TE Vwgh Erkenntnis 1964/2/18 0526/63

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Veröffentlicht am 18.02.1964
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Index

Abgabeverfahren

Norm

BAO §215
BAO §215 Abs1
BAO §216
BAO §227 Abs4 lita

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Hofrat Dr. Schirmer, und die Hofräte Dr. Eichler, Dr. Härtel, Dr. Raschauer und Dr. Frühwald als Richter, im Beisein des Schriftführers, Bezirksrichters DDr. Hofmann, über die Beschwerde des AO in H gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 12. Februar 1963, Zl. 37-I-1963, betreffend Umbuchung von Guthaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist einer der Gesellschafter der Firma O in H. Für diese Firma fielen in den Jahren 1959 bis 1961 größere Guthaben für Ausfuhrvergütungen beim Finanzamt Salzburg an. Das Finanzamt hat nun im genannten Zeitraum von Guthaben auf dem Konto der Gesellschaft, Steuernummer nn1, folgende Beträge auf das persönliche Konto des Beschwerdeführers beim Finanzamt Salzburg, Abteilung Land, Steuernummer nn2, "überrechnet":

 

im Jahre 1959

 

S 30.926,--

" " 1960

 

" 48.693,93 und

" " 1961

 

" 5.000,--.

Mit Schreiben vom 4. Oktober 1962 hatte der Beschwerdeführer beim Finanzamt Salzburg, Abteilung Land, den Antrag gestellt, die in den Jahren 1959, 1960 und 1961 "überrechneten" Beträge wieder auf das Konto der Firma O  beim Finanzamt Salzburg, Steuernummer nn1, rückzuüberrechnen, und zwar mit der Begründung, die seinerzeitigen "Überrechnungen" seien vom Finanzamt ohne entsprechende Antragstellung vorgenommen worden, obwohl es sich hier um zwei verschiedene Steuersubjekte handle und daher der § 215 Abs. 2 BAO, wonach Guthaben zur Tilgung von Schuldigkeiten zu verwenden sind, die derselbe Abgabepflichtige bei einer anderen Abgabenbehörde hat, nicht anzuwenden und das Finanzamt daher nicht dem Gesetz entsprechend vorgegangen sei.

Das Finanzamt Salzburg gab mit Bescheid vom 5. Dezember 1962 dem Antrag des Beschwerdeführers mit der Begründung keine Folge, daß es auf Grund des § 215 BAO im Zusammenhalt mit § 77 BAO berechtigt gewesen sei, das Guthaben auf dem Konto nn1 (Gesellschaftskonto der Firma O) zur Abdeckung der Rückstände des Beschwerdeführers zu verwenden.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, daß ihm die Begründung des Finanzamtes nicht ausreichend erscheine. Es könne nicht behauptet werden, die Firma O sei Schuldnerin der vom Gesellschafter AO geschuldeten Abgaben. Die Firma O und der Gesellschafter AO seien zwei verschiedene Abgabepflichtige. § 215 BAO weise ausdrücklich darauf hin, daß die Vorgangsweise, wie sie das Finanzamt in diesem Fall eingeschlagen habe, nur auf Abgabenschuldigkeiten angewendet werden könne, die derselbe Abgabepflichtige bei einer anderen Abgabenbehörde habe. Das Finanzamt sei nicht berechtigt gewesen, ohne vorherige Antragstellung der Pflichtigen die bekämpften Umbuchungen vorzunehmen.

Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 12. Februar 1963 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Für die Verwendung von Guthaben wären im vorliegenden Fall noch die Bestimmungen des § 7 Abs. 4 Abgabeneinhebungsgesetz 1 951, BGBl. Nr. 87/1951 (AbgEG 1951), anzuwenden. Da die genannten Umbuchungen vom Konto eines Abgabenschuldners (der Firma O) auf das Konto eines anderen Abgabenschuldners (des Gesellschafters AO) erfolgten, wäre das Finanzamt "im Grundsatze" zur Durchführung der genannten "Überrechnungen" ohne Einverständnis - also allein gestützt auf die Bestimmungen des § 7 Abs. 4 AbgEG 1951 - nicht berechtigt gewesen. Das Finanzamt habe jedoch diese "Überrechnungen" durch drei Jahre hindurch (1959, 1960, 1961) vorgenommen und die Firma O sowie den Gesellschafter AO von jeder "Überrechnung" mittels Lastschriftanzeige verständigt, ohne daß dagegen irgendwelche Einwendungen erhoben worden wären. Das daraus zu folgende Einverständnis werde schließlich noch erhärtet durch die Feststellungen der bei der Firma O durchgeführten Betriebsprüfung. Danach fände die teilweise Verwendung der auf dem Konto der Firma O gutgeschriebenen Umsatzsteuervergütungen zur Abdeckung von Steuerschulden des Gesellschafters AO in der Buchhaltung bzw. in den Bilanzen der Firma O ihren entsprechenden Niederschlag. Auf dem Privatkonto des Gesellschafters AO schienen im Prüfungszeitraum die mit der Verwendung von Vergütungsbeträgen zur Abdeckung von Steuerschulden im Zusammenhang stehenden Buchungen auf. Weiters wären im Jahre 1961 u. a. dem Gesellschafter AO S 9.451,33 an Zinsen mit folgender Begründung angelastet worden: "Da das Finanzamt vielfach für Gesellschafter, die Steuerrückstände haben, diese Rückstände von den Ausfuhrvergütungen abgezweigt und die Gesellschaft aus diesem Grunde diese Gelder nicht zur Verfügung hatte, waren für die abgezweigten Geldbeträge zwangsläufig Zinsen zu berechnen." Das Finanzamt habe also mit Recht das Einverständnis zur Durchführung der genannten "Überrechnungen" annehmen können. Überdies sei der Beschwerdeführer durch die zu seinen Gunsten durchgeführten Gutschriften in steuerlichen Rechten überhaupt nicht verletzt worden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die wegen behaupteter Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes beim Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde. Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erblickt der Beschwerdeführer darin, daß die belangte Behörde aus dem Umstand, daß die "Überrechnungen" drei Jahre hindurch unbeanstandet durchgeführt worden seien, sein Einverständnis hiezu gegeben habe. Der Beschwerdeführer hätte ursprünglich irrigerweise angenommen, daß die "Überrechnungen" zu Recht erfolgt wären, weil er aus der Lastschriftanzeige nicht habe entnehmen können, daß ihm diese Gutschriften nicht zustünden. Er habe sich daher in gutem Glauben befunden und erst, als er Kenntnis von der Rechts- und Sachlage erhalten habe, einen Rückbuchungsantrag gestellt. Die belangte Behörde stütze sich schließlich noch darauf, daß ein Einverständnis deshalb vorgelegen sei, weil in den Bilanzen der Firma O diese Überrechnungen ihren Niederschlag fänden. Diese Annahme sei jedoch völlig irrig, weil die Buchungen auf dem Privatkonto des Teilhabers zwangsläufig durchgeführt werden mußten. Dies habe aber nichts mit der Frage zu tun, ob die Beteiligten sich mit dem Vorgehen des Finanzamtes einverstanden erklärt hätten oder nicht. Weiters wäre der Firma O durch die genannten "Überrechnungen" ein erheblicher Schaden entstanden, weil sie über die abgebuchten Guthaben nicht verfügen konnte und Bankkredit habe heranziehen müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 4 des auf den Beschwerdefall noch anzuwendenden Abgabeneinhebungsgesetzes 1951, BGBl. Nr. 87/1951 (AbgEG 1951), sind Guthaben eines Abgabenschuldners ohne Rücksicht darauf, ob sie aus Überzahlungen oder aus anderem Anlaß entstanden sind, zur Tilgung der bereits fällig gewordenen Abgbenschuldigkeiten zu verwenden, die der Abgabeschuldner beim gleichen Finanz(Zoll)amt hat. Ferner können aus solchen Guthaben der Höhe nach festgesetzte Abgabenschuldigkeiten gedeckt werden, die der Abgabenschuldner beim gleichen Finanz(Zoll)amt nicht später als drei Monate nach der Überzahlung oder der Entscheidung, auf denen das Guthaben beruht, zu zahlen hat. Das gleiche gilt für die Tilgung von Abgabenschuldigkeiten, die der Abgabenschuldner bei einem anderen Finanz(Zoll)amt hat, wenn das buchende Finanz(Zoll)amt von deren Bestand Kenntnis erhält. Nach Durchführung dieser Anrechnungen verbleibende Guthaben sind auf Antrag des Abgabenschuldners zurückzuzahlen. Das Finanzamt hatte dem Rückbuchungsantrag des Beschwerdeführers unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 215 BAO, welche inhaltlich den oben zitierten Bestimmungen des § 7 Abs. 4 AbgEG 1951 entsprechen, keine Folge gegeben. Wie nun die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid einräumt, wäre das Finanzamt nach der erwähnten Gesetzesstelle zur Durchführung der in Rede stehenden "Überrechnungen" vom Konto der Gesellschaft auf das Konto des Beschwerdeführers ohne dessen Einverständnis nicht berechtigt gewesen, weil es sich hiebei nicht um denselben Abgabenpflichtigen handelt. Sie glaubt jedoch, das Einverständnis des Beschwerdeführers zu der Vorgangsweise des Finanzamtes aus dem Umstand ableiten zu können, daß die "Überrechnungen" drei Jahre hindurch sowohl von der Gesellschaft als auch vom Beschwerdeführers und trotz Verständigung mittels Lastschriftanzeige widerspruchslos hingenommen worden sind. Im angefochtenen Bescheid wird ferner auf die Feststellungen einer bei der Firma O durchgeführten Betriebsprüfung verwiesen, bei der die teilweise Verwendung der auf dem Konto der Gesellschaft gutgeschriebenen Umsatzsteuervergütungen zur Abdeckung von Steuerschulden des Beschwerdeführers auch in der Buchhaltung bzw. in den Bilanzen der Gesellschaft festgestellt wurde. Der Verwaltungsgerichtshof vermag der von der belangten Behörde vertretenen Auffassung nicht zu folgen. Eine dem Gesetz widersprechende Verwaltungsübung kann nicht dadurch ihre nachträgliche Rechtfertigung finden, daß sie von den Betroffenen widerspruchslos hingenommen wurde. Es ginge zu weit, aus dem Umstand, daß sowohl die Gesellschaft als auch der Beschwerdeführer gegen die die Buchungen ausweisenden Lastschriftanzeigen keine Einwendungen erhoben haben, das Einverständnis des Beschwerdeführers zu der dem Gesetz nicht entsprechenden Vorgangsweise der Abgabenbehörde folgern zu wollen. Auch daraus, daß die Überrechnungsvorgänge in den Bilanzen der Gesellschaft ihren Niederschlag gefunden haben, kann ein solches Einverständnis nicht abgeleitet werden. Handelt es sich doch hiebei nur um Buchungsvorgänge, die nach außen nicht in Erscheinung treten und eine Einverständniserklärung nicht zu ersetzen vermögen.

Dessen ungeachtet kommt jedoch der vorliegenden Beschwerde aus folgenden Gründen keine Berechtigung zu.

Die sowohl der offenen Handelsgesellschaft als auch dem Beschwerdeführer vom Finanzamt übermittelten Lastschriftanzeigen sind keine Bescheide, sondern bloße Mitteilungen über die Buchungen auf einem Steuerkonto (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1953, Slg. Nr. 698/F). Sie können daher mit einem Rechtsmittel nicht bekämpft werden. Die Möglichkeit, unrichtige Buchungen anzufechten, bietet jedoch die Bestimmung des § 216 BAO bzw. des auf den Beschwerdefall noch anzuwendenden § 7 Abs. 5 AbgEG 1951. Danach hat der Abgabepflichtige das Recht, bei Bestehen von Meinungsverschiedenheiten darüber, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung erloschen ist, die Erlassung eines Abrechnungsbescheides zu beantragen, der im Rechtsmittelweg angefochten werden kann. Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer versucht, die Buchungen mit einem Rückbuchungsantrag zu bekämpfen. Die Behörden des Abgabenverfahrens haben diesen Antrag offenbar als Antrag auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides behandelt und darüber entschieden. Sie haben hiebei jedoch übersehen, daß ein solcher Antrag nur von der OHG gestellt werden konnte, weil nur diese im vorliegenden Verfahren als antragstellender Abgabepflichtiger in Betracht kam. Die vom Finanzamt vorgenommenen Umbuchungen vom Konto der Gesellschaft auf das Konto des Beschwerdeführers betrafen Umsatzsteuervergütungen, die der Gesellschaft zuerkannt worden waren. Nach der Aktenlage hat jedoch nicht die OHG, sondern nur der Beschwerdeführer für seine Person die vom Finanzamt durchgeführten Umbuchungen im Verwaltungsverfahren bekämpft. Auch die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde vom Beschwerdeführer im eigenen Namen, nicht etwa namens der OHG eingebracht. Wenn auch dem Beschwerdeführer von den Behörden des Abgabenverfahrens Parteistellung eingeräumt wurde, so konnte er doch durch die vom Finanzamt zu Unrecht zu seinen Gunsten vorgenommenen Umbuchungen keinen Rechtsanteil in steuerlicher Hinsicht erleiden. Die Beschwerde mußte deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 als unbegründet abgewiesen werden.

Wien, am 18. Februar 1964

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1964:1963000526.X00

Im RIS seit

09.10.2019

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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