TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/28 W262 2222676-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.08.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

28.08.2019

Norm

AlVG §10
AlVG §38
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §13 Abs2
VwGVG §13 Abs5

Spruch

W262 2222676-1/4E

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Armin KLAUSER und Ernst KOSCHITZ als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 15.07.2019, GZ XXXX und XXXX , betreffend den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerden vom 09.07.2019 gegen die Bescheide des Arbeitsmarktservice XXXX vom 12.06.2019 bzw. 13.06.2019 in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG iVm § 28 Abs. 2 VwGVG

abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheiden des Arbeitsmarktservice XXXX (im Folgenden als AMS oder "belangte Behörde" bezeichnet) vom 12.06.2019 bzw. 13.06.2019 wurde festgestellt, dass der nunmehrige Beschwerdeführer den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß §§ 38 iVm 10 AlVG für die Zeiträume vom 22.05.2019 bis 11.06.2019 bzw. 12.06.2019 bis 16.07.2019 verloren habe und dass keine Nachsicht erteilt werde. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die vom AMS zugewiesene, zumutbare Beschäftigung als Reinigungsarbeiter bei der Firma XXXX durch das Verschulden des Beschwerdeführers nicht zustande gekommen sei. Gründe für eine Nachsicht würden nicht vorliegen.

Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer fristgerecht am 09.07.2019 eine näher begründete Beschwerde.

2.1. Mit Bescheid vom 15.07.2019 schloss die belangte Behörde die aufschiebende Wirkung der vorgenannten Beschwerde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG iVm §§ 56 Abs. 2 und 58 AlVG aus.

Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer beziehe seit 29.10.2008 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Es liege Langzeitarbeitslosigkeit vor; darüber hinaus erscheine die Einbringlichkeit der Forderung bei vorläufiger Anweisung der Leistung im Hinblick auf die Tatsache, dass es sich bereits um die zweite Sanktion gemäß § 10 AlVG handle, gefährdet bzw. aussichtslos. Eine Gewährung der aufschiebenden Wirkung würde das öffentliche Interesse an einer Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung unterlaufen. Aus diesem Grund überwiege hier das öffentliche Interesse gegenüber dem mit den Beschwerden verfolgten Einzelinteresse.

2.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 13.08.2019 fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde, in der er sich zunächst erneut gegen die oa. Bescheide vom 12.06.2019 bzw. 13.06.2019 wendet und darüber hinaus ausführt, dass es sich nicht um seine zweite Sanktion nach der zuletzt erworbenen Anwartschaft handle.

3. Die Beschwerde und der Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 22.08.2019 vorgelegt. In der Beschwerdevorlage gab die belangte Behörde bekannt, dass von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung nicht abgesehen werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der wiedergegebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.

In der Beschwerde wird nicht dargelegt, dass für den Beschwerdeführer mit dem sofortigen Vollzug der Bescheide betreffend den Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Er hat es unterlassen, die Unverhältnismäßigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung seiner Beschwerde durch ziffernmäßige Angaben über seine Wirtschaftsverhältnisse (Einkommens- und Vermögensverhältnisse) konkret darzulegen.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid eine einzelfallbezogene Interessenabwägung durchgeführt.

Die belangte Behörde hat von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung über die Beschwerde in der Hauptsache betreffend den Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe nicht abgesehen.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde. Der festgestellte Sachverhalt bezüglich des Inhaltes der gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erhobenen Beschwerde sowie der noch offenen Beschwerdevorverfahren ist unstrittig und aktenkundig.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.2. Das VwGVG sieht vor, dass eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung hat (§ 13 Abs. 1 VwGVG), solange diese Wirkung nicht mit Bescheid (§ 13 Abs. 2 VwGVG) oder mit Beschluss (§ 22 Abs. 2 VwGVG) ausgeschlossen worden ist.

Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid der Behörde ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

Nach § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Behörde die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 - sofern sie nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist - dem Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.

3.3. Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung (VwGH 01.09.2014, Ra 2014/03/0028). § 13 Abs. 2 VwGVG ermöglicht es, den in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Einbringung allenfalls unberechtigt empfangener Geldleistungen zu begegnen und dem Interesse der Versichertengemeinschaft, die Einbringlichkeit von (vermeintlich) zu Unrecht gewährten Leistungen an den einzelnen Versicherten ohne Zuwarten auf eine rechtskräftige Entscheidung im Falle der Bekämpfung eines Bescheides zu berücksichtigen, indem die berührten öffentlichen Interessen mit den Interessen des Leistungsempfängers abgewogen werden. Stellt sich im Zuge dieser Interessenabwägung heraus, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, so kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde mit Bescheid ausschließen.

