TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/25 W200 2207048-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.07.2019
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Entscheidungsdatum

25.07.2019

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
KOVG 1957 §18
VOG §1

Spruch

W200 2207048-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Vorsitzende und den Richter Dr. KUZMINSKI sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (SMS) vom 28.08.2018, Zl. 114-613658-005 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Vorverfahren:

Die Beschwerdeführerin ist ein anerkanntes Verbrechensopfer.

Ihr wurde mit Bescheid des Bundessozialamtes vom 14.09.2012 die Pflegezulage in der Höhe der Stufe I ab 01.12.2011 und mit Bescheid vom 14.10.2014 ab 01.03.2014 die Pflegestufe II bewilligt.

Laut Gutachten vom 29.07.2014 liegt bei der Beschwerdeführerin ein hirnorganisches Psychosyndrom nach Hirnverletzung, ein Verlust des rechten Auges; Sehminderung links, eine Funktionseinschränkung der unteren Gliedmaßen, eine Funktionseinschränkung der oberen Gliedmaßen und eine Unterleibsoperation bei Adnexerkrankung vor. Der MdE beträgt 100%.

Akausale Leiden wurden folgende festgestellt: degenerative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat mit chronischen Schmerzen und Bewegungseinschränkungen, beidseitiges Carpaltunnelsyndrom, erfolglos operiert.

Bei der Beschwerdeführerin liegt laut Gutachten die Notwendigkeit einer "außergewöhnlichen Pflege und Wartung" nach den Richtlinien des VOG/Pflegezulage vor. Diese Notwendigkeit ergibt sich ganz eindeutig und deutlich überwiegend aus den anerkannten vollkausalen Leiden.

Gegenständliches Verfahren:

Die Beschwerdeführerin stellte am 27.11.2016 einen Antrag auf Erhöhung der Pflegestufe unter Anschluss eines Schreibens des behandelnden Arztes, eines EKG-Befundes, eines spitalsärztlichen Berichts.

Das eingeholte allgemeinmedizinische Gutachten vom 28.02.2018 ergab als Dienstbeschädigung wieder "hirnorganisches Psychosyndrom nach Hirnverletzung", "Verlust des rechten Auges; Sehminderung links", "Funktionseinschränkung der unteren Gliedmaßen", "Funktionseinschränkung der oberen Gliedmaßen" und "Unterleibsoperation bei Adnexerkrankung".

Akausale Leiden wurden folgende festgestellt: hypertensive Cardiomyopathie mit Beschwerden in Ruhe- und Belastungsdyspnoe, degenerative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat mit chronischen (opiatpflichtigen) Schmerzen und Bewegungseinschränkungen, beidseitiges Carpaltunnelsyndrom, erfolglos operiert.

Der Gutachter führt aus, dass das praktisch vorliegende dauernde Krankenlager durch akausale Leiden verursacht wurde.

Die festgestellten Änderungen bei den akusalen Leiden, konkret die "hypertensive Cardiomyopathie mit Beschwerden in Ruhe- und Belastungsdyspnoe, degenerative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat mit chronischen (opiatpflichtigen) Schmerzen und Bewegungseinschränkungen" seien rein akausal anzusehen.

Es sei weiterhin Pflegezulage der Stufe II zu gewähren.

Dem hielt der Vertreter der Beschwerdeführerin entgegen, dass es sich bei diesen das dauernde Krankenlager verursachenden Leiden um Folgeschäden durch Medikamentenkonsum (verordnete Medikation) handle bzw. diese wesentlich zu den Herzbeschwerden beigetragen hätten. Die Beschwerdeführerin hätte eine 4er-Kombination von Medikamenten eingenommen. Angeschlossen waren eine Medikamentenliste, Ausdrucke aus dem Internet,....

Im von der belangten Behörde eingeholten allgemeinmedizinischen Gutachten vom 16.05.2018 ging der Gutachter darin auf die Ausführungen des Vertreters nicht ein.

In einem weiteren Schreiben rügte der Vertreter das neue Gutachten und wiederholte, dass die Medikation kausal für die schweren Herzmuskelschädigungen und Herzrhythmusstörungen seien.

In weiterer Folge wurde der Antrag mit angefochtenen Bescheid vom 28.08.2018 mangels Kausalität abgewiesen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde brachte der Vertreter vor, dass der Gutachter ausschließlich festgestellt hätte, dass es sich bei der Herzinsuffizienz um ein akausales Leiden handle - die Begründung dafür fehle. Es seien keine Überlegungen zur Kausalität der suizidvorbeugenden Medikamente für die Herzinsuffizienz angestellt worden.

Auf Aufforderung legte der Vertreter die aktuellste ärztliche Bescheinigung der behandelnden Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 21.03.2019 sowie eine internistische Bescheinigung vom 18.12.2018 vor.

Das BVwG holte aufgrund des Vorbringens der Beschwerdeführerin ein allgemeinmedizinisches Gutachten zu folgenden Fragen ein:

1. Handelt es sich bei den das dauernde Krankenlager bzw. eine außergewöhnliche Pflege und Wartung, die nach Art. Ausmaß und Aufwand jener bei dauernder Bettlägrigkeit gleichkommt, verursachenden Leiden um kausale Leiden?

2. Handelt es sich bei den das dauernde Krankenlager bzw. eine außergewöhnliche Pflege und Wartung, die nach Art. Ausmaß und Aufwand jener bei dauernder Bettlägrigkeit gleichkommt, verursachenden Leiden um akausale Leiden?

3. Handelt es sich bei den das dauernde Krankenlager bzw. eine außergewöhnliche Pflege und Wartung, die nach Art. Ausmaß und Aufwand jener bei dauernder Bettlägrigkeit gleichkommt, verursachenden Leiden um kausale und akausale Leiden? Bitte um Prozentangaben.

Weiters wurde um Abgabe einer Stellungnahme zu den Ausführungen des Vertreters zur Kausalität ersucht.

Das eingeholte Gutachten 09.07.2019 gestaltete sich wie folgt:

"Vorverfahren: Die BF ist ein anerkanntes Verbrechensopfer (die Bescheide zu Pflegezulage Stufe 1 und Pflegezulage Stufe 2 samt Gutachten liegen vor).

Gegenständliches Verfahren: Die BF stellte einen Antrag auf Erhöhung der Pflegestufe.

Laut Bescheid vom 14. September 2012 wurde der BF gemäß § 1 Abs. 1 und 6, § 6 und § 10 Abs. 1 des Verbrechensopfergesetzes (VOG) eine Pflegezulage in Höhe der Stufe I ab 1. Dezember 2011 bewilligt. Hierzu vorliegend ist das ärztliches Sachverständigengutachten von Herrn Dr. XXXX vom 22. August 2012.

Im Sachverständigengutachten als Dienstbeschädigung angeführt werden:

1. ) Hirnorganisches Psychosyndrom nach Hirnverletzung.

2. ) Verlust des rechten Auges; Sehverminderung links.

3. ) Funktionseinschränkung der unteren Gliedmaßen.

4. ) Funktionseinschränkung der oberen Gliedmaßen.

5. ) Unterleibsoperation bei Adnexerkrankung.

Die MdE wurde mit 100 % angegeben.

Als akausale Leiden angeführt sind:

1) Teils beträchtliche degenerative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat, mit chronischen Schmerzen und Bewegungseinschränkungen.

2) Beidseitiges Carpaltunnelsyndrom.

Außergewöhnliche Pflege und Wartung sei nicht erforderlich.

Dauerndes Krankenlager liege nicht vor.

Pflegezulage der Stufe I wurde vorgeschlagen.

Vorliegend ist der Bescheid vom 14. Oktober 2014, in welchem gemäß § 1 Abs. 1 und 6, § 6 und § 10 Abs. 1 des Verbrechensopfergesetzes (VOG) eine Pflegezulage in Höhe der Stufe II ab 1. März 2014 bewilligt wird.

Vorliegend ist ein ärztliches Sachverständigengutachten von Herrn Dr. XXXX vom 21. August 2014:

Im Sachverständigengutachten als Dienstbeschädigung angeführt werden:

1. ) Hirnorganisches Psychosyndrom nach Hirnverletzung.

2. ) Verlust des rechten Auges; Sehverminderung links.

3. ) Funktionseinschränkung der unteren Gliedmaßen.

4. ) Funktionseinschränkung der oberen Gliedmaßen.

5. ) Unterleibsoperation bei Adnexerkrankung.

Die MdE wurde mit 100 % angegeben.

Als akausale Leiden angeführt sind:

1) Degenerative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat, mit chronischen Schmerzen und Bewegungseinschränkungen.

2) Beidseitiges Carpaltunnelsyndrom, erfolglos operiert.

Außergewöhnliche Pflege und Wartung sei erforderlich.

Dauerndes Krankenlager liege vor.

Pflegezulage der Stufe II wird vorgeschlagen.

Weiters vorliegend ist ein ärztliches Sachverständigengutachten von

Herrn Dr. XXXX vom 6. März 2018:

Als Dienstbeschädigung angeführt werden:

1. ) Hirnorganisches Psychosyndrom nach Hirnverletzung.

2. ) Verlust des rechten Auges; Sehverminderung links.

3. ) Funktionseinschränkung der unteren Gliedmaßen.

4. ) Funktionseinschränkung der oberen Gliedmaßen.

5. ) Unterleibsoperation bei Adnexerkrankung.

Als akausale Leiden angeführt werden:

Hypertensive Kardiomyopathie mit Beschwerden in Ruhe- und Belastungsdyspnoe. Degenerative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat mit chronischem (opiatpflichtigen) Schmerzsyndrom und Bewegungseinschränkungen.

Erfolglos operierte beiderseitige Carpaltunnelsyndrome.

In diesem Sachverständigengutachten ergab sich eine Änderung (Erweiterung) der Liste der akausalen Leiden. So wurde das Leiden "Hypertensive Kardiomyopathie mit Beschwerden in Ruhe- und Belastungsdyspnoe" aufgenommen. Ein dauerndes Krankenlager liege praktisch vor. Laut diesem Sachverständigengutachten waren keine dieser Änderungen als kausal anzusehen. Es wird weiterhin Pflegezulage der Stufe II vorgeschlagen.

Vorliegend ist ein ärztliches Sachverständigengutachten von Herrn

Dr. XXXX vom 18. Juli 2018:

Als Dienstbeschädigung angeführt werden:

1. ) Hirnorganisches Psychosyndrom nach Hirnverletzung.

2. ) Verlust des rechten Auges; Sehverminderung links.

3. ) Funktionseinschränkung der unteren Gliedmaßen.

4. ) Funktionseinschränkung der oberen Gliedmaßen.

5. ) Unterleibsoperation bei Adnexerkrankung.

Als akausale Leiden angeführt werden:

Linksherzinsuffizienz bei hypertensiver Herzkrankheit und Herzrhythmusstörungen. Degenerative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat mit chronischem (opiatpflichtigen) Schmerzsyndrom und Bewegungseinschränkungen.

Erfolglos operierte beiderseitige Karpaltunnelsyndrome.

Dauerndes Krankenlager liege praktisch vor. Die weiterhin vorliegende - durch rezente ärztliche Schreiben indirekt dokumentierte - praktische Bettlägerigkeit sei rein akausal - durch die Linksherzinsuffizienz bei hypertensiver Kardiomyopathie und Herzrhythmus Störungen - bedingt. Es wird weiterhin Pflegezulage im Ausmaß der Stufe II vorgeschlagen.

Unter Berücksichtigung der neuen Unterlagen ergibt sich laut Sachverständigengutachten nur eine geringfügige Änderung/Umbenennung der Liste der akausalen Leiden: Linksherzinsuffizienz bei hypertensiver Herzkrankheit und Herzrhythmusstörungen. Es ergibt sich dadurch keine Änderung im Ergebnis der ärztlichen Beurteilung.

Vorliegend ist ein Beschwerde-Schreiben von Herrn Dr. jur. XXXX , des juristischen Vertreters der BF, vom 25. September 2018. Angeführt darin ist die Einweisung zur Krankenhausbehandlung vom 11. Dezember 2017 aufgrund der Diagnose "Akut-Fall: hochgradige Ruhe- und Belastungsdyspnoe bei fortschreitender Herzinsuffizienz, ventrikuläre Extrasystolie Lown-Klasse IV" sowie "Ruhe- und Belastungsdyspnoe NYHA 4". Dies beschreibt eine schwergradige Herzinsuffizienz mit Kurzatmigkeit sowohl bei Belastung, als auch in Ruhe und eine Herzrhythmusstörung mit Auftreten komplexer ventrikulärer Extrasystolen. Weiters erwähnt in dem Beschwerdeschreiben von Herrn Dr. jur. XXXX ist ein Befund des St. Elisabeth-Krankenhauses vom 11.10.2017, in welchem die Hauptdiagnose "Linksherzinsuffizienz mit Beschwerden in Ruhe" angeführt ist. Es handle sich laut Herrn Dr. jur. XXXX um den höchsten Grad der Herzinsuffizienz und mache den Betroffenen auch bettlägerig und rund um die Uhr pflegebedürftig. Aufgrund der geschilderten Herzinsuffizienz habe der Dienst, laut Dr. XXXX , nunmehr ein dauerndes Krankenlager erkannt, habe aber dennoch eine Erhöhung der Pflegezulage abgelehnt: die hypertensive Kardiomyopathie sei nicht verbrechensbedingt ("akausal"). Laut Ansicht der BF liege eine Kausalität der suizidvorbeugenden Medikamente für die Herzinsuffizienz vor. Die durch die entschädigungspflichtigen Straftaten ausgelöste chronifizierte schwere Depression führe für sich betrachtet auf Dauer zu einer Herzinsuffizienz. Jedenfalls spreche vieles dafür, dass die Herzinsuffizienz der Antragswerberin auch dadurch ausgelöst wurde.

Vorliegend ist auch ein Schreiben von Herrn Dr. jur. XXXX vom 12. April 2018, in welchem angeführt ist, dass die BF mit einer Kombinationstherapie von Medikamenten - einem Antidepressivum, einem Neuroleptikum, einem Beruhigungsmedikament sowie einem Schmerzmedikament - behandelt werde. Aus der vorliegenden vollständigen Medikamentenliste ergebe sich weiters, dass diese Behandlung infolge der sich verschlechternden psychischen Zustände der Patientin immer intensiver wurde. Dabei mussten Medikamente verabreicht werden, die nachweisbar zu Herzmuskelschädigungen und Herzrhythmusstörungen führen. Die durch die entschädigungspflichtigen Straftaten ausgelöste chronifizierte schwere Depression führe für sich betrachtet auf Dauer zu einer Herzinsuffizienz und es spreche jedenfalls vieles dafür, dass die Herzinsuffizienz der Antrags werberin auch dadurch ausgelöst wurde.

Vorliegend ist ein Schreiben von Herrn XXXX vom 4. April 2018 (Gemeinschaftspraxis Dr. med. XXXX und XXXX ). Als führende Diagnosen angeführt werden: Linksherz-Insuffizienz bei hypertensiver Herzerkrankung und Herzrhythmusstörungen. Darüber hinaus bestehe ein chronisches Schmerzsyndrom bei Polyarthrose und Zustand nach Polytrauma. Aufgelistet werden die verabreichten Medikamente der Jahre 2012 - 2018. Die vorliegende Auflistung beginnt am 25. Oktober 2011 und endet am 19. April 2016. Die Auflistung umfasst lediglich Medikamente zur Behandlung des psychischen Leidens. Eine Medikation zur Behandlung des Bluthochdrucks sowie zur Behandlung der Herzinsuffizienz bzw. der Herzrhythmusstörung ist nicht aufgelistet.

Beantwortung der gestellten Fragen:

1. Handelt es sich bei den das dauernde Krankenlager bzw. eine außergewöhnliche Pflege und Wartung, die nach Art, Ausmaß und Aufwand jener bei dauernder Bettlägerigkeit gleichkommt, verursachenden Leiden um kausale Leiden?

Die Hilflosigkeit wird nicht durch die kausalen Leiden verursacht.

2. Handelt es sich bei den das dauernde Krankenlager bzw. eine außergewöhnliche Pflege und Wartung, die nach Art, Ausmaß und Aufwand jener bei dauernder Bettlägerigkeit gleichkommt, verursachenden Leiden um akausale Leiden?

Die Hilflosigkeit wird durch das akausale Leiden "Linksherz-Insuffizienz bei hypertensiver Herzerkrankung und Herzrhythmusstörungen" verursacht. Diese Leiden sind im Bericht des behandelnden Internisten XXXX vom 4. April 2018 als führende Leiden dokumentiert. Zudem ist die "Linksherzinsuffizienz mit Beschwerden in Ruhe" die Hauptdiagnose des von Herrn Dr. jur. XXXX in seinem Schreiben vom 25.09.2019 angeführten Berichtes des St. Elisabeth-Krankenhauses vom 11.10.2017. Weiters beschreibt die Krankenhauseinweisung vom 11. Dezember 2017 eine schwergradige Herzinsuffizienz mit hochgradiger Kurzatmigkeit in Ruhe und bei Belastung sowie die Herzrhythmusstörung.

Eine Linksherzinsuffizienz bei hypertensiver Herzerkrankung und Herzrhythmusstörungen ist als akausal zu werten. Als häufigste Ursache für die Entstehung einer Herzinsuffizienz gelten eine koronare Herzerkrankung und ein Bluthochdruck. Hinsichtlich einer koronaren Herzerkrankung spielt eine chronische Durchblutungsstörung des Herzmuskels eine wesentliche Rolle. Rund 2/3 der Patienten mit einer Herzinsuffizienz haben eine koronare Herzerkrankung, welche in Europa auch zu den häufigsten Ursachen der Herzinsuffizienz zählt. Zudem können auch entzündliche Herzerkrankungen, beispielsweise durch Viren verursacht, zu einer Herzinsuffizienz führen. Bezüglich der diagnostizierten Herzrhythmusstörung stellen eine koronare Herzerkrankung, eine Herzinsuffizienz sowie auch eine Entzündung des Herzmuskels ein Risiko bei der Entstehung dar. Insgesamt ergibt sich mit zunehmendem Alter ein steigendes Risiko für die Entstehung einer Herzinsuffizienz sowie einer Herzrhythmusstörung. 90 % aller Herzinsuffizienz-Patienten sind älter als 65 Jahre. Eine Herzinsuffizienz zählt in der Bundesrepublik Deutschland zu den häufigsten Ursachen für einen stationären Spitalsaufenthalt. So litten im Jahr 2015 in Deutschland etwa 2 Millionen Menschen an einer Herzinsuffizienz. In Österreich ist bei einer gewissen Dunkelziffer von etwa 300 000 Herzinsuffizienz-Patienten auszugehen. Mittels der laut der zeitgemäßen Guidelines empfohlenen Etablierung spezifischer Medikamente zur Behandlung der Herzinsuffizienz und der Rhythmusstörung sowie Durchführung engmaschiger ärztlicher Kontrollen (EKG- und Herzultraschall-Kontrollen, regelmäßige Überprüfung der Medikation) ist eine Verbesserung der Herzfunktion sowie eine Behandlung der Herzrhythmusstörung möglich.

Aus gutachterlicher Sicht ist bei der BF, in Anbetracht des in der Durchschnittsbevölkerung so verbreiteten Auftretens des Erkrankungsbildes "Herzinsuffizienz bei hypertensiver Herzkrankheit mit Herzrhythmus Störungen" und der aus medizinischer Sicht eindeutigen Risikofaktoren, eine ausreichende Wahrscheinlichkeit für einen Zusammenhang mit der Einnahme von Neuroleptika nicht anzunehmen. Bei der BF sind der Bluthochdruck und das höhere Lebensalter (Geburtsjahr XXXX ), mögliche Durchblutungsstörungen des Herzmuskels sowie eventuell stattgehabte Herzmuskelentzündungen als begünstigende und wegbereitende Faktoren bei der Entstehung einer Herzmuskelschwäche mit Herzrhythmusstörungen anzunehmen.

3. Handelt es sich bei den das dauernde Krankenlager bzw. eine außergewöhnliche Pflege und Wartung, die nach Art, Ausmaß und Aufwand jener bei dauernder Bettlägerigkeit gleichkommt, verursachenden Leiden um kausale und akausale Leiden?

Die Hilflosigkeit wird aus gutachterlicher Sicht durch das akausale Leiden "Linksherzinsuffizienz bei hypertensiver Kardiomyopathie und Herzrhythmusstörungen" mit dokumentierten Beschwerden auch in Ruhe verursacht (siehe auch Begründung Punkt 2.)."

Im gewährten Parteiengehör monierte der Vertreter unter Zitierung der Entscheidung des VwGH vom 26.01.2012, 2011/09/0113, dass es nach den einschlägigen Vorschriften des VOG und KVOG nicht um einen zwingenden, sondern nur um einen wahrscheinlichen Zusammenhang gehe. Das in Betracht kommende schädigende Ereignis müsse nur eine wesentliche Ursache der Schädigung sein. Er verwies auf die Theorie der "wesentlichen Bedingung". Mit den Ausführungen des Gutachters, dass in der Durchschnittsbevölkerung das Auftreten des Erkrankungsbildes "Herzinsuffizienz bei hypertensiver Herzkrankheit mit Herzrhythmusstörungen" weit verbreitet sei, hätte sich dieser einen eigenen Maßstab geschaffen. Der Vertreter verwies darauf, dass nunmehr entsprechend der oben zitierten Entscheidung des VwGH die Rechtsfrage zu klären sei, ob die aus dem geschützten Bereich stammende Ursache zu einer Verfrühung oder Erschwerung des Schadens geführt hätte. Die Ursache sei erstmals im Bescheid des Bundessozialamtes vom 23.05.2012 umschrieben worden ("Es liegt eine chronifizierte depressive Verstimmung schweren Ausmaßes, mit teilweise dissoziativem Erleben vor. Die Gesundheitsschädigungen sowie die Folgeschäden resultierend aus den mehrfachen Selbstmordversuchen sind verbrechenskausal."). Zu den genannten Folgeschäden gehöre auch die Hirnverletzung aufgrund eines Selbstmordversuchs mit dem Auto im Jahr 1974, die in der Folgezeit in Bescheiden und Gutachten als "hirnorganisches Psychosyndrom nach Hirnverletzung" referiert werde.

Für den Vertreter stehe unter Zugrundelegung der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung der behandelnden Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie und deren Medikamentenliste fest, dass die Beschwerdeführerin wegen der genannten Schäden "schwere Depression mit psychotischen Symptomen sowie einer posttraumatischen Belastungsstörung" und der "Folgen eines schweren Schädelhirntraumas mit erheblichen Verhaltungsstörungen" jahrelang mit einer 4er-Kombination von Medikamenten (Antidepressivum, Neuroleptikum, Beruhigungsmedikament, Schmerzmedikament) behandelt wurde. Diese Medikamente seien geeignet schwerwiegende Herzmuskelschädigungen und Herzrhythmusstörungen herbeizuführen - dies gelte für Neuroleptika allgemein, aber insbesondere für das verabreichte Quetiapin, Risperidon und Venlafyxin und er verwies auf die vorgelegten Internetauszüge und den Artikel der Österreichischen Gesellschaft für Neuropsychopharmakologie und Biologische Psychiatrie vom 23.11.2015, in dem es heiße: "Mehrere Psychopharmaka können zu einer kardialen unerwünschten Arzneimittelwirkung (UAW) führen. Kardiale UAW können sehr vielfältig sein und inkludieren unter anderem folgende: Herzrhythmusstörungen, Reizüberleitungsstörungen, Myokarditis, Myokardiopathien, Hypotonie oder Hypertonie". Tabellarisch sei dargestellt, welche Medikamente zu welchen Nebenwirkungen führen würden.

Werde jemand nach Einnahme solcher Medikamente herzkrank, so bestehe zumindest die Wahrscheinlichkeit, dass dies eine Nebenwirkung der genannten Medikamente sei.

Er rügte die Ausführungen des Gutachters, dass "in Anbetracht des in der Durchschnittsbevölkerung so verbreiteten Auftretens des Erkrankungsbildes "Herzinsuffizienz bei hypertensiver Herzkrankheit mit Herzrhythmusstörungen und der aus medizinischer Sicht eindeutigen Risikofaktoren, eine ausreichende Wahrscheinlichkeit für einen Zusammenhang mit Einnahme von Neuroleptika nicht anzunehmen sei". Nach der zitierten Rechtsprechung würde selbst eine eventuell vorliegende krankhafte Veranlagung der Beschwerdeführerin nicht ausschließen, dass daneben eine durch die pharmakologische Behandlung der Suizidalität der Beschwerdeführerin mögliche Erkrankung als wesentliche mitwirkende Bedingung für die Entschädigungspflichtigkeit der Pflegebedürftigkeit der Beschwerdeführerin in Frage komme. Der Zusatz des Gutachters, dass bei der Beschwerdeführerin der Bluthochdruck und das höhere Lebensalter, mögliche Durchblutungsstörungen des Herzmuskels sowie eventuell stattgehabte Herzmuskelentzündungen als begünstigende und wegbereitende Faktoren bei der Entstehung einer Herzmuskelschwäche mit Herzrhytmusstörungen anzunehmen sei, sei irrelevant. Es handle sich dabei um reine Spekulationen.

Er wiederholte, dass die Neuroloeptikaschädigung im Bereich der Wahrscheinlichkeit liege, während die Annahmen es Gutachters im Bereich bloßer Möglichkeiten liege.

Angeschlossen waren der zitierte Artikel der Österreichischen Gesellschaft für Neuropsychopharmakologie und Biologische Psychiatrie vom 23.11.2015 sowie ein die Beschwerdeführerin betreffendes psychiatrisches Gutachten vom 21.06.2019 basierend auf Akten des Amtsgerichtes Aachen und einem Telefonat mit der Beschwerdeführerin.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin ist am XXXX geboren und besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft.

