TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/5 W113 2220928-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.09.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

05.09.2019

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
UVP-G 2000 §19
UVP-G 2000 §2 Abs2
UVP-G 2000 §3 Abs2
UVP-G 2000 §40 Abs1
UVP-G 2000 Anh. 1 Z30
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
WRG 1959 §109
WRG 1959 §17 Abs1

Spruch

W113 2220928-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Katharina DAVID über die Beschwerden von XXXX , vertreten durch XXXX , und XXXX , vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid der XXXX Landesregierung vom 22.05.2019, Zl. UVP-10/20/25-2019, betreffend die Feststellung, dass für das Vorhaben "Errichtung und Betrieb der Wasserkraftanlage XXXX Ache" keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Antrag vom Juni 2014 beantragten die Gemeinde XXXX und die XXXX (im Folgenden Projektwerberinnen) beim Landeshauptmann von XXXX (im Folgenden LH XXXX ) die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für das Vorhaben Errichtung und Betrieb der Wasserkraftanlage XXXX Ache (im Folgenden KW XXXX Ache oder gegenständliches Vorhaben).

Gleichzeitig wurde beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (im Folgenden: BMLFUW) ein Antrag auf Durchführung eines wasserrechtlichen Widerstreitverfahrens mit dem geplanten Ausbau des Kraftwerks XXXX (alt) (im Folgenden AK XXXX (alt) oder Widerstreitprojekt (alt)) der XXXX (im Folgenden Projektwerberin des Widerstreitprojektes) eingebracht. Mit Bescheid vom 10.04.2015 wurde dieser Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dem Widerstreitprojekt fehle es an der Widerstreittauglichkeit, da es bereits im Widerstreitverfahren mit dem Vorhaben Wasserkraftwerk XXXX Ache (im Folgenden KW XXXX Ache) mit Bescheid vom 02.12.2013 unterlegen sei.

Im Zuge des Beschwerdeverfahrens vor dem LVwG XXXX modifizierte die Projektwerberin des Widerstreitprojektes (alt) ihr Vorhaben mit Schreiben vom 21.04.2015 in der Hinsicht, dass eine Wasserentnahme nur mehr aus der XXXX Ache stattfinden sollte, um die Errichtung und den uneingeschränkten Betrieb des KW XXXX Ache zu ermöglichen (= Widerstreitprojekt (neu)). Das LVwG XXXX behob den Bescheid des BMLFUW vom 10.04.2015 und mit Erkenntnis des VwGH vom 03.08.2016, Ro 2016/07/0006-5, wurde diese Entscheidung bestätigt. Das Widerstreitverfahren zwischen dem Widerstreitprojekt (neu) und dem gegenständlichen Vorhaben ist daher noch nicht abgeschlossen.

Mit Schreiben vom 28.06.2017 brachten die Projektwerberinnen ergänzend einen Fortsetzungsantrag zur Weiterführung des Widerstreitverfahrens beim BMLFUW zwischen dem gegenständlichen Vorhaben und dem Widerstreitprojekt (neu) ein. Das BMLFUW regte in der Folge bei der XXXX Landesregierung (im Folgenden: belangte Behörde) die Durchführung eines UVP-Feststellungsverfahren über das gegenständliche Vorhaben an.

2. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid der belangten Behörde vom 22.05.2019 wurde von Amts wegen festgestellt, dass für das gegenständliche Vorhaben nach Maßgabe der signierten Projektunterlagen keine UVP nach dem UVP-G 2000 durchzuführen sei.

Die Entscheidung wurde unter folgendem Hinweis erteilt:

Die Feststellung erfolgt unter der projektgegenständlichen Prämisse, dass sowohl das "KW XXXX Ache" als auch die "WKA XXXX Ache" während Hochwässern ihren Betrieb einstellen und unter der Voraussetzung, dass eine Überwachung und bei Bedarf entsprechende Räummaßnahmen durchgeführt werden.

Weiters unterliegt die Feststellung der Prämisse, dass aufgrund des anhängigen Widerstreitverfahrens gemäß § 109 WRG 1959 zwischen dem verfahrensgegenständlichen WKA " XXXX Ache" und dem "AK XXXX neu" (Projektswerberin: XXXX ) nur eines der beiden Vorhaben verwirklicht wird.

Weiters wurde begründet, dass beim Vorhaben keine Speicherung vorgesehen sei, weshalb im Hinblick auf Z 30 lit. b des Anhangs 1 UVP-G 2000 keine weitere Überprüfung notwendig gewesen sei. Auch liege keine Kraftwerkskette iSd der Z 30 lit. c des Anhangs 1 UVP-G 2000 vor. Der Schwellenwert von 15 MW iSd lit. a leg. cit. werde mit 14,40 MW unterschritten, weshalb schließlich eine UVP-Pflicht auf Grund einer Kumulation zu prüfen gewesen sei.

Nach Befassung mit Sachverständigen kam die belangte Behörde zum Ergebnis, dass die Möglichkeit von sich überlagernden Effekten der in Frage kommenden weiteren Wasserkraftanlagen mit dem gegenständlichen Vorhaben von vorn herein ausgeschlossen und damit ein räumlicher Zusammenhang verneint werden könne. Eine Einzelfallprüfung sei daher nicht durchzuführen, sondern sei festzustellen, dass eine UVP für das gegenständliche Vorhaben nicht durchzuführen sei.

3. Dagegen erhoben der XXXX und das XXXX (im Folgenden Beschwerdeführer) mit einem Schriftsatz vom 17.06.2019 Beschwerde. Begründet wurde die Beschwerde im Wesentlichen damit, dass eine Kumulationsprüfung mit dem Widerstreitprojekt fälschlicherweise unterblieben sei. Im Ergebnis sei festzustellen, dass das gegenständliche Vorhaben einer UVP-Pflicht unterliege.

4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens dem BVwG mit 05.07.2019 zur Entscheidung vor.

5. Mit Schreiben vom 24.07.2019 gaben die Projektwerberinnen eine Stellungnahme zur Beschwerde ab.

6. Mit Schreiben vom 20.08.2019 gaben die Beschwerdeführer zur Stellungnahme der Projektwerberinnen eine Stellungnahme ab.

7. Am 29.08.2019 brachten die Projektwerberinnen beim BVwG einen Fristsetzungsantrag ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen und Beweiswürdigung:

1.1. Allgemeines

Der Sachverhalt ergibt sich grundsätzlich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verfahrensakten und aus den im Beschwerdeverfahren eingeholten Stellungnahmen.

Die Beschwerdeführer sind als anerkannte Umweltorganisationen zu qualifizieren. Die Beschwerde wurde fristgerecht eingebracht.

1.2. Vorhaben

Die Feststellungen zum Vorhaben ergeben sich aus den Projektunterlagen und dem Bescheid und wurden nicht in Zweifel gezogen: Das gegenständliche Neuvorhaben, welches im Juni 2014 zur wasserrechtlichen Bewilligung eingereicht wurde, umfasst an der XXXX Ache die Errichtung einer Wasserkraftanlage mit einer Ausbauleistung von 14,4 MW und einer Ausbauwassermenge von 11 m³/s im Gemeindegebiet der Gemeinde XXXX .

Die geplante Wasserfassung der Anlage liegt im Bereich XXXX bei Flkm 50,43 auf 1.740 müA an der XXXX Ache und nützt damit ein Einzugsgebiet von 187,5 km². Der Wassereinzug erfolgt über ein XXXX Wehr. Das gefasste Wasser wird über eine Druckrohrleitung talauswärts zum Krafthaus im Ortsteil XXXX geleitet. Die Druckrohrleitung unterquert entlang ihres Verlaufes bis zum geplanten Krafthaus den XXXX und XXXX . Die Rückleitung des abgearbeiteten Triebwassers erfolgt ca. bei Fluss-km 46,47 an der XXXX Ache. Die Ausleitungsstrecke beträgt 3,96 km. Die Wasserrückgabe erfolgt im Ortsteil XXXX , rund 4,5 km oberhalb des Zusammenflusses von XXXX Ache und XXXX Ache. Die Ache wird im Bereich der Wasserfassung um 0,8 m aufgestaut und es bildet sich ein kurzer Rückstau im Gewässer.

Das Krafthaus wird in Stahlbetonweise orographisch links des Weilers XXXX bzw. östlich des Gemeindeweges auf den Gst. XXXX , GB XXXX , situiert.

Die XXXX Ache bildet nach dem Zusammenfluss mit der orographisch rechts kommenden XXXX Ache in XXXX die XXXX Ache. Das gesamte Einzugsgebiet der XXXX beträgt ca. 231,1 km².

1.3. Kumulation

Eine Kumulation mit den geplanten bzw. bestehenden Wasserkraftanlagen KW XXXX Ache, KW XXXX an der XXXX Ache sowie fünf Kleinstanlagen im Einzugsbereich der XXXX Ache (vgl. Bescheid, S. 10-18) wird ausgeschlossen.

Diese Feststellung ergibt sich aus dem Bescheid und den im behördlichen Verfahren eingeholten fachlichen Gutachten des wasserbautechnischen, gewässerökologischen und naturkundefachlichen Sachverständigen. Diese gaben übereinstimmend an, dass sich aus den Auswirkungen des geplanten Kraftwerks gemeinsam mit den genannten anderen bestehenden und geplanten Anlagen keine sich überlagernden Effekte ergeben, weshalb der räumliche Zusammenhang des gegenständlichen Vorhabens mit den anderen genannten Wasserkraftanlagen zu verneinen war. Aus wasserbautechnischer Sicht erfolgte diese fachliche Angabe unter der Prämisse, dass der Betrieb des KW XXXX Ache und des gegenständlichen Vorhabens im Falle von Hochwässern ihren Betrieb einstellen und unter der Voraussetzung, dass eine Überwachung und bei Bedarf entsprechende Räummaßnahmen durchgeführt werden. Diese Betriebsweisen und Vorgaben wurden der belangten Behörde für das jeweilige Projekt bestätigt (vgl. Schreiben der Projektwerberinnen vom 12.09.2018, Behördenakt OZ 17).

Diese Feststellungen der belangten Behörde wurden von den Beschwerdeführern nicht bestritten (vgl. auch Schreiben der Beschwerdeführer vom 20.08.2019, S. 2). Sie behaupteten weder eine erhebliche Beeinträchtigung auf Grund kumulativer Auswirkungen mit den oben genannten Anlagen noch brachten sie fachliche Argumente dafür vor.

1.4. Widerstreitprojekt

Die Beschwerdeführer monierten eine fehlende Kumulationsprüfung mit dem Widerstreitprojekt AK XXXX . Zu diesem Vorhaben ist festzustellen:

Das ursprünglich geplante Widerstreitprojekt (alt) sah eine Wasserfassung sowohl an der XXXX Ache als auch an der XXXX Ache vor. Nachdem dieses Vorhaben im Widerstreit mit dem KW XXXX Ache unterlag, schränkte die Projektwerberin des Widerstreitprojektes ihr Vorhaben mit Modifikation vom 21.04.2015, nämlich dem Wassereinzug an der XXXX Ache sowie am XXXX , soweit ein, als dies zur Errichtung und zum uneingeschränkten Betrieb des KW XXXX Ache erforderlich war (= Widerstreitprojekt (neu); vgl. auch VwGH 03.08.2016, Ro 2016/07/0006, Rz 24). Das mit dem gegenständlichen Vorhaben im Widerstreit stehende Widerstreitprojekt (neu) sieht eine Wasserfassung an der XXXX Ache sowie eine nunmehr eingeschränkte Wasserfassung an der XXXX Ache vor.

Das Widerstreitprojekt (neu), wie es seit 21.04.2015 geplant wird, kann nicht verwirklicht werden, sollte das gegenständliche Vorhaben wie geplant umgesetzt werden, da beide Vorhaben eine Wasserfassung an der XXXX Ache planen, die das jeweils andere Vorhaben vom Wasserbezug ausschließt. Festgestellt wird somit, dass nur eines der beiden genannten Vorhaben verwirklicht werden kann.

