TE Vwgh Erkenntnis 1998/10/7 94/12/0247

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Veröffentlicht am 07.10.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
72/13 Studienförderung;

Norm

AVG §37;
StudFG 1992 §19 Abs2 Z1;
StudFG 1992 §19 Abs2 Z3;
StudFG 1992 §19 Abs6 Z1;
StudFG 1992 §19 Abs6 Z2;
StudFG 1992 §6 Z3 idF 1994/619;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde des C in V, vertreten durch Dr. Candidus Cortolezis, Rechtsanwalt in Graz, Schmiedgasse 36/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 3. August 1994, GZ. 56.033/31-I/7/94, betreffend Nachsicht von der Überschreitung der Studienzeit nach § 19 Abs. 6 Z. 2 des Studienförderungsgesetzes 1992, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1971 geborene Beschwerdeführer studiert seit dem Wintersemester 1989/90 Medizin an der Karl-Franzens Universität Graz.

Am 2. Februar 1994 stellte er erstmals bei der belangten Behörde den Antrag auf Nachsicht von der Überschreitung der Studienzeit gemäß § 19 Abs. 6 Z. 2 des Studienförderungsgesetzes 1992 (StudFG 1992). Er brachte vor, daß er mit einem Jahr Kinderlähmung bekommen habe und als "Pflegefall der Stufe 2" (nach dem OÖ. BehindertenG) eingestuft sei. Bedingt durch seine ungenügend entwickelten Nackenmuskeln habe er seit Jahren Probleme mit Kopfschmerzen, die durch eine Reihe von Unfällen, die er in den letzten Jahren erlitten habe, verstärkt worden seien. Außerdem habe er auf Anraten der Studienberatung (an die er sich gewandt habe, nachdem er bis Oktober 1989 keine seinen Bedürfnissen entsprechende Wohnung gefunden habe) bereits im Wintersemester 1989/90 inskribiert. Erst im Jänner 1990 habe er eine passende Wohnung gefunden. Deshalb habe er erst im Sommersemester 1990 (tatsächlich) mit dem Studium begonnen. Diesen Antrag zog der Beschwerdeführer am 22. Februar 1990 mit dem Bemerken zurück, er werde nach Abschluß des ersten Rigorosums einen neuerlichen Antrag stellen.

Am 4. Mai 1994 (also im 10. Semester seines Studiums) legte der Beschwerdeführer die letzte Teilprüfung des 1. Rigorosums erfolgreich ab.

Mit dem am 13. Mai 1994 bei der Studienförderungsbehörde eingelangten Schreiben stellte der Beschwerdeführer neben einem Antrag auf Gewährung einer Studienbeihilfe (Anmerkung: der mit Bescheid der Studienbeihilfenbehörde vom 1. September 1994 wegen ungünstigen Studienerfolges im Sinne des § 20 Abs. 2 abgewiesen wurde) neuerlich den Antrag auf Nachsicht im Sinne des § 19 Abs. 6 Z. 2 StudFG 1992 wegen Krankheit und verwies dabei auf seinen ersten Antrag einschließlich der vorgelegten Unterlagen (im wesentlichen Bestätigung der Oberösterreichischen Landesregierung vom 3. März 1994 betreffend Zuerkennung des Pflegegeldes der Stufe I an den Beschwerdeführer nach dem OÖ BehindertenG 1991; Befund des Landeskrankenhauses Kirchdorf a.d. Krems vom 5. März 1990 betreffend den eintägigen Aufenthalt des Beschwerdeführers am 4. März 1990 nach einem Treppensturz in der Unfallabteilung dieses Krankenhauses; Verkehrsunfallanzeige des Gendarmeriepostens Thalheim bei Wels vom 16. August 1990 betreffend einen vom Beschwerdeführer am 2. Juni 1990 verursachten Unfall; Verkehrsunfallanzeige (Sachschaden) des Gendarmeriepostens Vorchdorf vom 15. Oktober 1990 betreffend Unfall vom 14. Oktober 1990 sowie den Erstbericht der Unfallabteilung des Landeskrankenhauses Vöcklabruck vom 2. Februar 1993 über die Heilbehandlung des Beschwerdeführers; dieser Bericht bezieht sich auf einen Unfall des Beschwerdeführers, den dieser Mitte November 1992 erlitten hatte; diverse Nachweise über den bisherigen Studienverlauf).

In einem undatierten Begleitschreiben verwies der Beschwerdeführer u.a. darauf, er habe in der 2. Klasse Mittelschule erstmals Probleme mit seinem Rücken gehabt. Der Schularzt habe eine einseitige Entwicklung der Rückenmuskulatur festgestellt. Dazu seien in der 6. Klasse Kopfschmerzen hinzugetreten. Sein Hausarzt habe ihm zu einer Änderung der Sitzhaltung geraten; das habe eine Schmerzstärke bewirkt, mit der man habe leben können. Damit wolle er die "Verletzbarkeit" seines Körpers und den damit verbundenen geistigen Zustand zum Ausdruck bringen. Er habe im Laufe seines Studiums einige Unfälle gehabt, die für einen "gesunden Menschen" kaum eine Auswirkung hätten. Bei ihm reichte (auf Grund seines Gesundheitszustandes) nur einer aus, um ihn "für Monate aus dem Verkehr zu ziehen".

Der Senat der Studienbeihilfenbehörde für Studierende an der Karl-Franzens Universität Graz beschloß einstimmig, den Antrag des Beschwerdeführers zu befürworten. Er wies in seinem Vorlagebericht u. a. darauf hin, der Beschwerdeführer habe durch seine Krankheit vor allem Probleme mit den Fußgelenken und mit der Rücken- und Nackenmuskulatur. Die dabei aufgetretenen Kopfschmerzen seien durch verschiedene Unfälle (Treppensturz 3/90; Verkehrsunfälle: 8/90, 10/90 und 11/92) verstärkt worden. Laut eigener Angaben des Beschwerdeführers bewirkten solche Unfälle im Vergleich zu einem "gesunden Menschen" eine mehrere Monate andauernde Beeinträchtigung.

Mit Schreiben vom 6. Juli 1994 gab die belangte Behörde dem Beschwerdeführer bekannt, die von ihm vorgelegten Unterlagen reichten nicht aus, das zeitliche Ausmaß der durch die Unfälle verursachten Studienverzögerungen zu quantifizieren. In der Folge stellte sie den Verlauf des Studiums des Beschwerdeführers chronologisch dar, wobei sie die jeweiligen Unfälle dabei berücksichtigte. Abschließend ersuchte sie den Beschwerdeführer, fachärztliche Bestätigungen über Behandlungen nach seinen Unfällen und über das Ausmaß der damit im Zusammenhang stehenden Studienbehinderung nachzuweisen sowie eine Studienverlaufsdarstellung (alle Prüfungsantritte, auch die negativen, bei Übungen und Teilprüfungen) vorzulegen.

In der Folge legte der Beschwerdeführer den Bericht des Oberarztes Dr. D., Orthopädische Abteilung des Landeskrankenhauses Kirchdorf a.d. Krems vom 20. Juli 1994 vor. Demnach bestehe beim Beschwerdeführer "als Grunderkrankung" eine Poliomyelitis mit Befall der rechten oberen und der beiden unteren Extremitäten. Zwischen den Jahren 1990 und 1992 sei es zu mehreren Autounfällen, verbunden mit einem Schleudertrauma an der Halswirbelsäule, gekommen. Vorbefunde seien vom 5. März 1990 von der Unfallabteilung des Landeskrankenhauses Kirchdorf a.d. Krems und vom 2. Februar 1993 vorhanden. Als Folge dieses Schleudertraumas sei es zu occipital bedingten Kopfschmerzen mit Ausstrahlung in das Trigeminusgebiet gekommen. Auf Grund der Beschwerden sei es aus medizinischer Sicht durchaus erklärbar, daß der Beschwerdeführer im Studium den dafür vorgesehenen Zeitplan nicht habe einhalten können.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 3. August 1994 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers "auf Nachsicht von der Studienzeitüberschreitung gemäß § 19 Abs. 6 Z. 2" StudFG 1992 ab. Nach Darstellung der Rechtslage führte die belangte Behörde in der Begründung im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer begründe seine Studienverzögerung (Überschreitung der in § 20 Abs. 2 vorgesehenen Zeitspanne) mit seiner Behinderung (Kinderlähmung), Problemen zu Studienbeginn (Wohnungssuche, Fehlinformation der ÖH) und mehreren Unfällen und deren Folgen. Da der Beschwerdeführer die gesetzliche Studienzeit des ersten Abschnittes seines Studiums um sechs Semester überschritten habe, sei zu prüfen, ob die von ihm genannten Gründe das überwiegende Ausmaß seiner Studienzeitüberschreitung, also zumindest eine vier Semester dauernde Studienverzögerung, bewirkt hätten und ob es sich dabei um einen wichtigen Grund im Sinne des StudFG 1992 gehandelt habe. Außergewöhnliche Studienbelastungen seien solche, die Studierende in gleicher Lage nicht zu tragen hätten. Da das Wohnungsproblem ein allgemeines Problem sei, könne es nicht als wichtiger Grund anerkannt werden. Den Beschwerdeführer habe als Antragsteller die Verpflichtung getroffen, sich über die den Bezug von Studienbeihilfe betreffenden Rechtsgrundlagen zu informieren. Rechtsunkenntnis oder Rechtsirrtum sei von ihm zu vertreten und könne gleichfalls nicht als wichtiger Grund im Sinne des StudFG 1992 anerkannt werden. In seinem ersten Lebensjahr sei der Beschwerdeführer an Kinderlähmung erkrankt, wodurch eine dauernde Gehbehinderung entstanden sei. Bedingt duch die Erkrankung hätten sich zusätzliche Probleme mit der Nacken- und Rückenmuskulatur und zeitweise auftretende Kopfschmerzen ergeben, die durch mehrere Unfälle (Treppensturz im März 1990, Verkehrsunfälle im Juni 1990, Oktober 1990 und im November 1992) und deren Folgen (Prellungen und Schleudertrauma) verstärkt den Beschwerdeführer im Studienfortgang behindert hätten. Sein Studienverlauf sei folgender gewesen:

"-

Wintersemester 1989/90: keine Lehrveranstaltungen absolviert;

-

Sommersemester 1990: zwei Übungen (28. Mai, 18. Juni), eine Teilprüfung (Physik, 26. Juni) positiv absolviert;

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Wintersemester 1990/91: zwei Übungen (19. November, 5. Dezember) positiv, eine Übung (Dezember 1990) negativ abgeschlossen;

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Sommersemester 1991: zwei Übungen (22. März, 19. April) und eine Teilprüfung (Chemie, 7. Mai) positiv, eine Teilprüfung (Biologie, Juni 1991) negativ abgeschlossen;

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Wintersemester 1991/92: eine Teilprüfung (Biologie, 30. Oktober) und eine Übung (18. Dezember) positiv abgeschlossen;

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Sommersemester 1992: eine Übung (7. April) positiv absolviert;

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Wintersemester 1992/93: eine Teilprüfung (Erste Hilfe, 18. Dezember) positiv, eine Teilprüfung (Anatomie, Dezember 1992) negativ abgelegt;

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Sommersemester 1993: eine Übung (Juni 1993) negativ, zwei Teilprüfungen Anatomie, 26. März, Physiologie, 22. April) positiv abgelegt;

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Wintersemester 1993/94: eine Übung (29. Oktober) und eine Teilprüfung (Biochemie, 20. Dezember) positiv absolviert;

-

Sommersemester 1994: eine Teilprüfung (Histologie, 6. Mai) positiv abgeschlossen."

Auf Grund der vom Beschwerdeführer vorgelegten fachärztlichen Gutachten und seiner eigenen Ausführungen könnten die anläßlich der Unfälle aufgetretenen Verletzungen nur im Zusammenhang mit seiner Behinderung studienverzögernd bewertet werden. Bei einer Gegenüberstellung des Studienverlaufes mit den von ihm angegebenen Behinderungsgründen könnten diese nur in einem Ausmaß von insgesamt zwei Semestern als Studienverzögerung anerkannt werden. Die weitere Studienverzögerung sei nicht überwiegend auf die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gründe zurückzuführen, sondern auf die notwendige Wiederholung nicht bestandener Prüfungen und Teilrigorosen. Da somit das überwiegende Ausmaß seiner Studienzeitüberschreitung von sechs Semestern nicht auf wichtige Gründe im Sinne des StudFG 1992 zurückzuführen sei , sei der Antrag abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist auf Grund der zeitlichen Lagerung das StudFG 1992, BGBl. Nr. 305, idF vor der Novelle, BGBl. Nr. 619/1994, anzuwenden. Paragraphenzitate ohne Angabe der Gesetzesstelle beziehen sich auf das StudFG 1992.

Nach § 6 Z. 3 ist u.a. Voraussetzung für die Gewährung einer Studienbeihilfe, daß der Studierende einen günstigen Studienerfolg nachweist (§§ 16 bis 25).

§ 19 (Stammfassung), der die Verlängerung der Anspruchsdauer aus wichtigen Gründen regelt, lautet (auszugsweise):

"(1) Die Anspruchsdauer ist zu verlängern, wenn der Studierende nachweist, daß die Studienzeitüberschreitung durch einen wichtigen Grund verursacht wurde.

(2) Wichtige Gründe im Sinne des Abs. 1 sind:

1. Krankheit des Studierenden, wenn sie durch fachärztliche Bestätigung nachgewiesen wird,

2.

Schwangerschaft der Studierenden und

3.

jedes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis, wenn den Studierenden daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

...

(6) Der zuständige Bundesminister hat auf Antrag des Studierenden und nach Anhörung des zuständigen Senates der Studienbehilfenbehörde

1. bei Studien im Ausland, überdurchschnittlich umfangreichen und zeitaufwendigen wissenschaftlichen Arbeiten oder ähnlichen außergewöhnlichen Studienbelastungen die Anspruchsdauer um ein weiteres Semester zu verlängern oder

2. bei Vorliegen wichtiger Gründe im Sinne der Z. 1 oder des Abs. 2 die Überschreitung der zweifachen Studienzeit des ersten Studienabschnittes zuzüglich eines Semesters (§ 20 Abs. 2 und § 21 Abs. 2) oder die Überschreitung der Studienzeit des zweiten und dritten Studienabschnittes um mehr als vier Semester (§ 15 Abs. 2) nachzusehen,

wenn das überwiegende Ausmaß der Studienzeitüberschreitung auf die genannten Gründe zurückzuführen und auf Grund der bisherigen Studienleistungen zu erwarten ist, daß der Studierende die Diplomprüfung (das Rigorosum) innerhalb der Anspruchsdauer ablegen wird."

§ 20 Abs. 2 (Stammfassung) lautet:

"Ein günstiger Studienerfolg liegt nicht vor, wenn ein Studierender die erste Diplomprüfung (das erste Rigorosum) des Studiums, für das Studienbeihilfe beantragt wird, oder eines Vorstudiums nicht innerhalb der zweifachen vorgesehenen Studienzeit zuzüglich eines weiteren Semesters absolviert hat."

Gemäß § 3 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 3. September 1978 über die Studienordnung für die Studienrichtung Medizin, BGBl. Nr. 474/1978, umfaßt der erste Studienabschnitt in der Studienrichtung Medizin vier Semester.

Die belangte Behörde hat die Ablehnung des Nachsichtsantrages des Beschwerdeführers damit begründet, daß die Studienzeitüberschreitung (sechs Semester) nicht in überwiegendem Ausmaß auf die in § 19 Abs. 6 Z. 2 genannten Gründe zurückzuführen sei. Dabei hat sie einen geltend gemachten Behinderungsgrund (Wohnungssuche am Beginn des Studiums = WS 1989/90) überhaupt nicht, hingegen die vom Beschwerdeführer aus Anlaß erlittener Unfälle aufgetretenen Verletzungen im Zusammenhang mit seiner Behinderung (Folgen nach Kinderlähmung) zwar im Ausmaß von zwei Semestern als wichtigen Grund (im Sinne des § 19 Abs. 2 Z. 3) anerkannt, die darüber hinausgehende Studienverzögerung (im Ausmaß von vier Semestern) jedoch nicht auf diesen Grund, sondern auf den individuellen Studienverlauf (Erfordernis des mehrfachen Antrittes bei einigen Prüfungen) zurückgeführt.

Vorab ist zu bemerken, daß der Verwaltungsgerichtshof die Rechtsauffassung der belangten Behörde (die auch vom Beschwerdeführer nicht in Frage gestellt wurde) teilt, daß seinem Antrag nur dann stattzugeben ist, wenn die von ihm ins Treffen geführten Gründe im überwiegenden Ausmaß zur Studienzeitüberschreitung - dieser Zeitraum umfaßt im Hinblick auf den konkreten Studienverlauf jedenfalls mehr als drei Semester - geführt haben.

Durch den angefochtenen Bescheid sieht sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Nachsicht von der Studienzeitüberschreitung sowie auf Durchführung eines mängelfreien Verfahrens verletzt.

Als Rechtswidrigkeit des Inhaltes macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behöde habe rechtswidrigerweise die Probleme des Beschwerdeführers bei der Wohnungssuche nicht als wichtigen Grund zur Rechtfertigung einer Studienverzögerung anerkannt, weil das Wohnungsproblem ein allgemeines Problem sei. Im Normalfall könne diese Begründung durchaus zutreffend sein. Im Fall des Beschwerdeführers, der ausländischer Herkunft und noch dazu körperbehindert sei, sei das Problem, eine für ihn geeignete - das heiße behinderungsgerechte - Wohnung zu finden, eine Belastung, die andere Studierende nicht zu tragen hätten und daher eine außergewöhnliche Studienbelastung, welche jedenfalls als studienverzögernd zu werten sei.

Diesem Vorbringen ist folgendes entgegenzuhalten:

Es kann dahingestellt bleiben, ob für den Beschwerdeführer die Wohnungssuche auf Grund der von ihm genannten Umstände eine größere

Belastung darstellt als für andere Studierende: Eine Wertung der Wohnungssuche als wichtiger Grund im Sinne des § 19 Abs. 6 Z. 1, der auch im Nachsichtsverfahren nach Z. 2 beachtlich wäre, kommt deshalb nicht in Frage, weil die dort angeführten Tatbestandserfordernisse nicht gegeben sind. Bei der Wohnungssuche handelt es sich weder um ein Auslandsstudium, noch um eine zeitaufwendige wissenschaftliche Arbeit, noch um eine ähnliche außergewöhnliche Studienbelastung (= Belastungen durch das Studium). (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. September 1994, 93/12/0318). Aber auch ein wichtiger Grund im Sinne des § 19 Abs. 2 - von den dort angeführten Gründen käme, wenn überhaupt nur Z. 3 in Betracht - liegt nicht vor. Das Erfordernis einer behinderungsgerechten Wohnung war dem Beschwerdeführer lang vor dem Beginn seines Studiums bekannt. Dazu kommt die allgemeine Schwierigkeit sich als Studierender in einer Universitätsstadt eine erschwingliche Wohnung zu beschaffen. Diese Umstände erfordern es, sich rechtzeitig, d.h. schon in angemessener Zeit vor Beginn des Studiums um die Lösung der Wohnungsfrage zu bemühen, um sich nach der Immatrikulation und der Inskription des ersten Semesters voll auf das Studium konzentrieren zu können. Derartige zeitgerechte Aktivitäten hat der Beschwerdeführer nicht behauptet. Zeitliche Verzögerungen bei der Beschaffung einer geeigneten Wohnung am Studienbeginn, denen nicht rechtzeitige Aktivitäten vorangegangen sind, erfüllen grundsätzlich nicht den Tatbestand des § 19 Abs. 2 Z. 3. Außergewöhnliche konkrete Umstände, die über allgemeine Feststellungen hinausgehen und im Einzelfall eine andere Betrachtung gebieten könnten, hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht.

Es war daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde der Wohnungssuche des Beschwerdeführers am Beginn seines Studiums unter dem Gesichtspunkt des § 19 Abs. 6 Z. 2 iVm Abs. 2 Z. 3 keine rechtserhebliche Bedeutung zugemessen hat.

Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer zunächst geltend, zwar bestehe nach dem AVG im Verwaltungsverfahren kein allgemeines Gebot der Mündlichkeit, doch sei von der Behörde eine mündliche Verhandlung dann anzuordnen, wenn es im Interesse einer gründlichen Ermittlung des Sachverhaltes zweckmäßig sei. Im gegenständlichen Fall sei eine mündliche Einvernahme des nunmehrigen Beschwerdeführers jedenfalls geboten gewesen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer damit seine Nichteinvernahme nach § 51 AVG oder die Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung nach den §§ 40 ff AVG rügen wollte: In beiden Fällen wäre es an ihm gelegen, die entscheidenden Tatsachen bekanntzugeben, die der Behörde wegen dieser Unterlassung unbekannt geblieben sind und darzulegen, was er vorgebracht hätte, wenn ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden wäre. Ein solches konkretes Vorbringen hat der Beschwerdeführer aber nicht erstattet (vgl. beispielsweise Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 1982, Slg. N.F. Nr. 10.859/A, oder das Erkenntnis vom 22. März 1995, 94/12/0245).

Der Beschwerdeführer rügt ferner, die Behörde habe unzutreffend seine Behinderung mit den Unfallsfolgen im Zusammenhang betrachtet; vielmehr sei jedes Faktum (Kinderlähmung, daraus resultierende Gehbehinderung, dadurch bedingte Probleme mit der Nacken- und Rückenmuskulatur, sowie Kopfschmerzattacken einerseits und Unfallsfolgen mit Prellungen und Schleudertraumata andererseits) für sich genommen eine Krankheit im Sinne des § 19 Abs. 2 Z. 1.

Weiters bringt der Beschwerdeführer vor, gemäß § 52 AVG seien, wenn die Beweisaufnahme durch Sachverständige notwendig werde, Amtssachverständige beizuziehen. Es stehe daher nicht im Belieben einer Behörde, einen Sachverständigen heranzuziehen oder nicht; sie habe dies vielmehr stets dann vorzunehmen, wenn zur Feststellung des Sachverhaltes besondere Fachkenntnisse erforderlich seien. Die Beantwortung der Frage, ob und inwieweit die Behinderung bzw. die Krankheiten des nunmehrigen Beschwerdeführers als studienverzögernd zu werten seien, erfordere zweifelsfrei besondere Fachkenntnisse.

Dieses Vorbringen ist im Ergebnis teilweise berechtigt.

Zum ersten Einwand ist einzuräumen, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die anläßlich der Unfälle aufgetretenen Verletzungen "nur im Zusammenhang" mit seiner Behinderung als studienverzögernd angesehen hat. Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer selbst in seinen im Verwaltungsverfahren abgegebenen Äußerungen zweifellos den Schwerpunkt der Studienverzögerung auf die Unfallsfolgen legt, die wegen seines Gesundheitszustandes nach Kinderlähmung gravierender als bei einem anderen gesunden Menschen seien, übersieht er, daß der nach § 19 Abs. 2 Z. 1 vorgesehene Nachweis der Krankheit des Studierenden in Verbindung mit § 6 Z. 3, der durch seinen Verweis auf § 19 diese Bestimmung mitumfaßt, nur bedeuten kann, daß den Studierenden, abweichend vom § 39 AVG, die Beweislast trifft. Die Anordnung des § 19 Abs. 2 Z. 1 legt dabei die Art des Beweismittels (fachärztliche Bestätigung) fest. Mit der von ihm vorgelegten fachärztlichen Bestätigung Dris. D. vom 20. Juni 1994 ist der Beschwerdeführer über Aufforderung der belangten Behörde seiner Verpflichtung nachgekommen. In dieser Bestätigung werden aber die für die Studienzeitüberschreitung maßgebenden Beschwerden (Kopfschmerzen mit Ausstrahlung in das Trigeminusgebiet) als Folge der durch Autounfälle zwischen 1990 und 1992 hervorgerufenen Schleudertraumen an der Halswirbelsäule angesehen; der Hinweis auf die "Grunderkrankung" (Poliomyelitis mit Befall der rechten oberen und der beiden unteren Extremitäten) unterstreicht nach dem Zusammenhang nur deren Bedeutung für die Unfallfolgen als eine Art "Vorschädigung". Keinesfalls kann dieser Bestätigung aber entnommen werden, daß der Kinderlähmung einschließlich ihrer Folgen ein eigener Krankheitswert zuzumessen wäre, der unabhängig von den gegenständlichen Unfällen und deren Folgen bei der Beurteilung nach § 19 Abs. 2 Z. 1 gesondert zu berücksichtigen gewesen wäre. Die gegenteilige Auffassung des Beschwerdeführers geht daher ins Leere.

Anders verhält es sich mit seiner Verfahrensrüge (Unterlassung der Beiziehung eines medizinischen Amtssachverständigen). Der Beschwerdeführer ist mit der Vorlage der fachärztlichen Bestätigung Dris. D. vom 20. Juli 1994 seiner Behauptungs- und Beweispflicht im Sinne des § 19 Abs. 2 Z. 1, jedenfalls in diesem Verfahrensstadium, ausreichend nachgekommen. Auf Grund der zeitlichen Lagerung der Autounfälle in bezug auf das Studium des Beschwerdeführers (2. bzw. 3. Semester und 7. Semester im 1. Studienabschnitt) und der nicht weiter eingeschränkten fachärztlichen Feststellung, daß die dadurch bedingten Beschwerden (Kopfschmerzen mit Ausstrahlung in den Trigeminus-Bereich) durchaus zu einer Nichteinhaltung des Studienzeitplanes führen konnten, kann nämlich nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer sein Studium in den Semestern zwischen den Unfällen bzw. nach dem letzten Unfall ohne krankheitsbedingte Beeinträchtigung absolviert hat und daher sein nur mäßiger Studienerfolg in diesen Semestern als zeitlich überwiegende Ursache der Studienzeitüberschreitung anzusehen ist. Diese von der belangten Behörde vertretene Auffassung setzt die Beurteilung des Gesundheitszustandes und der Auswirkungen der Unfallsfolgen in diesen Zeiträumen voraus und bedarf in Auseinandersetzung mit der vom Beschwerdeführer vorgelegten fachärztlichen Bestätigung eines medizinischen Sachverständigen-Beweises. Keinesfalls konnte die belangte Behörde im Beschwerdefall dem konkreten Studienverlauf des Beschwerdeführers allein auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung die von ihr beigemessene Bedeutung zulegen.

Da es auf Grund des aufgezeigten Verfahrensfehlers nicht ausgeschlossen erscheint, daß die Behörde bei dessen Vermeidung zu einem anderen (aus der Sicht des Beschwerdeführers günstigeren) Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich im Rahmen des geltend gemachten Anspruches auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 und 49 VwGG iVm der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 7. Oktober 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1994120247.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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