Die Beschwerdeführerin ist anerkanntes Verbrechensopfer. Im Bescheid vom 23.05.2012 wurde begründend ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin durch mehrfache Straftaten ab ihrem 12. Lebensjahr Gesundheitsschädigenden erlitten hatte. Es liegt eine chronifizierte depressive Verstimmung schweren Ausmaßes, mit teilweise dissoziativem Erleben vor. Die Gesundheitsschädigungen sowie die Folgeschäden resultierend aus den mehrfachen Selbstmordversuchen sind verbrechenskausal.

Mit Bescheid vom 14. Oktober 2014 wurde gemäß § 1 Abs. 1 und 6, § 6 und § 10 Abs. 1 des Verbrechensopfergesetzes (VOG) eine Pflegezulage in Höhe der Stufe II ab 1. März 2014 bewilligt.

Bei der Beschwerdeführerin liegt aktuell ein dauerndes Krankenlager verursacht durch "Linksherzinsuffizienz bei hypertensiver Herzkrankheit und Herzrhythmusstörungen" vor.

Aktuell leidet die Beschwerdeführerin an folgenden kausalen Dienstbeschädigungen:

1. Hirnorganisches Psychosyndrom nach Hirnverletzung.

2. Verlust des rechten Auges; Sehverminderung links.

3. Funktionseinschränkung der unteren Gliedmaßen.

4. Funktionseinschränkung der oberen Gliedmaßen.

5. Unterleibsoperation bei Adnexerkrankung.

1.2. Aktuell leidet die Beschwerdeführerin an folgenden akausalen Leiden:

1. Linksherzinsuffizienz bei hypertensiver Herzkrankheit und Herzrhythmusstörungen.

2. Degenerative Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat mit chronischem (opiatpflichtigen) Schmerzsyndrom und Bewegungseinschränkungen.

3. Erfolglos operierte beiderseitige Karpaltunnelsyndrome.

1.3. Das dauernde Krankenlager wird durch das akausale Leiden "Linksherz-Insuffizienz bei hypertensiver Herzerkrankung und Herzrhythmusstörungen" verursacht.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1) Die Feststellungen ergeben sich aus dem diesbezüglich widerspruchsfreien, unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2.) und 1.3.) Die Feststellungen ergeben sich aus dem vom BVwG eingeholte allgemeinmedizinischen Gutachten.

Verfahrensgegenständlich ist die Frage, ob es sich bei der vorliegenden "Linksherzinsuffizienz bei hypertensiver Herzkrankheit und Herzrhythmusstörungen" um ein verbrechenskausales oder akausales Leiden handelt.

Vom Vertreter wird vorgebracht, dass es sich bei dem das dauernde Krankenlager verursachenden Leiden um Folgeschäden durch Medikamentenkonsum (verordnete Medikation) handle bzw. diese wesentlich zu den Herzbeschwerden beigetragen hätten, dies insbesondere durch die der Beschwerdeführerin verordnete 4er-Kombination von Medikamenten. Angeschlossen waren eine Medikamentenliste, Ausdrucke aus dem Internet,....

Das dazu vom BVwG eingeholte, schlüssige allgemeinmedizinische Gutachten führt dazu aus, dass die häufigste Ursache für die Entstehung einer Herzinsuffizienz eine koronare Herzerkrankung und ein Bluthochdruck gelten. Hinsichtlich einer koronaren Herzerkrankung spielt eine chronische Durchblutungsstörung des Herzmuskels eine wesentliche Rolle. Rund 2/3 der Patienten mit einer Herzinsuffizienz haben eine koronare Herzerkrankung, welche in Europa auch zu den häufigsten Ursachen der Herzinsuffizienz zählt. Zudem können auch entzündliche Herzerkrankungen, beispielsweise durch Viren verursacht, zu einer Herzinsuffizienz führen. Bezüglich der diagnostizierten Herzrhythmusstörung stellen eine koronare Herzerkrankung, eine Herzinsuffizienz sowie auch eine Entzündung des Herzmuskels ein Risiko bei der Entstehung dar. Insgesamt ergibt sich mit zunehmendem Alter ein steigendes Risiko für die Entstehung einer Herzinsuffizienz sowie einer Herzrhythmusstörung. 90 % aller Herzinsuffizienz-Patienten sind älter als 65 Jahre. Eine Herzinsuffizienz zählt in der Bundesrepublik Deutschland zu den häufigsten Ursachen für einen stationären Spitalsaufenthalt. So litten im Jahr 2015 in Deutschland etwa 2 Millionen Menschen an einer Herzinsuffizienz. In Österreich ist bei einer gewissen Dunkelziffer von etwa 300 000 Herzinsuffizienz-Patienten auszugehen. Mittels der laut der zeitgemäßen Guidelines empfohlenen Etablierung spezifischer Medikamente zur Behandlung der Herzinsuffizienz und der Rhythmusstörung sowie Durchführung engmaschiger ärztlicher Kontrollen (EKG- und Herzultraschall-Kontrollen, regelmäßige Überprüfung der Medikation) ist eine Verbesserung der Herzfunktion sowie eine Behandlung der Herzrhythmusstörung möglich.

