TE Vwgh Erkenntnis 1970/10/19 0750/70

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Veröffentlicht am 19.10.1970
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Index

Verwaltungsverfahren - VVG

Norm

AbgEO §86a
BauRallg
VVG §4 Abs1
VVG §4 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Lehne und die Hofräte Dr. Leibrecht, Dr. Hrdlicka, DDr. Heller und Dr. Straßmann als Richter, im Beisein des Schriftführers Regierungskommissär Dr. Schmitz über die Beschwerde des HP jun. in I, vertreten durch Dr. Otto Haselauer, Rechtsanwalt in Linz, Schillerstraße 17, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 5. März 1970, Zl. BauR-1358/1-1968, betreffend einen Auftrag zur Vorauszahlung von Ersatzvornahmekosten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 17. Jänner 1966, ausgefertigt mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 26. Jänner 1966, Zl. 671/R-O-G, war ein Ansuchen des Beschwerdeführers um Erteilung der Baubewilligung für die Vergrößerung des bestehenden Preßhauses und um Erteilung der nachträglichen Baubewilligung für das in Linz, H-straße, errichtete Preßhaus abgewiesen und dem Beschwerdeführer der Auftrag erteilt worden, das konsenslos errichtete Preßhaus zu entfernen. Die dagegen eingebrachte Vorstellung war mit dem rechtskräftigen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 7. Februar 1967, Zl. BauR-535/2-1966, abgewiesen worden.

Mit Schreiben vom 28. Juni 1967, GZ. 671/R-O, zugestellt am 10. Juli 1967, wurde dem Beschwerdeführer die Vollstreckung der vorgenannten Abtragungsverpflichtung im Wege der Ersatzvornahme gemäß § 4 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (VVG 1950) unter Einräumung einer Machfrist (Paritionsfrist) bis 21. August 1967 angedroht. Mit Bescheid vom 23. März 1968, GZ. 671/R-O, erließ der Magistrat der Landeshauptstadt Linz gegen den Beschwerdeführer gemäß § 4 VVG 1950 einen Auftrag zur Vorauszahlung der Ersatzvornahmekosten in Höhe von S 15.000,-- bis zum 10. August 1968, da er ungeachtet der Androhung der Ersatzvornahme die Abtragungsverpflichtung weiterhin nicht erfüllt habe. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und stützte sich im wesentlichen darauf, daß die Ersatzvornahme unzulässig sei, weil es sich um ein noch als Arbeitsstätte benütztes und mit Einrichtungsgegenständen ausgestattetes Bauobjekt handle, welches im Sinne der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 353 der Exekutionsordnung, die auch für die Auslegung des im wesentlichen gleichlautenden § 4 VVG 1950 herangezogen werden müsse, erst nach vorangegangener zwangsweisen Räumung des Bauwerkes im Wege der Ersatzvornahme demoliert werden dürfe. Dies sei noch nicht geschehen, sodaß die Ersatzvornahme derzeit unzulässig sei, also auch ein Auftrag zur Kostenvorauszahlung nicht erlassen werden dürfe. Außerdem wurde die Höhe der voraussichtlichen Ersatzvornahmekosten bestritten.

Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 5. März 1970, Zl. BauR-1358/1-1968, gab die belangte Behörde der Berufung gegen den Auftrag zur Vorauszahlung der Ersatzvornahmekosten keine Folge. Die belangte Behörde stützte sich darauf, daß die Abtragungsverpflichtung rechtskräftig ausgesprochen worden, die Erlassung eines gesonderten Räumungsauftrages, der einer eigenen Vollstreckung bedürfte, im § 95 lit. b der Linzer Bauordnung aber nicht vorgesehen sei. Im übrigen erfolge auch die Benützung des Objektes ohne jede Rechtsgrundlage. Bei der Höhe der Kostenvorauszahlung handle es sich um eine Schätzung und werde der Betrag nach Feststehen der Kosten ohnehin abgerechnet werden.

In der Beschwerde wird die Aufhebung dieses Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt. Beschwerdepunkt ist offenbar die behauptete Verletzung des Rechtes, nicht mit der Verpflichtung zur Vorauszahlung der Kosten einer unzulässigen Vollstreckung belastet zu werden. Zur Begründung der Beschwerde wird neuerlich auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 353 der Exekutionsordnung (z.B.: SZ. XXV 117;

MietSlg. Nr. 6162; ÖRZ. 1959, S. 17) verwiesen, derzufolge die Abtragung eines Bauwerkes im Wege der Ersatzausführung eine vorgängige zwangsweise Räumung nach § 349 EO erfordere. In Mannlicher's kommentierter Ausgabe des Verwaltungsverfahrensgesetze s sei in Anmerkung 1 zu § 4 VVG 1950 ausdrücklich auf § 353 EO verwiesen. Die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wird darin erblickt, daß die belangte Behörde keine Feststellungen darüber getroffen habe, ob das Bauwerk von Personen benützt werde oder mit Fahrnissen ausgestattet sei, obwohl diese Umwände für die Beurteilung der derzeitigen Zulässigkeit einer Abtragung des Gebäudes im Wege der Ersatzvornahme entscheidungswesentlich seien.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde. Sie weist darauf hin, das die Rechtsprechung zu § 353 EO schon deswegen nicht bei der Anwendung des § 4 VVG 1950 herangezogen werden könne, weil die Benützung unbefugt errichteter Bauten nach der Linzer Bauordnung jeglicher rechtlichen Grundlage entbehre. Damit will die belangte Behörde offenbar zum Ausdruck bringen, daß es bei solchen Bauten einer gesonderten Verpflichtung zur Räumung nicht bedürfe. Im übrigen führt die belangte Behörde aus, daß die Anmerkung in der kommentierten Ausgabe der Verwaltungsverfahrensgesetze zu § 4 VVG 1950 mit ihrer Verweisung auf § 353 EO lediglich das Erfordernis der Vertretbarkeit einer Leistungsverpflichtung erläutern wolle.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 VVG 1950 kann die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden, wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist. Daß sich diese Bestimmung nur auf vertretbare Leistungen, die also auch durch einen Dritten bewerkstelligt werden können, bezieht, ergibt eine Gegenüberstellung mit § 5 Abs. 1 VVG 1950, demzufolge die Verpflichtung zu einer Duldung oder Unterlassung oder zu einer Handlung, die wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit sich durch einen Dritten nicht bewerkstelligen läßt, dadurch vollstreckt wird, daß der Verpflichtete von der Vollstreckungsbehörde durch Geldstrafen oder durch Haft zur Erfüllung seiner Pflicht angehalten wird.

Die Verpflichtung zur Abtragung eines Gebäudes hat eine Leistung zum Gegenstand, die sich auch von einem Dritten bewerkstelligen läßt. Sie ist daher durch Ersatzvornahme (§ 4 VVG 1950) zu vollstrecken, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 24. Juni 1969, Zl. 985/68, auf welches unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen wird, ausgesprochen hat. Der Beschwerdeführer bestreitet dies an sich auch nicht, vertritt jedoch den Standpunkt, daß bei noch benützten Gebäuden der zwangsweisen Abtragung eine zwangsweise Räumung in einem ordnungsgemäßen Vollstreckungsverfahren vorangehen müsse. Nun hat allerdings der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14. September 1954, Slg. N. F. Nr. 3486/A, ausgesprochen, daß ein baupolizeilicher Auftrag an den Hauseigentümer betreffend die vorläufige Räumung von Wohnungen und Geschäftslokalen wegen schwerer Baugebrechen nur durch Anwendung unmittelbaren Zwanges (§ 7 VVG 1950) vollstreckt werden könne. Um einen Fall dieser Art handelt es sich jedoch hier nicht. Die Anwendung unmittelbaren Zwanges - in welchem Verfahren eine Kostenvorauszahlungsverpflichtu ng nicht gesetzlich vorgesehen ist - ist vielmehr nur in jenen Fällen notwendig, in denen der zu vollstreckende Bescheid (der Titelbescheid) keine über die Räumung hinausgehende Verpflichtung enthält. Ein Auftrag zur Abtragung eines unbefugt errichteten Gebäudes schließt aber notwendigerweise auch den Auftrag in sich, die Benützung des Gebäudes gleichzeitig aufzulassen, wird die Benützung doch mit der Zerstörung des Objektes tatsächlich unmöglich; es kann auch weder aus der Linzer Bauordnung noch aus dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz abgeleitet werden, daß der Auftrag zur Abtretung einer noch benützten Baulichkeit erst nach deren Räumung ergehen bzw. vollstreckt werden dürfe. Der durch das Strafgesetz gewährleistete Schutz der Sicherheit des Lebens und der aus § 2 Abs. 1 VVG 1950 abzuleitende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Zwangsmittel, der zugleich auch das Prinzip der möglichsten Schonung des Verpflichteten und dritter Personen festlegt, werden es der Vollstreckungsbehörde allerdings verwehren, bei der Durchführung der Abtragung im Wege der Ersatzvornahme das Gebäude ohne Rücksicht auf darin befindliche Personen oder Fahrnisse zu zerstören; zur Wahrung dieser Rücksichten wird es aber genügen, vor Beginn der faktischen Demolierung ohne gesonderte Vollstreckungsverfügung die im Gebäude befindlichen Personen, als die Vollstreckungsmaßnahme behindernd, zwangsweise aus dem Gebäude herauszuführen und die darin befindlichen Fahrnisse ins Freie zu schaffen, sodaß sie durch die Zerstörung des Gebäudes nicht unmittelbar beeinträchtigt werden.

Aus der Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Exekutionsordnung kann für den Beschwerdeführer nichts gewonnen werden, da die Exekutionsordnung im Gegensatz zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz besondere Bestimmungen über die zwangsweise Räumung von Gebäuden enthält. Der Hinweis auf § 353 EO in Mannlicher's kommentierter Ausgabe zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen bezieht sich nur auf die Abgrenzung vertretbarer und unvertretbarer Verpflichtungen.

War aber die Vollstreckung des rechtskräftigen und vollstreckbaren Abtragungsauftrages durch Ersatzvornahme ohne gesonderte Vollstreckung der in der Abtragungsverpflichtung stillschweigend inbegriffenen Räumungsverpflichtung zulässig und war, wie im vorliegenden Falle, die in der Androhung der Ersatzvornahme eingeräumte Paritionsfrist abgelaufen, dann durfte dem Beschwerdeführer auch die im § 4 Abs. 2 VVG 1950 vorgesehene Kostenvorauszahlung auferlegt werden. (Die Höhe der Kosten hat er in der Beschwerde nicht mehr bekämpft.)

Auch der behauptete Verfahrensmangel liegt nicht vor, weil, wie bereits ausgeführt, die Feststellung, ob das Gebäude benützt ist, keine entscheidungswesentliche Bedeutung hat. Da sohin der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im bezeichneten Beschwerdepunkt nicht in seinen Rechten verletzt worden ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf §§ 47 ff VwGG 1965 und die Verordnung des Bundeskanzleramtes vom 4. Jänner 1965, BGBl. Nr. 4.

Wien, am 19. Oktober 1970

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1970:1970000750.X00

Im RIS seit

14.10.2019

Zuletzt aktualisiert am

14.10.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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