TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/31 W129 2197286-3

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Veröffentlicht am 31.07.2019
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Entscheidungsdatum

31.07.2019

Norm

AsylG 2005 §58 Abs10
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W129 2197286-3/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX StA Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.10.2018, Zl. 1172630002/180933303, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin stellte am 02.11.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid vom 11.04.2018 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde ihr Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiären Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihr gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

3. In weiterer Folge stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG und brachte unter einem eine Beschwerde ein.

4. Mit Beschluss vom 20.08.2018 wurde die Beschwerde gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 iVm § 28 Abs. 1 iVm § 31 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.

5. Die Beschwerdeführerin stellte am 19.09.2018 einen Antrag auf Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 2 AsylG.

6. Mit Bescheid vom 02.10.2018 wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels asf Gründen des Art. 8 EMRK vom 19.09.2018 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zurückgewiesen.

7. Mit Schreiben vom 05.11.2018 legte die belangte Behörde die Beschwerde sowie die bezughabenden Akten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, wo das Konvolut am 08.11.2018 einlangte.

8. Am 13.03.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführer wurde in der Russischen Föderation geboren und ist russische Staatsbürgerin. Ihre Identität steht fest.

1.2. Zum Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte am 02.11.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid vom 11.04.2018 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde ihr Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiären Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihr gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Mit Beschluss vom 20.08.2018 wurde die Beschwerde gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 iVm § 28 Abs. 1 iVm § 31 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin stellte am 19.09.2018 einen Antrag auf Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 2 AsylG.

Mit Bescheid vom 02.10.2018 wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 19.09.2018 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zurückgewiesen.

1.3. Zur Integration:

Die Beschwerdeführerin lebt seit weniger als zwei Jahren in Österreich und bezieht seit ihrer Einreise durchgehend Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung des Bundes. Sie heiratete am 10.03.2018 standesamtlich ihren Ehemann XXXX . Der Ehemann verfügt über eine Rot-Weiß-Rot-Karte plus. Am 09.10.2018 wurde die gemeinsame Tochter der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes geboren. Die Beschwerdeführerin ist zum zweiten Mal schwanger (errechneter Geburtstermin 23.10.2019). Sie wohnt mit ihrem Ehemann und der Tochter zusammen. Bislang ging die Beschwerdeführerin keiner regelmäßigen erlaubten Erwerbstätigkeit nach. Sie hat den Kurs Deutsch für Asylwerbende - Alphabetisierung 1 vom 26.06.2018 bis 04.10.2018 im Ausmaß von 60 UE besucht. Dem Schreiben vom 18.12.2018 ist zu entnehmen, dass sie sich zu einem Sprachtraining im Freiwilligennetz des Diakoniewerks XXXX angemeldet hat und auf der Warteliste steht. Ihr Ehemann ist berufstätig. Dem Schreiben vom 13.06.2019 ist zu entnehmen, dass sie zum Sprachtraining im Freiwilligennetz angemeldet ist, sich aber auf der Warteliste befindet. Ab Juli 2019 ist ein Sprachtraining mit einer russisch sprechenden Studentin auf dem Niveau "Alphabetisierung" in Aussicht genommen. Sie war in Österreich mehrmals in medizinischer Behandlung (ua. posttraumatische Belastungsstörung, Diabetes); ist aber grundsätzlich gesund.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Ansonsten konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration der Beschwerdeführerin in Österreich in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

Die Beschwerdeführerin setzte sämtliche Integrationsschritte, als sie sich der Unsicherheit seines Aufenthaltsstatus bewusst war, weshalb sie nicht darauf vertrauen konnte, ihr Familien- und Privatleben in Österreich dauerhaft fortsetzen zu können. Sie verfügt auch in ihrem Herkunftsstaat über familiären Bezugspunkte und verbrachte den Großteil ihres Lebens in der russischen Föderation und ist der russischen und tschetschenischen Sprache mächtig.

