TE Vwgh Erkenntnis 1998/10/16 96/19/3033

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Veröffentlicht am 16.10.1998
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §273;
AVG §37;
AVG §38;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §9;
VwGG §46 Abs1 impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des 1940 geborenen L J in Salzburg, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Dezember 1995, Zl. 304.309/3-III/11/95, betreffend die Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist in einer Aufenthaltssache, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer verfügte zuletzt über eine Aufenthaltsbewilligung mit Gültigkeit bis zum 12. Februar 1994. Am 18. Jänner 1994 beantragte er die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Aus einem an diesem Tag verfaßten Aktenvermerk der Aufenthaltsbehörde erster Instanz geht hervor, daß der Beschwerdeführer, darauf hingewiesen, daß seine Antragstellung um einen Tag zu spät erfolgt sei, bemerkt habe, daß er nicht fähig sei, aufgrund seines Gesundheitszustandes irgendwelche Termine einzuhalten und diesbezüglich verschiedene ärztliche Atteste vorgelegt habe. Der damals vorgelegte ärztliche Befund vom 30. November 1993 (vgl. Ordnungsnummer 14 des Verwaltungsaktes) enthält die Diagnose "Chron. rezid. Depressionszustand" und die Bemerkung, daß es möglich sei, daß der Patient aufgrund seiner psychischen Störung nicht in der Lage gewesen sei, ein hinterlegtes Schriftstück abzuholen oder auf das Abholen dieses Schriftstückes vergessen habe. Weiters findet sich im Akt unter Ordnungsnummer 16 eine ärztliche Bestätigung der Landesnervenklinik Salzburg vom 29. September 1993, wonach der Beschwerdeführer "seit dem Jahr 1988 wegen redizivierender depressiver Störungen immer wieder in stationärer Behandlung gestanden sei, zuletzt vom 1. bis 29. September 1993". Unter Ordnungsnummer 20 findet sich im Akt schließlich ein weiterer Bericht der Landesnervenklinik Salzburg (psychiatrische Abteilung) vom 19. Oktober 1993, in dem über diesen stationären Aufenthalt des Beschwerdeführers berichtet wurde.

In weiterer Folge legte der Beschwerdeführer eine weitere ärztliche Bestätigung vom 21. Februar 1994 (Ordnungsnummer 29) vor, in der als Diagnose "chronische Dysthymie, Lumbago" aufscheint und ein stationärer Aufenthalt im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in der Zeit vom 20. bis 22. Jänner 1994 bestätigt wurde. Weiters geht aus diesem Schreiben des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie hervor, daß es sich um einen chronischen Krankheitszustand handle und es deshalb möglich sei, daß der Patient bereits am 12. Jänner 1994 durch die Erkrankung nicht in der Lage gewesen sei, vereinbarte Termine einzuhalten.

Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg gab dem Antrag des Beschwerdeführers namens des Landeshauptmannes von Salzburg mit Bescheid vom 21. März 1994 gemäß § 6 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) nicht statt. Grundlage für die Abweisung des Antrages war der Umstand, daß der Verlängerungsantrag um einen Tag verspätet eingebracht worden war. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 15. Juli 1994 persönlich zugestellt.

Mit Schreiben vom 12. Oktober 1994 wandte sich das Generalkonsulat der Bundesrepublik Jugoslawien an die Aufenthaltsbehörde erster Instanz und nahm Bezug darauf, daß der Beschwerdeführer "am 18.7. (oder 17.7, das genaue Datum ist unleserlich) 1994" fristgerecht Berufung eingereicht habe, am gleichen Tag seinen Facharzt für Neurologie und Psychiatrie aufgesucht habe und dem an diesem Tag erstellten Befund, welcher unter einem vorgelegt werde, zu entnehmen sei, daß der Beschwerdeführer an einer chronischen psychischen Erkrankung leide. Aus dem diesem Schreiben beigelegten ärztlichen Befund vom 15. Juli 1994, der einen zu einem früheren Zeitpunkt angebrachten Eingangsstempel des Magistrates Salzburg mit Datum vom 18. Juli 1994 (ebenfalls in Kopie) aufweist, ist zu entnehmen, daß die Beschwerden des Beschwerdeführers am 17. Jänner 1994 "das Einreichen des Antrages dem Patienten unmöglich gemacht haben".

Mit Schreiben vom 20. Oktober 1994 wurde gegenüber dem Generalkonsulat durch die zuständige Sachbearbeiterin der Behörde erster Instanz bekanntgegeben, daß der Beschwerdeführer keine Berufung gegen den Bescheid der Aufenthaltsbehörde erster Instanz vom 21. März 1994 erhoben habe.

