TE Vwgh Beschluss 2019/10/24 Ra 2019/21/0284

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.10.2019
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
BFA-VG 2014 §21 Abs7
BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §52 Abs1 Z1
MRK Art8
NAG 2005 §21 Abs2 Z5
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision der D M in L, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24. Juli 2019, G314 2221410-1/2E, betreffend insbesondere Erlassung einer Rückkehrentscheidung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina, hielt sich bereits in den Jahren 1992 bis 2004 rechtmäßig in Österreich auf. Danach kehrte sie in ihren Herkunftsstaat zurück, um dort ihre Mutter zu pflegen. Nachdem ihre Mutter verstorben war, reiste die Revisionswerberin am 5. Dezember 2018 mit einem gültigen biometrischen Reisepass über Slowenien wieder in das Bundesgebiet ein, wo sie dann am 25. Februar 2019 eine Wohnsitzmeldung vornahm. Bereits davor, nämlich am 25. Jänner 2019, hatte sie bei der Niederlassungsbehörde einen Erstantrag auf Erteilung einer "Rot-Weiß-Rot - Karte" als Fachkraft in einem Mangelberuf (§ 41 Abs. 2 Z 1 NAG iVm § 20d Abs. 1 Z 2 und § 12 AuslBG) gestellt, über den noch nicht entschieden wurde.

2 Mit rechtskräftiger Strafverfügung vom 9. April 2019 wurde über die Revisionswerberin wegen nicht rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet gemäß § 120 Abs. 1a FPG eine Geldstrafe verhängt, weil sie ausgehend von ihrer Einreise in den Schengenraum am 5. Dezember 2018 die sichtvermerksfreie Aufenthaltsdauer ab 5. März 2019 überschritten habe.

3 In der Folge erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 7. Juni 2019 - verbunden mit dem Ausspruch, dass der Revisionswerberin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (von Amts wegen) nicht erteilt werde (Spruchpunkt I.) - gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt II.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG stellte das BFA fest, dass die Abschiebung der Revisionswerberin nach Bosnien und Herzegowina zulässig sei (Spruchpunkt III.). Des Weiteren erließ das BFA gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 3 FPG ein auf die Dauer von drei Monaten befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.). Schließlich wurde einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt VI.).

4 Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 24. Juli 2019 insofern Folge als es zunächst Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides des BFA ersatzlos behob und aussprach, dass der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt werde (Spruchpunkt A.). Des Weiteren wurde der Beschwerde noch dahin Folge gegeben, dass Spruchpunkt IV. des BFA-Bescheides ersatzlos behoben und dessen Spruchpunkt VI. dahin abgeändert werde, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt werde. Im Übrigen wurde die Beschwerde in Bezug auf die Spruchpunkte I. bis III. des BFA-Bescheides als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt B.). Schließlich sprach das BVwG noch gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt C.).

5 Gegen dieses Erkenntnis - der Sache nach jedoch nur gegen die Abweisung der Beschwerde gegen die mit Spruchpunkt II. des BFA-Bescheides vorgenommene Erlassung einer Rückkehrentscheidung - richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig erweist.

6 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

8 In dieser Hinsicht bemängelt die Revisionswerberin, das BVwG hätte die in der Beschwerde ausdrücklich beantragte Durchf??hrung einer mündlichen Verhandlung nicht unterlassen dürfen. Insbesondere hätte es sich ein Bild von den ausgezeichneten Deutschkenntnissen der Revisionswerberin machen müssen. Die persönliche Befragung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung wäre auch deshalb dringend geboten gewesen, um die tatsächlichen familiären Umstände in ihrem Heimatstaat festzustellen, wie etwa, dass sie zu ihrem Vater keinen Kontakt und dort auch sonst "keinerlei enge Bindungen" habe. Hätte das BVwG verhandelt, so hätte es somit - auch angesichts des seinerzeitigen Aufenthalts in Österreich in der Dauer von zwölf Jahren, währenddessen sie immer gearbeitet habe, und der nunmehrigen Absicht, im Bereich der Altenpflege tätig zu sein - rechtlich zur Ansicht gelangen müssen, dass die "privaten und familiären" Interessen" der Revisionswerberin die öffentlichen Interessen überwiegen. 9 Das BVwG ist in seiner rechtlichen Beurteilung davon ausgegangen, dass der Aufenthalt der Revisionswerberin in Österreich nach Ablauf der aufgrund der Verordnung (EU) 2018/1806 bestehenden Befreiung von der Visumpflicht für 90 Tage seit 5. März 2019 nicht (mehr) rechtmäßig sei. Die Revisionswerberin habe zwar ihren Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels am 25. Jänner 2019 gemäß § 21 Abs. 2 Z 5 NAG während ihres damals noch rechtmäßigen Aufenthalts im Inland stellen dürfen. Das BVwG wies in diesem Zusammenhang aber auch darauf hin, dass eine solche (zulässige) Inlandsantragstellung kein über den erlaubten visumfreien Aufenthalt hinausgehendes Bleiberecht verschaffe, sie der Erlassung und Durchführung von Maßnahmen nach dem FPG nicht entgegenstehe und daher in Verfahren nach dem FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten könne. Die Revisionswerberin hätte daher - so folgerte das BVwG - nach Ablauf der zulässigen visumfreien Aufenthaltsdauer jedenfalls aus dem Schengenraum ausreisen müssen und die Entscheidung über den beantragten Aufenthaltstitel gemäß § 21 Abs. 1 zweiter Satz NAG im Ausland abwarten müssen. Wegen des demzufolge unrechtmäßigen Aufenthalts der Revisionswerberin im Bundesgebiet sei somit gegen sie nach § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 1 Z 1 FPG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

10 Diesen zutreffenden Überlegungen tritt die Revision nicht entgegen. Die Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung könnte sich daher nur daraus ergeben, dass sie am Maßstab des Art. 8 EMRK bzw. des § 9 BFA-VG einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Revisionswerberin bewirkt. Davon kann aber schon angesichts der sehr kurzen Dauer des Aufenthalts in Österreich (bis zur Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses) von knapp acht Monaten nicht die Rede sein (vgl. etwa VwGH 24.1.2019, Ra 2018/21/0191, Rn. 6 ff, mwN), wobei der lange Inlandsaufenthalt zwischen 1992 und 2004 angesichts der daran anschließenden Unterbrechung in der Dauer von vierzehn Jahren nicht entscheidend ins Gewicht fallen kann. Im Übrigen steht auch hier wie im Fall des zitierten Erkenntnisses schon deshalb kein Eingriff in ein Familienleben zur Debatte, weil die Revisionswerberin mit dem sie finanziell unterstützenden Cousin nicht im gemeinsamen Haushalt lebt. Nicht entscheidend ist im Übrigen, ob die Revisionswerberin "perfekt" (so die Beschwerde), "ausgezeichnet" (so die Revision) oder "einigermaßen gut" (so das BVwG) Deutsch spricht, weil selbst bei Unterstellung der Richtigkeit des Vorbringens der Revisionswerberin nicht einmal im Ansatz "außergewöhnliche Umstände" im Sinne der zitierten Rechtsprechung angenommen werden könnten.

11 Daran ändert auch nichts, dass die Revisionswerberin im Bereich der Altenpflege tätig sein will und insofern auch über eine Arbeitsplatzzusage bei ihrem derzeitigen Untervermieter verfügt, weil es für die Ausübung dieser Tätigkeit der vorherigen Erteilung eines Aufenthaltstitels bedarf, die - wie aufgezeigt - von der Revisionswerberin im Ausland abzuwarten ist. In diesem Zusammenhang hat das BVwG auch zutreffend angenommen, die Revisionswerberin werde bei einer Rückkehr in ihr Heimatland trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situation ihren Lebensunterhalt erwirtschaften können, zumal sie dort bis Ende 2018 gelebt habe. Dieser Ansicht tritt die Revisionswerberin mit dem bloßen Hinweis auf das Fehlen von Kontakten zu ihrem dort lebenden Vater und von sonst "engen Beziehungen" nicht ausreichend konkret entgegen. 12 Vor diesem Hintergrund liegt daher in Bezug auf die erlassene Rückkehrentscheidung evident ein "eindeutiger Fall" vor, der es dem BVwG - entgegen der Meinung der Revisionswerberin - im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 21 Abs. 7 BFA-VG (vgl. dazu die Nachweise in VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0275, Rn. 13) ausnahmsweise erlaubte, von der ausdrücklich beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen war.

Wien, am 24. Oktober 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210284.L00

Im RIS seit

09.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten