestritten werde, das höhere Körpergewicht bei der Beurteilung der Alkoholisierung nicht berücksichtigt zu haben. Dieser Arzt hätte nach Ansicht des Beschwerdeführers bei der festgestellten leichten Alkoholeinwirkung nicht auf einen Blutalkoholgehalt von mehr als 0,8 %o schließen dürfen, zumal die Nystagmusprobe kein verläßliches Beweismittel darstelle, weil die Reaktion individuell verschieden sei und Nystagmus bereits bei einem Blutalkoholgehalt von 0,6 %o bzw. manchmal schon bei 0,2 %o und außerdem auch bei Inhalation von Nikotinrauch eintrete. Der Beschwerdeführer habe ferner die Einholung eines Gutachtens des Univ. Prof. Dr. NW vom gerichtsmedizinischen Institut in Linz beantragt. Schließlich sei dem Beschwerdeführer auch keine Möglichkeit geboten worden, sich zu dem bestellten Sachverständigen hinsichtlich des neuerlich eingeholten Gutachtens sowie über die Person des im Berufungsverfahren erstellten Sachverständigen zu äußern bzw. bei der Einvernahme der beantragten Zeugen an diese Fragen zu stellen, weshalb der Grundsatz des Parteiengehörs verletzt worden sei. Der Beschwerdeführer sei damals von seiner Fahrtüchtigkeit überzeugt gewesen, da.er sonst nicht der polizeilichen Intervention zugestimmt hätte. Abschließend habe der Beschwerdeführer noch ausgeführt, daß die Übertretung nicht auf einer öffentlichen Straße begangen worden sei, da sich in größerer Entfernung vom Tatort eine Tafel mit der Aufschrift "Ende der öffentlichen Straße" befinde, an dieser Stelle der Asphaltweg der Straße ende und durch einen Schotterweg fortgesetzt werde, der nur gelegentlich von Kraftfahrern benützt werde. Dieser Schotterweg sei somit zweifellos als Privatgrund erkennbar. Zu diesen Berufungsausführungen führte die Berufungsbehörde im wesentlichen aus, daß erfahrungsgemäß das Alkoteströhrchen erst einige Zeit später den richtigen Wert der Alkoholisierung anzeige. Daß im gegenständlichen Fall der Alkotest positiv gewesen sei, werde sowohl durch die Angaben des Meldungslegers in der Anzeige als auch in dessen Stellungnahme bewiesen, wonach sich der Reagenzstoff bis knapp über die Strichmarke grün verfärbt habe; weiters ergebe sich durch die Angaben des Polizeiarztes im Untersuchungsbefund bzw. in seiner Stellungnahme vom 16. Oktober 1969, daß die Alkotestprobe durch die grüne Verfärbung der Reaktionsschicht über die Mittelmarke eine erhebliche alkoholische Beeinflussung ergeben habe, die einen Blutalkoholwert von 0,8 %o entsprechen "würde" bzw. wonach die Grünfärbung des Proberöhrchens über die Mittelmarke erfahrungsgemäß einem Blutalkoholgehalt von 0,8 %o und darüber entspreche. Dem Antrag des Beschwerdeführers auf Beischaffung des Alkoteströhrchens sei demnach nicht stattzugeben gewesen, da diese Beweisaufnahme im Hinblick auf die hierüber bereits vorliegenden Beweismittel nicht mehr erforderlich gewesen sei. Bei der klinischen Untersuchung und Beurteilung des Beschwerdeführers sei jedoch vom Polizeiarzt in einem Aktenvermerk vom 27. Juli 1968 u. a: auch noch festgestellt worden, daß die Bindehäute des Untersuchten gerötet und leichte Gleichgewichtsstörungen vorhanden gewesen seien; außerdem sei die Rhomberg'sche Probe schwankend und deutlicher Alkoholgeruch der Atemluft wahrnehmbar gewesen, sodaß demnach eine erkennbare Alkoholeinwirkung des Untersuchten vorgelegen sei. Das positive Ergebnis einer Atemluftprobe in Verbindung mit anderen Alkoholisierungssymptomen reiche - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26. November 1964, Zl. 591/63, ausgesprochen habe - aus, einen Blutalkoholgehalt von 0,8 %o als erwiesen anzunehmen. In dem im Berufungsverfahren eingeholten amtsärztlichen Gutachten vom 13. Mai 1969 sei einwandfrei festgestellt worden, daß beim Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Tat eine Alkoholbeeinträchtigung vorgelegen sei, die dem Grad nach zu einem Blutalkoholspiegel von mehr als 0,8 %o geführt haben müsse. Da durch die glaubwürdigen Aussagen der Zeugen KK und EL im Zusammenhalt mit den Polizeierhebungen und den Angaben des Beschwerdeführers erwiesen sei, daß der Beschwerdeführer in diesem Zustand einen Personenkraftwagen auf dem Franzosenhausweg in Linz gelenkt habe, habe er sich der Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 schuldig gemacht. Die weiteren Ausführungen des Beschwerdeführers, daß die Nystagmusprobe wegen individuell verschiedener Reaktionen kein verläßliches Beweismittel sei und daß die Richtigkeit des Gutachtens des untersuchenden Amtsarztes, der außerdem festgestellt habe, daß die Nystagmusprobe nach Taschen 20 Sekunden ergeben habe, mangels fachärztlicher Eignung als Gutachter daher bestritten werde, seien aus den dargelegten Gründen somit rechtlich unerheblich; denn die Berufungsbehörde habe sich nach freier Überzeugung auf Grund der bereits vorhandenen Beweise ein klares Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente machen können, sodaß sie weitere Beweisanträge nicht mehr habe berücksichtigen müssen. Außerdem erscheine es keinesfalls glaubhaft, daß im gegenständlichen Fall das höhere Körpergewicht auf die vom Amtsarzt festgestellten Alkoholisierungssymptome, wie Gleichgewichtsstörungen, schwankende Rhomberg'sche Probe, Alkoholgeruch der Atemluft, Nystagmusprobe u. a., einen Einfluß ausgeübt haben könne. Es erscheine ferner durch die Behauptung des Beschwerdeführers - Nystagmus trete bereits bei einem Blutalkoholgehalt von 0,6 %o bzw. bei Inhalation von Zigarettenrauch auf - das ausführlichst begründete amtsärztliche Gutachten vom 13. Oktober 1969 nicht entkräftet, wonach eine Nystagmusprobe, die "20 Sekunden lang positiv verläuft", mit absoluter Sicherheit auf eine Alkoholeinwirkung von mehr als 0,8 %o hinzeige. Im übrigen sei die Behörde zur Einholung eines Fakultätsgutachtens nicht verpflichtet. Es bestehe auch keine Vorschrift, einen vom Berufungswerber namhaft gemachten Sachverständigenden als Gutachter zu bestellen, bzw. eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, um dem Beschuldigten oder dessen Vertreter eine Fragestellung an den Sachverständigen zu ermöglichen. Durch die Aussagen der Zeugen KK und EL sei keineswegs erwiesen, daß der Beschwerdeführer am Unfallstag außer der angegebenen Alkoholmenge keinen sonstigen Alkohol zu sich genommen habe. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer von seiner Fahrtüchtigkeit überzeugt gewesen sei, sei rechtlich unerheblich. Schließlich werde hinsichtlich der Berufungsausführung, daß die Übertretung nicht auf einer öffentlichen Straße begangen worden sei, darauf hingewiesen, daß diese Behauptung des Beschwerdeführers bereits durch seine eigenen Angaben in der Berufung entkräftet worden sei, wonach diese Straße nur gelegentlich von Kraftfahrern benützt werde. lm übrigen schließe sich die Berufungsbehörde der Begründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses an.

Gegen diesen Berufungsbescheid erhob der Beschwerdeführer gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte. Er beantragte die Beschwerde im Falle der Abweisung durch den Verfassungsgerichtshof an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten. Mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8. Oktober 1971, Zl. B 123/70, wurde die Beschwerde abgewiesen, jedoch zur Entscheidung darüber, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist, an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird als eine Verletzung von Verfahrensvorschriften gerügt, daß die belangte Behörde dem Antrag des Beschwerdeführers auf Einholung eines Gutachtens eines gerichtlich beeideten Facharztes nicht stattgegeben habe. Ein solches Gutachten hätte nach dem weiteren Beschwerdevorbringen den Beweis erbracht, daß der Beschwerdeführer bei der genossenen geringen Alkoholmenge unter Berücksichtigung seiner Körpergröße und seines Körpergewichtes nicht einen Blutalkoholgehalt von 0,8 %o habe aufweisen können. Außerdem hätte ein solches Gutachten ergeben, daß die sogenannte "Nystagmusprobe" kein geeignetes Beweismittel zur Ermittlung des Alkoholisierungsgrades darstelle, insbesondere wenn sie - wie im gegenständlichen Fall - nicht nach wissenschaftlichen Methoden vorgenommen werde. Der Beschwerdeführer habe im Berufungsverfahren unter Hinweis auf die Fachliteratur (H. Elbel/Schleyer "Blutalkohol") ausführlich dargetan, daß die Nystagmusreaktion bei den einzelnen Personen und bei unterschiedlichen Alkoholmengen verschieden erfolge, ja sogar von Zigarettenrauch ausgelöst werde. Es habe auch der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, daß er anläßlich der ärztlichen Untersuchung unmittelbar nach dem Unfall Alkohol und Nikotin konsumiert gehabt habe, während er anläßlich der im Berufungsverfahren durchgeführten ärztlichen Untersuchung vollkommen nüchtern gewesen sei, wobei die Untersuchung nicht nach einem Arbeitstag, sondern in den Vormittagsstunden stattgefunden habe; außerdem sei nicht einmal eine Harnuntersuchung und eine Blutprobe vorgenommen worden. Im übrigen habe sich der Beschwerdeführer ausdrücklich gegen die Begutachtung durch die erwähnten Ärzte ausgesprochen, da es sich weder um Fachärzte noch um gerichtlich beeidete Sachverständige gehandelt habe. Da der Beschwerdeführer keine Gelegenheit erhalten habe, sich vorher zu den Personen der bestellten Sachverständigen zu äußern, sei auch der Grundsatz des Parteiengehörs verletzt worden.

Diesem Beschwerdevorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, daß dem Beschuldigten kein Rechtsanspruch darauf zusteht - der Beschwerdeführer vermag auch gesetzliche Bestimmungen dafür nicht zu nennen -, daß ihm Gelegenheit zu einer Äußerung zur Person des in Aussicht genommenen ärztlichen Sachverständigen gegeben oder daß ein gerichtlich beeideter Sachverständiger beigezogen werde. Die Beziehung eines nichtamtlichen Sachverständigen ist vielmehr nach der gemäß § 24 VStG 1950 auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden Bestimmung des § 52 Abs. 2 AVG 1950 nur ausnahmsweise gestattet, wenn Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen oder es mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles geboten erscheint. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits mehrfach ausgesprochen, daß die Behörde sogar Verfahrensvorschriften verletzen würde, wenn sie, obwohl ihr geeignete Amtssachverständige zur Verfügung stehen, ohne einen besonderen Grund andere Sachverständige heranzieht (vgl. dazu z. B. das Erkenntnis von 31. März 1969, Zl. 255/67). Daß aber die von der Behörde herangezogenen ärztlichen Sachverständigen nicht geeignet waren, über die zur Entscheidung stehende Frage der Alkoholbeeinträchtigung ein Gutachten abzugeben, dafür konnte der Beschwerdeführer keine überzeugenden Gründe angeben. Der im Berufungsverfahren beigezogene Amtssachverständige hat in seinem ärztlichen Gutachten vom 31. Oktober 1969 in schlüssiger Weise zu den Einwendungen des Beschwerdeführers Stellung genommen und unter Hinweis auf eine umfangreiche medizinische Literatur (Anführung von 16 verschiedenen Autoren) ausführlich begründet, daß eine Nystagmusprobe, die 20 sec. positiv verlaufe, mit absoluter Sicherheit auf eine Alkoholeinwirkung von mehr als 0,8 %o hinweise. Wenn daher die belangte Behörde ihre Entscheidung auf die beiden übereinstimmenden ärztlichen Amtsgutachten gestützt hat, dann kann ihr nicht entgegengetreten werden.

Der Beschwerdeführer rügt weiters als einen Verfahrensmangel, daß trotz seines Antrages das Alkoteströhrchen nicht beigeschafft worden sei. Die Atemluftprobe habe nämlich der Meldungsleger (PolRayInsp. FJ) vorgenommen und der Amtsarzt habe das Alkoteströhrchen nicht einmal überprüft. Außerdem wird in der Beschwerde bemängelt, daß dem Beschwerdeführer nicht die Möglichkeit geboten worden sei, an die Zeugen und Sachverständigen anläßlich einer mündlichen Verhandlung Fragen zu stellen. Demgegenüber ist darauf zu verweisen, daß die belangte Behörde ihre Feststellung, daß die Atemluftprobe ein positives Ergebnis gezeitigt habe, auf die unbedenkliche Aussage des vernommenen Zeugen PolRayInsp. FJ gestützt hat. Dafür aber, daß diese unter der Sanktion des Art. IX EGVG 1950 abgelegte Zeugenaussage unrichtig ist, besteht bei der gegebenen Sachlage keinerlei Anhalt. Was aber den Einwand hinsichtlich des dem Beschwerdeführer angeblich zustehenden Fragerechtes an die Zeugen und Sachverständigen betrifft, so hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen, daß die Verwaltungsverfahrensgesetze ein derartiges Fragerecht der Parteien an Zeugen und Sachverständige nicht vorsehen (vgl. dazu z. B. die Erkenntnisse vom 2. Juli 1964, Zl. 492/63, und vom 5. April 1973, Zl. 191/72).

In der Beschwerde verweist der Beschwerdeführer weiters darauf, daß die belangte Behörde die Aussagen der Zeugen KK und EL als glaubwürdig und unbedenklich bezeichnet habe. Durch diese Zeugenaussagen sei aber hervorgekommen, daß der Beschwerdeführer in der Zeit von 11.00 Uhr bis 20.00 Uhr keinen Alkohol zu sich genommen habe. Das Verfahren habe auch keinen Anhaltspunkt dafür gegeben, daß er ab 20.00 Uhr mehr als die von ihm angegebenen Alkoholmengen - 2/8 l Rotwein und 1 Seidel Bier - konsumiert habe; dies hätte nach Ansicht des Beschwerdeführers auch die von der belangten Behörde zu Unrecht unterlassene Einvernahme der beantragten Zeugin GL ergeben. Die vorgenannten Alkoholmengen hätten aber einen Blutalkoholgehalt von 0,8 %o oder darüber nicht hervorrufen können. Abgesehen davon, daß das Alkoteströhrchen nicht vorgelegen sei, sei auch eine positive Atemluftprobe kein zuverlässiger Beweis für einen Blutalkoholgehalt von 0,8 %o oder darüber, zumal die Atemluftprobe ganz kurz nach dem letzten Alkoholkonsum vorschriftswidrig vorgenommen worden sei. Bei dieser Sachlage sei die Aussage des Zeugen KK, der Meldungsleger habe nach Vornahme der Atemluftprobe selbst einen Wert unter 0,8 %o festgestellt, von großer Bedeutung. Es verbleibe daher lediglich das Untersuchungsergebnis durch den hiezu nicht ausreichend qualifizierten Amtsarzt. Dieser habe festgestellt, daß kein Lallen oder eine sonstige Beeinträchtigung des Beschwerdeführers vorgelegen, daß ihm ein Stehen auf einem Bein gelungen und sein Gang sicher gewesen sei und daß er zwar ein erregtes, jedoch höfliches Benehmen an den Tag gelegt habe. Von einer erheblichen Alkoholisierung könne demnach keine Rede sein, sondern nur von einer angeblich erkennbaren Alkoholisierung. Was den "schwankenden Rhomberg" betreffe, so könne dieser ebensogut auch auf Kreislaufstörungen infolge erheblichen Übergewichtes zurückgeführt werden, die Rötung der Augen auf die verrauchte Gasthausluft und der Alkoholgeruch in der Atemluft auf die unmittelbar vorher konsumierte, wenn auch geringfügige Alkoholmenge. Diese Umstände seien daher kein sicherer Beweis für einen Blutalkoholgehalt von 0,8 %o oder darüber. Im übrigen lasse nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht einmal eine Feststellung einer mittelschweren Alkoholisierung einen Schluß auf einen Blutalkoholgehalt von 0,8 %o oder darüber zu. Es sei auch das Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung durch den vom Beschwerdeführer nachgewiesenen erhöhten Blutdruck verzerrt. Nach Ansicht des Beschwerdeführers sei demnach zu Unrecht ein Blutalkoholgehalt von 0,8 %o angenommen worden.

Mit diesem Beschwerdevorbringen bekämpft der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung der belangten Behörde, die zu dem Ergebnis gekommen ist, daß der Blutalkoholgehalt des Beschwerdeführers zur Tatzeit 0,8 %o betragen habe. Demgegenüber ist zunächst auf die Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides zu verweisen, in der schlüssig dargetan wurde, warum die belangte Behörde auf Grund der Aussagen der Zeugen KK und EL - trotz ihrer Glaubwürdigkeit - nicht als erwiesen angenommen hat, daß der Beschwerdeführer tatsächlich nur die von ihm behaupteten Alkoholmengen konsumiert habe. Es trifft auch nicht zu, daß die Zeugin GL nicht vernommen worden sei; die Genannte gab etwa 2 Monate nach der Tat als Zeugin anläßlich ihrer niederschriftlichen Vernehmung vor der Bundespolizeidirektion Linz am 23. September 1968 an, daß sich der Beschwerdeführer etwa nach 21,00 Uhr - der Beschwerdeführer behauptete, es wäre etwa ab 20.00 Uhr gewesen - in ihrem Lokal befunden habe; "soweit sie sich entsinnen könne", habe der Beschwerdeführer 2/8 l Wein, glaublich Weißwein - der Beschwerdeführer behauptete, es wäre Rotwein gewesen - und vorher zusammen mit einem unbekannten Mann eine Flasche Bier - der Beschwerdeführer behauptete, es wäre 1 Seidel Bier gewesen - getrunken. Wenn die belangte Behörde den vom Beschwerdeführer behaupteten Alkoholkonsum auch nicht durch diese Zeugenaussage als erwiesen angenommen hat, weil sie zu wenig bestimmt und verläßlich erscheint, dann kann ihr nicht entgegengetreten werden. Was aber die Atemluftprobe betrifft, so kommt es, wie der Verwaltungsgerichtshof in einem ähnlich gelagerten Fall ausgesprochen hat (vgl. das Erkenntnis vom 26. November 1964, Zl. 591/63), nicht darauf an, was das Sicherheitsorgan unmittelbar nach Abnahme der Atemluftprobe gesagt hat, sondern wie die Probe endgültig ausgegangen ist. Gerade aber der Zeuge KK hat bei seiner Vernehmung am 12. Dezember 1969 bestätigt, daß der Meldungsleger - nachdem er zuerst erklärt hatte, daß das Ergebnis unter der 0,8 %o-Grenze liege - bei der zweiten Beurteilung des Teströhrchens zu einem positiven Ergebnis gelangt ist ("jetzt hat es aber 0,8 %o"). Damit steht auch die Tatsache im Einklang, daß der Meldungsleger den Beschwerdeführer sodann dem Amtsarzt zwecks Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung vorgeführt hat. Im übrigen sei bemerkt, daß die belangte Behörde ihre Feststellung, daß der Blutalkoholgehalt des Beschwerdeführers mehr als 0,8 %o betragen habe, nicht in erster Linie auf das Ergebnis der Atemluftprobe, sondern vor allem auf die in den Verwaltungsakten erliegenden ärztlichen Gutachten gestützt hat. Der Beschwerdeführ hat zwar, wie oben bereits erwähnt, behauptet, daß die beigezogenen ärztlichen Sachverständigen zur Erstattung von derartigen Gutachten nicht ausreichend qualifiziert seien, er hat aber eine stichhältige Begründung für diese Behauptung nicht gegeben. Dem Beschwerdeführer ist wohl beizupflichten, daß aus einer festgestellten leichten oder mittelschweren Alkoholisierung allein noch kein Schluß auf einen Blutalkoholgehalt von 0,8 %o oder darüber gezogen werden kann; einen solchen Schluß hat aber im vorliegenden Fall die belangte Behörde nicht gezogen, weil ja die ärztlichen Sachverständigen auf Grund der Ergebnisse der klinischen Untersuchung selbst einen Blutalkoholgehalt von mehr als 0,8 %o festgestellt haben. Wie bereits das ärztliche Gutachten vom 13. Mai 1969 schlüssig ausgeführt hat, läßt sich auch nicht aus der Tatsache, daß der Beschwerdeführer nicht alle Symptome einer Alkoholisierung gezeigt habe, die Folgerung ableiten, daß eine Alkoholbeeinträchtigung nicht vorgelegen sein könne. Soweit aber der Beschwerdeführer vorbringt, einzelne Symptome seien nicht auf eine Alkoholisierung, sondern auf andere Ursachen zurückzuführen, so ist ihm entgegenzuhalten, daß einen Arzt zugemutet werden muß, zwischen einwandfreien untrüglichen Merkmalen und solchen Symptomen zu unterscheiden, die auf andere Ursachen zurückzuführen sind.

Schließlich wird in der Beschwerde noch geltend gemacht, daß sich der Verkehrsunfall auf keiner öffentlichen Straße, sondern auf einem Privatweg zugetragen habe. Der Beschwerdeführer habe auf Grund des in einiger Entfernung vorher angebrachten Straßenschildes "Ende der öffentlichen Straße" der begründeten Meinung sein können, sich auf privatem Grund - einem Schotterweg - zu befinden, sodaß selbst bei Vorliegen eines Blutalkoholgehaltes von 0,8 %o der Tatbestand nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 nicht erfüllt wäre. Die unbestrittene Tatsache, daß dieser private Schotterweg gelegentlich wenn auch ohne Rechtsgrund - von Fahrzeuglenkern benützt werde, könne nach Ansicht des Beschwerdeführers weder die Öffentlichkeit der Straße noch eine Strafbefugnis der Behörde begründen.

Die Straßenverkehrsordnung 1960 gilt gemäß § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes für Straßen mit öffentlichem Verkehr; als solche gelten Straßen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen hat, kommt es für die Wertung einer Straße im Sinne der vorgenannten Gesetzesstelle nicht auf die Eigentumsverhältnisse am Straßengrund an (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 28. November 1966, Zl. 1144/65, und vom 24. März 1969, Zl. 713/68), Eine Straße wird vielmehr dann für jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können, wenn sie nach dem äußeren Anschein zur allgemeinen Benützung freisteht. Da es auch sein kann, daß eine Privatstraße für die Benützung durch die Allgemeinheit freisteht, wird die Öffentlichkeit einer zur Gänze im Privateigentum stehenden Straße nur dann nicht anzunehmen, wenn sie etwa abgeschrankt ist oder ihre Benützung unter Hinweis auf ihre Eigenschaft als Privatstraße der Allgemeinheit ersichtlich verboten wird. Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer nur vorgebracht, daß sich am Franzosenhausweg ein Straßenschild mit der Aufschrift "Ende der öffentlichen Straße" befunden habe und daß die Fortsetzung der Straße bis zu dem Gasthaus "Zur Franzosenhausbrücke" nur mehr geschottert gewesen sei. Da das erwähnte Straßenschild nicht angezeigt hat, daß die Straße nicht für jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden darf - der Umstand, daß die Straße nur geschottert war, ist für die Frage, ob sie eine Straße mit öffentlichem Verkehr ist, ohne Bedeutung -, handelte es sich um eine Straße mit öffentlichem Verkehr, für die die Straßenverkehrsordnung 1960 gegolten hat.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die § 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 14. November 1972, BGBl. Nr. 427.

Wien, am 30. Jänner 1974

Schlagworte

Alkotest StraßenaufsichtsorganBeweise Fragerecht und GegenüberstellungGutachten ParteiengehörGutachten Parteiengehör Teilnahme an Beweisaufnahme FragerechtParteiengehör Unmittelbarkeit Teilnahme an BeweisaufnahmenSachverständiger Anspruch auf bestimmte Person

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1974:1972000227.X00

Im RIS seit

04.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

04.12.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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