Das Tatbestandsmerkmal "Gefahr im Verzug" bringt zum Ausdruck, dass die Bestimmung (der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) nur das Eintreten erheblicher Nachteile für eine Partei bzw. gravierender Nachteile für das öffentliche Wohl verhindern soll (vgl. Hengstschläger/Leeb, Rz 31 zu § 64 AVG; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte², § 13 VwGVG K 12).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang in seinem Erkenntnis vom 11.04.2018, Ro 2017/08/0033, Folgendes ausgeführt:

"Um die vom Gesetzgeber außerdem geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können (vgl. zur Interessenabwägung nach § 30 Abs. 2 VwGG VwGH 14.02.2014, Ro 2014/02/0053), hat ein Notstandshilfebezieher insbesondere die nicht ohne weiteres erkennbaren Umstände, die sein Interesse an einer Weitergewährung untermauern, sowie die in seiner Sphäre liegenden Umstände, die entgegen entsprechender Feststellungen des AMS für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen, spätestens in der Begründung (§ 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG) seiner Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darzutun und zu bescheinigen, zumal das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden hat."

Die belangte Behörde begründete den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung insbesondere damit, dass Langzeitarbeitslosigkeit vorliege und die Einbringlichkeit der Forderung bei vorläufiger Anweisung der Leistung im Hinblick auf die Tatsache, dass es sich bereits um die zweite Sanktion gemäß § 10 AlVG handle, gefährdet bzw. aussichtslos erscheine. Der Vollzug der Bescheide sei auch aus spezialpräventiven Erwägungen notwendig, um die Arbeitslosigkeit ehestens zu beenden. Eine Gewährung der aufschiebenden Wirkung würde das öffentliche Interesse an einer Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung unterlaufen. Der vorzeitige Vollzug der angefochtenen Bescheide sei daher dringend geboten.

3.4. Der Beschwerdeführer verweist in seiner Beschwerde gegen den die aufschiebende Wirkung der Beschwerden vom 09.07.2019 ausschließenden Bescheid lediglich auf die Mangelhaftigkeit der oa. Bescheide vom 12.06.2019 bzw. 13.06.2019 und führt darüber hinaus aus, dass es sich nicht um seine zweite Sanktion nach der zuletzt erworbenen Anwartschaft handle. Damit hat der Beschwerdeführer jedoch kein hinreichend konkretes bzw. substantiiertes Vorbringen dahingehend erstattet, dass ihn der Vollzug der Bescheide über den Verlust der Notstandshilfe unverhältnismäßig hart treffen würde.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 14.02.2014, Ro 2014/02/0053) trifft den Beschwerdeführer hinsichtlich des unverhältnismäßigen Nachteils eine Konkretisierungspflicht (vgl. auch VwGH 11.04.2018, Ro 2017/08/0033). In diesem Sinne erfordert die Dartuung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils die nachvollziehbare Darlegung der konkreten wirtschaftlichen Folgen der behaupteten Einbußen auf dem Boden der gleichfalls konkret anzugebenden gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse der beschwerdeführenden Partei. Nur durch die glaubhafte Dartuung konkreter - tunlichst ziffernmäßiger - Angaben über die finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers wird das erkennende Verwaltungsgericht überhaupt erst in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob der Vollzug der angefochtenen Bescheide für den Beschwerdeführer einen unverhältnismäßigen Nachteil mit sich brächte.

Dazu ist auch ins Treffen zu führen, dass das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG ohne weiteres Verfahren zu entscheiden hat. Dies bedeutet, dass das Verwaltungsgericht (gleichsam einem Eilverfahren) ohne Setzung der sonstigen üblichen Verfahrensschritte über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erkennen kann (vgl. Eder/Martschin/Schmid, K17 zu § 13). "Unverzüglich" und "ohne weiteres Verfahren" bedeutet wohl, ohne jede Möglichkeit, ergänzende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Anm. 8 zu § 13).

Vorliegend führte der Beschwerdeführer nicht näher aus, welche konkreten wirtschaftlichen, finanziellen oder rechtlichen Nachteile für ihn mit der Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe verbunden wären. Er legte diesbezüglich auch keinerlei Bescheinigungsmittel vor.

3.5. Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass mit dem Beschluss eine Entscheidung in der Hauptsache (Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe für die Zeiträume vom 22.05.2019 bis 11.06.2019 bzw. 12.06.2019 bis 16.07.2019) nicht vorweggenommen wird.

Gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 Abs. 2 AlVG steht der Behörde die Möglichkeit offen, hinsichtlich der Hauptsache eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen. Will sie von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde vorzulegen und dem Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG mitzuteilen, dass sie von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht. Im Verfahren ist die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung noch offen. Die Aktenvorlage erfolgte alleine aus dem Grund, damit über die Beschwerde über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung unverzüglich abgesprochen werden kann. Seitens der belangten Behörde wurde anlässlich der Aktenvorlage zudem ausdrücklich festgehalten, dass von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung nicht abgesehen werde.

3.6. Eine mündliche Verhandlung ist entfallen, da das Bundesverwaltungsgericht nach der Regelung des § 13 Abs. 5 VwGVG verpflichtet ist, über die Beschwerde "ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden", was impliziert, dass grundsätzlich keine mündliche Verhandlung durchzuführen ist (vgl. VwGH 09.06.2015, Ra 2015/08/0049).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder weicht die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde unter Pkt. II.3.3. und II.3.4. wiedergegeben. Schließlich liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Es handelt sich vielmehr um eine Einzelfallentscheidung.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, Gefahr im Verzug, Interessenabwägung,
Konkretisierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W262.2222676.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten