TE Vwgh Erkenntnis 1998/10/19 97/10/0034

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Veröffentlicht am 19.10.1998
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Index

L55006 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Steiermark;
L55056 Nationalpark Biosphärenpark Steiermark;
001 Verwaltungsrecht allgemein;

Norm

NatSchG Stmk 1976 §2 Abs1 litb;
NatSchG Stmk 1976 §2 Abs1;
NatSchG Stmk 1976 §6 Abs6;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Binder-Krieglstein, über die Beschwerde des FE und des AK, beide in W, beide vertreten durch Dr. Erich Proksch und Dr. Diethard Schimmer, Rechtsanwälte in Wien XIII, Auhofstraße 1, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 3. Juni 1996, Zl. 6-55 K 4/5-1996, betreffend naturschutzrechtliche Bewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 30. März 1995 beantragten die Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Murau (BH) die Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung für ein näher beschriebenes Bauvorhaben (Wohnhausneubau) auf Parzelle Nr. 595/3, KG. K.

Die BH beraumte für den 29. Juni 1995 eine mündliche Augenscheinsverhandlung an Ort und Stelle an. Im Rahmen dieser Verhandlung wurde von der Amtssachverständigen Dipl.-Ing. P. ausgeführt, das Vorhaben der Beschwerdeführer sei im Landschaftsschutzgebiet Nr. 11 gelegen. Das Grundstück befinde sich in der sogenannten "Krakau", es liege ungefähr in der Mitte zwischen den Ortsteilen Krakauebene und Klausen, unmittelbar oberhalb der diese Ortsteile verbindenden Landesstraße L 522. Das - näher beschriebene - Gebäude solle zur westlichen Grundstücksgrenze einen Abstand von ca. 6 m aufweisen und zur südlichen Grundstücksgrenze einen Abstand von ca. 12 m. "Der Umraum des Grundstückes wird geprägt von landwirtschaftlich genutzten Wald- und Wiesenflächen, der Ortschaft Krakauebene im Osten, der Ortschaft Klausen im Westen und einer südlich der Landesstraße unterhalb des verfahrensgegenständlichen Grundstücks liegenden Gebäudegruppe. Etwas oberhalb des gegenständlichen Grundstückes befinden sich entlang eines Weges Einzelbebauungen, teilweise Gruppenbebauungen (Wohnhäuser). Diese weisen zur Landesstraße einen Abstand von durchschnittlich mehr als 200 m auf, liegen durch die Geländesituation für den Betrachter nicht unmittelbar im Brennpunkt, sondern deutlich erhöht. Die Landschaft und somit das Erscheinungsbild der Krakau wird durch einzelne im Freiland befindliche Wohngebäude bereits störend beeinflußt, aus fachlicher Sicht kann jedoch aus bereits vorhandenen, die Landschaft störenden Gebäuden nicht ein Recht abgeleitet werden, weitere Punktbebauungen und somit weitere Zersiedelungen vorzunehmen.

Wie bereits oben erwähnt, befindet sich das gegenständliche Grundstück ungefähr in der Mitte zwischen zwei Ortsteilen. Gerade zwischen dem Ortsteil Krakauebene und Klausen befindet sich oberhalb der Landesstraße zur Zeit noch kein Wohngebäude. Das gegenständliche Gebäude würde somit in diesem Bereich das einzige, unmittelbar oberhalb der Landesstraße befindliche Wohngebäude zwischen den Ortsteilen sein." Zum Einwand der Beschwerdeführer, es befänden sich auf bzw. in der Nähe des Grundstücks Strom- und Telephonleitungen, ein Trafogebäude, eine Wasserfassung und dergleichen, werde fachlicherseits bemerkt, "daß Zweckbauten für die Land- und Forstwirtschaft sowie der Versorgung dienende Bauten, wie Stromleitungen und dgl. zwar sicherlich auch als landschaftsstörend empfunden werden können, jedoch vom Betrachter zumeist durch ihre funktionelle Notwendigkeit bedingt, in ihrer Störung subjektiv schwächer empfunden werden. Wohngebäude, die nicht im öffentlichen Interesse und somit einem 'Einzelwohl' dienen, werden erfahrungsgemäß vom Betrachter, sofern sie als landschaftsstörend empfunden werden, in der Empfindung noch subjektiv verstärkt.

