TE Vwgh Beschluss 2019/8/8 Ro 2018/04/0020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.08.2019
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
97 Öffentliches Auftragswesen

Norm

BVergG 2006 §131 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision der Ing. A-GmbH in N, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Dr. Michael Pichlmair und Ing. MMag. Michael A. Gütlbauer, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Eisenhowerstraße 27, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 3. Oktober 2018, Zl. W139 2206369- 1/2E, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (mitbeteiligte Partei: Abwasserverband Raum K, vertreten durch die Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die mitbeteiligte Partei führte als Auftraggeber beginnend im Juni 2018 im offenen Verfahren ein näher bezeichnetes Vergabeverfahren durch, an dem sich die Revisionswerberin beteiligte. Mit Schreiben vom 20. September 2018 teilte der Auftraggeber der Revisionswerberin das Ausscheiden ihres Angebotes gemäß § 129 Abs. 1 Z 3 Bundesvergabegesetz 2006 (BVergG 2006) mit.

Gegen diese Entscheidung brachte die Revisionswerberin einen Nachprüfungsantrag ein, verbunden mit dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

2 Mit dem angefochtenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichte s vom 3. Oktober 2018 wurden die Anträge der Revisionswerberin auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung dahingehend, das Bundesverwaltungsgericht möge dem Auftraggeber die Fassung einer Zuschlagsentscheidung bzw. die Erteilung des Zuschlages bis zur Entscheidung über den Nachprüfungsantrag untersagen, gemäß § 350 Abs. 1 Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG 2018) abgewiesen. Die ordentliche Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht stellte zunächst fest, dass weder eine Zuschlagsentscheidung bekannt gegeben noch der Zuschlag erteilt worden sei. Im Hinblick auf die Übergangsbestimmung des § 376 Abs. 4 BVergG 2018 seien die materiell-rechtlichen Bestimmungen des BVergG 2006 anzuwenden, das Rechtsschutzverfahren sei aber nach den Regelungen des BVergG 2018 durchzuführen.

Da sich das Vergabeverfahren - so das Bundesverwaltungsgericht - im Stadium vor Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung befinde und die Erteilung des Zuschlages somit nicht unmittelbar bevorstehe, drohe derzeit durch die Zuschlagserteilung kein unmittelbarer Schaden. Es bestehe aber auch kein Grund, dem Auftraggeber die Zuschlagsentscheidung zu untersagen. Der Auftraggeber sei gemäß § 131 Abs. 1 BVergG 2006 verpflichtet, den im Vergabeverfahren verbliebenen Bietern die Zuschlagsentscheidung mitzuteilen. Die Revisionswerberin sei als verbliebene Bieterin anzusehen, weil ihr Ausscheiden noch nicht als rechtmäßig erkannt worden sei. Ein von der Revisionswerberin unterstelltes rechtswidriges Verhalten des Auftraggebers könne nicht Grundlage für die Anordnung einer vorläufigen Maßnahme sein. Die Untersagung der Zuschlagsentscheidung und der Zuschlagserteilung sei daher zur Absicherung des auf die Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung gerichteten Begehrens nicht erforderlich.

Die Zulassung der ordentlichen Revision begründete das Bundesverwaltungsgericht damit, dass die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als uneinheitlich anzusehen sei. So sei der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 9. August 2010, AW 2010/04/0024, davon ausgegangen, dass ein Bieter, der ein Nachprüfungsverfahren gegen das Ausscheiden seines Angebotes eingeleitet habe, bereits vor Beendigung dieses Nachprüfungsverfahrens als nicht im Vergabeverfahren verbliebener Bieter anzusehen sei. Demgegenüber habe der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 23. November 2016, Ra 2015/04/0029, ausgeführt, dass als verbliebene Bieter auch jene Bieter anzusehen seien, deren Angebot zwar ausgeschieden worden, die Ausscheidensentscheidung jedoch noch nicht rechtskräftig sei. 3 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende ordentliche Revision.

Die Revisionswerberin ist zwar - wie das Bundesverwaltungsgericht - der Auffassung, sie sei als im Vergabeverfahren verbliebene Bieterin anzusehen und eine Zuschlagsentscheidung wäre ihr daher mitzuteilen. Allerdings werde von den Vergabekontrollbehörden und auch vom Verwaltungsgerichtshof überwiegend die gegenteilige Auffassung vertreten. Es sei daher davon auszugehen, dass sie keine Mitteilung der Zuschlagsentscheidung erhalte, zumal dies in der täglichen Vergabepraxis so gehandhabt werde. Die bloße Behebung der Ausscheidensentscheidung ohne Verhinderung der Zuschlagsentscheidung mittels einstweiliger Verfügung würde der Revisionswerberin nicht die Möglichkeit eröffnen, die Zuschlagsentscheidung mittels Nachprüfungsantrag anzufechten. 4 Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet. 5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem auch vom Bundesverwaltungsgericht begründend herangezogenen Beschluss vom 23. November 2016, Ra 2015/04/0029, zur Frage, ob der Auftraggeber, der einen Bieter ausgeschieden habe, zur Bekanntmachung der Zuschlagsentscheidung an diesen verpflichtet sei, wenn der Bieter die Ausscheidensentscheidung im Nachprüfungsverfahren bekämpfe, Folgendes festgehalten:

"Nach § 131 Abs. 1 BVergG 2006 hat der Auftraggeber den im Vergabeverfahren verbliebenen Bietern nachweislich mitzuteilen, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll. Als ,verbliebene' Bieter gelten jene Bieter, die nicht ausgeschlossen wurden, deren Angebote nicht ausgeschieden wurden bzw. deren Angebote zwar ausgeschieden wurden, jedoch die Ausscheidensentscheidung noch nicht rechtskräftig ist (vgl. RV 1171 BlgNR 22. GP 85; in diesem Sinne bereits der hg. Beschluss vom 4. September 2015, Ra 2015/04/0054, und zum nicht betroffenen Bieter nach Art. 2a der Richtlinie 89/665 der hg. Beschluss vom 20. Mai 2015, Ro 2014/04/0069). Die Rechtslage ist insoweit eindeutig, weshalb keine die Zulässigkeit der Revision begründende Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt (...)."

Ausgehend davon verneinte der Verwaltungsgerichtshof, dass der - als verbliebene Bieterin anzusehenden - Revisionswerberin durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit welcher die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung und die Erteilung des Zuschlags untersagt werde, eine bessere Rechtsposition eingeräumt werden sollte als den übrigen im Verfahren verbliebenen Bietern. 7 Auch die Erläuterungen zur BVergG-Novelle 2010, BGBl. I Nr. 15, mit der § 131 BVergG 2006 neu gefasst worden ist, führen diesbezüglich aus, dass ein Ausscheiden dann als bestandfest (bzw. - in der Diktion der RV 1171 BlgNR 22. GP 85 - als "rechtskräftig") und ein Bieter somit nicht mehr als im Vergabeverfahren verblieben gilt, wenn das Ausscheiden des Angebotes von der zuständigen Vergabekontrollbehörde für rechtmäßig erkannt wurde oder wenn es keinem Nachprüfungsverfahren mehr unterzogen werden kann (RV 327 BlgNR 24. GP 24). 8 An der somit eindeutigen Rechtslage - wonach ein Bieter, der die Entscheidung, mit der sein Angebot ausgeschieden wurde, angefochten hat, dann als im Vergabeverfahren verbliebener Bieter im Sinn des § 131 Abs. 1 BVergG 2006 anzusehen ist, wenn über diesen Nachprüfungsantrag noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist - vermag der Hinweis des Bundesverwaltungsgerichtes auf den im Provisorialverfahren ergangenen Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes AW 2010/04/0024 nichts zu ändern. 9 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass dieser Beschluss (ebenso wie der von der Revisionswerberin ins Treffen geführte Beschluss VwGH 10.12.2007, AW 2007/04/0054) zur materiellrechtlichen Rechtslage (und damit auch zu § 131) des BVergG 2006 in der Fassung vor der BVergG-Novelle 2010 ergangen ist. Demgegenüber liegt den zur materiell-rechtlichen Rechtslage in der Fassung nach der BVergG-Novelle 2010 ergangenen Beschlüssen des Verwaltungsgerichtshofes in Provisorialverfahren nunmehr ständig die Auffassung zugrunde, dass als verbliebene Bieter (auch) jene Bieter gelten, deren Angebot zwar ausgeschieden wurde, die Ausscheidensentscheidung aber noch nicht bestandfest geworden ist (siehe VwGH 4.9.2015, Ra 2015/04/0054; 31.8.2016, Ra 2016/04/0093; 31.8.2016, Ra 2016/04/0094; 31.8.2016, Ra 2016/04/0095; 2.12.2016, Ra 2016/04/0132; 15.1.2019, Ra 2019/04/0008).

10 Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Frage, ob es sich bei der jeweils beschwerdeführenden Partei um einen verbliebenen Bieter handle, in den zitierten Beschlüssen AW 2007/04/0054 sowie AW 2010/04/0024 jeweils eine Vorfrage für die im Provisorialverfahren zu entscheidende (Haupt)Frage war, ob der angefochtene Bescheid einem Vollzug zugänglich bzw. für die beschwerdeführende Partei damit ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden sei.

11 Soweit die Revisionswerberin schließlich eine von ihr behauptete (abweichende) Vergaberechtspraxis ins Treffen führt, ist dem entgegenzuhalten, dass auch ein allenfalls rechtswidriges Vorgehen eines Auftraggebers an der eindeutigen Rechtslage nichts zu ändern vermag.

12 Somit wird vorliegend keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. 13 Die Revision war daher in einem nach § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. Wien, am 8. August 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RO2018040020.J00

Im RIS seit

11.10.2019

Zuletzt aktualisiert am

11.10.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten