TE Lvwg Erkenntnis 2019/9/5 VGW-031/007/11172/2019

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Veröffentlicht am 05.09.2019
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Entscheidungsdatum

05.09.2019

Index

41/01 Sicherheitsrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

SPG §81 Abs1
VstG §31 Abs1
VstG §32 Abs2
VStG §44a
VStG §45 Abs1 Z2
VStG §45 Abs1 Z3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Köhler über die Beschwerde des A. B. gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien (Polizeikommissariat …) vom 25.07.2019, Zl. …, betreffend Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 31, 32, 44a und 45 VStG Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 und 3 VStG eingestellt.

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof, soweit diese nicht bereits gemäß § 25a Abs. 4 VwGG ausgeschlossen ist, nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Feststellungen

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom 05.07.2019 wurde der Beschwerdeführer wegen Übertretung des SPG gemäß § 81 Abs. 1 SPG bestraft.

Der Spruch lautet auszugsweise (Schreibweise wie im Original):

„Sie haben durch das unten beschriebene Verhalten, welches geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, die öffentliche Ordnung gestört, obwohl das Verhalten, insbesondere durch die Inanspruchnahme eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts, nicht gerechtfertigt war.“

Danach folgt eine größere Auslassung bzw. ein nicht weiter beschriebenes, farblich hervorgehobenes Textfeld (das das angeführte Zitat mitumfasst).

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die form- und fristgerechte Beschwerde.

Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte die Beschwerde dem Verwaltungsgericht samt Verwaltungsakt vor.

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich folgender Verfahrensgang bzw. Inhalt:

Die Anzeige vom 02.07.2019 nimmt im Feld „Erfassertext“ – wie auch später das nunmehr angefochtene Straferkenntnis – auf ein „unten beschriebenes Verhalten“ Bezug. Abschließend wird ausgeführt (Schreibweise wie im Original): „Sie haben siehe folgenden Sachverhalt .“

In der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 03.07.2019 steht im formularhaft gestalteten Schreiben im Textfeld für Tathandlung und Tatvorwurf (Schreibweise wie im Original):

„Sie haben durch das unten beschriebene Verhalten, welches geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, die öffentliche Ordnung gestört, obwohl das Verhalten, insbesondere durch die Inanspruchnahme eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts, nicht gerechtfertigt war.“

Auch hier folgt eine größere Auslassung bzw. ein nicht weiter beschriebenes, farblich hervorgehobenes Textfeld (das das angeführte Zitat mitumfasst).

Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Akt der belangten Behörde. Das Verwaltungsgericht an keinen Zweifel an der Echtheit, Richtigkeit und Vollständigkeit der Aktenbestandteile. Der Akteninhalt ist unstrittig.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde zeigt erfolgreich eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Straferkenntnisses auf, wenn ausgeführt wird, dass der Spruch in Ansehung der für die vorgeworfene Übertretung erforderlichen Tatbestandselemente mangelhaft ist. Es fehle zur Gänze eine Aussage über das konkrete Verhalten des Beschwerdeführers.

§ 81 Abs. 1 SPG lautet: „Wer durch ein Verhalten, das geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, die öffentliche Ordnung stört, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 500 Euro zu bestrafen, es sei denn, das Verhalten ist gerechtfertigt, insbesondere durch die Inanspruchnahme eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden.“

Zum Wesen einer Ordnungsstörung iSd § 81 Abs. 1 SPG 1991 gehört, dass am konkreten Zustand der öffentlichen Ordnung durch das Verhalten des Beschuldigten eine Änderung eingetreten ist. Die konkrete Umschreibung muss auch eine Abgrenzung von anderen Tatbeständen ermöglichen (vgl. etwa VwGH 06.09.2007, 2005/09/0168 [= VwSlg. 17.262 A/2007]; 15.09.2011, 2009/09/0154)

Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses „die als erwiesen angenommene Tat“ zu enthalten. Weiters hat er „die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist“ zu enthalten (§ 44a Z 2 VStG). Dabei handelt es sich offenkundig um zwei unterschiedliche/getrennte Elemente.

Die „als erwiesen angenommene Tat“ ist der den Deliktstatbestand erfüllende Sachverhalt. Der Beschuldigte hat ein subjektives Recht, dass ihm die als erwiesen angenommene Tat richtig und vollständig vorgehalten wird. Die „Tat“ muss die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die „Tat“ verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die dadurch verletzte Verwaltungsvorschriften erforderlich sind, ermöglichen (Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 44a Rz 2).

Bei einer Rechtswidrigkeit der Umschreibung der „Tat“ kann das Verwaltungsgericht grundsätzlich im Rahmen der Sache des Strafverfahrens und seiner Entscheidungsbefugnis (sowie auch unter Bedachtnahme auf das Verbot der reformatio in peius) den Spruch des Straferkenntnisses dem § 44a VStG entsprechend abzuändern (§ 50 VwGVG). Zur Konkretisierung und Korrektur ist das Verwaltungsgericht allerdings nur insofern berufen, als kein Austausch der Tat erfolgt.