In Anbetracht des in der Durchschnittsbevölkerung so verbreiteten Auftretens des Erkrankungsbildes "Herzinsuffizienz bei hypertensiver Herzkrankheit mit Herzrhythmus Störungen" und der aus medizinischer Sicht eindeutigen Risikofaktoren, ist eine ausreichende Wahrscheinlichkeit für einen Zusammenhang mit der Einnahme von Neuroleptika nicht anzunehmen. Bei der Beschwerdeführerin sind der Bluthochdruck und das höhere Lebensalter (Geburtsjahr XXXX ), mögliche Durchblutungsstörungen des Herzmuskels sowie eventuell stattgehabte Herzmuskelentzündungen als begünstigende und wegbereitende Faktoren bei der Entstehung einer Herzmuskelschwäche mit Herzrhythmusstörungen anzunehmen.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens vom 09.07.2019. Das vorliegende Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt, zumal der Gutachter äußerst detailliert die übliche Entstehungsweise des Krankheitsbildes "Herzinsuffizienz" schildert und auch darauf verweist, dass es bei der Durchschnittsbevölkerung - insbesondere im Alter der Beschwerdeführerin - weit verbreitet ist und bei aus medizinischer Sicht eindeutigen Risikofaktoren eine Zusammenhang mit der Einnahme von Neuroleptika nicht anzunehmen ist.

Wenn der Vertreter darauf hinweist, dass es sich dabei um eine Wiedergabe von statistischen Daten durch den Gutachter handelt, die im konkreten Fall nicht aussagekräftig sind, so ist dem entgegenzuhalten, dass auch sämtliche seiner Ausführungen, dass die eigenommene Medikation das Leiden "Herzinsuffizienz bei hypertensiver Herzkrankheit mit Herzrhythmusstörungen" verursacht hätte, ebenfalls auf derartigen Statistiken beruht.

In dem vom Gutachter zitierten Artikel der Österreichischen Gesellschaft für Neuropsychopharmakoloige und Biologische Psychiatrie vom 23.11.2015 werden karidovaskuläre Nebenwirkungen von Psychopharmaka tabellarisch wie folgt aufgelistet:

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Dem Artikel sind keine prozentuellen Angaben zur Wahrscheinlichkeit der Verursachung der UAW zu entnehmen.

Abschließend wird in dem Bericht zusammengefasst:

"Kardiale UAW können bei einer Therapie mit Psychopharmaka auftreten. Diesbezüglich sollte, besonders bei der Initiierung einer Psychopharmakotherapie bei Patienten mit einem erhöhten Risiko für kardiale Nebenwirkungen, geachtet werden. Risikofaktoren für die Entwicklung einer kardialen UAW während einer Psychopharmakotherapie sind u.a. folgende: Alter über 65 Jahre, weibliches Geschlecht, bekannte kardiovaskuläre Erkrankungen in der Anamnese, genetische Disposition (z.B. Long- QT-Syndrom) des Patienten oder bekannte Elektrolytstörungen (Hypokaliämie, Hypomagnesiämie)

Im Sinne einer Risikominimierung von kardialen UAW, unter einer Psychopharmakotherapie, wären EKG-Kontrollen, aber auch Elektrolytbestimmungen im Blut sowie das Durchführen einer kardiologischen Fachbegutachtung, bei bekannten kardiologischen Vorerkrankungen, zu empfehlen."

Auch der Zusammenfassung des Artikels ist nur zu entnehmen, dass kardiale UAW bei einer Therapie mit Psychopharmaka auftreten können. Das Wort "können" lässt jedoch keinesfalls die extensive Interpretation zu, dass die Einnahme von Psychopharmaka durch die Beschwerdeführerin die verfahrensgegenständliche Erkrankung wahrscheinlich verursacht hat.

Der erkennende Senat schließt sich nach einer Gesamtabwägung dem Gutachten des Allgemeinmediziners an, dass eine ausreichende Wahrscheinlichkeit für einen Zusammenhang mit der Einnahme von Neuroleptika nicht anzunehmen ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 9d Abs. 1 VOG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des VOG durch einen Senat, dem ein fachkundiger Laienrichter angehört. Es liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

§ 18 Abs. 1 KOVG besagt:

Zur Beschädigtenrente wird eine Pflegezulage gewährt, wenn der Beschädigte infolge der Dienstbeschädigung so hilflos ist, dass er für lebenswichtige Verrichtungen der Hilfe einer anderen Person bedarf.

Gemäß Abs. 2 leg.cit. ist die Höhe der Pflegezulage nach der Schwere des Leidenszustandes und nach dem für die Pflege und Wartung erforderlichen Aufwand abgestuft. Die Gewährung der Pflegezulagen der Stufen II bis V setzt voraus, dass die Dienstbeschädigung außergewöhnliche Pflege und Wartung erfordert; verursacht die Dienstbeschädigung dauerndes Krankenlager, ist die Pflegezulage zumindest in der Höhe der Stufe III zu leisten. Die Pflegezulage der Stufe V gebührt, wenn der Beschädigte infolge der Dienstbeschädigung an zwei Gebrechen leidet, von denen jedes für sich Hilflosigkeit verursacht, oder wenn das die Hilflosigkeit verursachende Gebrechen für sich allein oder zusammen mit einem anderen auf eine Dienstbeschädigung zurückzuführenden Gebrechen einen derart schweren Gesamtleidenszustand darstellt, dass Pflege und Wartung in besonders erhöhtem Ausmaß erforderlich ist.

