TE Vwgh Erkenntnis 1998/10/16 97/19/1564

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Veröffentlicht am 16.10.1998
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §2 Abs3 Z3 idF 1995/351;
AufG 1992 §3 Abs1 idF 1995/351;
AufG 1992 §3 Abs1 Z1 idF 1995/351;
AufG 1992 §3 Abs1 Z2 idF 1995/351;
AufG 1992 §3 Abs3 idF 1995/351;
AufG 1992 §3 Abs4 idF 1995/351;
AufG 1992 §3 Abs5 idF 1995/351;
AufG 1992 §4 Abs1;
AufG 1992 §4 Abs3 idF 1995/351;
AufG 1992 §9 Abs3 idF 1995/351;
AufG 1992 §9 Abs3;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1997 §1 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des 1977 geborenen CT in Rumänien, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Juli 1997, Zl. 122.176/2-III/11/97, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit seiner am 13. August 1996 beim Landeshauptmann von Wien eingelangten Eingabe beantragte der Beschwerdeführer die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Als Aufenthaltszweck gab er die Familiengemeinschaft mit seiner in Österreich lebenden Mutter, einer Staatsangehörigen Rumäniens, an. Als besonders zu berücksichtigenden Grund für die Familienzusammenführung gab der Beschwerdeführer an, seine Mutter lebe schon etwa sechs Jahre in Österreich und sei Angehörige eines österreichischen Staatsbürgers. Auch wäre der Beschwerdeführer als Stiefsohn eines Österreichers von der Anwendung der Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausgenommen. Der Beschwerdeführer brachte zum Ausdruck, eine Ausbildung zum Automechaniker abgeschlossen zu haben. Dem Antrag ist eine Bestätigung eines inländischen Unternehmers angeschlossen, wonach dieser den Beschwerdeführer "nach Schaffung aller gesetzlichen Voraussetzungen" in seinem Betrieb als Kraftfahrzeugfacharbeiter nach den geltenden kollektivvertraglichen Bestimmungen aufzunehmen bereit wäre.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Juli 1997 wurde dieser Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 und § 4 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe seinen Antrag im wesentlichen darauf gestützt, daß er bei seiner Mutter in Österreich leben wolle und in weiterer Folge die Aufnahme einer Beschäftigung als Automechaniker beabsichtige. Im Falle des Beschwerdeführers bestehe aber kein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Bewilligung. Die Behörde habe daher im Rahmen des ihr vom Gesetz eingeräumten Ermessensspielraumes eine Entscheidung zu treffen gehabt. Angesichts der im Vergleich zu den festgesetzten Quotenplätzen wesentlich größeren Anzahl von Anträgen müßten von der Behörde unter Berücksichtigung der individuellen Voraussetzungen Prioritäten gesetzt werden. Die Behörde habe dabei Aufenthaltsbewilligungen vorrangig in Fällen der Familienzusammenführung, einer länger andauernden Ehe oder eines bereits länger bestehenden gesetzmäßigen Aufenthaltes in Österreich zu erteilen. Gerade die besonders heikle Situation im Bereich des Fremdenwesens erfordere eine besondere Sorgfalt bei der Beurteilung der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Die Prüfung des Antrages des Beschwerdeführers habe ergeben, daß weder ein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Bewilligung vorliege noch sonstige berücksichtigungswürdige Gründe gegeben seien. Zwar bestünden durch den Aufenthalt der Mutter des Beschwerdeführers Bindungen in Österreich. Diese seien jedoch gegenüber dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK hintanzustellen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 2, § 3, § 4 und § 9 AufG lauteten auszugsweise:

"§ 2. (1) Die Bundesregierung hat, im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates, für jeweils ein Jahr mit Verordnung die Anzahl der Bewilligungen festzulegen, die höchstens erteilt werden dürfen. Sie hat dabei die Entwicklung eines geordneten Arbeitsmarktes sicherzustellen und auf den Wohnungsmarkt, die Möglichkeiten, insbesondere im Bereich des Schul- und Gesundheitswesens, auf die allgemeine innerstaatliche demographische Entwicklung sowie auf die Zahl der Fremden, die sich in Österreich bereits niedergelassen haben, auf die Zahl der Asylwerber und auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit Bedacht zu nehmen. Die Zahl der Personen, denen jeweils im vorangegangenen Jahr Asyl gewährt wurde, und der Personen, denen sonst ein dauerndes Aufenthaltsrecht eingeräumt wurde, ist bei der Festlegung der Zahl anzurechnen.

(2) Die Bundesregierung hat in dieser Verordnung im Interesse einer den Möglichkeiten und Erfordernissen (Abs. 1) der einzelnen Länder entsprechenden Verteilung von Fremden im Bundesgebiet die Bewilligungen auf die Länder aufzuteilen. Der Landeshauptmann eines Landes, in dem die Zahl der in diesem Land bereits niedergelassenen Fremden den Bundesdurchschnitt erheblich übersteigt, kann die Ausschöpfung der für dieses Bundesland vorgesehenen Zahl von Bewilligungen unter Bedachtnahme auf § 3 und die in Abs. 1 angeführten Möglichkeiten und Erfordernisse mit Verordnung regeln.

(3) Die Bundesregierung kann in dieser Verordnung insbesondere

.....

3. unter Bedachtnahme auf Abs. 1 eine besondere Zahl von Bewilligungen für den Familiennachzug gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 festlegen,

.....

(6) Sofern eine wesentliche Änderung der Umstände dies notwendig macht, hat die Bundesregierung diese Verordnung auch während ihrer Geltungsdauer unter Beachtung der Abs. 1 bis 4 abzuändern.

§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten

1.

von österreichischen Staatsbürgern oder

2.

von Fremden, die auf Grund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerks oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 bis 5 rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben,

ist nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z 3 und 4 eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.

.....

(3) Die Fristen des Abs. 1 Z 2 und des Abs. 2 können verkürzt werden, wenn der Ehegatte bzw. die Kinder im gemeinsamen Haushalt gelebt haben und ihr Lebensunterhalt und ihre Unterkunft ausreichend gesichert sind.

(4) In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen und unter denselben Voraussetzungen kann, wenn dies zur Vermeidung einer besonderen Härte geboten ist, eine Bewilligung auch volljährigen Kindern und Eltern der in Abs. 1 genannten Personen erteilt werden, wenn sie von diesen wirtschaftlich abhängig sind.

(5) Übersteigt die Zahl der Anträge nach Abs. 1 Z 2 voraussichtlich die festgelegte Zahl von Bewilligungen (§ 2 Abs. 3 Z 3), so sind Bewilligungswerber bevorzugt zu berücksichtigen, denen auf Grund persönlicher Umstände eine sofortige Integration möglich ist oder bei denen eine Familienzusammenführung besonders dringlich ist.

§ 4. (1) Eine Bewilligung kann Fremden unter Berücksichtigung der gemäß § 2 erlassenen Verordnungen sowie unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in dem Land des beabsichtigten Aufenthaltes erteilt werden, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt.

.....

(3) Eine Bewilligung gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 ist jeweils mit der gleichen Befristung zu erteilen wie die der Bewilligung des Ehegatten bzw. Elternteiles oder Kindes, bei der ersten Bewilligung aber höchstens für die Dauer von fünf Jahren.

§ 9. ....

(3) Sobald die gemäß § 2 Abs. 1 festgelegte Anzahl von Bewilligungen für eine in der Verordnung bestimmte Gruppe erreicht ist, dürfen für solche Personen keine weiteren Bewilligungen erteilt werden. Die Entscheidung über die zu diesem Zeitpunkt anhängigen und danach einlangenden Anträge ist bis zum Inkrafttreten einer nachfolgenden Verordnung gemäß § 2 aufzuschieben, die für solche Personen eine neue Zahl von Bewilligungen vorsieht. § 73 AVG und § 27 VwGG ist in diesem Fall nicht anwendbar."

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (12. August 1997) ist für seine Überprüfung die Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1997, BGBl. Nr. 707/1996, maßgeblich. § 1 dieser Verordnung lautete auszugsweise:

"§ 1. (1) Im Jahr 1997 dürfen - außerhalb der in § 2 festgelegten Zahl von Bewilligungen - höchstens 17.320 Bewilligungen erteilt werden.

(2) Die Anzahl dieser Bewilligungen wird in folgendem Verhältnis auf die Länder aufgeteilt:

.....

Wien: insgesamt höchstens 5400 Bewilligungen, aufgeteilt auf:

.....

höchstens 2600 Bewilligungen für den Familiennachzug (§ 1 Abs. 1 Z 3 der Verordnung BGBl. Nr. 395/1995),

.....

höchstens 950 Bewilligungen für Erwerbstätige, Schüler, Pensionisten und privat Aufhältige (§ 1 Abs. 1 Z 1, 2, 6, 7 und 8 der Verordnung, BGBl. Nr. 395/1995)."

§ 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Aufenthaltszwecke und die Form der Aufenthaltsbewilligung, BGBl. Nr. 395/1995, lautete:

"§ 1. (1) Aufenthaltsbewilligungen können für folgende Aufenthaltszwecke erteilt werden:

1. Unselbständige Erwerbstätigkeit

.....

3. Familiengemeinschaft mit Fremden

.....

8. Privater Aufenthalt."

Im Hinblick auf die Volljährigkeit des Beschwerdeführers zählt dieser nicht zu dem unter § 3 Abs. 1 AufG umschriebenen Personenkreis. Eine Bewilligung gemäß § 3 AufG könnte dem Beschwerdeführer nur dann erteilt werden, wenn dieser unter die Ausnahmebestimmung des § 3 Abs. 3 und 4 AufG fiele. Dies setzte u.a. voraus, daß ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall vorläge und die Erteilung der Bewilligung zur Vermeidung einer besonderen Härte geboten wäre.

Um von einem besonderen Härtefall bei volljährigen Kindern von Fremden sprechen zu können, muß bei diesen Personen eine der Abhängigkeit von Minderjährigen gleichzuhaltende Abhängigkeit von einem Elternteil vorliegen, welche über eine bloß wirtschaftliche Abhängigkeit hinausgeht. Da das Gesetz die wirtschaftliche Abhängigkeit als eigenes Tatbestandsmerkmal vorsieht, hat diese Ausnahmebestimmung, die als weiteres Tatbestandsmerkmal das Vorliegen einer besonderen Härte normiert, volljährige, von ihren Eltern wirtschaftlich abhängige Kinder vor Augen, deren individuelle Lebenssituation sich von der allgemeinen Lage anderer, von ihren Eltern wirtschaftlich abhängiger volljähriger Fremder unterscheidet. Da durch die in Rede stehende Gesetzesbestimmung volljährige Kinder ausnahmsweise minderjährigen Kindern gleichgestellt werden, wird ein Fall besonderer Härte im besonderen dann gegeben sein, wenn die Schutzbedürftigkeit und Abhängigkeit des Volljährigen (außerhalb der bloß wirtschaftlichen Abhängigkeit) mit jener eines minderjährigen Kindes vergleichbar ist (z.B. wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen). Darüber hinaus muß es die besondere, individuelle Lebenssituation des Fremden zur Vermeidung einer besonderen Härte geboten erscheinen lassen, im Inland einen Hauptwohnsitz zu begründen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. September 1997, Zl. 96/19/0685).

Auf Basis dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes rechtfertigen aber die vom Beschwerdeführer in seinem Antrag ins Treffen geführten Gründe nicht, ihn der Ausnahmebestimmung des § 3 Abs. 3 und 4 AufG zu unterstellen. Als Stiefkind eines österreichischen Staatsangehörigen zählt der Beschwerdeführer - auch abgesehen von seiner Volljährigkeit - nicht zu dem in § 3 Abs. 1 Z. 1 AufG umschriebenen Personenkreis (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1998, Zl. 97/19/1800). Daher liegt auch keine dem hg. Erkenntnis vom 5. Juni 1998, Zl. 97/19/0441, vergleichbare Konstellation vor.

