TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/18 L507 2214191-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.04.2019
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Entscheidungsdatum

18.04.2019

Norm

AVG §71 Abs1
AVG §71 Abs6
AVG §72
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §55 Abs3
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §33
VwGVG §33 Abs1
ZustG §22

Spruch

L507 2214191-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Habersack über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch RA Dr. Peter Weidisch, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.02.2019,

Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides zu lauten hat: "Ihr Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 29.01.2019 wird gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG abgewiesen."

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 20.11.2018,

Zl. 1197588202/181111263, wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen. Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde dem Beschwerdeführer ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer an seiner aufrechten Meldeadresse mittels RSa-Brief am 23.11.2018 persönlich zugestellt, wobei dieser mit seiner Unterschrift die Übernahme des RSa-Briefes bestätigte.

Nach ungenütztem Ablauf der vierwöchigen Rechtsmittelfrist erwuchs der Bescheid des BFA vom 20.11.2018 mit Ablauf des 21.12.2018 in Rechtskraft.

2. Am 29.01.2019 brachte der Beschwerdeführer im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist des Bescheides des BFA vom 20.11.2018 beim BFA ein und erhob gleichzeitig Beschwerde gegen diesen Bescheid.

Dieser Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde wie folgt begründet:

"In umseits bezeichneter Rechtssache hat die erkennende Behörde am 20.11.2018 einen Bescheid gegen mich erlassen, dass gemäß § 66 Abs. 1 FPG ich aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen werde.

Dieser Bescheid ist mir erst vor kurzem zugekommen, sodass die Beschwerdefrist von mir unverschuldeter Weise nicht wahrgenommen werden konnte, da ich mich zum Zwecke der operativen Behebung einer Herzerkrankung im Krankenhaus befunden habe und von der Zustellung des Bescheides keine Kenntnis erlangt habe.

Bescheinigung: Aufenthaltsbestätigung, meine Vernehmung.

Ich stelle daher den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist und erhebe gleichzeitig gegen den oben angeführten Bescheid Beschwerde."

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war ein Auszug aus der Zeitung Salzburger Nachrichten vom 26.01.2019 mit dem Titel "Türken sind wieder Österreicher: Land muss Bescheide aufheben" sowie eine mit 16.02.2018 unterfertigte Vollmacht beigefügt.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 25.02.2019, Zl. 1197588202/181111263, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 29.01.2019 gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen. Gleichzeitig wurde gemäß § 71 Abs. 6 AVG dem Antrag auf Wiedereinsetzungen den vorigen Stand die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Unter anderem wurde in diesem Bescheid festgestellt, dass der Bescheid des BFA über die Erlassung einer Ausweisung dem Beschwerdeführer nachweislich zugestellt worden sei und diese Ausweisungsentscheidung am 21.12.2018 in Rechtskraft erwachsen sei.

Einen Nachweis, dass der Beschwerdeführer durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen sei, die Frist einzuhalten, habe er nicht erbracht. Der Bescheid sei nachweislich zugestellt worden und könne der Argumentation im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 29.01.2019, dass diese [Zustellung] erst vor kurzem erfolgt sei, nicht gefolgt werden. Dass der Beschwerdeführer anwaltlich vertreten sei, sei beim BFA nicht bekannt gewesen und sei der Bescheid somit ordnungsgemäß zugestellt worden. Es sei auch von Seiten der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers kein Zustelldatum genannt worden. Dass der Beschwerdeführer durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehindert gewesen sei, die Rechtsmittelfrist einzuhalten, sei somit nicht vorgebracht worden.

Ferner wurde in der rechtlichen Begründung des angefochtenen Bescheides - offensichtlich in Verkennung des im Antrag auf Wiedereinsetzungen in den vorigen Stand vorgebrachten Sachverhaltes - ausgeführt, dass es einer Anwaltskanzlei im Falle eines Krankenhausaufenthaltes eines Anwalts obliege, sich um eine entsprechende Vertretung zu kümmern.

4. Gegen diesen dem rechtsstaatlichen Vertreter des Beschwerdeführers am 27.02.2019 zugestellter Bescheid, wurde am 27.03.2019 fristgerecht Beschwerde erhoben.

Begründend wurde ausgeführt, dass der angefochtene Bescheid dem Beschwerdeführer am 23.11.2018 persönlich zugestellt worden und am selben Tag in Rechtskraft erwachsen sei. Im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei auf ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis Bezug genommen worden, das in der Sphäre der Kanzlei des rechtsfreundlichen Vertreters gelegen sei, weshalb ein Rechtsmittel nicht rechtzeitig eingebracht worden sei.

Allein daraus ergebe sich bereits, dass die erkennende Behörde weder auf das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag Bedacht genommen habe, noch die angebotenen Beweis- bzw. Bescheinigungsmittel aufgenommen habe, noch inhaltlich den Antrag korrekt wiedergegeben habe. Der Beschwerdeführer habe zur Begründung seines Antrages auf Wiedereinsetzungen vorigen Stand ausgeführt, dass er sich zum Zwecke der operativen Behebung einer Herzerkrankung im Krankenhaus befunden habe und von der Zustellung des Bescheides keine Kenntnis erlangt habe. Dazu habe er als Bescheinigungsmittel die Aufenthaltsbestätigung des Krankenhauses und seine Vernehmung angegeben. Diese Beweismittel seien nicht aufgenommen worden. Aus dem nunmehr vorgelegten Entlassungsbrief der Universität Klinik für Innere Medizin der XXXX vom 06.12.2018 ergebe sich, dass sich der Beschwerdeführer vom 30.11.2018 bis 07.12.2018 zur stationären Behandlung in dieser Klinik befunden habe, bereits vorher sei er schwer erkrankt gewesen und sei nicht in der Lage gewesen, Post entgegenzunehmen bzw. den Erhalt zu bestätigen.

Das Verfahren sei insoweit mit Nichtigkeit behaftet.

Sofern die erkennende Behörde festgestellt habe, dass der anzufechtende Bescheid dem Beschwerdeführer am 23.11.2018 persönlich zugestellt worden sei und mit selben Tag in Rechtskraft erwachsen sei, so sei diese Feststellungen unrichtig. Dies würde bedeuten, dass der Beschwerdeführer gleichzeitig mit der Bescheidzustellung auf ein Rechtsmittel gegen den Bescheid verzichtet hätte. Diese Feststellungen der erkennenden Behörde seien sohin unrichtig. Ebenso unrichtig sei die Feststellung im angefochtenen Bescheid, wonach in der Sphäre der Kanzlei des rechtsfreundlichen Vertreters ein Grund gelegen sei, weshalb gegen den Bescheid vom 20.11.2018 kein Rechtsmittel eingebracht worden sei. Dies sei weder mehrmals behauptet noch objektiviert worden.

Unrichtig sei auch die Feststellung, dass der Beschwerdeführer Staatsbürger der Türkei sei. Dies möge zwar richtig sein, dass dem Beschwerdeführer, zumindest formell, die österreichische Staatsbürgerschaft aufgrund eines, zwischenzeitig als verfassungswidrig aufgehobenen angeblichen Beweismittels entzogen worden sei, was aber keineswegs bedeuten würde, dass dadurch die Behörde feststellen könne, dass der Beschwerdeführer türkischer Staatsbürger sei. Aufgrund der unrichtigen Vorentscheidung sei der Beschwerdeführer sohin ohne Staatsbürgerschaft, allenfalls staatenlos.

Die erkennende Behörde habe in der Beweiswürdigung den vorliegenden Sachverhalt völlig falsch bewertet. Sehr wohl hätte die erkennende Behörde im Gesamtzusammenhang annehmen müssen, dass für den Beschwerdeführer ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis vorgelegen sei, zumal er, wie sich aus dem beigezogenen Verfahrensakt betreffend den Entzug der Staatsbürgerschaft zweifelsfrei ergeben habe, der deutschen Sprache, insbesondere der deutschen Behördensprache in keiner Weise mächtig sei, sodass er allfällige Zustellungen auch inhaltlich nicht verstanden habe bzw. verstehen habe können. Bei richtiger Würdigung der vorliegenden Beweise bzw. bei Annahme der vom Beschwerdeführer angebotenen Beweis- und Bescheinigungsmittel hätte die erkennende Behörde sohin den Antrag auf Wiedereinsetzungen vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist Folge geben müssen und die Beschwerde der darüber zu erkennenden Behörde zumitteln müssen.

Der Beschwerdeführer stelle daher den Beschwerdeantrag in Stattgebung der Beschwerde den angefochtenen Bescheid aufzuheben und - allenfalls nach Durchführung ergänzender Erhebungen - dem Antrag auf Wiedereinsetzungen in den vorigen Stand Folge zu geben bzw. den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Antrag auf Wiedereinsetzungen in den vorigen Stand Folge gegeben werde.

Der Beschwerde war ein Entlassungsbrief des Uniklinikums XXXX vom 06.12.2018 beigegeben, woraus hervorgeht, dass der Beschwerdeführer sich vom 30.11.2018 bis 07.12.2018 zur stationären Behandlung in dieser Klinik befunden habe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bescheid des BFA vom 20.11.2018, Zl. 1197588202/181111263, wurde dem Beschwerdeführer am 23.11.2018 an seiner aufrechten Meldeadresse mittels RSa-Brief persönlich zugestellt. Der Beschwerdeführer bestätigte mit seiner Unterschrift die Übernahme dieses RSa-Briefes.

Nach ungenütztem Ablauf der vierwöchigen Rechtsmittelfrist erwuchs der Bescheid des BFA vom 20.11.2018 mit Ablauf des 21.12.2018 in Rechtskraft.

Der Beschwerdeführer hat sich vom 30.11.2018 bis 07.12.2018 in stationärer Behandlung des Uniklinikums XXXX befunden, wobei bei ihm am 30.11.2018 eine Koronarangiografie durchgeführt wurde.

Eine die Dispositionsfähigkeit des Beschwerdeführers völlig ausschließende Erkrankung im Zeitraum der Rechtsmittelfrist (23.11.2018 bis 21.12.2018) konnte nicht festgestellt werden.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt des Verwaltungsaktes des BFA.

Die Feststellung, dass der Bescheid des BFA vom 20.11.2018 dem Beschwerdeführer mittels RSa-Brief am 23.11.2018 persönlich zugestellt wurde und der Beschwerdeführer die Zustellung dieses RSa-Briefes mit seiner Unterschrift bestätigt hat, ergeben sich aus dem im Akt des BFA befindlichen RSa-Rückschein (AS 25 des Aktes des BFA).

Die Feststellungen, dass sich der Beschwerdeführer vom 30.11.2018 bis 07.12.2018 in stationärer Behandlung im Universitätsklinikum XXXX befunden habe, stützen sich auf den diesbezüglichen Entlassungsbrief vom 06.12.2018.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer während der Rechtsmittelfrist an keiner seine Dispositionsfähigkeit völlig ausschließenden Erkrankung gelitten hat, stützt sich einerseits darauf, dass der Beschwerdeführer den RSa-Rückschein am 23.11.2018 persönlich unterschrieben hat, und andererseits beim Beschwerdeführer im Zuge des stationären Aufenthaltes im Universitätsklinikum XXXX eine Koronarangiografie durchgeführt wurde, was nicht darauf schließen lässt, dass der Beschwerdeführer an einer die Dispositionsfähigkeit völlig ausschließenden Erkrankung gelitten hat, zumal aus dem Entlassungsbrief vom 06.12.2018 nicht hervorgeht, dass der Beschwerdeführer in einem die Dispositionsfähigkeit völlig ausschließenden Zustand in das Uniklinikum XXXX eingeliefert wurde oder auch in einem solchen Zustand am 07.12.2018 wieder entlassen worden sei. Dass der Beschwerdeführer vor der stationären Behandlung im Krankenhaus - wie in gegenständlicher Beschwerde ausgeführt- bereits so schwer erkrankt gewesen sei, dass er nicht in der Lage gewesen sei, Post entgegenzunehmen bzw. den Erhalt zu bestätigen, kann somit nicht schlüssig gefolgt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Vorab ist festzuhalten, dass bei Versäumen der für das verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren vorgesehenen Beschwerdefrist § 33 VwGVG für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die maßgebliche Bestimmung ist und nicht §§ 71, 72 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt (VwGH 28.09.2016, Ro 2016/16/0013). Die insbesondere zu den §§ 71 und 72 AVG ergangene Rechtsprechung des VwGH lässt sich aber auch auf die durch das VwGVG neu geschaffene Rechtslage übertragen, zumal sich die für die Erwägungen der Judikatur maßgeblichen Vorschriften im § 33 VwGVG wiederfinden (VwGH 21.10.2014, Ra 2014/03/0037; 24.09.2015, Ra 2015/07/0113).

§ 33 VwGVG lautet:

"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(4a) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrags auf Ausfertigung einer Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil auf das Erfordernis eines solchen Antrags als Voraussetzung für die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof nicht hingewiesen wurde oder dabei die zur Verfügung stehende Frist nicht angeführt war. Der Antrag ist binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung einer Entscheidung, die einen Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4, eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit eines Antrags auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 Kenntnis erlangt hat,

beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen. Über den Antrag entscheidet das Verwaltungsgericht.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt."

3.2. Im Antrag auf Wiedereinsetzungen den vorigen Stand vom 29.01.2019 wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer unverschuldeter Weise nicht in der Lage gewesen sei, die Beschwerdemöglichkeit wahrzunehmen, da er sich zum Zwecke der operativen Behebung einer Herzerkrankung im Krankenhaus befunden und von der Zustellung des Bescheides keine Kenntnis erlangt habe.

Andererseits wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand damit begründet, dass der Beschwerdeführer aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, Post zu empfangen bzw. den Erhalt zu bestätigen.

Dazu ist eingangs auszuführen, dass die Behauptung, der Beschwerdeführer habe von der Zustellung des Bescheides keine Kenntnis erlangt, nicht dem Akteninhalt entspricht, zumal der Beschwerdeführer den Erhalt des Bescheides des BFA durch seine Unterschrift am RSa-Rückschein bestätigt hat.

Dazu ist darauf zu verweisen, dass es sich nach ständiger Judikatur des VwGH bei einem Zustellschein iSd § 22 Abs. 1 ZustG um eine öffentliche Urkunde handelt, die den Beweis dafür erbringt, dass die Zustellung den Angaben auf dem Zustellschein entsprechend erfolgt ist. Dem Empfänger steht allerdings der Gegenbeweis gegen diese Vermutung offen, wozu es jedoch konkreter Darlegungen und eines entsprechenden Beweisanbotes bedarf (vgl. dazu VwGH vom 27. Juli 2007, Zl. 2006/10/0040). Die bloße Behauptung (ohne weitere Konkretisierung und ohne Benennung von Beweismitteln), es läge ein die wirksame Zustellung (Hinterlegung) verhindernder Umstand vor, ist für sich allein nicht geeignet, die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit des Zustellnachweises zu entkräften (so die oben zitierte Rechtsprechung des VwGH, die sich im Einklang mit der des OGH befindet: vgl. z.B. den von der belangten Behörde in der Gegenschrift zutreffend angeführten Beschluss des OGH vom 26. Mai 2004, 3 Ob 60/04a u.a.).

Mehr als eine solche, nicht weiter konkretisierte Behauptung hat aber der Beschwerdeführer weder in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 29.01.2019 noch in gegenständlicher Beschwerde aufgestellt, weshalb dem BFA diesbezüglich keineswegs vorgeworfen werden kann, es habe irgendwelche Ermittlungspflichten verletzt, und haben sich auch für das Vorliegen eines Zustellmangels keine Hinweise ergeben.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei an der Wahrnehmung der Beschwerdemöglichkeit durch seine Erkrankung bzw. den kranken Aufenthalt gehindert gewesen, ist auszuführen, dass als Ereignis im Sinne des § 71 AVG bzw. § 33 VwGVG jedes Geschehen ohne jede Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt anzusehen ist. Gehindert wird eine Person ebenso durch eine alltägliche Erkrankung wie durch eine Naturkatastrophe, durch eine eigene menschliche Unzulänglichkeit ebenso wie durch Gewalteinwendungen von außen. Unvorhergesehen ist aber ein Ereignis dann, wenn die Partei es tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme von zumutbarer Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte (vgl. VwGH 26.08.1998, 96/09/0093).

Ein Ereignis ist dann unabwendbar, wenn es durch einen Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden konnte. Es ist als unvorhergesehen zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte. Anders als das Tatbestandsmerkmal des "unabwendbaren" erfasst jenes des "unvorhergesehenen" Ereignisses die subjektiven Verhältnisse der Partei, sodass nicht der objektive Durchschnittsablauf, sondern der konkrete Ablauf der Ereignisse maßgebend ist (vgl. VwGH 15.09.2005, 2004/07/0135).

Eine krankheitsbedingte Säumnis erfüllt die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann, wie der Verwaltungsgerichtshof in einem Judikat vom 25.04.2018 erneut festhält (VwGH 25.04.2018, Ra 2018/18/0057), "wenn die Krankheit zu einer Dispositionsunfähigkeit des Betroffenen geführt hat oder die Dispositionsfähigkeit so stark beeinträchtigt hat, dass das Unterbleiben der fristwahrenden Handlung in einem milderen Licht - nämlich als bloß minderer Grad des Versehens - zu beurteilen ist (VwGH, 22.07.2004, 2004/20/0122, mwN). Für die Wiedereinsetzung reicht es nicht aus, wenn die Partei gehindert war, die fristwahrende Handlung selbst zu setzen. Ein Wiedereinsetzungsgrund liegt nur vor, wenn die Partei auch gehindert war, der Fristversäumung durch andere geeignete Dispositionen - im Besonderen durch Beauftragung eines Vertreters - entgegen zu wirken (VwGH, 29.11.2007, 2007/21/0308) bzw. ihr auch insofern nur ein leicht fahrlässiges Fehlverhalten vorgeworfen werden könnte."

Dieser Wiedereinsetzungsgrund ist - nach der ständigen Judikatur des VwGH - dann gegeben, wenn die Erkrankung einen Zustand der Dispositionsunfähigkeit zur Folge hat und so plötzlich und so schwer auftritt, dass der Erkrankte nicht mehr in der Lage ist, die nach der Sachlage gebotenen Maßnahmen zu treffen (VwGH 24.10.2008, 2008/02/0315, RS 1).

Es mag im vorliegenden Fall möglicherweise zutreffen, dass der Beschwerdeführer zwar krankheitsbedingt daran gehindert war, selbst eine Beschwerde gegen den Bescheid des BFA zu verfassen und diese zur Post zu geben; dass er aber dem Verstreichen der Rechtsmittelfrist nicht durch entsprechende Dispositionen - etwa die Verständigung oder Beauftragung seines rechtsfreundlichen Vertreters zwecks Verfassen und Einbringung einer entsprechenden Beschwerde (der Beschwerdeführer wird vom rechtsfreundlichen Vertreter laut der im Akt des BFA einliegenden Vollmacht seit dem Februar 2018 rechtsfreundlich vertreten) oder etwa die Veranlassung der Übermittlung des Bescheides des BFA an seinen rechtfreundlichen Vertreter zwecks Prüfung weiterer Verfahrensschritte - entgegengewirkt hat, ist ihm aber vorwerfbar und ist nicht als bloß minderer Grad des Versehens zu beurteilen.

Wie dem Sachverhalt entnommen werden kann, hat sich der Beschwerdeführer während der vierwöchigen Rechtsmittelfrist zwar acht Tage lang in stationärer medizinischer Behandlung befunden. Entgegen seinem Vorbringen konnte - wie in der Beweiswürdigung bereits erläutert - jedoch nicht festgestellt werden, dass im betreffenden Zeitpunkt eine die Dispositionsfähigkeit völlig ausschließende Erkrankung vorgelegen ist.

Nach der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt somit kein Wiedereinsetzungsgrund vor, weil nicht festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer durch seine Erkrankung auch gehindert war, seinen rechtsfreundlichen Vertreter oder einen anderen geeigneten Vertreter zwecks Setzung weiterer Verfahrensschritte oder zwecks Abfassung und Einbringung eines Rechtsmittels zu beauftragen.

Auch liegen keine Umstände vor, die das Unterbleiben der nach der Sachlage gebotenen Maßnahmen in einem milderen Licht - nämlich als bloß minderen Grad des Versehens - erscheinen ließen. Selbst wenn sich der Beschwerdeführer während der vierwöchigen Rechtsmittelfrist acht Tage lang in stationärer medizinischer Behandlung befunden hat, wäre es ihm zumutbar gewesen, Kontakt mit seinem rechtsfreundlichen Vertreter oder einem sonstigen Vertreter aufzunehmen, um dem nutzlosen Ablauf der Rechtsmittelfrist entgegenzuwirken. Nachvollziehbare Anhaltspunkte, dass er dazu nicht in der Lage gewesen wäre, liegen gegenständlich nicht vor.

Die Erkrankung bzw. der Krankenhausaufenthalt des Beschwerdeführers stellt somit kein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis im Sinne des § 33 Abs. 1 VwGVG dar, zumal auch nicht festgestellt werden konnte, dass dem Beschwerdeführer an der Versäumung der Rechtsmittelfrist nur ein minderer Grad des Versehens zur Last liegt.

Insgesamt gesehen liegen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 VwGVG nicht vor, weshalb die Beschwerde abzuweisen war.

3.3. Aufgrund des Verfahrensergebnisses im Zusammenhang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war auf den Einwand in der Beschwerde, dass das BFA fälschlicherweise von einem anderen Sachverhalt (der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers sei erkrankt gewesen und habe sich im Krankenhaus befunden) nicht weiter einzugehen.

Auch aus dem Umstand, dass das BFA im angefochtenen Bescheid - wohl fälschlicherweise - angeführt hat, dass der Bescheid vom 20.11.2018 am 23.11.2018 - dem Datum der Zustellung an den Beschwerdeführer - in Rechtskraft erwachsen sei, lässt sich für den gegenständlichen Fall nichts gewinnen, da für den Antrag auf Widereinsetzung in den vorigen Stand der Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides und die Dauer der Rechtsmittelfrist und nicht der Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft von Bedeutung ist.

In gegenständlicher Beschwerde wird auch umfangreich moniert, dass es sich beim Beschwerdeführer nicht um einen türkischen Staatsangehörigen handelt. Die Frage der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ist in gegenständigen Verfahren jedoch nicht von Bedeutung, zumal es Gegenstand eines anderen - weder beim BFA noch beim BVWG anhängigen - rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens war.

3.4. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG. Der Sachverhalt ist aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen (entspricht der bisherigen Judikatur zum § 67d AVG, wobei darauf hinzuweisen ist, dass § 24 VwGVG dem aufgehobenen § 67d AVG entspricht). Es ergab sich sohin auch kein Hinweis auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern (vgl. VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533, VwGH 01.04.2004, 2001/20/0291).

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zuletzt etwa VwGH 22.03.2018, Ra 2018/01/0107) ist die Frage, ob das Verwaltungsgericht fallbezogen zu Recht das Vorliegen eines minderen Grades des Versehens in einem Verfahren betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verneint hat, keine Rechtsfrage, der über den konkreten Einzelfall hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt. Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu.

Im gegenständlichen Fall wurde somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Ausweisung, Beschwerdefrist, Dispositionsunfähigkeit, Fristablauf,
Fristüberschreitung, Fristversäumung, gesundheitliche
Beeinträchtigung, Krankheit, minderer Grad eines Versehens,
persönliche Übernahme, Rechtskraft der Entscheidung,
Rechtsmittelfrist, rechtswirksame Zustellung, Rechtzeitigkeit,
Türkei, unabwendbares Ereignis, Unterfertigung, Unterschrift,
unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, Urkunde, verspätete
Beschwerde, Verspätung, Wiedereinsetzungsantrag, Zustellmangel,
Zustellnachweis, Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L507.2214191.2.00

Zuletzt aktualisiert am

04.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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