Das gegenständliche Grundstück grenzt, wie bereits erwähnt, im Süden an die Landesstraße L 522 an. Diese führt hier entlang eines von Nord nach Süd zum Tal abfallenden Hanges und verläuft ohne größere Richtungsänderungen von Krakauebene nach Klausen. Südlich des gegenständlichen Grundstückes befindet sich eine Gebäudegruppe. Im Norden sind an die Landesstraße angrenzende Grundstücke von der Ortschaft Krakauebene bis Klausen zur Gänze von einer Wohnbebauung freigehalten.

Ein Gebäude wird auf dem richtigen Standort empfunden, wenn es in einer geschlossenen Ortschaft oder in direkter Fortsetzung einer solchen errichtet wird. Diese Empfindung beruht nicht zuletzt auf der historischen Entwicklung der Städte und Ortschaften. Außerhalb der Ortschaften befanden sich im ländlichen Raum der Krakau vorwiegend bäuerliche Anwesen mit den dazugehörigen Wirtschaftsgebäuden. Die in jüngster Vergangenheit auch in der Krakau zum Teil durch mangelnde Raumordnung außerhalb von Ortschaften errichteten Wohngebäude, losgelöst und ohne jeden Bezug zum bäuerlichen Gehöft oder zu einer Ortschaft, werden meist als falsch plaziert und störend empfunden. Punktbebauungen bedingen Zersiedelungen. Zersiedelungen werden in einer Landschaft wie der Krakau, welche durch Ortschaften und weit verstreute Bauerngehöfte u.a. geprägt wird, als nicht ortstypisch und störend empfunden.

Die im Süden gelegene Gebäudegruppe besteht aus einem bäuerlichen Wohnhaus, einem alten Wirtschaftsgebäude, einem alten hölzernen Wohnhaus, einem neueren verputzten Zweifamilienwohnhaus und einem kleinen alten Holzschuppen. Die Gebäudegruppe liegt durch die Hanglage bedingt unterhalb der Landesstraße, welche in diesem Bereich annähernd geradlinig verläuft.

Ein optisches Anhängen des geplanten Gebäudes an diese Gebäudegruppe, welche untereinander recht geringe Gebäudeabstände aufweist (ca. 10 m), kann nicht erreicht werden. Die Breite der Landesstraße (ca. 5 m) und die Lage des Gebäudes auf dem Grundstück (ca. 10 m) läßt eine zu große Lücke entstehen. Verstärkt wird diese Wirkung noch durch die topographische Situation des Grundstückes (durch Hanglage deutlich oberhalb der Gebäudegruppe) und durch die Lage des Grundstückes zur Gebäudegruppe. Die Wohnhäuser der Gebäudegruppe befinden sich östlich des Grundstückes, direkt unterhalb des gegenständlichen Grundstückes befindet sich das Wirtschaftsgebäude, welches einen Abstand von ca. 20 m zur Straße aufweist. Der Gesamtabstand zwischen den beiden Gebäuden (Wirtschaftsgebäude - geplantes Wohngebäude) würde demnach ca. 37 m betragen. Dieser Abstand ist deutlich größer als die bereits vorhandenen.

Natürlich gewachsene Gebäudegruppen bedingen zumeist auch Richtungsänderungen von durchführenden Straßen, Wegen und dgl. Die Geradlinigkeit der Straße läßt eine Zugehörigkeit des geplanten Gebäudes oberhalb dieser Straße zur bestehenden Hausgruppe nicht zu. Die Trennlinie Straße wird als scharfkantig, durchschneidend und abtrennend empfunden. Das geplante Gebäude wird somit nicht Teil der Gebäudegruppe sein und auch nicht zu den Ortschaften Klausen oder Krakauebene zugehörig empfunden werden. Es wird der Landschaft sozusagen 'aufgesetzt', eine weitere Zersiedelung darstellen. Es wird auf einer exponierten Fläche (Hanglage oberhalb der Landesstraße), einzeln dastehen und als Punktbebauung nördlich der Landesstraße deutlich wahrnehmbar sein. Durch die Geradlinigkeit der Landesstraße und die Hanglage des Grundstückes ist die Einsehbarkeit bereits von Ferne bis zur Annäherung sowohl von Klausen kommend, als auch von Krakauebene kommend, von der Landesstraße aus deutlich gegeben.

Laut örtlichem Flächenwidmungsplan und Angabe des Herrn Bürgermeisters sind im nördlichen Bereich oberhalb der Landesstraße zwischen Krakauebene und Klausen an die Landesstraße angrenzend, keine weiteren Baugrundstücke ausgewiesen und werden auch künftig in absehbarer Zeit keine weiteren Bebauungen geplant sein.

Das Steiermärkische Naturschutzgesetz § 2 Abs. 1 lit. a und b normiert, daß zur Vermeidung von Änderungen, die das Landschaftsbild verunstalten, auf die Erhaltung und Gestaltung der Landschaft in ihrer Eigenart (Landschaftscharakter) sowie in ihrer Erholungswirkung (Wohlfahrtsfunktion) Bedacht zu nehmen ist. Diese im Gesetz angeführten Begriffe sind in Regionen, die zur Erholung dienen (Krakau), eng mit Harmonie und Ordnung verbunden. Vor allem der Begriff Ordnung im Sinne einer harmonischen und den Sehgewohnheiten entsprechenden Zuordnung baulicher Anlagen zueinander und in der Landschaft, ist ein wesentliches Kriterium für die Qualität eines Landschaftsbildes und somit auch für dessen Erholungs- und Wohlfahrtsfunktion. Eine weitere Zersiedelung wird in diesem Bereich die Harmonie wesentlich beeinträchtigen und aus oben bereits erwähnten Gründen das Landschaftsbild im Sinne des Steiermärkischen Naturschutzgesetzes nachhaltig stören." Auf die äußere Gestalt des Bauwerks sei nicht näher einzugehen, weil aus der Sicht des Naturschutzes das gegenständliche Grundstück von jeglicher Wohnbebauung freizuhalten sei. Würde die Lage des geplanten Gebäudes im Anhang zu einem Ortsteil sein, oder zu einer Gebäudegruppe gehörend empfunden werden, so werde allgemein bemerkt, daß es sich dabei um ein für das Landschaftsgebiet gefälliges Bauwerk handle. Eine Verschiebung des Gebäudes Richtung Osten würde zwar die Gebäudeabstände des geplanten Wohnhauses zur Gebäudegruppe verringern und diesbezüglich eine Verbesserung bringen, die Tatsache der Abseitsstellung, die sich durch die durchtrennende Landesstraße ergebe, jedoch nicht beseitigen. Eine Bepflanzung des Grundstückes würde die Bebauung zwar größtenteils verdecken, aus großräumiger Betrachtungsweise würde es aber eine Einzelbepflanzung auf westlich, nördlich und östlich angrenzenden Wiesenflächen sein. Die Wohnbebauung, also die geänderte Nutzung des Grundstückes gegenüber den angrenzenden Flächen wäre somit weiterhin punktweise spürbar.

Die Beschwerdeführer hielten dem Gutachten im wesentlichen entgegen, es sei bei der Bauplatzwidmung ausdrücklich auf den Landschaftscharakter Bezug genommen worden. Aus fernerer Betrachtungsweise von Süden her stelle der Bauplatz mit der Häusergruppe eine Einheit dar, von Krakauebene kommend sei das Gebäude nicht erkennbar. Es bestehe im übrigen ein hoher Baumbewuchs. Von einer exponierten Lage könne keine Rede sein, weil es sich um einen gleichmäßig geneigten Hang handle und das Gebäude nicht herausrage. Das Gebiet in der Krakau zeichne sich durch Einzelbauweise aus, Zweck der Landschaftsschutzverordnung sei der Schutz der seltenen Charakteristik der Kulturlandschaft, es gehe auch um die Erhaltung der Siedlungsform. Das von den Beschwerdeführern geplante Gebäude entspreche der charakteristischen Bebauungsweise. Auf der Bebauungsseite der Landesstraße befänden sich Laternen, mit der Errichtung eines Gehsteiges werde in Kürze begonnen, ebenso solle ein Kanalvorhaben in Angriff genommen werden; Wasserleitungen bestünden bereits. Es sei unrichtig, daß es auf der rechten Seite der Landesstraße keine Gebäude gebe. Zwischen der Gebäudegruppe und dem Bauvorhaben der Beschwerdeführer bestehe keine auffällige Distanz. Vielmehr befinde sich der Schuppen unmittelbar an der Straße und sei 17 m vom geplanten Gebäude der Beschwerdeführer entfernt.

Mit Schriftsatz vom 5. Juli 1995 legten die Beschwerdeführer Lichtbilder ihres Grundstückes und der näheren Umgebung vor und verwiesen u.a. auf die oberhalb wie unterhalb der Landesstraße bestehende Verbauung mit Häusern.

Über Ersuchen der BH, im Hinblick auf das bisherige Verfahrensergebnis zum Projekt der Beschwerdeführer "aus der Sicht des Naturschutzbeauftragten" Befund und Gutachten zu erstatten, führte der Bezirksnaturschutzbeauftragte - unter Hinweis auf die Beschreibung des in Rede stehenden Grundstückes und dessen Beziehung zum Umfeld im Gutachten der Amtssachverständigen vom 29. Juni 1995 - mit Schreiben vom 31. Juli 1995 im wesentlichen aus, das vorhandene Landschaftsbild werde von einer Streusiedlung beherrscht, Wohngebäude und Gehöfte wechselten sich ab, sodaß durch ein zusätzliches Wohngebäude keine großen Auswirkungen auf das Landschaftsbild zu erwarten seien. Aus der Sicht des Natur- und Landschaftsschutzes könne das Bauvorhaben in der geplanten Form positiv beurteilt werden.

Mit Bescheid der BH vom 17. November 1995 wurde den Beschwerdeführern die naturschutzrechtliche Bewilligung zur Errichtung des in Rede stehenden Wohnhauses nach Maßgabe der gekennzeichneten und einen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Projektunterlagen gemäß § 6 Abs. 3 lit. c i.V.m. § 21 NSchG erteilt. Hiezu wurde - nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Gesetzesbestimmungen - ausgeführt, das vorhandene Landschaftsbild werde - wie sich die Behörde anläßlich der Verhandlung an Ort und Stelle habe überzeugen können - im fraglichen Bereich von einer Streusiedlung beherrscht, wobei sich Wohngebäude und Gehöfte abwechselten. Aus Krakauebene kommend befinde sich unmittelbar nach der Ortstafel Krakauebene auf der rechten Seite ein Wohnhaus, danach folge, ebenfalls auf der rechten Straßenseite unmittelbar vor dem Bauplatz ein Transformatorgebäude. Auf der rechten Straßenseite befänden sich Straßenlaternen, laut Auskunft der Gemeinde sei hier auch die Errichtung eines Gehsteiges und die Verlegung eines Kanals beabsichtigt. Gegenüber dem beantragten Objekt befinde sich die im Sachverständigengutachten beschriebene Häusergruppe, nördlich davon befänden sich entlang eines Aufschließungsweges mehrere einzelne Wohnhäuser und Ferienwohnhäuser. Bei dem von den Beschwerdeführern beantragten Wohnhaus handle es sich um "ein für das Landschaftsbild gefälliges Bauwerk", nachteilige Auswirkungen auf Natur und Landschaft seien nicht zu erwarten, die BH schließe sich diesbezüglich den Ausführungen des Naturschutzbeauftragten an. Im übrigen liege das Bauvorhaben der Beschwerdeführer unmittelbar an der durch die Landesstraße gebildeten Grenze des Landschaftsschutzgebietes Nr. 11.

Gegen diesen Bescheid erhob der Umweltanwalt Berufung und brachte im wesentlichen vor, der BH seien einander widersprechende Gutachten vorgelegen. Statt die Gutachten auf ihre Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit zu überprüfen und entsprechend zu würdigen, habe die Behörde ihre Entscheidung auf das Gutachten des Bezirksnaturschutzbeauftragten gestützt, obwohl dieses Gutachten nicht schlüssig und nachvollziehbar sei bzw. auf ihre eigenen Wahrnehmungen.

Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 3. Juni 1996 wurde der Berufung Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und den Beschwerdeführern die beantragte Bewilligung verweigert. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, das Gutachten des Naturschutzbeauftragten entspreche nicht den Anforderungen, die an ein Gutachten zu stellen seien, hingegen setze sich das "Gutachten der Bausachverständigen" mit den entscheidenden Fragen der Auswirkungen im Sinne des § 2 Abs. 1 NSchG eingehend auseinander und komme schlüssig zum Ergebnis, daß das in Rede stehende Grundstück einer Bebauung nicht zugeführt werden könne. Diese Aussage decke sich auch mit den Intentionen des Flächenwidmungsplanes, der für dieses Gebiet eine Freilandausweisung vorsehe.

Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluß vom 8. Oktober 1996, B 2315/96, abgelehnt hatte, dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß das Bauvorhaben der Beschwerdeführer im räumlichen Geltungsbereich der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 22. Juni 1981, über die Erklärung von Gebieten der Schladminger Tauern zum Landschaftsschutzgebiet ("Landschaftsschutzgebiet Nr. 11 (Schladminger Tauern bis zum Sölkerpaß)"), LGBl. Nr. 54/1981, liegt und gemäß § 6 Abs. 3 lit. c NSchG einer Bewilligung der Naturschutzbehörde bedarf.

Nach § 6 Abs. 6 NSchG ist eine Bewilligung gemäß Abs. 3 zu erteilen, wenn die Ausführung des Vorhabens keine Auswirkungen im Sinne des § 2 Abs. 1 NSchG zur Folge hat.

Gemäß § 2 Abs. 1 NSchG ist bei allen Vorhaben, durch die nachhaltige Auswirkungen auf Natur und Landschaft zu erwarten sind, zur Vermeidung von die Natur schädigenden, das Landschaftsbild verunstaltenden oder den Naturgenuß störenden Änderungen

a)

auf die Erhaltung des ökologischen Gleichgewichtes der Natur,

b)

auf die Erhaltung und Gestaltung der Landschaft in ihrer Eigenart (Landschaftscharakter) sowie in ihrer Erholungswirkung (Wohlfahrtsfunktion) Bedacht zu nehmen und

              c)              für die Behebung von entstehenden Schäden Vorsorge zu treffen.

Eine Bewilligung im Sinne des § 6 Abs. 6 NSchG ist demnach zu erteilen, wenn nicht das Vorhaben einen Eingriff in das ökologische Gleichgewicht der Natur, in den Landschaftscharakter oder die Wohlfahrtsfunktion darstellt, durch den die Natur geschädigt, das Landschaftsbild verunstaltet oder der Naturgenuß gestört wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. März 1998, Zl. 97/10/0144, und die hier zitierte Vorjudikatur).

Die belangte Behörde hat dem angefochtenen Bescheid - dem Gutachten der von der Erstbehörde beigezogenen Sachverständigen folgend - die Auffassung zugrunde gelegt, das Bauvorhaben der Beschwerdeführer würde mangels einer harmonischen Zuordnung zu den bestehenden baulichen Anlagen bzw. Einfügung in die Landschaft eine Zersiedelung bewirken und solcherart durch den Eingriff in den Landschaftscharakter das Landschaftsbild (nicht aber auch andere der in § 2 Abs. 1 NSchG genannten Schutzobjekte) nachhaltig stören.

Dem hält die Beschwerde entgegen, die belangte Behörde habe es unterlassen, ihre Auffassung nachvollziehbar zu begründen. Wie im Verwaltungsverfahren dargelegt, aus den im Akt erliegenden Lichtbildern und dem Gutachten des Naturschutzbeauftragten ersichtlich, bewirke das Bauvorhaben der Beschwerdeführer keineswegs eine Verunstaltung des Landschaftsbildes. Eine Schädigung der Natur trete nicht ein bzw. sei schon eingetreten, jedenfalls werde der Landschaftscharakter nicht verändert.

Mit dem Vorwurf des Begründungsmangels sind die Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht.

Unter "Landschaft" ist im vorliegenden Zusammenhang ein abgrenzbarer, durch Raumeinheiten bestimmter Eigenart charakterisierter Ausschnitt der Erdoberfläche mit allen ihren Elementen, Erscheinungsformen und gestaltenden Eingriffen durch den Menschen zu verstehen. "Landschaftscharakter" ist die beherrschende Eigenart der Landschaft; um diese zu erkennen, bedarf es einer hinreichenden, auf sachverständiger Ebene gefundenen Ermittlungsergebnissen beruhenden, großräumigen und umfassenden Beschreibung der verschiedenartigen Erscheinungen der betreffenden Landschaft, damit aus der Vielzahl jene Elemente herausgefunden werden können, die der Landschaft ihr Gepräge geben und die daher vor einer Beeinträchtigung bewahrt werden müssen, um den Charakter der Landschaft zu erhalten. Unter dem Begriff der "Verunstaltung des Landschaftsbildes" ist nicht schon jede noch so geringfügige Beeinträchtigung des Bildes der Landschaft zu verstehen, sondern nur eine solche, die deren Aussehen so beeinträchtigt, daß es häßlich oder unansehnlich wird (zum Ganzen vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. März 1998, Zl. 97/10/0144, und die hier zitierte Vorjudikatur).

Die Beurteilung, ob durch einen Eingriff in den Landschaftscharakter das Landschaftsbild verunstaltet wird, setzt somit den oben dargelegten Anforderungen entsprechende Tatsachenfeststellungen zum einen über den Landschaftscharakter und das Landschaftsbild, zum andern über die Beschaffenheit des Vorhabens voraus, wobei erst die umfassende Darstellung der vom Vorhaben ausgehenden Auswirkungen auf die den Landschaftscharakter ausmachenden und das Landschaftsbild prägenden Elemente eine Antwort auf die Frage einer Verunstaltung des Landschaftsbildes durch einen Eingriff in den Landschaftscharakter zulassen.

Das dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Gutachten beschreibt das Erscheinungsbild der in Rede stehenden Landschaft als durch landwirtschaftlich genutzte Wald- und Wiesenflächen sowie durch Einzel- als auch Gruppenbebauung geprägt. Das Bauvorhaben der Beschwerdeführer stelle eine "Punktbebauung" dar; es lasse sich weder an die südlich der Landesstraße gelegene Geländegruppe optisch "anhängen", noch an die Ortschaften Klausen bzw. Krakauebene. Anders als die ca. 200 m oberhalb der Landesstraße befindlichen Objekte liege es für den Betrachter "im Brennpunkt"; es sei das einzige unmittelbar an der Landesstraße und oberhalb dieser gelegene Wohngebäude zwischen den genannten Ortschaften. Das Bauvorhaben der Beschwerdeführer werde - der Landschaft sozusagen "aufgesetzt" - eine weitere Zersiedelung der Landschaft bewirken; diese werde als nicht ortstypisch und störend empfunden.

Die daraus gewonnene Schlußfolgerung, das Bauvorhaben der Beschwerdeführer werde das Landschaftsbild nachhaltig stören, ist nicht nachvollziehbar. Geben nämlich - wie dargelegt - auch (der Entfernung nicht oder nicht mehr unterliegende) Einzelbauten der in Betracht kommenden Landschaft ihr Gepräge, so kann der Umstand, daß es sich beim Bauvorhaben der Beschwerdeführer gleichfalls um ein Einzelobjekt handelt, ohne Hinzutreten weiterer Gründe noch keinen Eingriff in den Charakter der Landschaft bedeuten.

Nun unterscheidet das Gutachten in diesem Zusammenhang zwischen "Wohngebäuden" und "Bauerngehöften", ohne allerdings unterschiedliche Auswirkungen der jeweiligen Bauten auf das Erscheinungsbild der Landschaft darzulegen. Dem Gutachten kann nicht etwa entnommen werden, die in der Landschaft verstreut liegenden Bauerngehöfte würden zum Beispiel infolge ihrer spezifischen Anordnung, Beschaffenheit etc. zu einem bestimmten Erscheinungsbild der Landschaft führen, in der andere Wohngebäude wie das Bauvorhaben der Beschwerdeführer signifikant anders in Erscheinung träten.

Der Hinweis auf die durch das Bauvorhaben zu erwartende weitere Zersiedelung ist im vorliegenden Zusammenhang gleichfalls nicht aussagekräftig. Dem Gutachten kann nämlich nicht nachvollziehbar entnommen werden, daß eine bestimmte Ordnung in der Art der Bebauung der in Betracht kommenden Landschaft das Gepräge gebe, von der das Bauvorhaben der Beschwerdeführer derart abweicht, daß es die Landschaft häßlich oder unansehnlich erscheinen läßt.

Schließlich wird auch mit der Behauptung, das Bauvorhaben sei der Landschaft sozusagen "aufgesetzt", es liege für den Betrachter "im Brennpunkt" und es werde als "nicht ortstypisch und störend" empfunden, über konkrete Auswirkungen des Vorhabens auf das Erscheinungsbild der Landschaft bzw. die dieses prägende Elemente nichts ausgesagt.

Es erweist sich daher die der Versagung der beantragten Bewilligung zugrundeliegende Auffassung der belangten Behörde, das Bauvorhaben der Beschwerdeführer bedeute im Sinne des § 2 Abs. 1 NSchG einen Eingriff in den Landschaftscharakter, durch den das Landschaftsbild verunstaltet werde, als unzureichend begründet. Der angefochtene Bescheid ist daher rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften; er war - ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Aus Gründen der Verfahrensökonomie sieht sich der Verwaltungsgerichtshof veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß Maßnahmen der örtlichen oder überörtlichen Raumplanung nicht zu jenen Umständen zählen, auf die im Rahmen der Beurteilung von Auswirkungen im Sinne des § 6 Abs. 6 i.V.m. § 2 Abs. 1 NSchG Bedacht zu nehmen ist (vgl. nochmals das zitierte hg. Erkenntnis vom 9. März 1998). Der Widmung des in Rede stehenden Grundstückes kommt daher im vorliegenden Fall keine entscheidende Bedeutung zu.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. Oktober 1998

Schlagworte

Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997100034.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

19.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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