Damit ist aber für den hier vorliegenden Antrag lediglich ausgesagt, daß aus § 3 Abs. 1 AufG kein Rechtsanspruch des Beschwerdeführers auf die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung abgeleitet werden kann und es der belangten Behörde überdies verwehrt war, im Wege einer gesonderten Ermessensentscheidung gemäß § 3 Abs. 4 AufG eine Bewilligung im Sinne des § 3 Abs. 1 AufG dennoch zu erteilen und damit in Ansehung der Bewilligungsdauer die (privilegierende) Bestimmung des § 4 Abs. 3 AufG anzuwenden. Hingegen war es der belangten Behörde nicht verwehrt, im Wege einer Ermessensentscheidung gemäß § 4 Abs. 1 AufG dem Beschwerdeführer auch aus den geltend gemachten privaten und familiären Gründen eine Bewilligung zu erteilen (vgl. hiezu das zum Fall der Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung ergangene hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1997, Zl. 96/19/2101). Die belangte Behörde hat daher nach Verneinung des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 3 AufG zutreffend geprüft, ob dem Beschwerdeführer im Wege einer Ermessensentscheidung eine Bewilligung gemäß § 4 Abs. 1 AufG zu erteilen war.

Die Festlegung einer besonderen Quote für das Bundesland Wien für den Familiennachzug in der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1997, BGBl. Nr. 707/1996, erfolgte in Ausnützung der gesetzlichen Ermächtigung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 3 AufG. Diese Ermächtigung erstreckt sich jedoch ausschließlich auf den Familiennachzug gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG, setzt also das Vorliegen eines Anspruches gemäß § 3 AufG voraus.

Auf Grund der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten familiären Umstände, aber auch auf Grund der von ihm beabsichtigten Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet hätte die belangte Behörde seinen Antrag daher nicht im Rahmen der besonderen Quote für den Familiennachzug, sondern im Rahmen der für die Erteilung von Bewilligungen an Erwerbstätige, Schüler, Pensionisten und privat Aufhältige vorgesehenen Quote berücksichtigen dürfen.

Schon aus diesem Grund erweist sich das Argument der belangten Behörde, sie habe im Rahmen der Quote für Familienzusammenführung bestimmte Gruppen von Fremden vorrangig zu behandeln, im vorliegenden Zusammenhang als verfehlt. Darüber hinaus ist allerdings folgendes zu beachten:

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt darlegte, war die Behörde sowohl nach der Rechtslage vor, als auch nach jener nach Inkrafttreten der Novelle zum Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 351/1995, bei der Reihenfolge der Vergabe offener Quotenplätze gehalten, nach pflichtgebundenem Ermessen vorzugehen. Eine der dabei zu beachtenden Ermessensdeterminanten stellte der Zeitpunkt der Antragstellung dar (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 12. September 1997, Zl. 95/19/1665, und den hg. Beschluß vom 13. Februar 1998, Zl. 96/19/3271).

Damit ist aber ausgesagt, daß die Behörde auch außerhalb des Anwendungsbereiches des § 3 Abs. 5 AufG, welcher dies für Ansprüche gemäß § 3 AufG ausdrücklich vorsieht, im Rahmen der jeweiligen Quote Bewilligungswerber bevorzugt zu berücksichtigen hatte, bei denen die Erteilung einer Bewilligung besonders dringlich erschien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nun (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1997, Zlen. 95/19/0629 bis 0631) dargelegt, daß im Rahmen der Bestimmung des § 3 Abs. 5 AufG das Vorhandensein dringlicherer anderer Anträge nicht zur Abweisung des weniger dringlicheren Antrages, sondern lediglich zum Hintanreihen seiner Behandlung führe. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird zunächst gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen. Sie finden im Hinblick auf die - wie oben dargelegt - Gleichartigkeit der Situation im Rahmen der Bewirtschaftung anderer Quoten als jener nach § 3 AufG ebenfalls Anwendung. Indem die belangte Behörde entgegen den vorstehenden Ausführungen die Auffassung vertrat, schon das Vorhandensein dringlicherer Anträge rechtfertige eine abweisende Ermessensentscheidung gemäß § 4 Abs. 1 AufG, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit einer auf § 4 Abs. 1 AufG gestützten abweislichen Ermessensentscheidung im hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1996, Zl. 95/19/0338, im übrigen folgendes ausgeführt:

"Die Behörden sind bei einer Entscheidung nach § 4 Abs. 1 AufG unabhängig davon, ob eine Verordnung des Landeshauptmannes nach § 2 Abs. 2 AufG ergangenen ist - was hier für das Bundesland Wien nicht der Fall war -, nicht verhalten, die für Fremde, die nicht unter § 3 Abs. 1 AufG fielen, geschaffenen Quoten auszuschöpfen. § 4 Abs. 1 AufG ermächtigt daher die Behörde, einen Bewilligungsantrag abzuweisen, auch wenn der Fremde unter Berücksichtigung der Zahl der übrigen Bewerber in der Quote durchaus Platz fände. § 4 Abs. 1 AufG nennt die 'Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in dem Land des beabsichtigten Aufenthaltes' als einziges Kriterium für eine in Ansehung solcher Fremder getroffene Ermessensentscheidung. Damit sind die in § 2 Abs. 1 AufG umschriebenen Verhältnisse im Land des beabsichtigten Aufenthaltes gemeint. Deren Berücksichtigung ist aber bereits durch die Bundesregierung bei der Aufteilung der Quoten gemäß § 2 Abs. 2 AufG erfolgt. Auch zwischenzeitlich geänderte Verhältnisse wären nach § 2 Abs. 6 AufG schon von der Bundesregierung zu berücksichtigen. Für sich allein genommen stellt daher auch der zweite Tatbestand des § 4 Abs. 1 AufG nur ein Kriterium für eine Ermessensentscheidung dar. Diese hat nach dem Vorgesagten so zu erfolgen, daß die in analoger Anwendung des § 7 Abs. 3 FrG heranzuziehenden persönlichen Verhältnisse und die dadurch begründeten Interessen des Fremden an der Erteilung einer Bewilligung, soweit diese nicht ohnedies schon aus dem Grunde des Art. 8 Abs. 1 MRK der Versagung der Bewilligung entgegenstehen, den im § 2 Abs. 1 AufG umschriebenen Verhältnissen im Land des beabsichtigten Aufenthaltes gegenüberzustellen sind. Ergibt diese Abwägung infolge der Geringfügigkeit der für die Erteilung sprechenden persönlichen Interessen des Fremden, daß die sich aus der Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in dem Land des beabsichtigten Aufenthaltes ergebenden öffentlichen Interessen an einer Verweigerung der Bewilligung, mögen letztere auch der Erteilung einer Bewilligung an Fremde mit intensiveren persönlichen Interessen nicht entgegenstehen, überwiegen, kann eine auf § 4 Abs. 1 AufG gestützte abweisliche Entscheidung ergehen. "

Auf Basis dieser Ausführungen vermag aber auch das Begründungselement im angefochtenen Bescheid, es lägen keine sonstigen berücksichtigungswürdigen Gründe vor, eine abweisende Entscheidung gemäß § 4 Abs. 1 AufG nicht zu tragen. Den diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Bescheid ist nämlich nicht zu entnehmen, daß die belangte Behörde auch bei Wegfall der auf das Vorhandensein dringenderer Anträge fußenden Argumentation und unter Zugrundelegung der in dem zitierten Erkenntnis vom 17. Oktober 1996 erstellten Prämissen eine abweisliche Entscheidung getroffen hätte. Eine derartige Ermessensübung wäre auch nicht im Sinne des Gesetzes erfolgt, hatte der Beschwerdeführer doch nicht unerhebliche - wenngleich nicht im Sinne des § 3 Abs. 4 AufG besonders berücksichtigungswürdige - Gründe für seinen Aufenthalt im Bundesgebiet (Anwesenheit seiner mit einem österreichischen Staatsbürger verheirateten Mutter, erst seit kurzem erreichte Volljährigkeit, Vorhandensein eines Arbeitsplatzes im Inland und ausländerbeschäftigungsrechtliche Zulässigkeit seiner Erwerbstätigkeit) ins Treffen geführt.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des geltend gemachten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Kosten aus dem Titel der Umsatzsteuer können neben dem Pauschalbetrag für den Ersatz von Schriftsatzaufwand nicht zugesprochen werden (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 687 wiedergegebene Judikatur).

Wien, am 16. Oktober 1998

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Ermessen Ermessen VwRallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997191564.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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