TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/30 97/02/0103

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Veröffentlicht am 30.09.1998
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §76 Abs1;
AVG §76 Abs2;
AVG §76 Abs3;
B-VG Art7 Abs1;
FrG 1993 §79 Abs1;
FrG 1993 §79 Abs2;
FrG 1997 impl;
FrGDV 1994 §11;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde der L Gesellschaft m.b.H. in Lustenau, vertreten durch

Dr. Kurt Martschitz, Rechtsanwalt in Dornbirn, Riedgasse 31/I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 4. Februar "1996", Zl. Frb-4250c-5/95, betreffend Kostenvorschreibung nach § 79 Abs. 2 FrG (1992), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im angefochtenen Umfang, d.i. hinsichtlich der Vorschreibung von Arztkosten, Medikamentenkosten und "Dolmetscherkosten", wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 4. Februar 1996 (richtig wohl: 4. Februar 1997) wurde die beschwerdeführende Partei gemäß § 76 AVG in Verbindung mit § 79 Abs. 2 FrG und § 11 Abs. 1 und 2 (gemeint wohl: § 11 Z. 1 und 2) der Fremdengesetz-Durchführungsverordnung 1994, BGBl. Nr. 121/1995, verpflichtet, folgende Kosten zu ersetzen: Kosten der Vollziehung der Schubhaft für einen näher genannten chinesischen Staatsangehörigen (Fremden) im Ausmaß von S 41.676,80 (148 Hafttage x S 281,60), Arztkosten von S 12.211,20 zuzüglich Medikamentenkosten von S 3.857,72 und den Dometscherkosten von S 3.524,72, insgesamt somit S 61.270,44.

In der Begründung führte die belangte Behörde u.a. aus, die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn (kurz: BH) habe mit Bescheid vom 10. Februar 1995 gegen den näher genannten Fremden gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 8 des Fremdengesetzes (kurz: FrG), BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von fünf Jahren für das Bundesgebiet erlassen. Gemäß § 27 Abs. 4 leg. cit. sei die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen diesen Bescheid aberkannt worden. Mit Bescheid vom selben Tag habe die BH zur Sicherung der Abschiebung dieses Fremden gemäß § 41 Abs. 1 FrG (1992) die Schubhaft angeordnet. Der Fremde sei am 9. Februar 1995 gegen 22.00 Uhr in einem näher genannten China-Restaurant bei der Ausübung einer Beschäftigung betreten worden, die er entgegen den Bestimmungen des § 3 Ausländerbeschäftigungsgesetz ausgeübt habe. Der Fremde sei im Zeitpunkt der Kontrolle in der Küche des Lokals mit der Zubereitung von Speisen beschäftigt gewesen. Laut eigenen Angaben habe er die Stelle als Koch bereits seit fünf Wochen ausgeübt. Der Geschäftsführer der beschwerdeführenden Partei habe am 10. Februar 1995 bei der BH zu Protokoll gegeben, die bei der Ausübung einer Beschäftigung betretenen Fremden seien ca. 5 bis 6 Wochen bei der beschwerdeführenden Partei beschäftigt gewesen. Diese Personen seien "probeweise" für ca. zwei Monate im Lokal eingesetzt gewesen. Für die Ausübung der Beschäftigung hätten diese Personen jeweils S 5.000,-- monatlich netto erhalten.

Die BH sei davon ausgegangen, daß die beschwerdeführende Gesellschaft den für das gegenständliche Verfahren maßgeblichen Fremden beschäftigt habe. Dies werde auch von der beschwerdeführenden Partei nicht bestritten, sodaß diese als Arbeitgeber des im Beschwerdefall maßgeblichen Fremden anzusehen sei. Dieser Fremde habe sich in der Zeit vom 10. Februar bis 7. Juli 1995 im Verwaltungsarrest B. im Auftrag der BH, somit insgesamt 148 angefangene Kalendertage, in Schubhaft befunden. Ferner komme hinzu, daß sich der Fremde vom

12. bis 28. Februar 1995 und vom 5. bis 13. März 1995 im Hungerstreik befunden habe. In dieser Zeit habe er täglich unter ärztlicher Aufsicht gestanden. An Arztkosten seien achtmal Arztvisiten an Samstagen und Sonntagen zu je S 1033,20 und sechsmal Wochentagsvisiten zu je S 657,60, sohin insgesamt

S 12.211,20 angefallen. Die vom Polizeiarzt von Montag bis Freitag durchgeführten Visiten seien von der Behörde nicht verrechnet worden. An Medikamentenkosten seien während der Haftzeit S 2.107,72 und an "Dolmetscherkosten" S 3.524,72 angefallen. Die entsprechenden Kostennoten würden dem Verwaltungsakt beiliegen.

Die von der beschwerdeführenden Partei vertretene Auffassung, die vorgeschriebenen Arzt-, Medikamenten- und Dolmetscherkosten könnten ihr nicht vorgeschrieben werden, werde von der belangten Behörde nicht geteilt. Es handle sich dabei ebenfalls um Kosten, die bei der "versuchten" Durchsetzung des verhängten Aufenthaltsverbots erwachsen seien. Daß diese Art der Kosten nicht in der Verordnung

BGBl. Nr. 121/1995 enthalten seien, sei ohne Belang. Diese Verordnung enthalte keine taxative Aufzählung.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der sie inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machte. Sie bekämpft mit der Beschwerde ausdrücklich nur den trennbaren Abspruch betreffend die "über die Kosten der Schubhaft hinaus" vorgeschriebenen Arzt-, Medikamenten- und "Dolmetscherkosten".

Die beschwerdeführende Partei bringt u.a. vor, § 11 der Fremdengesetz-Durchführungsverordnung 1994 enthalte - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - eine taxative Aufzählung. Wäre diese Aufzählung nicht taxativ, so hätte dies der Verordnungsgeber wohl sprachlich zum Ausdruck bringen können, was jedoch nicht geschehen sei.

Gerade durch die Festsetzung eines Kostenpauschales seien nach Auffassung der beschwerdeführenden Partei sämtliche Kosten abgegolten, die in der Schubhaft anfielen. Es wäre sonst kaum verständlich, weshalb überhaupt eine Kostenpauschalierung vorgenommen werde, wenn es immer wieder Ausnahmen davon gäbe. Bei richtiger Rechtsauffassung der belangten Behörde hätte daher die Vorschreibung der Arztkosten in Höhe von S 12.211,20, der Medikamentenkosten in Höhe von S 3.857,72 sowie der "Dolmetscherkosten" von S 3.524,72 entfallen müssen. Zudem müsse berücksichtigt werden, daß Kosten - wie etwa von Sachbeschädigungen oder, wie im vorliegenden Fall, durch Hungerstreik - aufgrund von Exzessen der Häftlinge entstünden, mit denen ein haftungspflichtiger Dritter in der Regel nicht zu rechnen brauche. Es wäre daher nicht sachgerecht, einen solchen Haftungspflichtigen mit derartigen zusätzlichen Kosten zu belasten.

Gemäß § 79 Abs. 1 FrG (1992) sind von dem Fremden jene Kosten, die der Behörde oder dem Bund bei der Durchsetzung des Aufenthaltsverbotes oder der Ausweisung entstehen, sowie die Kosten der Vollziehung der Schubhaft zu ersetzen.

Gemäß § 79 Abs. 2 leg. cit. hat derjenige, der einen Fremden entgegen § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes beschäftigt, die Kosten, die bei der Durchsetzung einer aus dem Grunde des § 17 Abs. 2 Z. 5 verhängten Ausweisung oder eines aus dem Grunde des § 18 Abs. 2 Z. 8 verhängten Aufenthaltsverbotes erwachsen, sowie die Kosten der Schubhaft zu tragen.

Gemäß § 11 der Fremdengesetz-Durchführungsverordnung 1994, BGBl. Nr. 121/1995, sind folgende Kosten (§§ 46 Abs. 6 und 79 Abs. 1 und 2 FrG) vorzuschreiben:

1. Kostenpauschale pro angefangenem Kalendertag der Schubhaft. Die Höhe des Betrages richtet sich nach den Kosten des Vollzuges von Verwaltungsfreiheitsstrafen (§ 54d Abs. 1 erster Satz VStG);

2. Kosten, die im Einzelfall bei der Durchsetzung des Aufenthaltsverbotes oder der Ausweisung entstehen:

a)

Bahn- oder Flugticket;

b)

Kosten für allenfalls erforderliche Begleitorgane;

c)

Kosten für Durchbeförderung gemäß

Durchbeförderungsabkommen.

Nach der in der Gegenschrift zur vorliegenden Beschwerde geäußerten Meinung der belangten Behörde verweist § 11 der Fremdengesetz-Durchführungsverordnung 1994 auf jene Kosten, die für alle Häftlinge einträten. Es handle sich dabei um die Kosten der Schubhaft als solche (Unterbringung, Verpflegung) sowie um jene Kosten, die sich bei der Außerlandesschaffung ergäben. Die von der beschwerdeführenden Partei angefochtenen Kosten gingen auf einen Hungerstreik des Schubhäftlings zurück. Während der ärztlichen Behandlung sei der Fremde weiterhin in Schubhaft verblieben, sodaß diese Kosten gemäß § 79 FrG geltend zu machen gewesen seien. Es sei davon auszugehen, daß Schubhaftkosten im Sinne des § 79 Abs. 1 FrG all jene Kosten seien, die tatsächlich im Zusammenhang mit der Vollziehung der Schubhaft entstünden.

Die von der belangten Behörde vertretene weitreichende Pflicht zur Kostentragung etwa durch einen Arbeitgeber nach § 79 Abs. 2 FrG vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil diese - konsequent angewendet - für jegliches Verhalten des Schubhäftlings, das der Behörde Kosten verursacht, eine entsprechende Verpflichtung des Dritten (Arbeitgebers) des Fremden nach § 79 Abs. 2 FrG (1992) auslösen würde, ohne daß der in Pflicht genommene Dritte als "Verursacher" dieser Kosten im engeren Sinne anzusehen wäre (vgl. zur Frage einer "Art Verursacherhaftung" durch den Arbeitgeber des Fremden nach § 79 Abs. 2 FrG die Erläuterungen zu § 79 leg. cit. in der Regierungsvorlage, 692 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates, 18. GP, S. 59). Die Unverhältnismäßigkeit für eine derart weitreichende Mithaftung eines Dritten für ein nur auf dem Willensentschluß des Schubhäftlings beruhendes Verhalten (etwa durch Hungerstreik) liegt auf der Hand. Es kann daher dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, daß dieser eine derart weitreichende Mithaftung für Kosten durch einen Dritten in § 79 Abs. 2 FrG (1992) statuieren wollte. Auch der restriktive Wortlaut des Einleitungssatzes zu § 11 der Fremdengesetz-Durchführungsverordnung 1994 deutet auf eine taxative Aufzählung der gemäß § 79 Abs. 1 und 2 FrG (1992) zu erstattenden Kosten hin, welche eben gerade nicht den Kostenersatz für Artzhonorare und Medikamente, die im Zuge der Schubhaft für den Fremden aufzuwenden waren, vorsieht (vgl. dazu im Gegensatz die nunmehr demonstrative Aufzählung in § 10 Abs. 1 der Fremdengesetz-Durchführungsverordnung 1997, BGBl. II. Nr. 418/1997).

Die belangte Behörde hat daher hinsichtlich der Zulässigkeit der Vorschreibung von Arzt- und Medikamentenkosten nach § 79 Abs. 2 FrG (1992) - unbeschadet der im Spruch des angefochtenen Bescheides unberücksichtigt gebliebenen Herabsetzung der tatsächlichen Medikamentenkosten laut Begründung dieses Bescheides - die Rechtslage verkannt.

Aber auch hinsichtlich der Vorschreibung der Dolmetschergebühr fehlt im Beschwerdefall die rechtliche Basis für eine Vorschreibung gegenüber der beschwerdeführenden Partei. Diese Gebühren gelten nämlich nach § 76 Abs. 1 AVG als Barauslagen der Behörden und sind insbesondere unter Berücksichtigung des § 76 Abs. 2 und 3 AVG einzuheben. Jedenfalls handelt es sich dabei nicht um "Kosten der Schubhaft" im Sinne des § 79 Abs. 2 FrG (1992), wie offenbar die belangte Behörde vermeint. In bezug auf das Schubhaftverfahren des betroffenen Fremden fehlte jedoch der beschwerdeführenden Partei die Stellung eines Beteiligten im Sinne des § 8 AVG, sodaß eine Kostenvorschreibung gemäß § 76 Abs. 2 und 3 AVG schon aus diesem Grunde nicht in Betracht kommt.

Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid im angefochtenen Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997020103.X00

Im RIS seit

18.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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