TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/12 W147 2219508-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.09.2019
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Entscheidungsdatum

12.09.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §71 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W147 2219508-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan KANHÄUSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch ZEIGE Zentrum für Europäische Integration und Globalen Erfahrungsaustausch in 1170 Wien, Ottakringer Straße 54/4. Stock/Top 2, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26. April 2019, Zl:

1133074409-161496209, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 138/2017 , iVm § 71 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 164/2013, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, stellte am 21. Oktober 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid vom 28. Januar 2019, Zl. 1133074409-161496209/BMI-BFA_NOE_SP, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.).

Unter Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.). In Spruchpunkt VI. wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

2. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG vom 29. Januar 2019 wurde dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht der "Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5 (Mezzanin), 1090 Wien" als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

3. Am 30. Januar 2019 wurde der Bescheid dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl von der Österreichischen Post AG mit dem Vermerk "Absender unbekannt" (am 5. Februar 2019 bei der belangten Behörde einlangend) zurückgesandt.

4. Aufgrund der aufrechten Meldung des Beschwerdeführers leitete die belangte Behörde ein Erhebungsersuchen ein, dem ein Schreiben beigelegt wurde, wonach der Beschwerdeführer seinen Bescheid persönlich im Wege des Parteienverkehrs zu übernehmen habe.

5. Die zuständige Sicherheitsbehörde traf den Beschwerdeführer an dessen aufrechter Meldeadresse an und stellte ihm das Schreiben durch persönliche Übergabe zu.

6. Am 8. Februar 2019 wurde der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28. Januar 2019, Zl. 1133074409-161496209/BMI-BFA_NOE_SP, vom Beschwerdeführer persönlich übernommen.

7. Am 12. März 2019 erhob der Beschwerdeführer durch seinen bevollmächtigten Vertreter nunmehr Beschwerde gegen den Bescheid vom 28. Januar 2019, Zl. 1133074409-161496209/BMI-BFA_NOE_SP. Dieser wurde im vollen Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten.

In Einem wurde ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Dies wurde damit begründet, dass eine redliche Mitarbeiterin, welche bereits in der Kanzlei als Reinigungskraft gearbeitet habe, den Bescheid samt dem Akt in einen historischen Aktenschrank mit brüchiger Rückwand gelegt habe und führte der Beschwerdeführer (wortwörtlich) aus, der Akt sei "kopflastig geworden, Übergewicht und fiel durch den Spalt durch auf ie Rückseite [...]". Der Akt und der Bescheid wären erst bei einer großräumig angelegten Suchaktion im Büro am 2. März 2019 aufgefunden worden.

8. Mit nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 26. April 2019, Zl: 1133074409-161496209, wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 12. März 2019 gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer nicht glaubhaft habe machen können, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen sei, innerhalb der offenen Rechtsmittelfrist Beschwerde einzubringen. Weiters handle es sich um eine als auffallende Sorglosigkeit zu wertendes Organisationsverschulden des berufsmäßigen Parteienvertreters, dass sich die Person des Beschwerdeführers zurechnen lassen müsse.

9. Gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26. April 2019, Zl: 1133074409-161496209, wurde mit Schriftsatz vom 20. Mai 2019 verfahrensgegenständliche Beschwerde erhoben und die Erledigung in vollem Umfang angefochten.

Der Beschwerdeführer monierte im Wesentlichen, dass der "Bescheid in das Fristenbuch eingetragen" worden sei, die zuständige Kanzleikraft den Bescheid jedoch aufgrund der ihrer Meinung nach schlechten Arbeitsbedingungen absichtlich verschwinden habe lassen und dieses Verhalten für den Beschwerdeführer nicht zu erwarten gewesen sei.

10. Die Beschwerdevorlage der belangten Behörde vom 27. Mai 2019 langte am 29. Mai 2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der oben dargestellte Verfahrensgang wird als maßgeblicher Sachverhalt festgestellt. Die Zustellung des bezeichneten Bescheides vom 28. Januar 2019, Zl. 1133074409-161496209/BMI-BFA_NOE_SP, erfolgte am 8. Februar 2019 durch persönliche Übernahme des Beschwerdeführers.

Der Bescheid erwuchs am 9. März 2019 in Rechtskraft.

Der Beschwerdeführer brachte seine Beschwerde gegen den bezeichneten Bescheid am 12. März 2019 ein. Die Beschwerde ist jedenfalls verspätet.

Ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, das den Beschwerdeführer an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert hat, liegt nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

Der angeführte Verfahrensgang und der dazu festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten.

Die Feststellung betreffend die verspätet eingegangene Beschwerde ergibt sich aufgrund der unbestrittenen Zustellung des Bescheides vom 28. Januar 2019, Zl. 1133074409-161496209/BMI-BFA_NOE_SP, am 8. Februar 2019 durch die im Akt einliegende Übernahmebestätigung des Beschwerdeführers durch eigenhändige Unterschrift. Eine fristgerechte Beschwerde hätte somit spätestens am 8. März 2019 bei der belangten Behörde einlangen müssen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Zu Spruchteil A) Abweisung der Beschwerde:

3.2.1. Werden Fristen im behördlichen Verfahren versäumt, kommt § 71 AVG zur Anwendung. Mit einem Wiedereinsetzungsantrag nach § 33 VwGVG kann nur die Versäumung von verfahrensrechtlichen Fristen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beseitigt werden (vgl. Eder/Martin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, Kommentar, S. 271, K2;).

§ 71 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013, lautet (wortwörtlich):

"(1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

(5) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.

(6) Die Behörde kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(7) Der Wiedereinsetzungsantrag kann nicht auf Umstände gestützt werden, die die Behörde schon früher für unzureichend befunden hat, um die Verlängerung der versäumten Frist oder die Verlegung der versäumten Verhandlung zu bewilligen."

3.2.2. Für den gegenständlichen Fall bedeutet das Folgendes:

Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 138/2017, beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG vier Wochen.

Gegenständlich ist daher eine vierwöchige Beschwerdefrist ab Zustellung des Bescheides gegeben, dies wurde in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides auch korrekt angeführt.

Der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28. Januar 2019, Zl. 1133074409-161496209/BMI-BFA_NOE_SP, wurde dem Beschwerdeführer unstrittiger Weise am 8. Februar 2019 rechtswirksam durch persönliche Übernahme zugestellt, wodurch der Beginn der vierwöchigen Rechtsmittelfrist ausgelöst wurde und die Frist somit mit Ablauf des 8. März 2019 endete.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde langte per Telefax am 12. März 2019 beim Bundesamt ein. Diese wurde somit erst nach Ablauf der vierwöchigen Frist und somit verspätet eingebracht. Gleichzeitig mit der Beschwerde wurde ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt.

Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung ist das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes. Ein solcher ist gegeben, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist als Ereignis iSd § 71 Abs. 1 Z 1 AVG jedes Geschehen ohne Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt anzusehen (VwGH 26.06.1985, 83/03/0134 u. a.). Ein Ereignis ist dann unabwendbar, wenn es durch einen Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden konnte. Es ist als unvorhergesehen zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte (VwGH 17.02.1994, 93/16/0020).

Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit iSd § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, d.h. die im Verkehr mit Gerichten oder Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (VwGH 14.07.1993, 93/03/0136 u.a.).

Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers abgesteckt wurde (VwGH 22.02.2001, 2000/20/0534; VwGH 07.10.2005, 2003/17/0280). Grundgedanke der Regelung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist es, dass über die Zulässigkeit der Nachholung der versäumten Prozesshandlung unverzüglich entschieden werden soll (vgl. etwa VwGH 26.01.1998, 96/17/0302).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Wiedereinsetzungswerber daher alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen; eine Auswechslung des Grundes im Berufungsverfahren ist rechtlich unzulässig. Daraus folgt, dass mündliche Ergänzungen oder Erläuterungen des Antrages -selbst wenn sie innerhalb der Frist erfolgen -jedenfalls dann nicht zu berücksichtigen sind, wenn sie im Akt keinen (inhaltlichen) schriftlichen Niederschlag gefunden haben (VwGH 25.02.2003, 2002/10/0223; VwGH 07.10.2005, 2003/17/0280).

