TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/16 W122 2106410-1

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Veröffentlicht am 16.05.2019
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Entscheidungsdatum

16.05.2019

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
GehG §113 Abs10
GehG §12
GehG §169c
GehG §175 Abs79 Z2
GehG §175 Abs79 Z3
GehG §8
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W122 2106410-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor ERNSTBRUNNER über die Beschwerde von Amtsdirektorin XXXX gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (nunmehr: Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort) vom 03.03.2015, Zl. BMWFW-00304774/014-PA-MI/2017, betreffend Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages und besoldungsrechtliche Stellung, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Sachverhalt und Feststellungen:

I.1. Die beschwerdeführende Partei (folgend kurz: bP) steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Sie beantragte die Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages durch Anrechnung von vor der Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Zeiten/ Feststellung der daraus resultierenden besoldungsrechtlichen Stellung/allfällige Nachzahlung von Bezügen.

I.2. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid wurde dieser Antrag gemäß § 175 Abs. 79 Z 2 und 3 des Gehaltsgesetzes 1956 idF BGBl. I Nr. 32/2015 (GehG), mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, dass der Gesetzgeber mit der Bundesbesoldungsreform 2015, BGBl. I Nr. 32/2015, alle bisherigen Bestimmungen betreffend den Vorrückungsstichtag aufgehoben und in der Übergangsbestimmung des § 175 Abs. 79 Z 2 und 3 GehG normiert habe, dass auch die bisherigen einschlägigen Bestimmungen in laufenden und künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden seien und somit die Rechtsgrundlage für den gegenständlichen Antrag weggefallen sei.

I.3. Gegen diesen Bescheid erhob die bP innerhalb offener Frist Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit mit der wesentlichen Begründung, dass der Gesetzgeber durch die mit der Bundesbesoldungsreform 2015 getroffenen Übergangs- und Überleitungsbestimmungen die Rechtsprechung des EuGH betreffend die Anrechnung von Vordienstzeiten vor dem 18. Geburtstag nur unzureichend umgesetzt und damit die Altersdiskriminierung perpetuiert habe.

I.4. Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht vor.

I.5. Mit Erkenntnis vom 09.09.2016, Ro 2015/12/0025, hat der Verwaltungsgerichtshof über die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen entschieden.

I.6. Mit Urteil vom 08.05.2019 hat der EuGH (Leitner und ÖGB, GÖD) entschieden, dass ein finanzieller Ausgleich für diskriminierend vor Vollendung des 18. Lebensjahres nicht angerechnete Zeiten zu gewähren ist und eine Bevorzugung von Zeiten bei einer Gebietskörperschaft hinsichtlich der Einschlägigkeit und Deckelung gegen die Verordnung über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union verstößt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Beweiswürdigung:

Der oben dargestellte Sachverhalt steht auf Grund der Aktenlage als unstrittig fest.

II.2. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (1.) der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

(2.) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Gemäß der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 EMRK kann eine mündliche Verhandlung unter bestimmten Voraussetzungen unterbleiben, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Äußerungen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR 12.11.2002, 28.394/95, Döry vs. Schweden; 08.02.2005, 55.853/00, Miller vs. Schweden).

Da sich im vorliegenden Fall der Sachverhalt aus den Akten ergibt und auch unstrittig ist, kann von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Zu A)

Die belangte Behörde geht im Beschwerdefall vom Fehlen einer Antragslegitimation der bP aus, weil mit der Gesetzesnovelle BGBI. I Nr. 32/2015 die Bestimmungen über den Vorrückungsstichtag (§ 175 Abs. 79 Z 2 und 3 GehG) gänzlich entfallen seien und die entfallenen Bestimmungen in laufenden und künftigen Verfahren nicht mehr angewendet werden dürften, weshalb der Antrag der bP zurückzuweisen gewesen sei. Erkennbar wird mit der Frage nach dem Bestehen eines "subjektiven Rechts auf individuelle Neuberechnung des Besoldungsdienstalters für nach § 169c GehG pauschal übergeleitete Beamte" das Problem aufgeworfen, inwieweit Zeiten, welche bei der faktischen Bemessung des dem Überleitungsbetrag zu Grunde liegenden Gehaltes nach Altrecht zu Unrecht nicht berücksichtigt wurden, auch nach Inkrafttreten der Bundesbesoldungsreform 2015 Berücksichtigung finden können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass, wenn die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung ist (vgl. VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002, 0003; 23.06.2015, Ra 2015/22/0040, sowie 16.09.2015, Ra 2015/22/0082 bis 0084, alle mwN).

Eine inhaltliche Entscheidung über den verfahrensgegenständlichen Antrag war dem Bundesverwaltungsgericht somit verwehrt. Auch eine Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG kam nicht in Betracht (s. dazu VwGH 16.12.2009, 2008/12/0219).

Es ist demnach zu prüfen, ob die belangte Behörde der bP zu Recht eine Sachentscheidung verweigert hat.

Zur Entwicklung der Rechtslage betreffend die Regelungen der besoldungsrechtlichen Stellung nach dem GehG und zur Auslegung der durch die Bundesgesetze BGBl. I Nr. 32/2015 und BGBl. I. Nr. 65/2015 bewirkten Rechtslage wird auf die folgend skizzierten Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 09.09.2016, Ro 2015/12/0025, verwiesen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis dargelegt hat, könne eine individuelle Berücksichtigung von Zeiten bei Bestandsbeamten, auf welche § 169d Abs. 5 GehG nicht Anwendung findet, jedenfalls nicht im Wege einer individuellen Neuberechnung ihres Besoldungsdienstalters unter Anwendung der für neu ernannte Beamte geltenden Bestimmungen der §§ 8 und 12 GehG idF BGBl. I Nr. 32/2015 und BGBl. I Nr. 65/2015 erfolgen. Ebensowenig könne - wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis ausgeführt hat - bei der Bemessung der nach Neurecht zustehenden Gehälter für Altbeamte die Richtigkeit der Bemessung des dem Überleitungsbetrag zu Grunde liegenden Gehaltes nach Altrecht als Vorfrage der Gehaltsbemessung nach Neurecht geprüft werden.

Zulässig und zur Geltendmachung der von der bP beantragten Zeiten seien weiterhin verwaltungsbehördliche und verwaltungsgerichtliche Verfahren, welche der Überprüfung der Gestion der Verwaltung bei der Bemessung des dem Überleitungsbetrag zu Grunde liegenden Gehaltes nach dem Altrecht dienen. Dies sei bei einem nach § 113 Abs. 10 GehG gestützten Antragsverfahren der Fall, hänge die konkrete Bemessung des dem Überleitungsbetrag zu Grunde liegenden nach Altrecht gebührenden Gehaltes doch von der besoldungsrechtlichen Stellung ab, die der Beamte am 1. Jänner 2004 im Altrecht erlangt hatte. Führt die Dienstbehörde auf Grund einer hier beantragten Feststellung sodann eine Neubemessung des dem Überleitungsbetrag zu Grunde liegenden Gehaltes durch (wozu sie gegebenenfalls verpflichtet sei, was in der Folge auch mit einem Antrag auf Feststellung der Höhe des dem Überleitungsbetrag zu Grunde liegenden Gehaltes nach Altrecht erzwungen werden könnte) bewirke (erst) dieser Umstand, dass das dem Überleitungsbetrag zu Grunde liegende Gehalt sodann anders (neu) bemessen "wurde". Dieser Umstand habe sodann zu einer rückwirkenden Neufestsetzung der im Neusystem ab dem Zeitpunkt der Überleitung gebührenden Gehälter zu führen.

Aus dieser Rechtsprechung folgt auch für das vorliegende Verfahren, dass die Zurückweisung des Antrages der bP durch den angefochtenen Bescheid nicht auf § 175 Abs. 79 Z 2 und 3 zweiter Halbsatz GehG gestützt werden konnte. Die belangte Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, über den Antrag inhaltlich zu entscheiden, weshalb der Bescheid ersatzlos aufzuheben ist (vgl. hiezu auch VwGH 09.09.2016, Ro 2016/12/0002).

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren inhaltlich über den Antrag zu entscheiden und zu berücksichtigen haben, dass ein dem Unionsrecht genügender, diskriminierungsfreier Rechtszustand hergestellt wird.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Lösung der Rechtsfrage, ob im Beschwerdefall die durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 32/2015 getroffenen Neuregelungen, insbesondere angesichts der Übergangsbestimmungen des § 175 Abs. 79 Z 2 und 3 dieses Bundesgesetzes zum Tragen kommen oder das sog. Altrecht anzuwenden ist, mittlerweile durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 09.09.2016, Ro 2015/12/0025, geklärt wurde.

Die gegenständliche Entscheidung weicht auch nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Der Wortlaut der angewendeten Bestimmungen ist eindeutig.

Schlagworte

Altersdiskriminierung, Antragslegimitation, besoldungsrechtliche
Stellung, ersatzlose Behebung, meritorische Entscheidung,
Rechtslage, Überleitungsbetrag, Vorrückungsstichtag -
Neufestsetzung, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W122.2106410.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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