TE Lvwg Erkenntnis 2019/9/23 VGW-151/085/8480/2018

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Veröffentlicht am 23.09.2019
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Entscheidungsdatum

23.09.2019

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht
19/05 Menschenrechte

Norm

NAG §8 Abs1 Z2
NAG §11 Abs1 Z4
NAG §11 Abs2 Z1
NAG §11 Abs3
NAG §30 Abs1
NAG §46 Abs1 Z2 litc
EMRK Art. 8

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin MMag. Dr. Salamun über die Beschwerde der Frau A. B. vom 12.06.2018 gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 19.04.2018, Zl. …

zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und der Beschwerdeführerin gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 NAG ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ mit zwölfmonatiger Gültigkeitsdauer erteilt.

II. Gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 76 AVG wird der Beschwerdeführerin der Ersatz der mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 4.3.2019 zur GZ: … mit € 60 und vom 4.6.2019 zur GZ: … mit € 96,6 bestimmten Barauslagen für die zur mündlichen Verhandlung am 28.2.2019 und am 21.05.2019 beigezogenen nichtamtlichen Dolmetscher auferlegt. Die Beschwerdeführerin hat diese erwachsenen Barauslagen in Höhe von insgesamt € 156,6 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Der Betrag in der Höhe von € 156,6 ist auf das unter Punkt IV.4. angeführte Konto einzuzahlen.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 16.10.2017 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ (§ 46 Abs. 1 Z 2 NAG) gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen, da der Aufenthalt der Beschwerdeführerin öffentlichen Interessen widerstreite.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass die Beschwerdeführerin illegal in das Bundesgebiet eingereist sei und ihre wahre Identität bewusst bei der Asylbehörde verschwiegen habe. Darüber hinaus sei die Beschwerdeführerin während ihres illegalen Aufenthalts in Österreich einer unerlaubten Beschäftigung in einem Massagesalon nachgegangen. Sie habe dadurch sowohl gegen das Fremdenrechtsgesetz als auch gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz verstoßen und zeige eine offenkundige Intoleranz gegenüber den österreichischen Gesetzen.

II.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde der - rechtsfreundlich vertretenen - Beschwerdeführerin, in welcher zusammengefasst vorgebracht wird, die Beschwerdeführerin habe am 30.7.2016 vor dem Standesamt C. die Ehe mit ihrem in Österreich niedergelassenen Ehegatten, der über einen Konventionspass verfügt, geschlossen. Sie habe unter dem Namen D. E., geboren am … 1962, einen Asylantrag gestellt, welcher mit Beschluss des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 9.9.2016, IFA … + Verfahrenszahl … abgewiesen worden sei. Das Verfahren über die dagegen erhobene Beschwerde sei mit 9.9.2016 eingestellt worden.

Die Beschwerdeführerin sei als Masseuse tätig gewesen, wobei sie keinesfalls der illegalen Prostitution nachgegangen sei, sondern sich gesetzeskonform bei der Gesundheitsbehörde registriert, die entsprechenden regelmäßigen Untersuchungen wahrgenommen habe und auch den entsprechenden polizeilichen Kontrollen unterlegen sei.

Die Beschwerdeführerin habe bei der Asylantragstellung lediglich aus Angst vor Repressalien und Verfolgung den Namen D. E., geboren am … 1962 in F., China, verwendet und in der Folge aus eigenem ihre tatsächliche Identität dem Bundesverwaltungsgericht bekannt gegeben. Dadurch habe sie zum Ausdruck gebracht, dass sie sich an die österreichische Gesetzeslage halte und sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Aufenthalt der Beschwerdeführerin die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde. Da es ihr wichtig gewesen sei, die gesetzlichen Bestimmungen zu respektieren, habe sie ebenso aus eigenem das österreichische Staatsgebiet verlassen, um eine Auslandsantragstellung durchzuführen. Zudem werde in der Interessenabwägung jegliche Abwägung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK vermisst. Durch die Abweisung des Aufenthaltstitels sei eine faktische Trennung der Eheleute gegeben und verweigere Österreich der Beschwerdeführerin ihr Leben mit ihrem Ehegatten.

Die Verwaltungsbehörde nahm von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 VwGVG Abstand und legte die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Verwaltungsgericht Wien mit Schreiben vom 25.6.2018 vor. Gleichzeitig verzichtete die Verwaltungsbehörde in diesem Schreiben gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG ausdrücklich auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

III.

Mit Ladung vom 24.10.2018 wurde eine Verhandlung für den 23.11.2018 ausgeschrieben.

Mit Schriftsatz vom 30.10.2018 beantragte die Beschwerdeführervertreterin die Verlegung der Verhandlung auf einen späteren Zeitpunkt, unter anderem da die Beschwerdeführerin einer Einreisegenehmigung nach Österreich bedürfe, welche über die Botschaft ausgestellt werde, wobei die Einvernahme der Beschwerdeführerin wesentlich sei.

Die mündliche Verhandlung wurde abberaumt und neuerlich eine Verhandlung für den 28.2.2019 ausgeschrieben. Die Beschwerdeführervertreterin gab bekannt, dass für die Einvernahme der Beschwerdeführerin ein Dolmetscher der chinesischen Sprache notwendig sei.

Am 28.2.2019 fand vor dem Verwaltungsgericht Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu welcher die Beschwerdeführervertreterin sowie der als Zeuge geladene Ehegatte der Beschwerdeführerin erschienen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme. Die Beschwerdeführerin, die kein Einreisevisum erhalten hatte, erschien nicht. Da der Ehegatte den Dolmetscher für Mandarin nicht verstand, wurde die Verhandlung zur Bestellung eines Dolmetschers für die tibetische Sprache auf den 18.4.2019 vertagt.

Am 18.4.2019 fand vor dem Verwaltungsgericht Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu welcher die Beschwerdeführervertreterin sowie der als Zeuge geladene Ehegatte der Beschwerdeführerin erschienen. Aufgrund der Erkrankung des Dolmetschers für die tibetische Sprache wurde die Verhandlung auf den 21.5.2019 vertagt.

Am 21.05.2019 fand vor dem Verwaltungsgericht Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu welcher die Beschwerdeführervertreterin sowie der als Zeuge geladene Ehegatte der Beschwerdeführerin erschienen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.

Die Beschwerdeführervertreterin verwies auf das bisherige Vorbringen und die Urkundenvorlagen.

Der Ehegatte der Beschwerdeführerin gab zeugenschaftlich befragt zu Protokoll:

„Ich weiß nicht, wann meine Gattin das erste Mal nach Österreich gekommen ist. Derzeit ist sie nicht in Österreich.

Ich habe meine Gattin am Westbahnhof beim H. ca. im Jahr 2015 kennengelernt. Das genaue Datum weiß ich nicht, ca. im Sommer.“

Auf die Frage, wann der Zeuge das letzte Mal mit seiner Gattin gesprochen habe, zeigt der Zeuge der Verhandlungsleiterin (VL) das Handy. Darauf sind Bilder ersichtlich auf denen sich Paare küssen in verschiedenen Varianten.

Der Zeuge gibt weiters zu Protokoll:

„Heute früh haben wir uns kontaktiert.“

Darauf ist auch ein Foto ersichtlich. Darunter befindet sich auch ein Foto, auf dem der Zeuge seiner Gattin auf die Wange küsst.

Auf die Frage, wann das Foto aufgenommen wurde, gibt der Zeuge an:

„Wir haben sehr viele Fotos, ich denke, dass dieses Foto im Jahr 2016 aufgenommen wurde.“

Auf die Frage, wann die Gattin geboren wurde, gibt der Zeuge an:

„Am … 1963.

Meine Gattin hält sich derzeit in China, in der Stadt J., auf. Meine Gattin lebt alleine in einer Mietwohnung. Ich weiß nicht, was die Miete kostet. Die Kosten der Wohnung bezahlt sie, ich schicke ihr kein Geld. Sie bekommt ca. Yuan 2.000,-- vom Staat. Yuan 7,-- sind EUR 1,--. Früher hat sie in China gearbeitet und ich glaube, das ist so etwas wie Arbeitslosengeld.

Ich weiß nicht, ob sie schon in anderen Ländern gewesen ist. Ich selbst war einmal in der Slowakei.

Ich weiß nicht, wo sich J. befindet, ich war nie dort und kann auch keine Landkarten lesen.

Sie hat mir gesagt, in welchem Ort sie geboren ist, ich habe es mir aber nicht gemerkt, wegen der komplizierten Aussprache. Wir sprechen chinesisch miteinander. Ich spreche gebrochenes Chinesisch und kann mit ihr kommunizieren.

Die Eltern meiner Gattin leben nicht mehr. Sie hat Geschwister, 2 Brüder und eine Schwester, diese wohnen in derselben Stadt wie sie. Ich weiß nicht, ob die Geschwister eine Familie haben.

Meine Frau ist nach Peking geflogen. Ich weiß nicht, wie sie von Peking nach J. gereist ist. Ich kann nicht sagen, wie lange die Reise von Peking nach J. gedauert hat.

Die Mutter meiner Gattin war Näherin und ist durch eine Halswirbelsäulenkrankheit verstorben durch das gekrümmte Sitzen beim Nähen. Durch die Krankheit an der Halswirbelsäule wurde der Uringang unkontrollierbar. So hat sie es mir erzählt. Ob sie Krebs hatte, weiß ich nicht. Ich habe sie nicht gefragt, wie alt ihre Mutter war, als sie verstorben ist. Woran der Vater verstorben ist, weiß ich nicht.

Meine Frau trifft ihre Geschwister manchmal und hat mir erzählt, dass sie manchmal auch mit ihnen Essen geht. Sie hat mir auch Fotos vom gemeinsamen Essen geschickt.“

Der Zeuge zeigt auf seinem Handy ein Video, auf dem mehrere Personen ersichtlich sind. Er zeigt auf den älteren Bruder, die anderen Personen kann er nicht im Einzelnen benennen.

Der Zeuge gibt weiters an:

„Ich weiß nicht, was sie ihn China gearbeitet hat. Es ist mir unangenehm dies sie zu fragen. Es wäre dann so, als würde ich sie kontrollieren wollen.

Jetzt hat sie einen Job gesucht, wurde aber nach einem Vorstellungsgespräch nicht genommen. Sie geht oft in den Yogakurs. Sie geht in einem Kurs, um chinesische Gitarre spielen zu lernen. Sie wartet auf den Aufenthaltstitel.

Ich habe nicht gefragt, was ihr Vater gearbeitet hat.

Als meine Gattin in Österreich war, war sie Masseurin.“

Über Vorhalt der Tätigkeit der Bf als Prostituierte, gibt der Zeuge an:

„Davon weiß ich nicht, sie hat mir erzählt, dass sie Massieren geht.

Über Vorhalt des Berichtes der LPD Wien, gibt der Zeuge an:

„Ich war bei der Polizei. Dort habe ich gesagt, sie ist Masseurin.

Die Polizei hat mir gesagt, dass sie als Prostituierte gearbeitet hat, ich habe gesagt, das weiß ich nicht. Ich habe es nicht geglaubt und dachte es stimmt nicht.

Ich habe meine Frau darauf angesprochen und sie hat gesagt, sie ist keine Prostituierte. Ich habe sie das über das Telefon VIPER gefragt, als ich mit ihr darüber gesprochen habe.

In Österreich hat sie als Masseurin gearbeitet und damit ihr Geld verdient.“

Über Vorhalt des Asylantrages der Gattin, gibt der Zeuge an:

„Ja, ich weiß, dass meine Gattin einen Asylantrag gestellt hat. Sie hat mir das erzählt, sie hat auch eine weiße Karte. Das war bevor ich bei der Polizei war.

Ich weiß nicht, ob meine Gattin einen zweiten Namen hat. Sie heißt A. B.. Ich kenne den Namen E. D. nicht. Ich habe nicht aufgepasst, welcher Name auf der weißen Karte stand.

Meine Frau hat mir erzählt, dass sie – bevor wir zusammengezogen sind – bei einer chinesischen Freundin gewohnt hat. Ich weiß nicht, in welchem Bezirk sie gewohnt hat.

Das erste Mal zusammengewohnt haben wir in der K.-gasse. Dann sind wir in die L.-gasse übersiedelt. Dann sind wir wieder zurück in die K.-gasse übersiedelt. In der L.-gasse hatten wir kein heißes Wasser, das WC war draußen, außerdem gab es auch keine Heizung und die Wände waren schimmlig.“

Über Vorhalt des zweiten Wohnsitzes seiner Gattin in der M.-straße im … Bezirk, gibt der Zeuge an:

„Ich weiß darüber nichts und weiß auch nicht, was im … Bezirk in der M.-straße war.

Ich weiß auch nicht, wo die chinesische Freundin von ihr gewohnt hat.

Ich arbeite im N. und bekomme EUR 1.300,-- monatlich netto, 14-mal jährlich, außerdem ca. EUR 180,-- bis EUR 200,-- Trinkgeld, wenn es gut geht, im Monat mindestens ca. EUR 400,--. Ich bin in der Küche tätig und kein Kellner. Das hängt davon ab, wie viele Gäste ins Restaurant kommen, das Geld wird in derselben Woche zwischen allen Arbeitern aufgeteilt, jede Woche. Das N. Restaurant befindet sich im… Bezirk. Ich fahre mit der U4 bis zum P.-platz, dann gehe ich zu Fuß, das ist ein … Restaurant.

Meine monatlichen Ausgaben sind: EUR 600,-- an Miete inklusive Betriebskosten, EUR 82,-- Strom und Gas alle drei Monate, für die Monatskarte EUR 51,--, fürs Handy EUR 25,--.

Ich habe einen Mitbewohner, wir teilen uns die Kosten.

Ich habe keine Haushaltsversicherung und auch keine anderen Versicherungen.

Ich habe keine Kredite und keine Gehaltsexekutionen.

In der Wohnung lebt noch ein Tibeter. Dieser muss dann ausziehen, wenn meine Gattin den Aufenthaltstitel erhält und nach Österreich kommt. Darüber habe ich mit ihm gesprochen.

Die Wohnung gehört einem Österreicher.

Meine Gattin hat in Österreich eine Freundin, ich glaube nicht, dass sie weitere Freunde oder Familie in Österreich hat.

Seit wir uns kennengelernt haben, hat sie in Österreich keine Yogakurse besucht. Mir kommt vor, dass sie eine gebildete Frau ist, aber ich weiß nicht, ob und welche Ausbildung sie hat.

Ich bin das erste Mal verheiratet. Meine Gattin hat mir erzählt, dass sie verheiratet war und ein Kind hat, sie ist geschieden. Ich glaube, dass das Kind (Sohn der Bf) schon groß ist, ich habe mit ihm nichts zu tun. Er lebt nicht mit meiner Gattin zusammen, ich nehme an, er lebt beim Vater.

Mein Gehalt wird auf mein Konto überwiesen. Die Bareinzahlungen aus den Kontoauszügen kommen daher, dass ich in einem chinesischen Restaurant gearbeitet und das Gehalt in bar erhalten habe.“

In ihren Schlussausführungen verwies die Beschwerdeführervertreterin auf ihr bisheriges Vorbringen und brachte weiters vor:

„Das Beweisverfahren hat eindeutig ergeben, dass die Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels vorliegen und jedenfalls ausreichende Einkommens- und Wohnverhältnisse gegeben sind. Einer Versagung eines Aufenthaltstitels wäre ein unzulässiger Eingriff in Art. 8 MRK, zumal der Ehemann tibetanischer Staatsbürger ist und in China nicht aufhältig sein kann. Das Ehepaar wäre gezwungen die Ehe aufzulösen, zumal sie nicht gemeinsam in einem Staat leben könnten. Es ist insofern erschwerend, dass der Ehemann selbst über einen Konventionalreisepass verfügt, sodass diesbezüglich weitere Einschränkungen gegeben sind. Es werden die in der Beschwerde gestellten Anträge ausdrücklich wiederholt.“

Die Beschwerdeführervertreterin verzichtete auf die Durchführung der Verhandlung zur Verkündung des Erkenntnisses und erklärte sich mit einer schriftlichen Erledigung einverstanden.

IV. Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

IV.1. Rechtsgrundlagen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes – NAG, BGBl. I 100/2005 idF BGBl. I 25/2019, lauten:

"Arten und Form der Aufenthaltstitel

§ 8. (1) Aufenthaltstitel werden erteilt als:

1. […]

2. Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“, der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 AuslBG berechtigt;

[…]

Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

1.       gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;

2.       gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;

3.       gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;

4.       eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

5.       eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder

6.       er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

1.       der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2.       der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3.       der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4.       der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5.       durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;

6.       der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat, und
7.         in den Fällen der §§ 58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß § 58 Abs. 5 mehr als vier Monate vergangen sind.

