TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/21 W221 2157525-1

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Veröffentlicht am 21.05.2019
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Entscheidungsdatum

21.05.2019

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
GehG §169f
GehG §175 Abs79 Z3
GRC Art. 21
GRC Art. 47
Richtlinie 2000/78/EG Gleichbehandlungs-RL Beschäftigung Beruf Art. 1
Richtlinie 2000/78/EG Gleichbehandlungs-RL Beschäftigung Beruf Art. 2
Richtlinie 2000/78/EG Gleichbehandlungs-RL Beschäftigung Beruf Art. 6
Richtlinie 2000/78/EG Gleichbehandlungs-RL Beschäftigung Beruf Art. 9
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz 2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W221 2157525-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela URBAN, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX gegen den Bescheid des Landespolizeidirektors für Oberösterreich vom 23.03.2017, Zl. P6/47647/2015, zu Recht erkannt:

A)

1. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. (Zurückweisung des Antrages) wird Folge gegeben und Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos aufgehoben.

2. In Erledigung der Beschwerde wird Spruchpunkt II. (Abweisung des Antrages) des angefochtenen Bescheides aufgehoben und die Angelegenheiten gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Sachverhalt:

I.1. Die beschwerdeführende Partei (folgend kurz: bP) steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Sie beantragte am 20.11.2015 die Änderung der besoldungsrechtlichen Stellung.

I.2. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid wurde dieser Antrag gemäß § 175 Abs. 79 Z 3 Gehaltsgesetz 1956 (GehG) als unzulässig zurückgewiesen und der Antrag auf Nachzahlung von daraus resultierenden Bezügen abgewiesen.

I.3. Gegen diesen Bescheid erhob die bP innerhalb offener Frist Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit mit der wesentlichen Begründung, dass der Gesetzgeber durch die nunmehr getroffenen Bestimmungen die Rechtsprechung des EuGH betreffend die Anrechnung von Vordienstzeiten vor dem 18. Geburtstag nur unzureichend umgesetzt und damit die Altersdiskriminierung perpetuiert habe.

I.4. Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht vor.

I.5. Das Bundesverwaltungsgericht setzte das Verfahren mit Beschluss gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union über das ihm mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.06.2017, W128 2148285-1/2Z, vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen aus.

I.6. Mit Urteil vom 08.05.2019, C-396/17, hat der EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen entschieden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren wurde mit Beschluss gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG bis zur Entscheidung des EuGH ausgesetzt. Da der EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen mit Urteil vom 08.05.2019, C-396/17, entschieden hat, ist das Verfahren nunmehr fortzusetzen.

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu A)

Die belangte Behörde geht im Beschwerdefall vom Fehlen einer Antragslegitimation der bP aus, weil mit der Gesetzesnovelle BGBI. I Nr. 32/2015 die Bestimmungen über den Vorrückungsstichtag außer Kraft getreten seien und daher die Rechtsgrundlage für eine inhaltliche Entscheidung weggefallen sei. Mangels Änderung der besoldungsrechtlichen Stellung, sei der diesbezügliche Antrag auf Nachzahlung abzuweisen.

Zur Zurückweisung des Antrages auf Änderung der besoldungsrechtlichen Stellung:

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass, wenn die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung ist (vgl. VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002, 0003; 23.06.2015, Ra 2015/22/0040, sowie 16.09.2015, Ra 2015/22/0082 bis 0084, alle mwN).

Eine inhaltliche Entscheidung über den verfahrensgegenständlichen Antrag war dem Bundesverwaltungsgericht somit verwehrt. Auch eine Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG kam nicht in Betracht (s. dazu VwGH 16.12.2009, 2008/12/0219).

Es ist demnach zu prüfen, ob die belangte Behörde der bP zu Recht eine Sachentscheidung verweigert hat:

Wie der EuGH nunmehr in seinem Urteil C-396/17 dargelegt hat, muss ein Beamter, der eine Diskriminierung wegen des Alters erlitten hat, die Möglichkeit haben, unter Berufung auf Art. 2 der Richtlinie 2000/78 die diskriminierenden Wirkungen der Modalitäten seiner Überleitung in das neue Besoldungs- und Vorrückungssystem anzufechten. Aus diesem Grund stehen Art. 47 der Charta und Art. 9 der Richtlinie 2000/78 einer nationalen Regelung entgegen, die in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens den Umfang der Kontrolle, die von den nationalen Gerichten ausgeübt werden kann, einschränkt, indem Fragen im Zusammenhang mit der Grundlage des anhand des alten Besoldungs- und Vorrückungssystems berechneten "Überleitungsbetrags" ausgeschlossen werden.

Darüber hinaus hat der EuGH ausgesprochen, dass Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78 in Verbindung mit Art. 21 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer rückwirkend in Kraft gesetzten nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, wonach zur Beseitigung einer Diskriminierung wegen des Alters die Überleitung von Beamten im Dienststand in ein neues Besoldungs- und Vorrückungssystem vorgesehen ist, in dem sich die erste Einstufung dieser Beamten nach ihrem letzten gemäß dem alten System bezogenen Gehalt richtet.

Das nationale Gericht ist, wenn nationale Rechtsvorschriften nicht im Einklang mit der Richtlinie 2000/78 ausgelegt werden können, verpflichtet, im Rahmen seiner Befugnisse den Rechtsschutz, der dem Einzelnen aus dieser Richtlinie erwächst, zu gewährleisten und für ihre volle Wirkung zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Vorschrift unangewendet lässt. Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass die Wiederherstellung der Gleichbehandlung in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, wenn eine unionsrechtswidrige Diskriminierung festgestellt wurde und solange keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung erlassen wurden, voraussetzt, dass den durch das alte Besoldungs- und Vorrückungssystem benachteiligten Beamten die gleichen Vorteile gewährt werden wie den von diesem System begünstigten Beamten, sowohl in Bezug auf die Berücksichtigung vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegter Vordienstzeiten als auch bei der Vorrückung in der Gehaltstabelle, und dass den diskriminierten Beamten infolgedessen ein finanzieller Ausgleich in Höhe der Differenz zwischen dem Gehalt, das der betreffende Beamte hätte beziehen müssen, wenn er nicht diskriminiert worden wäre, und dem tatsächlich von ihm bezogenen Gehalt gewährt wird.

Aus dieser Rechtsprechung folgt auch für das vorliegende Verfahren, dass die Zurückweisung des Antrages der bP durch den angefochtenen Bescheid nicht auf § 175 Abs. 79 Z 3 GehG gestützt werden konnte. Die belangte Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, über den Antrag inhaltlich zu entscheiden, weshalb Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ersatzlos aufzuheben ist (vgl. hiezu auch VwGH 09.09.2016, Ro 2016/12/0002).

Zur Abweisung des Antrages auf Nachzahlung:

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Wie der EuGH im zitierten Urteil klar zum Ausdruck gebracht hat, ist das Unionsrecht dahingehend auszulegen, dass die Wiederherstellung der Gleichbehandlung voraussetzt, dass den diskriminierten Beamten ein finanzieller Ausgleich in Höhe der Differenz zwischen dem Gehalt, das der betreffende Beamte hätte beziehen müssen, wenn er nicht diskriminiert worden wäre, und dem tatsächlich von ihm bezogenen Gehalt gewährt wird.

Da über den Antrag auf Änderung der besoldungsrechtlichen Stellung des Beschwerdeführers noch nicht inhaltlich abgesprochen wurde (und dies dem Bundesverwaltungsgericht wie eben ausgeführt auch verwehrt ist), fehlt für den darauf aufbauenden Antrag auf Nachzahlung der Bezüge eine wesentliche Ermittlung, nämlich die tatsächliche besoldungsrechtliche Stellung des Beschwerdeführers.

Da somit der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Es ist daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Die belangte Behörde wird im fortgesetzten Verfahren inhaltlich über den Antrag zu entscheiden und zu berücksichtigen haben, dass ein dem Unionsrecht genügender, diskriminierungsfreier Rechtszustand - wie vom EuGH dargelegt - hergestellt wird.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die unter A) zitierte Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Fall übertragbar.

Schlagworte

Altersdiskriminierung, Antragslegimitation, besoldungsrechtliche
Stellung, Ermittlungspflicht, ersatzlose Behebung, Kassation,
mangelnde Sachverhaltsfeststellung, meritorische Entscheidung,
Nachzahlungsantrag, Überleitung, Unionsrecht, Vordienstzeiten,
Vorrückungsstichtag, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W221.2157525.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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