Mit Schriftsatz vom 24. Oktober 1994 beantragte der Beschwerdeführer nunmehr anwaltlich vertreten, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, einerseits in die Versäumung der Frist zur Erstattung der Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 21. März 1994, andererseits in die Frist zur Einbringung des Antrages auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz und holte die Berufung gegen den erstgenannten Bescheid nach. Seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stützte er darauf, daß er aufgrund einer psychischen Erkrankung, und zwar einer neurotischen Depression mit Somatisierungstendenz nicht in der Lage sei, Fristen und Termine wahrzunehmen. Dazu komme erschwerend, daß er der deutschen Sprache kaum mächtig und daher schon aus diesem Grunde Behörden gegenüber bei der Einhaltung von Terminen und Fristen benachteiligt sei. Nach Zustellung des gegenständlichen Bescheides sei er aufgrund seiner psychischen Erkrankung und seiner Sprachschwierigkeiten weder in der Lage gewesen, die Rechtsmittelbelehrung zu verstehen, noch die Frist zur Erstattung der Berufung wahrzunehmen. Er habe erstmals am 18. September 1994 mit seinem rechtsfreundlichen Vertreter Kontakt aufnehmen und diesem den beiliegenden ärztlichen Befund des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie sowie die Bestätigung des Landesgerichtes Salzburg vom 5. September 1994 (hinsichtlich der Gewährung einer Invaliditätspension) aushändigen können. Mit der Kenntnisnahme des gegenständlichen Bescheides und der angeführten Bestätigungen durch den Rechtsvertreter sei erstmals das Hindernis zur Erstattung der Berufung weggefallen, sodaß die Frist für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit 18. Oktober 1994 zu laufen begonnen habe.

Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg wies mit Bescheid vom 18. August 1995 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (und zwar nur in die Berufungsfrist gegen den Bescheid vom 21. März 1994) ab. Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Dezember 1995 wurde die Berufung gegen diesen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen. Die belangte Behörde vertrat die Auffassung, daß die vom Beschwerdeführer geschilderte und dokumentierte psychische Krankheit, nämlich eine depressive Störung, offensichtlich keine völlige Dispositionsunfähigkeit hervorrufe, weil der Beschwerdeführer unter anderem in der Lage gewesen sei, selbst einen Antrag auf Aufenthaltsbewilligung zu stellen und einen Rechtsvertreter mit der Durchführung eines Wiedereinsetzungsantrages zu beauftragen. Wäre der Beschwerdeführer nicht in der Lage, seine Angelegenheiten selbst wahrzunehmen, hätte ihm schon längst ein Sachwalter beigestellt werden müssen, was jedoch nicht einmal der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers für notwendig erachtet habe, da seine Zurechnungsfähigkeit offensichtlich durch die psychische Erkrankung nicht beeinträchtigt sei. Laut ärztlicher Bestätigung vom 29. September 1993 litte der Beschwerdeführer bereits seit dem Jahre 1988 an der gegenständlichen Erkrankung und sei mehrmals in stationärer Behandlung in der Landesnervenklinik Salzburg gewesen, wo auch kein Anlaß gesehen worden sei, einen Sachwalter zur Besorgung der Angelegenheiten beizustellen, insbesondere, weil der Beschwerdeführer laut ärztlichem Attest der genannten Landesnervenklinik voll orientiert, das Bewußtsein klar und die Gedankengänge zusammenhängend seien. Die Berufungsbehörde stelle daher aufgrund der Beurteilung des Geisteszustandes durch eine öffentliche Krankenanstalt fest, daß der Beschwerdeführer trotz seiner psychischen Störung in der Lage sei, Fristen wahrzunehmen. Weiters sei davon auszugehen, daß die Krankheit zwar chronisch sei, aber keinen Dauerzustand darstelle, da die Erkrankung offensichtlich nur fallweise auftrete. So sei der Beschwerdeführer laut ärztlichem Befund vom 28. April 1994 sogar in der Lage gewesen, einer Gerichtsverhandlung beizuwohnen. Wenn diese psychische Störung zufälligerweise gerade zur Zeit der versäumten Berufungsfrist aufgetreten sei, so stelle dieser Krankheitseintritt zumindest kein unvorhergesehenes Ereignis mehr im Sinne des § 71 AVG dar, weil der Beschwerdeführer von seinem Krankheitszustand zumindest seit dem Jahr 1988 wisse. Des weiteren seien zwischen der Entscheidung der ersten Instanz und dem Antrag auf Wiedereinsetzung nahezu sieben Monate vergangen. Selbst wenn es sich bei der Erkrankung um ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis handeln würde, müßte es dem Beschwerdeführer bereits weitaus früher möglich gewesen sein, einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen, weil die Erkrankung nur zeitweise auftrete. Aus diesen Gründen sei die Berufung gegen die Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrages abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Der Beschwerdeführer stützt sich in seiner Beschwerde darauf, daß die Argumentation der belangten Behörde, wonach von einer Dispositionsunfähigkeit mangels Bestellung eines Sachwalters nicht ausgegangen werden könne, nicht schlüssig sei. Weiters sei die Behauptung der belangten Behörde unzutreffend, der Beschwerdeführer habe einen Rechtsvertreter mit der Durchführung eines Wiedereinsetzungsantrages beauftragt. In Wirklichkeit habe der rechtsfreundliche Vertreter den Beschwerdeführer in einem damals laufenden Gerichtsverfahren als Verfahrenshelfer vertreten und sei bei der Besprechung am 18. Oktober 1994 zufällig die Sprache auch auf die Aufenthaltsbewilligung gekommen. Der Beschwerdeführer sei damals der Meinung gewesen, mit seiner Eingabe am 18. Juli 1994 (gemeint:

Befund des Facharztes mit Eingangsstempel des Magistrates der Landeshauptstadt Salzburg vom 18. Juli 1994; im Akt als Beilage zur Eingabe des Generalkonsulates auffindbar) alles erledigt zu haben und sei der Wiederaufnahmsantrag auf Initiative des Rechtsvertreters vorsichtshalber eingebracht worden. Weiters sei die Feststellung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei trotz seiner psychischen Störung in der Lage gewesen, Fristen wahrzunehmen, nicht in den Beweisergebnissen gedeckt. Eine solche Feststellung hätte nur aufgrund eines psychiatrischen Gutachtens getroffen werden können, welches trotz des diesbezüglichen Antrages des Beschwerdeführers nicht eingeholt worden sei. Die vorgelegten Urkunden bestätigten grundsätzlich, daß der Beschwerdeführer durch seine psychische Erkrankung an der Einhaltung von Fristen behindert sei. So werde insbesondere im ärztlichen Befund des Facharztes vom 15. Juli 1994 dezidiert beschrieben, daß die psychische Erkrankung dem Beschwerdeführer das Einreichen des Antrages "vom 17. Jänner 1994" (gemeint wohl: vor dem 17. Jänner 1994) unmöglich gemacht habe. Der Beschwerdeführer sei auch dadurch in seinen Rechten verletzt, daß seine Eingabe am 18. Juli 1994 von der Behörde nicht behandelt und er nicht darüber aufgeklärt worden sei, daß diese Eingabe von der Behörde nicht als Berufung behandelt werde. Wenn er in ausreichender, auf seine psychische Erkrankung Bedacht nehmender Weise darauf hingewiesen worden wäre, daß diese Eingabe nicht als Berufung behandelt werde, hätte der Beschwerdeführer rechtzeitig einen Anwalt mit der Einbringung der Berufung beauftragen können. Diesfalls hätte fristgerecht geltend gemacht werden können, daß der Beschwerdeführer am 17. Jänner 1994 an der Einreichung des Antrages gehindert gewesen sei und hätte ihm daher die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung erteilt werden müssen.

Es bestehen keine Hinweise darauf, daß der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Bevollmächtigung seines Anwalts zur Einbringung des Antrags auf Wiedereinsetzung und der Berufung nicht prozeßfähig gewesen wäre. Hieraus folgt, daß die Eingabe vom 24. Oktober 1994 dem Beschwerdeführer zuzurechnen war und die an den Beschwerdeführer zu Handen seines Vertreters ergangenen Erledigungen vom 18. August 1995 und vom 11. Dezember 1995 wirksam zugestellt wurden und die Bescheiderlassung bewirkten. Die Beschwerde ist zulässig.

In seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand brachte der Beschwerdeführer vor, er sei "aufgrund einer psychischen Erkrankung und seiner Sprachschwierigkeiten weder in Lage die Rechtsmittelbelehrung zu verstehen, noch die Frist zur Erstattung der Berufung wahrzunehmen." Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, der Beschwerdeführer sei prozeßfähig, weil er durch die Bevollmächtigung eines Rechtsvertreters und durch die das Verfahren initiierende Antragstellung gezeigt habe, daß er durch seine Krankheit nicht völlig dispositionsunfähig sei und beruft sich diesbezüglich auf eine ärztliche Bestätigung der Landesnervenklinik Salzburg vom 19. Oktober 1993, wonach der Beschwerdeführer "voll orientiert, sein Bewußtsein klar und seine Gedankengänge zusammenhängend" sei(en). Dazu ist zu bemerken, daß die belangte Behörde diese von ihr genannte ärztliche Bestätigung unvollständig wiedergibt und sich die zitierte Beurteilung des Zustandes des Beschwerdeführers auf den Zeitpunkt der stationären Aufnahme des Beschwerdeführers in die Landesnervenklinik Salzburg am 1. September 1993 bezog; schon allein deshalb ist dieser (Teil des) zitierte(n) Befund(es)nicht geeignet, als Grundlage für eine Beurteilung eines während eines Verfahrens im Jahr 1994 vorliegenden Zustandes des Beschwerdeführers herangezogen zu werden. Auf die im Akt erliegenden ärztlichen Bestätigungen hinsichtlich der Krankheit des Beschwerdeführers im Jahr 1994 (Bericht über den stationären Aufenthalt des Beschwerdeführers vom 15. bis 18. Februar 1994, Befund vom 15. Juli 1994) geht die belangte Behörde bei ihrer Beurteilung der Handlungsfähigkeit des Beschwerdeführers mit keinem Wort ein. Die von der belangten Behörde zur Frage der Dispositionsfähigkeit getroffene Beweiswürdigung hält der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich ihrer Schlüssigkeit daher nicht stand.