(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 7 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.       der Grad der Integration;

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(4) Der Aufenthalt eines Fremden widerstreitet dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn

1.       sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde oder

2.       der Fremde ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.

(6) Die Zulässigkeit, den Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des Abs. 2 Z 2 und 4 mit einer Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) erbringen zu können, muss ausdrücklich beim jeweiligen Aufenthaltszweck angeführt sein.

(7) Der Fremde hat bei der Erstantragstellung ein Gesundheitszeugnis vorzulegen, wenn er auch für die Erlangung eines Visums (§ 21 FPG) ein Gesundheitszeugnis gemäß § 23 FPG benötigen würde.

[…]

Verfahren bei Erstanträgen

§ 21. (1) Erstanträge sind vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen. Die Entscheidung ist im Ausland abzuwarten.

[…]

Nachweis von Deutschkenntnissen

§ 21a. (1) Drittstaatsangehörige haben mit der Stellung eines Erstantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Dieser Nachweis hat mittels eines allgemein anerkannten Sprachdiploms einer durch Verordnung gemäß Abs. 6 oder 7 bestimmten Einrichtung zu erfolgen, in welchem diese schriftlich bestätigt, dass der Drittstaatsangehörige über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau verfügt. Das Sprachdiplom darf zum Zeitpunkt der Vorlage nicht älter als ein Jahr sein.

(2) Abs. 1 gilt auch für Drittstaatsangehörige, die einen Antrag auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 im Zuge eines Verfahrens gemäß § 24 Abs. 4 oder § 26 stellen.

(3) Der Nachweis gilt überdies als erbracht, wenn

1.       die Voraussetzungen zur Erfüllung des Moduls 1 oder 2 der Integrationsvereinbarung (§§ 9 und 10 IntG) vorliegen oder

2.       der Drittstaatsangehörige die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ gemäß § 43a für die Ausübung einer künstlerischen Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte anstrebt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

(4) Abs. 1 gilt nicht für Drittstaatsangehörige,

1.       die zum Zeitpunkt der Antragstellung unmündig sind,

2.       denen auf Grund ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustandes die Erbringung des Nachweises nicht zugemutet werden kann; dies hat der Drittstaatsangehörige durch ein amtsärztliches Gutachten oder ein Gutachten eines Vertrauensarztes einer österreichischen Berufsvertretungsbehörde nachzuweisen; steht kein oder kein geeigneter Vertrauensarzt zur Verfügung, hat der Drittstaatsangehörige diesen Nachweis durch ein Gutachten eines sonstigen von der österreichischen Berufsvertretungsbehörde bestimmten Arztes oder einer von dieser bestimmten medizinischen Einrichtung zu erbringen,

3.       die Familienangehörige von Inhabern eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 41 Abs. 1, 42, 43c oder 45 Abs. 1, letztere sofern der Zusammenführende ursprünglich einen Aufenthaltstitel gemäß §§ 41 Abs. 1, 42 oder 43c innehatte, sind,

4.       die Familienangehörige von Asylberechtigten sind und einen Aufenthaltstitel „Rot–Weiß–Rot – Karte plus“ gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 lit. c beantragen oder

5.       die gemäß § 9 Abs. 5 Z 3 IntG auf die Stellung eines weiteren Verlängerungsantrages nach dem ersten Verlängerungsantrag unwiderruflich verzichten.

(5) Die Behörde kann auf begründeten Antrag eines Drittstaatsangehörigen von einem Nachweis nach Abs. 1 absehen:

1.       im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen (§ 2 Abs. 1 Z 17) zur Wahrung des Kindeswohls, oder

2.       zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK (§ 11 Abs. 3).

Die Stellung eines solchen Antrages ist nur bis zur Erlassung des Bescheides zulässig. Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

[…]

Bestimmungen über die Familienzusammenführung

§ 46. (1) Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen ist ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen, und

1.       der Zusammenführende einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß § 41, einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gemäß § 41a Abs. 1, 4 oder 7a, eine Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 1, eine „Niederlassungsbewilligung – Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“, sofern dieser Niederlassungsbewilligung eine Tätigkeit gemäß § 1 Abs. 2 lit. i AuslBG zu Grunde liegt, oder eine „Niederlassungsbewilligung – Forscher“ gemäß § 43c innehat,

1a.      der Zusammenführende als nunmehriger Inhaber eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EU“ ursprünglich einen Aufenthaltstitel nach Z 1 innehatte,

2.       ein Quotenplatz vorhanden ist und der Zusammenführende 

a)       einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ innehat,

b)       einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“, ausgenommen einen solchen gemäß § 41a Abs. 1, 4 oder 7a innehat,

c)       Asylberechtigter ist und § 34 Abs. 2 AsylG 2005 nicht gilt, oder

d.       als unionsrechtlich aufenthaltsberechtigter Drittstaatsangehöriger über eine Aufenthaltskarte gemäß § 54 oder eine Daueraufenthaltskarte gemäß § 54a verfügt.“

IV.2. Sachverhalt:

Aufgrund der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung, des Vorbringens der Beschwerdeführerin, der Akten der gegenständlichen behördlichen Verfahren, des Aktes des Verwaltungsgerichts Wien, des Aktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend die Beschwerdeführerin (IFA ...) und ihren Ehegatten (IFA …), des Aktes des Bundesverwaltungsgerichtes betreffend die Beschwerdeführerin (…) sowie aufgrund der Aussage des Zeugen wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen festgestellt:

 

Die Beschwerdeführerin wurde am … 1963 geboren und ist chinesische Staatsangehörige. Ihr Reisepass ist bis 17.9.2027 gültig.

Am 16.10.2017 stellte die Beschwerdeführerin den gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ vor der österreichischen Botschaft Peking. Zusammenführender ist der Ehegatte der Beschwerdeführerin, Herr R. S., der als Asylberechtigter über einen Konventionsreisepass mit Gültigkeitsdauer bis 14.9.2019 verfügt.

Die Beschwerdeführerin reiste nach ihren Angaben im Asylverfahren im Jahr 2014 über Paris erstmals in das österreichische Bundesgebiet ein.

Die Beschwerdeführerin beantragte am 17.11.2014 unter dem Aliasnamen D. E., geboren am … 1962, internationalen Schutz. Die Fluchtgeschichte erzählte sie zusammengefasst so, dass ihre Mutter an Krebs erkrankt sei, ihr Vater einen Kredit zur Bezahlung der Behandlungskosten aufgenommen hätte, welchen er nach dem Tod ihrer Mutter nicht zurückzahlen hätte können, sodass sie in der Folge vom Gläubiger in einem Haus gefangen gehalten und vergewaltigt worden sei. Bei einem Befreiungsversuch sei ihr Vater getötet worden und habe in der Folge ihr Onkel den Kontakt mit dem Schlepper hergestellt. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.10.2017 wurde ihr Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach China zulässig ist. Dagegen erhob sie Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Mit Schriftsatz vom 22.12.2016 gab die Beschwerdeführervertreterin den richtigen Namen und das richtige Geburtsdatum der Beschwerdeführerin bekannt und beantragte die Korrektur der Daten, welche die Beschwerdeführerin aus Angst vor Repressalien angegeben habe. Diesem Schriftsatz ist eine Kopie des Reisepasses der Beschwerdeführerin vom 22.3.2007, welcher ihren richtigen Namen und ihr richtiges Geburtsdatum enthält, angehängt sowie eine Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 Asylgesetz 2005 mit dem Aliasnamen und dem falschen Geburtsdatum (… 1962) der Beschwerdeführerin. Mit Schreiben vom 18.6.2018 zog die Beschwerdeführerin die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde zurück. Mit Beschluss vom 23.10.2017 stellte das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren ein.

Die Beschwerdeführerin war vom 16.5.2017 bis 5.9.2017 in der Wohnung ihres Ehegatten in Wien, K.-gasse, mit Hauptwohnsitz gemeldet. Unter dem Aliasnamen D. E. war sie im selben Zeitraum, vom 16.5.2017 bis 30.8.2017, in Wien, M.-straße, mit Hauptwohnsitz gemeldet und verfügte somit in diesem Zeitraum über zwei Hauptwohnsitzmeldungen. Vom 25.5.2016 bis 16.5.2017 war sie in der vorherigen Wohnung des Ehegatten in Wien, L.-gasse, mit Nebenwohnsitz gemeldet. Etwa zur gleichen Zeit, vom 19.2.2015 bis 16.5.2017, war sie unter dem Aliasnamen D. E. als obdachlos in Wien, T.-gasse, beim Flüchtlingsprojekt U. gemeldet. Davor war sie vom 26.11.2014 bis 19.02.2015 unter dem Aliasnamen in Wien, V.-weg, mit Hauptwohnsitz gemeldet.

Der Ehegatte der Beschwerdeführerin, Herr R. S., kam im Jahr 2011 als Asylwerber nach Wien. Nach mehreren negativen Entscheidungen in der Slowakei und in Österreich sowie einer Dublin-Überstellung in die Slowakei wurde seinem Antrag auf internationalen Schutz im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens schließlich mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.5.2012 stattgegeben und ihm der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Es wurde festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Der Zusammenführende spricht außer Tibetisch lediglich ein wenig Mandarin und Deutsch, dessen Kenntnisse jedoch nicht über die einer einfachen Alltagskommunikation hinausgehen.

Der Zusammenführende ist seit 16.5.2017 in Wien, K.-gasse, mit Hauptwohnsitz gemeldet. In den letzten Jahren war er von 13.5.2016 bis 16.5.2017 in Wien, L.-gasse, und von 7.1.2014 bis 13.5.2016 in Wien, K.-gasse, mit Hauptwohnsitz gemeldet.

Am 30.7.2016 heiratete die Beschwerdeführerin in C. den am … 1983 geborenen Asylberechtigten, Herrn R. S.. Die Ehegatten lernten sich im Sommer 2015 am Westbahnhof im H. kennen. Für ihren Ehegatten ist dies die erste Ehe. Für die Beschwerdeführerin ist dies die zweite Ehe. Die Beschwerdeführerin war vom 28.10.1986 bis 3.11.2014 mit dem chinesischen Staatsbürger Herrn W. E., geboren am … 1962, verheiratet. Die Beschwerdeführerin hat vermutlich einen erwachsenen Sohn, der in China lebt.

Die Landespolizeidirektion Wien führte auf Ersuchen der belangten Behörde vom 22.11.2018 gemäß § 37 Abs. 4 NAG am 12.12.2017 und 27.12.2017 Hauserhebungen an der Wohnadresse des Zusammenführenden durch, welcher jedoch nicht angetroffen wurde. Nach dem Bericht der Landespolizeidirektion Wien vom 14.2.2018 leistete der Zusammenführende der Ladung vom 5.2.2017 Folge und legte einen Chat-Verlauf bis zum 25.1.2018 täglich mit Anrufen via „WeChat“ offen, welcher wie die einer aufrechten Ehe wirkte. Er konnte zwar kein Geburtsdatum seiner Frau nennen. Es wurde jedoch angemerkt, dass er Analphabet sei und nicht einmal die Bezeichnung des Parks neben seiner Wohnung (…) kannte. Zudem seien mehrere gemeinsame Fotos von Unternehmungen vorgelegt worden. Der Zusammenführende habe angegeben, seine Frau wäre Masseurin, jedoch nicht gewusst, dass das betreffende Studio auch „Happy End“ anbiete und sei nach dieser Kenntnis sprachlos und sichtlich fassungslos gewesen. Über einen Asylantrag der Gattin unter dem Namen D. E. habe der Gatte nicht Bescheid gewusst. Dass sich die Ehegatten bei H. kennengelernt hätten, habe der Gatte deckungsgleich beantwortet. Zum derzeitigen Zeitpunkt könne von keiner Aufenthaltsehe ausgegangen werden.

Der Zusammenführende war seit 2011 bei wechselnden Arbeitgebern in der Gastronomie beschäftigt, wobei er lediglich im Jahr 2013 für etwa einen Monat lang Arbeitslosengeld bezog. Er ist seit 28.7.2018 bei der X. GmbH als Küchenhilfe beschäftigt. Aus den vorgelegten Lohnzetteln geht hervor, dass er ein monatliches Gehalt i.H.v. € 1.300 netto bezieht. Zudem erhält er wöchentlich zwischen € 180 und € 200 Trinkgeld, jedenfalls zumindest € 400 monatlich.

Der Ehegatte der Beschwerdeführerin verfügt über keine Kredite und Gehaltsexekutionen.

Die Beschwerdeführerin war unter dem Aliasnamen D. E. vom 17.11.2014 bis 25.11.2014 als Asylwerberin bei der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse sowie vom 20.4.2015 bis 31.8.2017 als selbstständige Beschäftigte bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft krankenversichert. In diesem Zeitraum war sie als Masseuse bzw. Prostituierte tätig.

Die Beschwerdeführerin legte einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag vom 1.9.2017 mit Y. in Wien, Z.-gasse, Geschäftslokal, vor. Danach soll sie als Küchenhilfe mit einer Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden von 10:30 Uhr bis 19:00 Uhr sowie einem Urlaubsanspruch von 5 Wochen € 1.562 brutto monatlich verdienen. Der Vorvertrag ist damit bedingt, dass das Arbeitsverhältnis spätestens am 31.10.2018 beginnt. Er wird daher bei der Unterhaltsberechnung nicht berücksichtigt.

Unter Berücksichtigung des Wertes der freien Station in der Höhe von € 294,65 belaufen sich die für das Ehepaar monatlich zur Verfügung stehenden Mittel auf maximal ca. € 1.618 (€ 1.521 Monatsgehalt inkl. aliquoter Sonderzahlungen + € 400 Trinkgeld - € 600 Miete und Betriebskosten + € 294,65 freie Station). Die für das Ehepaar monatlich zur Verfügung stehenden Mittel liegen damit deutlich über dem Ehegattenrichtsatz für das Jahr 2019 in der Höhe von € 1.398,97. Es liegt daher ein Rechtsanspruch auf die gemäß § 11 Abs. 5 NAG erforderlichen Unterhaltsmittel vor.

Der Zusammenführende und die Beschwerdeführerin haben beide einen Nutzungsvertrag vom 16.5.2017 mit dem Wohnungseigentümer der Wohnung in Wien, K.-gasse unterzeichnet. Nach diesem Nutzungsvertrag können die Räumlichkeiten zum Zwecke des Wohnens benutzt werden und belaufen sich die monatlichen Kosten auf € 600 inklusive Betriebskosten sowie eine Akontozahlung von € 50 für Warmwasser und Heizung. Eine Beendigung des Vertrages ist beiderseits mindestens 3 Monate vorher anzukündigen. Aufgrund der unzulässigen Befristung auf 3 Monate bzw. des Fehlens einer Vereinbarung zur Dauer des Mietverhältnisses ist davon auszugehen, dass gemäß § 29 Abs. 3 lit. a MRG ein unbefristeter Mietvertrag vorliegt. Die Wohnung ist etwa 60 m2 groß und umfasst 2 Zimmer. An dieser Adresse ist eine weitere Person gemeldet. Dabei handelt es sich um einen Tibeter, der nach den Angaben des Zusammenführenden beim Zuzug der Beschwerdeführerin ausziehen wird. Es liegt ein Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft vor.

Die Beschwerdeführerin ist gegenwärtig nicht krankenversichert. Sie verfügt aber als Angehörige gemäß § 123 ASVG über einen Anspruch auf Mitversicherung bei ihrem Ehegatten.

Die Beschwerdeführerin ist im Bundesgebiet strafgerichtlich unbescholten. In der chinesischen Strafregisterauskunft scheinen keine Verurteilungen der Beschwerdeführerin auf. Verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen sowie die Festsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegen die Einschreiterin sind nicht aktenkundig.

Die Beschwerdeführerin verfügt über Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau A2 (ÖSD-Zeugnis vom 29.11.2016). Als Ehegattin eines Asylberechtigten ist jedoch vom Nachweis der Kenntnisse der deutschen Sprache ausgenommen.

Die Beschwerdeführerin hat außer ihrem Ehegatten keine Verwandte in Österreich. Ihre Geschwister leben in China. Dass die Beschwerdeführerin im Bundesgebiet in religiösen, kulturellen sowie sozialen Institutionen engagiert wäre, konnte nicht festgestellt werden.

Gründe im Sinne des § 11 Abs. 1 NAG, weshalb der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel nicht erteilt werden dürfte, haben sich im Verlauf des gesamten Verfahrens nicht ergeben.

Diese Feststellungen beruhen auf folgenden Erwägungen:

Die Feststellungen beruhen zum einen auf dem eindeutigen Akteninhalt (insbesondere Lohnzettel, Versicherungsdatenauszug, Heiratsurkunde, Scheidungsbeschluss etc.).

Im Übrigen beruhen die Feststellungen zum Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten auf dessen Angaben in der mündlichen Verhandlung. Dass der Zusammenführende außer Tibetisch keine weiteren Sprachen auf einem Niveau spricht, das über eine einfache Alltagskommunikation hinausgeht, ergibt sich daraus, dass er sich mit dem zunächst geladenen Dolmetscher für Mandarin kaum verständigen konnte. Auch war es nach der mündlichen Verhandlung klar ersichtlich, dass die Vertreterin der Beschwerdeführerin ihm nur mit Mühe den neuen Termin für die Vertagung der mündlichen Verhandlung mitteilen konnte und dass er diesen unter Ladungsverzicht wahrzunehmen hat. Darüber hinaus erwies sich eine Kommunikation der Vertreterin der Beschwerdeführerin mit dem Zusammenführenden auf Deutsch als unmöglich. Dass der Zusammenführende Analphabet ist, ergibt sich aus dem Bericht der Landespolizeidirektion Wien vom 14.2.2018. Auch wenn es sich dabei um eine Einschätzung handelt, sich die nicht auf wissenschaftliche Methoden gründet, sondern aus der betreffenden Kommunikationssituation heraus entstand, so zeigte sich in der fortgesetzten mündlichen Verhandlung, in welcher der Dolmetscher für Tibetisch anwesend war, dass der Zusammenführende sogar dessen Ausführungen, die in seiner Muttersprache erfolgten, z.T. nur mit Mühe folgen konnte.

Die Feststellungen betreffend die finanziellen Verhältnisse gründen sich insbesondere auf die vorgelegten Lohnzettel. Daraus geht hervor, dass der Zusammenführende ein monatliches Einkommen i.H.v € 1.300 netto bezieht.

Die Gültigkeit des arbeitsrechtlichen Vorvertrages der Beschwerdeführerin war mit 31.10.2018 beschränkt, sodass darauf nicht mehr näher einzugehen war.

Die Feststellungen hinsichtlich der Unterkunft gründen sich insbesondere auf den vorgelegten Nutzungsvertrag vom 16.5.2017 sowie die Melderegisterdaten.

Die Feststellungen zum Bestand einer alle Risiken abdeckenden Krankenversicherung basieren auf § 123 ASVG.

Die Feststellungen zur Vortäuschung einer falschen Identität im Asylverfahren beruhen auf dem Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend die Beschwerdeführerin. Aus diesem Akt geht auch hervor, dass die Beschwerdeführerin im Rahmen der Erstbefragung angab, sie hätte nie ein Reisedokument besessen. Aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes betreffend die Beschwerdeführerin geht hervor, dass die Beschwerdeführervertreterin mit Schriftsatz vom 22.12.2016 den richtigen Namen und das richtige Geburtsdatum der Beschwerdeführerin bekannt gab und die Beschwerde mit E-Mail vom 19.9.2017 zurückzog. Die Verwendung einer falschen Identität im Asylverfahren ergibt sich auch aus der nachfolgenden Antragstellung im aufenthaltsrechtlichen Verfahren, wobei die Beschwerdeführerin bei der österreichischen Botschaft in Peking angab, in Österreich unter dem Namen D. E. einen Asylantrag gestellt und im Rotlichtmilieu gearbeitet zu haben.

IV.3. Rechtliche Beurteilung:

IV.3.1.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 NAG.

Der Ehegatte der Beschwerdeführerin ist Asylberechtigter.

Gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 NAG ist Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen, und ein Quotenplatz vorhanden ist sowie der Zusammenführende Asylberechtigter ist und § 34 Abs. 2 AsylG 2005 nicht gilt.

Die belangte Behörde wies den Antrag der Beschwerdeführerin mit der Begründung ab, dass der Erteilung des in Rede stehenden Aufenthaltstitels die Bestimmung des § 11 Abs. 2 Z 1 NAG entgegenstehe.

Die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde erweist sich als nicht zutreffend, da aufgrund der Flüchtlingseigenschaft des Zusammenführenden die Führung eines Familienlebens mit der Beschwerdeführerin weder in China noch in einem anderen Staat möglich oder zumutbar ist, zumal sich der Zusammenführende außer im Rahmen der Asylantragstellung in der Slowakei in keinem anderen Staat aufgehalten hat, außer Tibetisch keine andere Sprache auf einem Niveau spricht, mit welchem er sich über eine einfache Alltagskommunikation hinaus verständigen könnte, und laut dem Bericht der Landespolizeidirektion Wien vom 14.2.2018 Analphabet ist.

Die Beschwerdeführerin hat zudem den Nachweis hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2, 3 und 4 NAG zu erbringen.

Dieser Nachweis wurde erbracht.

IV.3.2.

Zunächst ist festzuhalten, dass im Verfahren vor der belangten Behörde der begründete Verdacht bestand, dass es sich bei der Ehe zwischen dem Zusammenführenden und der Beschwerdeführerin um eine Aufenthaltsehe gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 iVm § 30 Abs. 1 NAG handelt. Dieser Verdacht konnte nach einem Bericht der Landespolizeidirektion Wien nicht erhärtet werden, da der Zusammenführende auf seinem Mobiltelefon einen Chatverlauf mit der Beschwerdeführerin vorwies. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien wurde ebenfalls eine umfangreiche Korrespondenz mit der Beschwerdeführerin auf dem Mobiltelefon, einschließlich eines Videos über ein Familienessen der Beschwerdeführerin mit Verwandten, vorgewiesen. Obzwar der Zusammenführende wenig über die Vergangenheit der Beschwerdeführerin zu berichten wusste, schien er der Beschwerdeführerin sehr zugetan. Bei der Beurteilung, ob eine Aufenthaltsehe im Sinne des § 11 Abs. 1 Z 4 NAG vorliegt, kommt es auf die Absicht des anderen Ehepartners nicht an, sondern auf die des Fremden, dem die Schließung der Aufenthaltsehe vorgeworfen wird (vgl. VwGH 20.10.2011, 2010/21/0177). Aufgrund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse konnte zwar zum einen der Verdacht der belangten Behörde auf das Vorliegen einer Aufenthaltsehe nicht erhärtet werden, zum anderen konnten aber weitere Ermittlungen insbesondere durch eine Befragung der Beschwerdeführerin aufgrund der Tatsache, dass diese kein Einreisevisum erhielt, nicht durchgeführt werden.

Mangels der Möglichkeit zur Durchführung weitergehender Ermittlungen ist somit die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, dass keine Aufenthaltsehe vorliegt, nur eine vorläufige. Die Erteilung des gegenständlichen Aufenthaltstitels präjudiziert somit keinesfalls eine spätere, gegenteilige Feststellung, wenn z.B. bei der Stellung eines weiteren Antrages durch die Beschwerdeführerin im Falle einer Ehescheidung die Behörde (erneut) den begründeten Verdacht hat, dass eine Aufenthaltsehe vorliegt (vgl. VGW-151/V/065/12794/2017). Dagegen spricht auch nicht das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 21.06.2018, Ra 2018/22/0079, da darin die Beweiswürdigung in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts betreffend das (bereits) wiederaufgenommene Verfahren als rechtswidrig beurteilt wurde.

IV.3.3.

Gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Der Aufenthalt eines Fremden widerstreitet dem öffentlichen Interesse u.a. dann, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde (§ 11 Abs. 4 Z 1 NAG). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffs „sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde“ in § 11 Abs. 4 Z 1  NAG eine das Gesamtverhalten des Fremden berücksichtigende Prognosebeurteilung geboten. Dabei hat die Behörde im Fall von strafgerichtlichen Verurteilungen gestützt auf das diesen zu Grunde liegende Fehlverhalten eine Gefährdungsprognose zu treffen. Die damit erforderliche, auf den konkreten Fall abstellende individuelle Prognosebeurteilung ist jeweils an Hand der Umstände des Einzelfalles vorzunehmen; nicht entsprechend ist die Vornahme bloß kursorischer Feststellungen anhand der strafgerichtlichen Verurteilung ohne das dieser Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten konkret festzustellen (vgl. VwGH 27.9.2010, 2009/22/0044).

Dabei ist es für das Vorliegen einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht erforderlich, dass eine Anzeige oder gar Verurteilung des Fehlverhaltens vorliegt. Es ist vielmehr auf die Art und Schwere des Fehlverhaltens und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild, welches von der Behörde festzustellen ist, abzustellen (vgl. VwGH 19.2.2014, 2011/22/0009; 21.07.2011, 2008/18/0237). Auch das Anzeigen an Behörden oder Gerichten zu Grunde liegende Verhalten kann - wie auch sonstiges Fehlverhalten - zur Annahme führen, der Aufenthalt eines Fremden würde eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit hervorrufen (§ 11 Abs. 4 Z 1 NAG), und sohin öffentlichen Interessen im Sinne des § 11 Abs. 2 Z 1 NAG widerstreiten (vgl. VwGH 19.9.2012, 2011/22/0161).

Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu, und zwar u.a. im Zusammenhang mit der Erstellung einer Gefährdungsprognose (vgl. z.B. VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289). Diese Rechtsprechung kann auch auf das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz übertragen werden. Der solcherart in der mündlichen Verhandlung gewonnene persönliche Eindruck hat auch in der durch das Verwaltungsgericht zu erstellenden Gefährdungsprognose Berücksichtigung zu finden.

Im Hinblick auf einen behaupteten Gesinnungswandel hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass der Gesinnungswandel eines Straftäters primär daran zu prüfen ist, ob und wie lange er sich in Freiheit wohlverhalten hat. Davon ausgehend ist es aber auch nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde die Dauer des in der Berufung behaupteten Wohlverhaltens des Beschwerdeführers in Freiheit von etwa drei Jahren in Anbetracht seiner Delinquenz als noch zu kurz beurteilt hat (vgl. VwGH 22.05.2013, 2013/18/0041). Bei länger zurückliegenden Straftaten hat die Behörde weitere Feststellungen, etwa hinsichtlich eines danach gesetzten strafrechtlichen Fehlverhalten des Beschwerdeführers oder eines fremdenrechtlichen Fehlverhaltens (wie etwa einen Verstoß gegen das Aufenthaltsverbot), zu treffen und zu begründen, warum weiterhin eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gegeben ist (vgl. VwGH 9.9.2013, 2013/22/0117).

Auch die vorsätzliche Unterlassung der Ausreise mehr als zwei Jahre lang trotz endgültiger Abweisung des Asylantrages und eines bestehenden Aufenthaltsverbotes spielt bei der Prognosebeurteilung durch das Verwaltungsgericht eine Rolle (vgl. VwGH 3.10.2017, Ra 2016/22/0056). Ferner stellt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Ausübung einer Beschäftigung ohne im Besitz der nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz dafür erforderlichen Berechtigungen zu sein, im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Schwarzarbeit eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, welche die Annahme rechtfertigte, der weitere Aufenthalt des Antragstellers werde die öffentliche Ordnung gefährden (vgl. VwGH 21.12.2001, 2001/19/0013).

Die Begehung von wiederholten Eigentumsdelikten ohne Gewaltanwendung durch den Antragsteller stellt eine Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen, insbesondere an einer geregelten Zuwanderung, dar. Bei der nach § 11 Abs. 4 Z 1 NAG zu treffenden Prognoseentscheidung ist die Behörde berechtigt, alle einen antragstellenden Fremden betreffenden relevanten Ums

Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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