Im Lichte der Gesetzesmaterialien (GP XIII RV 40. S. 8) zum VOG 1972, die auf das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG) verweisen, ist es nicht rechtswidrig, wenn sich die Behörde auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum KOVG 1957 beruft und davon ausgeht, dass eine ausreichende Wahrscheinlichkeit iSd. § 1 Abs. 1 VOG 1972 erst gegeben ist, wenn erheblich mehr für als gegen das Vorliegen einer Vorsatztat spricht (Hinweis E vom 19. Oktober 2005, 2002/09/0132, zu § 4 Abs. 1 KVOG 1957, demzufolge "Wahrscheinlichkeit" dafür, dass die festgestellte Gesundheitsschädigung auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist, dann gegeben ist, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht). (VwGH vom 21.11.2013, Zl. 2011/11/0205, vom 26.04.2013, Zl. 2012/11/0001)

Die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Bedingung ist jedoch keine Sachverhalts-, sondern eine Rechtsfrage. (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse zu § 2 HVG vom 23.5. 2002, Zl. 99/09/0013 und vom 26.01.2012, Zl. 2011/09/0113)

Die Wahrscheinlichkeit gilt für Tatbestandsmäßigkeit (Voraussetzung der tatbildmäßigen Handlung) und für die Kausalität (ursächlicher Zusammenhang der Gesundheitsschädigung mit dieser Handlung).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Begründung eines Versorgungsanspruches nur die Wahrscheinlichkeit, nicht die bloße Möglichkeit einer Verursachung der Gewissheit gleichgestellt. Für die Auslegung des Begriffes "wahrscheinlich" ist der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend. Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlichen-wissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. (vgl. u.a. VwGH zu § 4 KOVG vom 19.10.2005, Zl. 2002/09/0132, 15.12.1994, Zl. 94/09/0142 mit Hinweis E 18.2.1988, 87/09/0250)

Unstrittig ist, dass die Beschwerdeführerin anerkanntes Verbrechensopfer ist. Hinsichtlich der beantragten Pflegezulage der Stufe III konnten die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens den geforderten Grad der Wahrscheinlichkeit der Verbrechenskausalität jedoch nicht begründen.

Dass ein Zusammenhang nicht mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, also grundsätzlich die Möglichkeit besteht, reicht für die Anerkennung nicht aus. (VwGH 86/09/0085, 19.11.1986, zu § 4 KOVG)

Die Folgen der objektiven Beweislosigkeit oder die Unmöglichkeit, entscheidungsrelevante Tatsachen festzustellen, sind - auch bei amtswegiger Ermittlungspflicht - von dem zu tragen, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will (VwGH 97/09/0221, 17.05.2000, zu § 4 KOVG).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung ist, ob die "Herzinsuffizienz bei hypertensiver Herzkrankheit mit Herzrhythmusstörungen", welche das dauernde Krankenlager der Beschwerdeführerin verursacht, mit Wahrscheinlichkeit auf die verbrechenskausalen Gesundheitsschädigungen sowie deren Folgeschäden resultierend aus den mehrfachen Selbstmordversuchen zurückzuführen sind.

Der erkennende Senat ist der Ansicht, dass nicht mehr dafür als dagegen spricht, dass die "Herzinsuffizienz bei hypertensiver Herzkrankheit mit Herzrhythmusstörungen" durch die verschriebene eingenommene Medikation verursacht wurde. Wie der Gutachter nachvollziehbar ausgeführt hat, sind die Möglichkeiten an einer derartigen Erkrankung im Alter der Beschwerdeführerin zu erkranken vielfältig und handelt es sich dabei auch um eine Erkrankung die in der Bevölkerung häufig im Alter der Beschwerdeführerin auftritt. Insofern schließt sich der Senat den Ausführungen des Gutachters an und kann keine Wahrscheinlichkeit der Verursachung dieser Erkrankungen durch die verschriebenen 4er-Medikation erkennen.

Will eine Partei außer einem vorliegenden schlüssigen und vollständigen Gutachten noch ein weiteres in das Verfahren einbezogen wissen, so steht es ihr frei, selbst ein Gutachten eines privaten Sachverständigen zu beschaffen oder vorzulegen. Durch eine bloße gegenteilige Behauptung, die in ihrer Qualität nicht auf gleicher fachlicher Ebene erfolgt, kann das Gutachten eines Sachverständigen hingegen nicht entkräftet werden (22.02.2018, Ra 2018/09/0001, 24.04.2014, 2013/09/0119, mwN).

Da das das dauernde Krankenlager verursachende Leiden der Beschwerdeführerin mit Wahrscheinlichkeit kein verbrechenskausales Leiden ist, ist die Pflegezulage in der Höhe der Stufe III nicht zu leisten.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung ist der Umstand, ob das das dauernde Krankenlager verursachende Leiden der Beschwerdeführerin ein verbrechenskausales Leiden ist. Da der Sachverhalt geklärt ist, und es sich dabei um eine reine Rechtsfrage handelt, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Schlagworte

Erhöhung, Kausalität, Pflegezulage, Sachverständigengutachten,
VerbrechensopferG, Wahrscheinlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W200.2207048.1.00

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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