Ein vor dem Hintergrund des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.08.2018 (bzw. vor dem Hintergrund des dem Beschluss zugrundeliegenden Bescheides der belangten Behörde vom 11.04.2018) geänderter Sachverhalt im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, kann nicht festgestellt werden.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt der bezughabenden Verwaltungsakten (inklusive jener des Vorverfahrens).

Die Identität der Beschwerdeführerin wurde bereits von der belangten Behörde festgestellt.

Die näheren Feststellungen zur persönlichen Situation der Beschwerdeführerin, sowie ihrer Integration in Österreich ergeben sich aus ihren Angaben und vorgelegten Beweismittel.

Dass sie mehrere medizinische Behandlung in Anspruch genommen hat, ergibt sich aus dem Akt. Dass sie grundsätzlich gesund ist, aus ihren Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung (VH-Protokoll S. 3).

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. § 55 AsylG lautet:

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

3.2. § 58 AsylG lautet:

2. Abschnitt:

Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln

Antragstellung und amtswegiges Verfahren

§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und

2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.

(14) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise allgemein und für den jeweiligen Aufenthaltstitel dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Diese Verordnung kann auch Form und Art einer Antragstellung, einschließlich bestimmter, ausschließlich zu verwendender Antragsformulare, enthalten.

3.3. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1803 BlgNR 24. GP 50) legen zur Bestimmung des § 58 Abs. 10 AsylG Folgendes dar:

"Der neue (Abs. 10) entspricht im Wesentlichen § 44b NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011. Mit der Neuerrichtung des Bundesamtes und der damit einhergehenden Verfahrensvereinfachung und organisatorischen Umstrukturierung ist die Einbindung der zuständigen Sicherheitsdirektion entfallen. Die Beurteilung bzw. Prüfung erfolgt nun durch das Bundesamt. Dementsprechend sind Anträge als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 iVm § 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Diese inhaltliche Neubewertung des Sachverhaltes hat sich lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels zu beziehen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass - im Rahmen einer Neubewertung - wenn ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, ein Aufenthaltstitel zu erteilen sein wird."

3.4. Rechtsprechung:

Die zur Vorgängerregelung des § 58 Abs. 10 AsylG (also zu § 44b Abs. 1 NAG) ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auf die Auslegung des § 58 Abs. 10 AsylG zu übertragen (dazu VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101). Nach dieser Rechtsprechung liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufweisen, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK gebieten würde. Nur in einem solchen Fall ist eine - der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete - Zurückweisung (nunmehr) gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zulässig (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101 mit Hinweisen auf VwGH 22.07.2011, 2011/22/0127; 05.05.2015, Ra 2014/22/0115).

Da der Zurückweisungsgrund gemäß § 58 Abs. 10 AsylG (vormals § 44b Abs. 1 Z 1 NAG) der Zurückweisung wegen entschiedener Sache (§ 68 Abs. 1 AVG) nachgebildet ist, können die zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten Grundsätze für die Beurteilung, wann eine Änderung des Sachverhaltes als wesentlich anzusehen ist, auch für die Frage herangezogen werden, wann eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 58 Abs. 10 AsylG vorliegt. Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anderslautenden Bescheides (bezogen auf § 58 Abs. 10 AsylG: eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK) muss also zumindest möglich sein; in dieser Hinsicht hat die Behörde eine Prognose zu treffen. Dabei ist die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Für diese Prognose ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen (vgl. VwGH 09.09.2013, 2013/22/0161; 09.09.2013, 2013/22/0215, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 12.11.2015, Ra 2015/21/0101, ausführlich auf den inhaltlichen Gleichklang der Beurteilung eines Eingriffs in das Privat- und Familienleben eines Fremden bei Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung einerseits und der Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG andererseits hingewiesen (vgl. auch VwGH 28.01.2016, Ra 2016/21/0006; 30.06.2016, Ra 2016/21/0103).

3.5. Anwendung im Beschwerdefall:

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zu der durch das VwGVG neu geschaffenen Rechtslage ausgesprochen (vgl. VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002-0003; 26.02.2015, Ra 2014/22/0152- 0153;

23.06.2015, Ra 2015/22/0040; 16.09.2015, Ra 2015/22/0082-0083;

12.10.2015, Ra 2015/22/0115), dass - wenn die Behörde in erster Instanz den Antrag zurückgewiesen hat - das Verwaltungsgericht lediglich befugt ist, darüber zu entscheiden, ob die von der Behörde ausgesprochene Zurückweisung als rechtmäßig anzusehen ist, dies allein bildet den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

Aus diesem Grund war auf den in der Beschwerde gestellten Antrag der Beschwerdeführerin, "das BVwG möge den angefochtenen Bescheid beheben und aussprechen, dass der BF gem. § 55 ASylG eine Aufenthaltsberechtigung aus Gründen des Art. 8 EMRK zuerkannt wird."

nicht einzugehen, weil ein solcher Ausspruch den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschreiten würde.

3.6. Das BFA stellte im Bescheid vom 11.04.2018 bereits fest:

"Sie sind verheiratet und erwarten Ihr erstes Kind".

Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde wurde durch das Bundesverwaltungsgericht als verspätet zurückgewiesen.

3.7. Die Beschwerdeführerin berief sich im gegenständlichen verfahrenseinleitenden Antrag auf ihre Ehe als auch auf ihre Schwangerschaft. In der Beschwerde berief sie sich darauf, dass durch die Geburt der gemeinsamen Tochter im Vergleich zur Entscheidung des BFA eine maßgebliche Sachverhaltsänderung eingetreten ist.

In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG brachte sie im Wesentlichen weiters vor, dass sie nunmehr zum zweiten Mal schwanger ist, einen Deutschkurs besuchte und beabsichtigt, ein Sprachtraining zu besuchen.

Soweit im Vorbringen der Beschwerdeführerin Elemente geltend gemacht werden, die als "Änderung" in Betracht kommen (Geburt des gemeinsamen Kindes und erneute Schwangerschaft, Deutschkurs und Sprachtraining), ist festzuhalten, dass unter Bedachtnahme auf die seit der Rückkehrentscheidung (Bescheid BFA vom 11.04.2018, Beschluss BVwG 20.08.2018) vergangene Zeit und unter Würdigung der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Umstände nicht gesehen werden kann, dass damit Sachverhaltsänderungen vorlägen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen bei der hier anzustellenden Prognose den Schluss zugelassen hätten, es wäre - auch im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung - eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK zumindest möglich (vgl. zu ähnlichen Konstellationen VwGH 23.02.2012, 2012/22/0002; 19.12.2012, 2012/22/0202; 17.04.2013, 2013/22/0006; 09.09.2013, 2013/22/0215; zu Fällen der Aufenthaltstitelbeantragung nach einer Zeit von weniger als zwei Jahren nach rechtskräftiger Rückkehrentscheidung und mehr als zehnjährigem Aufenthalt, bei Erwerb von Sprachkenntnissen sowie Vorlage von Einstellungszusagen vgl. VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0074; 22.07.2011, 2011/22/0138-0140).

3.8. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Entscheidung des VwGH vom 10.04.2014, 2011/22/0286, hingewiesen, demnach es im Ergebnis nicht zu beanstanden war, dass die Behörde ua. in der Geburt des zweiten Kindes keine solche maßgebliche Änderung des Sachverhaltes sah, die eine Neubeurteilung im Hinblick auf Art. 8 EMRK erfordert hätte.

3.9. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die in der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung getroffene Abwägung im Ergebnis zu einem Überwiegen der öffentlichen Interessen gelangt, wobei aus der Entscheidung in Bezug auf ihre Lebensgemeinschaft hervorgeht, dass sie unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist ist und nicht damit rechnen konnte, in Österreich bleiben zu können, da sich ihr Recht zum Aufenthalt lediglich auf das AsylG stützt. Es handelt sich trotz bestehender familiärer Anknüpfungspunkt um eine maßgebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lasst. Weitere Familienangehörige bzw. Verwandte hat sie nicht in Österreich. Sie befand sich erst seit einigen Monaten in Österreich. Somit hat kein schützenswertes Privatleben festgestellt werde können.

Zudem ist zu beachten, dass zwischen der (verfahrensrechtlichen) Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes und der neuen Antragstellung lediglich etwa ein Monat bzw. zwischen der (materiellen) Entscheidung der belangten Behörde und der neuen Antragstellung lediglich etwa fünf Monate liegen und seit dem Beschluss des BVwG weniger als 1 Jahr vergangen ist. Die Beschwerdeführerin setzte ihre Integrationsschritte trotz rechtskräftiger Rückkehrentscheidung fort.

Darüber hinaus kamen dem Gericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung erhebliche Zweifel, dass sich die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann "zufällig" kennen gelernt haben. So ergaben sich im Zuge der Befragung der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann als Zeugen nach dem Kennenlernen erhebliche Widersprüche, die nicht schlüssig entkräftet werden konnten. Beim Gericht entstand der Eindruck, dass die Ehe bereits vor der Einreise der Beschwerdeführerin bewusst "extern angebahnt" wurde.

Diesbezüglich war zu berücksichtigen, dass das Gründung des Familienlebens zu einem Zeitpunkt entstand, zu dem die Beschwerdeführerin lediglich zum vorläufigen Aufenthalt in Österreich während des anhängigen Asylverfahrens berechtigt war und somit sein weiterer Aufenthalt mit Rücksicht auf den Ausgang des Asylverfahrens unsicher war. Es ist daher zu Lasten der Beschwerdeführerin zu werten, dass es sich nicht um ein "zufälliges" Treffen handelte, sondern vielmehr die Ehe bewusst "extern angebahnt" wurde und die Familiengründung und - erweiterung dahingehend weniger schutzwürdig erscheinen lässt, da die Stellung des Antrages auf Internationalen Schutz offenkundig zur Umgehung der fremdenrechtlichen Bestimmungen erfolgte und der Beschwerdeführerin die Unsicherheit ihres Aufenthaltes besonders bewusst gewesen sein musste.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin im Falle des Verlassens des Bundesgebietes nicht gezwungen ist, ihre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet gänzlich aufzugeben. Es stünde ihr frei, diese brieflich, elektronisch, telefonisch oder im Rahmen von gegenseitigen Besuchen aufrecht zu erhalten bzw. sich von der Russischen Föderation aus um eine legale Einreise und einen legalen Aufenthalt zu bemühen. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang daher, dass es der Beschwerdeführerin bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw. NAG nicht verwehrt ist, wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren (so auch VfSlg. 19.086/2010 unter Hinweis auf Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 861).

Auch stünde zudem einer Wohnsitznahme der gesamten Familie in der Russischen Föderation nichts entgegen. Dem Ehemann der Beschwerdeführerin, der ebenso Staatsangehöriger der Russischen Föderation ist, wurde insbesondere weder der Status eines Asylberechtigten noch jener eines subsidiär Schutzberechtigten in Österreich zuerkannt.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung des VfGH vom 19.06.2015, E 426/20158, mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar ist, da dem Ehemann der Beschwerdeführerin nicht in Österreich die Flüchtlingseigenschaft in Bezug auf jenen Staat zuerkannt wurde, in den die Beschwerdeführerin ausgewiesen werden soll. Dies gilt auch in Hinblick auf die Entscheidung des VwGH vom 06.09.2018, Ra 2018/18/0026. Dem Ehemann wurde nämlich im vorliegenden Fall weder der Status eines Asylberechtigten noch eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

4.1. Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltstitel, Interessenabwägung, öffentliche Interessen,
Rückkehrentscheidung, VfGH, VwGH

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W129.2197286.3.00

Zuletzt aktualisiert am

10.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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