Hat eine Partei einen Vertreter bestellt (§ 10 AVG), muss er sich dessen Verhalten zurechnen lassen (vgl. § 12 AVG); für eine Wiedereinsetzung kommt es in diesem Fall darauf an, dass das zur Versäumung führende Ereignis für den Vertreter unvorhergesehen oder unabwendbar war und ihn kein Verschulden trifft. Die Rechtsprechung legt an die Sorgfaltspflichten rechtskundiger Parteienvertreter einen strengeren Maßstab an als bei anderen Personen. In der Praxis kommt es häufig zur Versäumung von Fristen oder Verhandlungen, weil Mitarbeitern von berufsmäßigen Parteienvertretern (Rechtsanwälten etc.) Fehler unterlaufen. Nach der Rechtsprechung ist in diesem Fall eine Wiedereinsetzung zwar grundsätzlich möglich, wenn dieses Versehen für den Parteienvertreter unvorhergesehen oder unabwendbar war; die Rechtsprechung nimmt jedoch eine weitgehende Überwachungspflicht des Parteienvertreters gegenüber seinen Mitarbeitern an. In der reichhaltigen und kasuistischen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 71 Abs. 1 Z 1 AVG, insbesondere zur Glaubhaftmachung der ausgeübten Überwachung des Kanzleibetriebes durch den Parteienvertreter oder des mangelnden Verschuldens der Unkenntnis der Zustellung von amtlichen Schriftstücken, werden zumeist beide Aspekte unter einem geprüft. Will beispielsweise ein berufsmäßiger Parteienvertreter glaubhaft machen, dass er den Kanzleibetrieb hinreichend überwacht hat, muss er bereits im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Art und Intensität der von ihm über seine Kanzlei ausgeübten Kontrolle für die Art und Weise vorbringen, in der er seine Überwachungspflicht gegenüber dem Kanzleipersonal tatsächlich selbst gehandhabt hat, und warum nur in diesem Fall die an sich ausgeübte Überwachung nicht zur Entdeckung der Fehlleistung geführt hat. Etwa reicht das Vorbringen, die seit 27 Jahren fehlerfrei arbeitende Kanzleileiterin habe eine Berufungsfrist versäumt, in diesem Zusammenhang nicht aus, um zu dokumentieren, dass der Parteienvertreter seiner auch der verlässlichen Angestellten gegenüber bestehenden Überwachungspflicht nachgekommen ist, weshalb ihn diese Behauptung auch nicht iSd § 71 Abs. 1 Z 1 AVG exkulpieren kann (Hengstschläger - Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, 4. Teilband, Wien 2009 Rz 120f).

Im Ergebnis werden nur Fehlleistungen einer ausreichend überwachten verlässlichen Kanzleikraft als Wiedereinsetzungsgrund gewertet. Zu diesen Fragen besteht eine sehr umfangreiche - und tendenziell sehr strenge - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Auflage, Wien 2004, S 308 f).

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass der gegenständliche Antrag des Rechtsvertreters auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nicht begründet ist:

Im konkreten Fall, in welchem der Wiedereinsetzungsantrag betreffend die Versäumung einer Frist zur Erhebung der Beschwerde gestellt wird, geht es um die Frage, ob der Beschwerdeführer bzw. dessen (rechtskundiger) Vertreter als Person einen Sorgfaltsmangel haben erkennen lassen, der letztlich über einen minderen, der Wiedereinsetzung nicht entgegenstehenden Grad des Versehens hinausgeht. Hier kommt das Bundesverwaltungsgericht nach der von der vom Beschwerdeführer bzw. dessen Vertreter selbst dargelegten Sachlage zu dem Schluss, dass durchaus ein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehender Sorgfaltsverstoß vorliegt.

Das Vorbringen des Beschwerdeführervertreters zur Wiedereinsetzung vermag dem Erfordernis der Stattgabe eines Wiedereinsetzungsgrundes nicht zu genügen; dies aus nachfolgenden Gründen:

Da selbst im Falle der Wahrunterstellung des Wiedereinsetzungsgrundes, nämlich dass eine Kanzleikraft den Bescheid aufgrund ihrer Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen "verschwinden lassen" habe, der Vertreter des Beschwerdeführers eine ausreichende Überwachung seines Kanzleibetriebes nicht dargetan hat und offensichtlich auch der Fristenkalender nicht mit der zu erwartenden Genauigkeit geführt wurde, andernfalls das Fehlen des Bescheides vorzeitig auffallen hätte müssen, liegt jedenfalls kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis vor. Das Vorbringen erweist sich als auffallend sorglos und kann diesem zweifelsfrei keine leichte Fahrlässigkeit beigemessen werden.

Obiter bleibt anzuführen, dass selbst für den Fall, dass der berufsmäßige Vertreter des Beschwerdeführers vorzeitig vom Fehlen des Bescheides Kenntnis erlangt habe, es ihm möglich gewesen wäre, eine Kopie des Bescheides bei der belangten Behörde anzufordern, um die Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels zu wahren.

Es ist somit von einem Organisationsverschulden auszugehen, welches auf einer den minderen Grad des Versehens übersteigenden Sorgfaltslosigkeit beruht. Soweit sich der Beschwerdeführer in seinen Ausführungen darauf stützt, "im konkreten Fall war es nun so, dass zwar von der zuständigen Kanzleikraft, [...] fristgerecht das Schriftstück in das Fristenbuch eingetragen wurde, jedoch die nochmals befragte Frau [...] bekannt gegeben hat, dass sie das Schriftstück absichtlich verschwinden lassen hat, um so zu zeigen, dass sie mit ihren Arbeitsbedingungen nicht einverstanden sei." ist der belangten Behörde beizupflichten, wonach eine auffallende, der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entgegenstehende Sorglosigkeit (vgl. VwGH vom 25.07.2003, Zl. 2002/02/0132) vorliegt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist im angefochtenen Bescheid zu Recht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer keinen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht hat.

3.3. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Nach § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes-oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Gemäß Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010/C 83/02) -folgend: GRC -hat jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Zufolge Abs. 2 leg.cit. hat jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

Nach Art. 52 Abs. 1 GRC muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

Zur Frage der Verhandlungspflicht brachte der Verfassungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 14.03.2012, Zl. U 466/11 ua. zum Ausdruck, er hege vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR (zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung) weder Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 noch könne er finden, dass der Asylgerichtshof der Bestimmung durch das Absehen von der Verhandlung einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt habe. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergebe, dass das Vorbringen tatsachenwidrig sei, stehe im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden habe, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt worden sei.

Der VwGH hat sich mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017, mit der Frage des Entfalls einer mündlichen Verhandlung unter Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG befasst, wobei dem Grunde nach die zuvor zitierte Judikaturlinie der Höchstgerichte beibehalten wird. Daraus resultierend ergeben sich für die Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG folgende maßgeblichen Kriterien: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das BVwG diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht bleibt wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Projiziert auf den vorliegenden Beschwerdefall bedeutet dies, dass aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes die Grundlage des bekämpften Bescheides unzweifelhaft nachvollziehbar ist. Es hat sich auch in der Beschwerde kein zusätzlicher Hinweis auf die Notwendigkeit ergeben, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern.

Der maßgebliche Sachverhalt war aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen.

4. Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2017, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenso wenig liegen sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist daher gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Schlagworte

Voraussetzungen, Wegfall der Gründe, Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W147.2219508.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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