TE Vfgh Beschluss 1996/11/26 G1388/95, G107/96

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Veröffentlicht am 26.11.1996
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
StGB §269 Abs4, §270

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung des §269 Abs4 und des Eventualantrags auf Aufhebung des §270 Abs2 StGB mangels Legitimation; keine Erkennbarkeit einer aktuellen Beeinträchtigung des Antragstellers; Abweisung des Verfahrenshilfeantrags als aussichtslos

Spruch

Der zu G107/96 protokollierte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Die übrigen Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Im Wege eines durch einen Rechtsanwalt in seiner Eigenschaft als bestellter Verfahrenshelfer eingebrachten Schriftsatzes begehrt der Antragsteller mit näherer Begründung die Aufhebung der Wortfolge "ihrer Art nach" im §269 Abs4 StGB. Dieser Antrag ist zu G1388/95 protokolliert.

1.2. Im Wege eines selbstverfaßten, nicht durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebrachten, beim Verfassungsgerichtshof am 8. März 1996 eingelangten und zu G107/96 protokollierten Antrags begehrt der Einschreiter die Aufhebung des §269 Abs4 StGB, in eventu der Wortfolge "ihrer Art nach" in der zitierten Vorschrift sowie, in eventu, des §270 Abs2 StGB. Außerdem wird in eventu, d.h. für den Fall, daß der Verfassungsgerichtshof die Eingabe nicht ohne anwaltliche Unterfertigung in sachliche Prüfung nehmen sollte, die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt.

2. Die bekämpften Vorschriften des StGB, BGBl. Nr. 60/1974, lauten im Zusammenhang wie folgt:

"§269. (1) Wer eine Behörde mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt und wer einen Beamten mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung hindert, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, im Fall einer schweren Nötigung (§106) jedoch mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

(2) ...

(3) ...

(4) Der Täter ist nach Abs1 nicht zu bestrafen, wenn die Behörde oder der Beamte zu der Amtshandlung ihrer Art nach nicht berechtigt ist oder die Amtshandlung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstößt."

"§270. (1) Wer einen Beamten während einer Amtshandlung (§269 Abs3) tätlich angreift, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

(2) §269 Abs4 gilt entsprechend."

3.1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985, 11726/1988).

3.2. Weder die Ausführungen im Antrag zu G1388/95 noch die im Antrag zu G107/96 lassen erkennen, daß und in welcher Hinsicht die bekämpften Rechtsvorschriften den Antragsteller aktuell beeinträchtigen. Sie enthalten insbesondere keinen Hinweis darauf, daß der Antragsteller ein unter die §§269 und 270 StGB subsumierbares Verhalten an den Tag gelegt hätte oder beabsichtigt, ein solches Verhalten zu setzen. Da dem Antragsteller somit schon mangels einer unmittelbaren Beeinträchtigung durch die von ihm bekämpften Vorschriften - das Vorliegen einer solchen Beeinträchtigung ist aufgrund des Antragsvorbringens zu beurteilen (vgl. VfSlg. 8060/1977, 8587/1979, 10593/1985, 11453/1987) - die Antragslegitimation fehlt, erübrigt sich die Prüfung der Frage, ob ihm die Beschreitung eines anderen Rechtsweges zur Abwehr der geltend gemachten Rechtsverletzung zumutbar ist (zB VfSlg. 11969/1989).

4. Da sich folglich die vom Antragsteller angestrebte Rechtsverfolgung als offenbar aussichtslos erweist, war sein im Verfahren G107/96 gestellter (Eventual)Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gemäß §63 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG abzuweisen.

Unter einem waren die übrigen Anträge aus dem oben genannten Grund (Punkt 3.2.) mangels Legitimation zurückzuweisen.

5. Diese Beschlüsse konnten gemäß §72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG sowie gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, VfGH / Verfahrenshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:G1388.1995

Dokumentnummer

JFT_10038874_95G01388_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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