Diese Feststellung ergibt sich nachvollziehbar aus dem Bescheid auf S. 18, dem Schriftsatz der Projektwerberinnen vom 24.07.2019 auf S. 4 und dem VwGH-Judikat vom 03.08.2016, Ro 2016/07/0006, in welchem das Widerstreitprojekt (neu) als ein solches Vorhaben definiert wurde, das auf die Wasserfassung an der XXXX Ache verzichtet, vgl. insb. Rz 29 und 44. Im Übrigen ist dazu auf die rechtlichen Ausführungen zu verweisen.

Die Beschwerdeführer stellen diese Feststellung nicht grundsätzlich in Abrede. Sie argumentieren aber, [...] dass das AK XXXX sehr wohl in Ableitungsvarianten mit jeweils eingeschränktem Wasserentzug von der XXXX und der XXXX Ache realisierbar ist [...] (vgl. Beschwerde S. 4). Sie meinen weiter, [...] es sei nicht erkennbar, weshalb eine Realisierung des AK XXXX nicht auch neben der Realisierung des KW XXXX Ache möglich sein soll [...] und es sei [...] anzunehmen, dass das AK XXXX auch neben dem KW XXXX jedenfalls realisiert werden soll [...] (vgl. Beschwerde, S. 5).

Wenn die Beschwerdeführer davon ausgehen, eine Realisierung des Widerstreitprojektes sei neben der gleichzeitigen Verwirklichung des gegenständlichen Vorhabens möglich, ist dem entgegen zu halten, dass nicht ersichtlich ist, auf welche Projektbeschreibungen, -unterlagen oder -absichten der Projektwerberin des Widerstreitprojektes sich diese Annahmen gründen. Letztlich bestätigten auch die Beschwerdeführer, [...] dass es noch keine derartige Prozesserklärung in Bezug auf das KW XXXX Ache gibt [...] (vgl. Schreiben der Beschwerdeführer vom 20.08.2019, S. 3). Wie oben dargelegt, sind bis dato zwei wesentliche Projektvarianten des Widerstreitprojektes, nämlich Widerstreitprojekt (alt) und Widerstreitprojekt (neu) aktenkundig. Keine der beiden Varianten sieht eine eingeschränkte Wassernutzung der XXXX Ache vor.

Wenn die Beschwerdeführer schließlich ins Treffen führen, die Projektwerberin des Widerstreitprojektes habe ausdrücklich erklärt, die Vorhabenseinschränkung mit dem Widerstreitprojekt (neu) sei bloß vorübergehender Natur, da eine Bewilligungsfähigkeit des KW XXXX Ache nicht gegeben sei, ist darauf hinzuweisen, dass auch diese Annahme der Projektwerberin des Widerstreitverfahrens lediglich eine Mutmaßung darstellt und dem Ausgang des derzeit laufenden Wasserrechtsverfahrens über das KW XXXX Ache vorgreift.

Festgestellt wird abschließend, dass die belangte Behörde keine Kumulationsprüfung mit dem Widerstreitprojekt durchgeführt hat.

2. Rechtliche Beurteilung:

2.1. Zuständigkeit und Beschwerdelegitimation

Gemäß Art. 131 Abs. 4 Z 2 lit. a B-VG i.V.m. § 40 Abs. 1 UVP-G 2000 entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen nach dem UVP-G 2000 das Bundesverwaltungsgericht. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 40 Abs. 2 UVP-G 2000 sind Verfahren nach § 3 Abs. 7 leg. cit. nicht von der Senatszuständigkeit umfasst, weswegen gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vorliegt.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um Parteien gemäß § 19 UVP-G 2000, nämlich um anerkannte Umweltorganisationen. Gemäß § 3 Abs. 9 UVP-G 2000 ist die Beschwerdelegitimation gegeben; die Beschwerde erweist sich als zulässig.

2.2. Allgemeines

Für die Beantwortung der Frage, ob über das Vorhaben eine UVP durchzuführen ist, sind, wie die belangte Behörde richtig erkannte, die Tatbestände der Z 30 des Anhangs 1 des UVP-G 2000 einschlägig.

