TE Vwgh Erkenntnis 1988/12/13 88/05/0187

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Veröffentlicht am 13.12.1988
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Index

Baurecht - Wien

Norm

AVG §8
BauO Wr §134 Abs3
BauO Wr §69
BauO Wr §70
BauO Wr §71
BauO Wr §79 Abs3
BauRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des HP in W, vertreten durch Dr. Klaus Grösswang, Rechtsanwalt in Wien I, Tuchlauben 7 a, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 30. Juni 1988, Zl. MDR-B XVI-13/88, betreffend die Versagung einer Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 18. März 1987 ersuchte der Beschwerdeführer beim Wiener Magistrat um die Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung für einen sogenannten gedeckten Platz im Bereich seines Grundstückes 288/1 KG. X sowie im Bereich des Grundstückes 288/3, welches nach dem geltenden Bebauungsplan als Verkehrsfläche gewidmet ist. Nach internen Anfragen, insbesondere auch betreffend den Ausbau der Verkehrsfläche, beraumte der Magistrat für den 11. Juni 1987 eine mündliche Verhandlung an, zu der auch Nachbarn geladen wurden. Mit einer Eingabe vom 27. Mai 1987 sprachen sich die unmittelbar angrenzenden Nachbarn gegen die Bauführung aus und verlangten, daß die ohne Genehmigung bis zu ihrem Zaun hergestellte Mauer und das darauf gebaute Dach abgetragen und der gesetzliche Mindestabstand eingehalten werde. Bei der Verhandlung sprachen sich auch andere Nachbarn gegen die Erteilung einer Baubewilligung aus, weil sie Nachteile für einen bestehenden Servitutsweg befürchteten. Der Vertreter des Beschwerdeführers brachte vor, daß eine unmittelbare Anrainerin der Bauführung zugestimmt habe. Er ersuchte um eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme.

In seinem Schriftsatz vom 15. September 1987 führte der Vertreter des Beschwerdeführers aus, daß eine der beiden unmittelbaren Anrainerinnen der Bauführung zugestimmt habe und deren Unterschrift auf der erwähnten schriftlichen Eingabe gefälscht sei. Die andere Anrainerin sei zu einer gütlichen Bereinigung nicht zu bewegen, sodaß gegen sie eine Klage eingebracht werde. Zwecks Vorlage eines Gerichtsurteils wurde eine Verlängerung der Frist zur Vorlage der Zustimmungserklärung bis 31. März 1988 beantragt. Weiters wurde ausgeführt, aus welchen Gründen nach Meinung des Beschwerdeführers die Einwendungen der übrigen Anrainer zurückzuweisen seien.

Am 13. Oktober 1987 erklärten jene Anrainer, die bei der ersten Verhandlung nicht anwesend waren, aber schriftlich Einwendungen erhoben hatten, daß sie diese Einwendungen voll aufrechterhielten. Sie legten Lichtbilder zum Nachweis dafür vor, daß es sich bei der Bauführung nicht um einen Gartensitzplatz, sondern um einen gedeckten Autoabstellplatz handle.

Mit Eingabe vom 18. März 1988 verwies der Vertreter des Beschwerdeführers darauf, daß beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien eine Klage anhängig, eine Verhandlung jedoch noch nicht ausgeschrieben worden sei, sodaß er um eine Verlängerung der Frist bis 31. Dezember 1988 ersuche.

Mit Bescheid vom 20. April 1988 versagte der Wiener Magistrat gemäß §§ 70 und 71 der Bauordnung für Wien die angestrebte Baubewilligung. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß die Erteilung einer Baubewilligung nach § 70 der Bauordnung für Wien schon deshalb nicht in Betracht komme, weil die Bauführung im Vorgartenbereich und in der rechten Abstandsfläche den Bebauungsbestimmungen widerspreche. Einer Genehmigung nach § 71 der Bauordnung habe deshalb nicht näher getreten werden können, weil sich die betroffenen Anrainer gegen die nachträgliche Genehmigung der Baulichkeit ausgesprochen hätten. Einer derartigen Bewilligung dürften durch die Bauordnung gegebene subjektive öffentliche Rechte nicht entgegenstehen.

In seiner dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, daß die unmittelbaren Anrainer der Bauführung ausdrücklich zugestimmt hätten und daher nunmehr eine Klage gegen sie eingebracht worden sei. Der Bescheid leide an einem Verfahrensmangel, weil auf die Frage des Vorliegens einer Zustimmung nicht eingegangen worden sei. Im übrigen wäre das Vorhaben auch nach § 69 der Bauordnung zu bewilligen gewesen, stünden doch öffentliche Rücksichten der Bauführung nicht entgegen.

Im Zuge des Berufungsverfahrens wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Akteneinsicht geboten, wobei ausdrücklich auf die Niederschrift vom 13. Oktober 1987 verwiesen wurde. Dem Beschwerdeführer wurde auch die Möglichkeit eingeräumt, bekanntzugeben, welcher gemäß § 69 der Bauordnung für Wien erforderliche sachlich gerechtfertigte Ausnahmefall seiner Meinung nach gegeben sei und welche Bestimmung des § 69 leg. cit. seiner Ansicht nach eine Bewilligung ermöglichen könnte.

In seiner Äußerung vom 14. Juni 1988 setzte sich der Beschwerdeführer ausschließlich mit der Frage auseinander, ob die unmittelbaren Anrainer dem Bauvorhaben zugestimmt haben oder nicht.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 30. Juni 1988 wies die Bauoberbehörde für Wien die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Nach Ausführungen darüber, aus welchen Gründen eine definitive Baubewilligung nach § 70 der Bauordnung nicht in Betracht komme, wurde die Voraussetzung für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 71 der Bauordnung schon deshalb verneint, weil die unmittelbaren Anrainer dem Bauvorhaben des Beschwerdeführers nicht zugestimmt hatten. Hiebei wurde auf die Niederschrift vom 30. Oktober 1987 verwiesen, in der sich diese Anrainerinnen mit der Bauführung nicht einverstanden erklärten. Eine bei Gericht anhängige Klage ändere nichts daran, daß derzeit eine solche Zustimmung nicht vorliege. Auch eine Ausnahme nach § 69 der Bauordnung sei nicht in Frage gekommen, weil kein sachlich gerechtfertigter Ausnahmefall gegeben sei und im übrigen § 69 leg. cit. in der hier maßgeblichen Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 28/1987 keine Bestimmung vorgesehen habe, nach der die Errichtung eines gedeckten Sitzplatzes im Seitenabstand, Vorgartenbereich und im Bereich einer projektierten Verkehrsfläche möglich gewesen wäre.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Er erachtet sich in seinem Recht auf Erteilung einer Baubewilligung verletzt. Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Zunächst ist zu bemerken, daß der Beschwerdeführer die Versagung der von ihm angestrebten Baubewilligung nach § 70 der Bauordnung für Wien nicht bekämpft, sondern lediglich einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 71 der Bauordnung behauptet.

Nach § 71 der Bauordnung für Wien (BO) in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 18/1976 kann die Behörde Bauten, die vorübergehenden Zwecken dienen oder nicht dauernd bestehen bleiben können, sei es wegen des bestimmungsgemäßen Zweckes der Grundfläche, sei es, weil in begründeten Ausnahmefällen die Baulichkeit den Bestimmungen dieses Gesetzes aus sachlichen Gegebenheiten nicht voll entspricht, auf bestimmte Zeit oder auf Widerruf bewilligen. Für sie gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes insofern nicht, als nach Lage des Falles im Bescheid auf die Einhaltung dieser Bestimmungen verzichtet worden ist. Der Bewilligung dürfen durch dieses Gesetz gegebene subjektivöffentliche Rechte nicht entgegenstehen, es sei denn, daß der Berechtigte der Bewilligung ausdrücklich zugestimmt hat oder gemäß § 42 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes als der Bewilligung zustimmend anzusehen ist.

Der Beschwerdeführer bestreitet nun nicht die Annahme der belangten Behörde, daß den unmittelbaren Anrainerinnen ein Rechtsanspruch auf Freihaltung der von ihm tatsächlich verbauten Fläche zukomme. Er behauptet jedoch, daß eine Erklärung, mit einem Bauvorhaben nicht einverstanden zu sein, keine Einwendung im Sinne des § 42 AVG 1950 sei und darüberhinaus die Anrainerinnen dem Bauvorhaben (seinerzeit) zugestimmt hätten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nun schon in seinem Erkenntnis vom 27. Oktober 1981, Zl. 81/05/0007, der Meinung Ausdruck verliehen, der Hinweis auf § 42 AVG 1950 im § 71 BO sei dahin zu verstehen, daß die Behörde im Falle einer konkludenten Zustimmung trotz der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes eine Bewilligung nach § 71 BO erteilen darf, nicht aber dann, wenn die Nachbarn sich ausdrücklich gegen die Erteilung der vom Beschwerdeführer angestrebten Baubewilligung ausgesprochen haben. Die Gründe, so wurde damals weiter ausgeführt, welche die Nachbarn in diesem Zusammenhang anführen, seien rechtlich unerheblich. Der Verwaltungsgerichtshof hält an dieser Rechtsprechung fest, weil der Sinn der Regelung eindeutig darin gelegen ist, daß eine Bewilligung bei Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte von Nachbarn nur dann zulässig sein soll, wenn diese Nachbarn dem Bauvorhaben ausdrücklich zugestimmt haben oder als zustimmend anzusehen sind, was im Beschwerdefall aber nicht zutrifft. Entgegen dem Beschwerdevorbringen besitzen im übrigen die unmittelbar angrenzenden Nachbarn in der hier gegebenen offenen Bauweise einen Rechtsanspruch auf Freihalten eines Seitenabstandes, wie sich aus § 79 Abs. 3 in Verbindung mit § 134 Abs. 3 BO ergibt. Da sich die betroffenen Nachbarn ausdrücklich gegen das Bauvorhaben des Beschwerdeführers ausgesprochen haben, liegt auch die gerügte Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes hinsichtlich der Frage nicht vor, ob diese Nachbarn allenfalls zu einem früheren Zeitpunkt dem Bauvorhaben zugestimmt haben oder nicht bzw. zu einer solchen Zustimmung verpflichtet wären. Da es sich bei dieser Frage auch nicht um eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG 1950 gehandelt hat, bestand für die Baubehörde auch keine Veranlassung, mit der Erledigung des Antrages zuzuwarten. Daß nämlich die Nachbarn dem Bauvorhaben nicht zugestimmt haben, hat das Ermittlungsverfahren klar ergeben, und eine weitere Frage war in diesem Zusammenhang bei der eindeutigen Textierung des § 71 BO nicht zu beantworten. Sollte allerdings die Zustimmung der Nachbarn gerichtlich erzwungen werden, stünde einem neuerlichen Antrag auf Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung die Rechtskraft des abweislichen Baubewilligungsbescheides nicht entgegen. Die geltend gemachte Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften liegt sohin nicht vor.

Der Beschwerdeführer bekämpft weiters die Annahme der belangten Behörde, ein sachlich gerechtfertigter Ausnahmefall nach § 69 BO sei nicht gegeben. Hinsichtlich der Anwendung des § 69 BO hat die belangte Behörde zunächst zutreffend die Auffassung vertreten, daß die Bauordnungsnovelle vom 22. Mai 1987, LGBl. Nr. 28, im Beschwerdefall noch keine Rechtswirksamkeit entfaltete. Diese wenn auch nicht näher begründete Auffassung ist deshalb berechtigt, weil nach Art. III Abs. 2 dieser Novelle bereits anhängige Verfahren nach den bisherigen Bestimmungen zu beenden sind. Im Ergebnis hat nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes die belangte Behörde das Vorliegen der Voraussetzungen für solche Ausnahmefälle zutreffend verneint, darf doch nicht übersehen werden, daß die im § 69 der Wiener Bauordnung geregelten sachlich gerechtfertigten Ausnahmefälle nur bei definitiv erteilten Baubewilligungen nach § 70 BO in Betracht kommen, wie die gesetzliche Regelung unschwer erkennen läßt. Daß aber die Erteilung einer Bewilligung für eine Bauführung auf einer als Straße gewidmeten Grundfläche nicht zulässig ist, hat offensichtlich auch der Beschwerdeführer erkannt, weil er in diesem Zusammenhang behauptet, bei Widerruf einer Bewilligung könne der Baubestand sofort und ohne Schwierigkeiten beseitigt werden. Es schwebt ihm also auch in diesem Zusammenhang die Erteilung einer Baubewilligung nach § 71 BO vor Augen, die aber aus dem schon angeführten Grund nicht in Betracht zu ziehen war. Auch der Hinweis auf die Ausnahmeregelung des § 69 BO konnte sohin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht dartun.

Aus den angeführten Erwägungen erweist sich die Beschwerde in allen Punkten als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG sowie auf die Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 13. Dezember 1988

Schlagworte

Baubewilligung BauRallg6Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1988:1988050187.X00

Im RIS seit

06.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

06.12.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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