Angesichts des im Antrag auf Wiedereinsetzung und in der Berufung erstatteten und belegten Vorbringens des Beschwerdeführers zu seiner Krankheit und der (im Falle des Zutreffens) damit verbundenen Unfähigkeit der Einhaltung von Fristen und Terminen hätte die belangte Behörde von Amts wegen die Frage der Prozeßfähigkeit des Beschwerdeführers prüfen müssen und nicht aus dem Umstand, daß für den Beschwerdeführer kein Sachwalter bestellt wurde, den Schluß ziehen dürfen, der Beschwerdeführer bedürfe keines solchen. Die von der belangten Behörde - auf Grundlage einer unvollständig wiedergegebenen ärztlichen Stellungnahme - getroffene Folgerung, der Beschwerdeführer sei trotz seiner psychischen Störung in der Lage, Fristen einzuhalten, steht im Gegensatz zum wesentlichen Inhalt einiger vom Beschwerdeführer vorgelegter ärztlicher Atteste (vgl. ärztliche Befunde vom 30. November 1993, vom 21. Februar 1994 und vom 15. Juli 1994), die ihm - jedenfalls bei Auftreten seiner Krankheitsschübe - gerade diese Fähigkeit absprechen. Die belangte Behörde hätte nach dem Vorgesagten die Frage der Prozeßfähigkeit des Beschwerdeführers aus eigenem als Vorfrage prüfen und das Ergebnis dieser Prüfung ihrer weiteren Vorgangsweise zugrundelegen müssen.

Trotz dieser Unterlassung der belangten Behöde wurde der Beschwerdeführer aber durch den angefochtenen Bescheid in keinem Recht verletzt. Dem Wiedereinsetzungsvorbringen sind nämlich keine Tatsachenbehauptungen zu entnehmen, aus denen sich ableiten ließe, daß der Beschwerdeführer zwar im Zeitpunkt der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides, nicht mehr jedoch bei Ablauf der Berufungsfrist zurechnungsfähig gewesen wäre. Hätte die Überprüfung der belangten Behörde die Handlungsunfähigkeit des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides erster Instanz ergeben, wäre ihm der erstinstanzliche Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 21. März 1994 nicht in rechtswirksamer Weise zugestellt worden. War dieser Bescheid aber gegenüber dem Beschwerdeführer nicht erlassen, konnte dieser auch keine Frist zur Erhebung der Berufung versäumen. Der auf Wiedereinsetzung in diese Frist gerichtete Antrag des Beschwerdeführers, der durch den angefochtenen Bescheid abgewiesen wurde, wäre diesfalls mangels Fristversäumnis zurückzuweisen gewesen.

Selbst bei Vorliegen der im Antrag gar nicht behaupteten Zurechnungsfähigkeit im Zeitpunkt der Bescheidzustellung, hätte der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand deshalb zurückgewiesen werden müssen, weil auch die Ausführungen des Beschwerdeführers in diesem Antrag zur Frage der Rechtzeitigkeit im Sinne des § 71 Abs. 2 AVG nicht ausreichend waren. Der Beschwerdeführer bringt nämlich nicht vor, daß er sich (spätestens) ab dem letzten Tag der Berufungsfrist zumindest bis zum 4. Oktober 1994 (2 Wochen vor Antragstellung) aufgrund seiner Erkrankung in einem die Dispositionsfähigkeit ausschließenden Zustand befunden habe und es ihm während dieses Zeitraumes nicht möglich gewesen sei, etwa (s)einen Rechtsvertreter aufzusuchen.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung hätte daher schon aus diesem ihm anhaftenden, nicht verbesserungsfähigen Mangel (vgl. den hg. Beschluß vom 8. Juli 1989, Slg. Nr. 10.025/A) von der Behörde erster Instanz zurückgewiesen werden müssen. Auch in diesem Fall wurden durch die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages statt dessen Zurückweisung aber Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abzusehen, zumal die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtsache nicht erwarten läßt, und Art. 6 MRK dem nicht entgegensteht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. Oktober 1998

Schlagworte

Handlungsfähigkeit Prozeßfähigkeit natürliche Person Öffentliches Recht Sachwalter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996193033.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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