Ein „Austausch der Tat“ erfolgt bei Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalts (VwGH 08.03.2017, Ra 2016/02/0226; 20.05.2019, Ra 2018/02/0043). Eine Präzisierung (auch Konkretisierung und Korrektur) kann freilich nur erfolgen, wenn bereits im Straferkenntnis (konkret in seinem Spruch) eine „Tat“ iSd § 44a Z 1 VStG enthalten ist. Mit anderen Worten erfolgt nur dann eine Präzisierung, wenn eine zwar nicht ausreichende, aber grundsätzlich vorhandene Umschreibung der „Tat“ bereits vorliegt (VwGH 30.01.2018, Ra 2017/01/0409).

Selbst in Zusammenschau mit der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses ist keine Tatumschreibung zu entwickeln; die Begründung erhält völlig abstrakte Verweise, aber keine konkreten Ausführungen.

„Sache“ des Verwaltungsstrafverfahrens ist die dem Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist zur Last gelegte „Tat“ mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen (unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung). Für die Wirksamkeit einer Verfolgungshandlung ist also die genaue Umschreibung der Tathandlung vonnöten. Eine Verfolgungshandlung iSd §§ 31 und 32 VStG muss nämlich eine bestimmte Verwaltungsübertretung zum Gegenstand haben, was erfordert, dass sie sich auf alle der späteren Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente beziehen muss (VwGH 08.03.2017, Ra 2016/02/0226; 29.03.2019, Ro 2018/02/0023).

Im Beschwerdefall wurde auch mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 03.07.2019 bloß eine Übertretung in Form einer abstrakten Tatbildumschreibung, nicht aber ein Sachverhalt oder eine Tathandlung vorgehalten. Eine „unverwechselbare Konkretisierung“ liegt mit dieser Aufforderung nicht vor (vgl. dazu VwGH 23.10.2014, 2011/07/0205; 05.12.2017, Ra 2017/02/0186). Es handelt sich bei dieser Aufforderung zur Rechtfertigung um keine gesetzeskonforme Verfolgungshandlung.

Eine Befugnis der Verwaltungsgerichte zur Ausdehnung des Gegenstands des Verfahrens über die Sache des Verwaltungsstrafverfahrens im Sinn des § 50 VwGVG hinaus, besteht nicht. Eine Änderung der Tathandlung, und dazu zählt auch die erstmalige Umschreibung einer Tathandlung, durch das Verwaltungsgericht ist nicht zulässig (VwGH 05.11.2014, Ra 2014/09/0018; 27.04.2018, Ra 2018/04/0091).

Eine weitere Erforschung des dem gegenständlichen Verfahren zugrundeliegenden Vorfalles vom 02.07.2019 hat daher zu unterbleiben. Ob eine SPG- oder allenfalls stattdessen eine WLSG-Übertretung vorlag, und andere inhaltliche Auseinandersetzungen können in Bezug auf die dargestellte, eng gefasste „Sache“ des gegenständlichen Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Wien dahinstehen. Eine solche „Ergänzung“ wäre aufgrund der Beschwerdekonstellation unzulässig (VwGH 20.05.2015, Ra 2014/09/0033).

Nachdem aufgrund der dargestellten Rechtslage eine Strafbarkeit in der Beschwerdekonstellation ausgeschlossen ist bzw. wegen der fehlenden Verfolgungshandlung auch die Verfolgung ausgeschlossen war, war das in Beschwerde gezogene Straferkenntnis spruchgemäß zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 und 3 VStG einzustellen. Die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens ist vorliegendenfalls die zwingende Folge der aufgrund der eindeutigen Beweislage getroffenen Sachverhaltsfeststellungen. Eine bloße Behebung des Straferkenntnisses wäre rechtswidrig.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs. 8 VwGVG.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil die Voraussetzungen des § 44 Abs. 2 VwGVG vorliegen. Aufgrund der klaren Sach- und Rechtslage war eine Erörterung auch nicht geboten. Eine entscheidungswesentliche Relevanz von dortigen Angaben scheint nicht denkmöglich. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist abschließend und zweifellos ermittelt worden; es stellen sich lediglich einfache und klare Rechtsfragen.

Aufgrund der Strafdrohung des § 81 Abs. 1 erster Satz SPG ist die Revision an den VwGH im vorliegenden Fall für den Beschwerdeführer bereits nach § 25a Abs. 4 VwGG ausgeschlossen (vgl. VwSlg. 18.962 A/2014 unter Bezugnahme auf die konkret herangezogene Strafgrundlage). Im Übrigen ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies gilt vorliegendenfalls insbesondere auch für die Amtspartei (Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG). Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die Rechtslage ist aufgrund der Gesetzeslage klar und durch die angeführte Rechtsprechung geklärt. Der gegenständlich vorgenommenen Würdigung kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Eine (weitere) Klärung der entscheidungsrelevanten Rechtsfragen durch den VwGH ist nicht erforderlich.

Schlagworte

Ordnungsstörung; Tatumschreibung; Konkretisierung der Tat; Austausch der Tat; Verfolgungshandlung; Verfolgungsverjährung; Spruch; Beschwerdegegenstand

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.031.007.11172.2019

Zuletzt aktualisiert am

14.10.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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