§ 3 Abs. 2 des UVP-G 2000 idgF lautet:

(2) Bei Vorhaben des Anhanges 1, die die dort festgelegten Schwellenwerte nicht erreichen oder Kriterien nicht erfüllen, die aber mit anderen Vorhaben gemeinsam den jeweiligen Schwellenwert erreichen oder das Kriterium erfüllen, hat die Behörde im Einzelfall festzustellen, ob auf Grund einer Kumulierung der Auswirkungen mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen und daher eine Umweltverträglichkeitsprüfung für das geplante Vorhaben durchzuführen ist. Für die Kumulierung zu berücksichtigen sind andere gleichartige und in einem räumlichen Zusammenhang stehende Vorhaben, die bestehen oder genehmigt sind, oder Vorhaben, die mit vollständigem Antrag auf Genehmigung bei einer Behörde früher eingereicht oder nach §§ 4 oder 5 früher beantragt wurden. Eine Einzelfallprüfung ist nicht durchzuführen, wenn das geplante Vorhaben eine Kapazität von weniger als 25 % des Schwellenwertes aufweist. Bei der Entscheidung im Einzelfall sind die Kriterien des Abs. 5 Z 1 bis 3 zu berücksichtigen, die Abs. 7 und 8 sind anzuwenden. Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist im vereinfachten Verfahren durchzuführen. Die Einzelfallprüfung entfällt, wenn der Projektwerber/die Projektwerberin die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung beantragt.

Die Z 30 des Anhangs 1 des UVP-G 2000 lautet:

Z 30

a) Wasserkraftanlagen (Talsperren, Flussstaue, Ausleitungen) mit einer Engpassleistung von mindestens 15 MW;

b) Wasserkraftanlagen (Talsperren, Flussstaue, Ausleitungen) mit einer Engpassleistung von mindestens 10 MW, wenn die Rückstaulänge, berechnet auf Basis des mittleren Durchflusses (MQ), das 20-fache der Gewässerbreite, gemessen in der Achse der Wehranlage, erreicht;

c) Wasserkraftanlagen (Talsperren, Flussstaue, Ausleitungen) in Kraftwerksketten. Kraftwerkskette ist eine Aneinanderreihung von zwei oder mehreren Wasserkraftanlagen mit einer Engpassleistung von je mindestens 2 MW ohne ausreichenden Mindestabstand7) zwischen den Wehranlagen im Fischlebensraum.

Ausgenommen von Z 30 sind technische Maßnahmen zur Erhöhung der Engpassleistung oder zur sonstigen Effizienzsteigerung an bestehenden Anlagen, die keine Auswirkungen auf die Restwasserstrecke, die Unterliegerstrecke oder die Stauraumlänge in Folge einer Erhöhung des Stauzieles haben, sowie alle Maßnahmen, die zur Herstellung der Durchgängigkeit vorgenommen werden.

Bei lit. b) und c) sind § 3 Abs. 2 und § 3a Abs. 6 nicht anzuwenden.

Die belangte Behörde verneinte zu Recht einen Anwendungsbereich der Z 30 lit. b und c des Anhangs 1 UVP-G 2000 für das gegenständliche Vorhaben, da weder eine Speicherung vorgesehen ist (relevant für lit. b) noch ein Wehrbauwerk sich im hier relevanten 4-km-Bereich (vgl. Bescheid, S. 22) findet. Diese rechtlichen Ausführungen blieben zur Gänze unbestritten und begegnen keinen Bedenken.

Zu prüfen war daher Z 30 lit. a des Anhangs 1 UVP-G 2000:

Wasserkraftanlagen mit einer Engpassleistung von mindestens 15 MW unterliegen der Pflicht zur Durchführung einer UVP. Das gegenständliche Vorhaben unterschreitet diese Schwelle mit 14,40 MW knapp. Eine Umgehungsabsicht des festgelegten Schwellenwertes wurde von der belangten Behörde nicht erkannt und eine UVP-Pflicht durch das Erreichen des Schwellenwertes daher verneint. Auch dies blieb unangefochten und ist für das Gericht nachvollziehbar.

Die Kumulationsbestimmung des § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 normiert, dass Vorhaben, die die dort vorgesehenen Schwellenwerte nicht erreichen, einer Einzelfallbeurteilung zu unterziehen sind, wenn das beantragte Vorhaben mehr als 25 % des Schwellenwertes aufweist, das eingereichte Vorhaben mit anderen gleichartigen Vorhaben den Schwellenwert erreicht und die kumulierenden Vorhaben in einem räumlichen Zusammenhang stehen. Das Vorhaben erreicht mit 14,40 MW jedenfalls mehr als 25 % des Schwellenwertes von 15 MW. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, besteht aber zu anderen gleichartigen Vorhaben im Umkreis des gegenständlichen Vorhabens kein räumlicher Zusammenhang, da kumulierende Auswirkungen des Vorhabens mit anderen gleichartigen Vorhaben durch die Sachverständigen nachvollziehbar ausgeschlossen wurden. Auch diese Ausführungen der belangten Behörde wurden von den Beschwerdeführen nicht bestritten (vgl. Schreiben der Beschwerdeführer vom 20.08.2019, S. 2) und begegnen keinen Bedenken.

Moniert wurde in der Beschwerde aber die fehlende Miteinbeziehung des Widerstreitprojektes in die Kumulationsprüfung. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, fand eine solche Prüfung nicht statt und wäre auch - wie die belangte Behörde zu Recht darlegte - aus mehreren Gründen verfehlt:

Das Widerstreitprojekt ist bis dato mit zwei wesentlichen Projektvarianten, nämlich dem Widerstreitprojekt (alt), welches mangels Widerstreittauglichkeit im Widerstreitverfahren rechtskräftig zurückgewiesen wurde, und dem Widerstreitprojekt (neu) aktenkundig. Keine der beiden Varianten sieht eine eingeschränkte Wassernutzung der XXXX Ache vor. Beide Projektvarianten stehen somit einer Verwirklichung des gegenständlichen Vorhabens entgegen. Aus diesem Grund wurde seitens der Projektwerberinnen auch ein entsprechendes Widerstreitverfahren - zunächst mit dem Widerstreitprojekt (alt) und sodann mit dem Widerstreitprojekt (neu) - beantragt, welches noch nicht abgeschlossen ist. Ein Widerstreit iSd § 17 Abs. 1 WRG 1959 liegt vor, wenn die verschiedenen Bewerbungen um geplante Wasserbenutzungen zu Grunde liegenden Projekte dergestalt sind, dass das eine nicht ausgeführt werden kann, ohne dass dadurch die Ausführung des anderen behindert oder vereitelt wird. Voraussetzung für die Durchführung eines Widerstreitverfahrens ist, dass der Behörde zumindest zwei Ansuchen um wasserrechtliche Bewilligung vorliegen, von denen jedoch nur eines ausgeführt werden kann.

Die belangte Behörde ist nach Ansicht des Gerichts bei der Erlassung des gegenständlichen Bescheides zu Recht davon ausgegangen, dass aufgrund des anhängigen Widerstreitverfahrens gemäß § 109 WRG 1959 zwischen dem verfahrensgegenständlichen Vorhaben und dem Widerstreitprojekt (neu) nur eines der beiden Vorhaben verwirklicht wird. Nach der Entscheidung im Widerstreitverfahren ist mit dem siegreichen Projekt das Bewilligungsverfahren durchzuführen. Während das obsiegende Projekt einem Bewilligungsverfahren zu unterziehen ist, ist der Bewilligungsantrag betreffend das unterlegene Projekt zurückzuweisen (VwGH 31.03.2016, Ra 2015/07/0071). Eine Miteinbeziehung des Widerstreitprojektes (neu) in die Kumulationsprüfung wäre somit rechtswidrig, da bei Verwirklichung des gegenständlichen Vorhabens das Widerstreitprojekt (neu) ohnehin nicht umgesetzt werden kann und darf.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführer, es sei eine andere Projektvariante des Widerstreitprojektes, nämlich eine solche, bei der eine so eingeschränkte Wassernutzung der XXXX Ache erfolgen soll, dass eine gleichzeitige Verwirklichung der beiden Vorhaben nebeneinander denkbar ist, in die Kumulationsprüfung miteinzubeziehen, ist zu entgegnen:

Grundsätzlich sind andere gleichartige Vorhaben im räumlichen Zusammenhang in die Kumulationsprüfung miteinzubeziehen. Der Begriff des Vorhabens wird zwar in § 2 Abs. 2 UVP-G 2000 definiert, doch ist die Bestimmung des § 3 Abs. 2 in Bezug auf den Kreis der einzubeziehenden Vorhaben auslegungsbedürftig. Vorhaben, für die aber (noch) kein konkreter Verwirklichungswille besteht, können andere Projekte nicht durch Kumulation in eine UVP drängen (vgl. Baumgartner/Petek, Kurzkommentar UVP-G 2000, S. 74, mit Verweis auf Umweltsenat 24.10.2006, US 9A/2006/19-16, Hall Weng, wonach § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 restriktiv auszulegen ist und der Verwirklichungswille bei Projekten, die in die Kumulierung einbezogen werden sollen, besonders streng geprüft werden muss).

Eine Projektvariante des Widerstreitprojektes, die geeignet wäre, sie neben dem gegenständlichen Vorhaben zu verwirklichen, liegt bis dato nicht vor und gibt es auch keine entsprechenden Absichtserklärungen der Projektwerberin des Widerstreitprojektes, wie die Beschwerdeführer in ihrem Schreiben vom 20.08.2019 auf S. 3 selbst einräumen. Auch die Einbeziehung einer solchen Projektvariante des Widerstreitprojektes wäre daher unrichtig. Noch unrichtiger wäre die Berücksichtigung eines Projektteils des Widerstreitprojektes (neu), nämlich der reduzierte Wassereinzug der XXXX Ache, wie die Beschwerdeführer dies fordern (vgl. Schreiben vom 20.08.2019, S. 3), da stets das Gesamtvorhaben, nicht aber Teile davon in einer Kumulationsprüfung zu berücksichtigen sind.

Im Übrigen übersehen die Beschwerdeführer, dass ihr Ansinnen, zukünftig angedachte Varianten des Widerstreitprojektes in die Kumulationsprüfung miteinzubeziehen auch an der novellierten Bestimmungen des § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 scheitert: Für die Kumulierung zu berücksichtigen sind nur andere gleichartige und in einem räumlichen Zusammenhang stehende Vorhaben, die bestehen oder genehmigt sind, oder Vorhaben, die mit vollständigem Antrag auf Genehmigung bei einer Behörde früher eingereicht oder nach §§ 4 oder 5 früher beantragt wurden. Künftige Projektvarianten des Widerstreitverfahrens werden diese Voraussetzung in jedem Fall nicht erfüllen.

Die Entscheidung der belangten Behörde, dass für das gegenständliche Vorhaben keine UVP durchzuführen ist, erwies sich als rechtsrichtig und war spruchgemäß zu entscheiden.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte entfallen, da eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war und Art. 47 GRC dem nicht entgegenstand. Letztlich handelte es sich um die Beurteilung reiner Rechtsfragen, die auch nach der Rechtsprechung des EGMR grundsätzlich keiner Erörterung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung bedürfen; vgl. dazu mwN Senft, Verhandlungspflicht der Verwaltungsgerichte aus grundrechtlicher Perspektive, ZVG 2014/6, 523 (534) sowie VwGH 29.06.2017, Ra 2017/04/0040. Im vorliegenden Fall hat sich gezeigt, dass das Vorbringen der Beschwerdeführer selbst bei dessen Zutreffen in den entscheidungswesentlichen Punkten keine Änderung der rechtlichen Beurteilung zu bewirken vermag.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es liegt Judikatur zur Frage vor, ob beide aus einem wasserrechtlichen Widerstreitverfahren hervorgehenden geplante Wasserbenutzungen nebeneinander verwirklicht werden dürfen (VwGH 31.03.2016, Ra 2015/07/0071, wonach das unterlegene Projekt im Bewilligungsverfahren zurückzuweisen ist).

Schlagworte

Feststellungsverfahren, Gutachten, Kumulierung, Nachvollziehbarkeit,
Sachverständigengutachten, Schwellenwert, Umweltauswirkung,
Umweltverträglichkeitsprüfung, UVP-Pflicht, Vorhabensbegriff,
wasserrechtliche Bewilligung, Widerstreitverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W113.2220928.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten