TE Lvwg Erkenntnis 2018/5/8 LVwG 41.34-835/2018

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Veröffentlicht am 08.05.2018
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Entscheidungsdatum

08.05.2018

Index

81/01 Wasserrechtsgesetz

Norm

WRG 1959 §104a
WRG 1959 §102
32005D0370 AarhusKonvention Art9 Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch die Richterin Mag. Ebner-Steffler über die Beschwerde des A – B, vertreten durch den Geschäftsführer Mag. Y Z, Ngasse, Wi, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 15.02.2018, GZ: ABT13-32.00M-27/2002-254,

z u R e c h t e r k a n n t:

I.     Gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) wird die Beschwerde als unbegründet

abgewiesen.

II.    Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.     Beschwerdevorbringen, Vorverfahren und Sachverhalt:

1.                Mit Schriftsatz vom 31.01.2018 brachte die gemäß § 19 Abs 6 und 7 Umweltverträglichkeitsprüfung-Gesetz anerkannte Umweltorganisation A – B (in Folge kurz: A) einen Antrag „auf Zustellung des zuletzt ergangenen Bescheides FA13A-32.99 M 27-07/88“ ein, und begründete diesen Antrag im Wesentlichen damit, dass auf Grund der aktuellen Judikatur des Europäischen Gerichtshofes (C-664/15 vom 20.12.2017 „Tumpen/Protect“, und C-243/15 vom 08.11.2016 „Braunbär 2“) anerkannten Umweltorganisationen Parteistellung in Verfahren über die Ausnahme von Verschlechterungsverbot gemäß §§ 104a, 102 WRG iVm § 8 AVG und Art 4 Abs 7 der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), sowie der Aarhus Konvention und der Grundrechtecharta der Europäischen Union zukommen würde.

2.                Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 15.02.2018 wurde der Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung und Zustellung des Bescheides des Landeshauptmannes von Steiermark vom 24.05.2007, GZ: FA13A-32.00 M 27/07-88, der nunmehrigen Beschwerdeführerin betreffend das Kraftwerk „Schwarze Sulm“ abgewiesen. Der Landeshauptmann (belangte Behörde) führt im Wesentlichen begründend aus, dass zwar das Urteil des EuGH vom 20.12.2017, C-664/15, in Bezug auf die Umsetzung des Art 9 Abs 3 der Aarhus-Konvention iVm Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union neue Verfahrensanleitungen vorgebe. Im gegenständlichen Fall habe jedoch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 30.06.2016, Ro 2014/07/0028-9, festgehalten, dass der EuGH bereits im Urteil vom 04.05.2016, C-346/14, festgestellt habe, dass der Landeshauptmann von Steiermark das streitige Vorhaben insgesamt, einschließlich seiner unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen auf die Ziele der Richtlinie 2000/60 geprüft habe und zum Schluss gekommen sei, dass die Bedingungen für eine Ausnahme vom Verschlechterungsverbot erfüllt seien. Damit habe der EuGH das unionsrechtskonforme Zustandekommen des Bescheides vom 24.05.2007 bestätigt und liege ein Verstoß gegen nationales Umweltrecht nicht vor. Nachträglich – vor dem 20.12.2017 – eine Parteistellung abzuleiten, würde einen Bruch mit dem österreichischen Rechtssystem darstellen.

3.                Dagegen richtet sich die vorliegende rechtzeitige und zulässige Beschwerde vom 16.03.2018. Die Beschwerdeführerin sei eine österreichweit tätige, anerkannte Umweltorganisation gemäß § 19 Abs 6 und 7 UVP-G und begehrt die BF als übergangene Partei die Zustellung des (zuletzt ergangenen) Bescheides vom zu GZ: FA13A-32.99 M 27-07/88. Mit diesem Bescheid vom 24.05.2007 habe der Landeshauptmann von Steiermark die Errichtung und den Betrieb des Trinkwasserkraftwerkes S - Kraftwerk Schwarze Sulm genehmigt.

3.1.             Unter der Überschrift „Zur Frage der übergangenen Partei“ führt die Beschwerdeführerin zusammenfassend aus, dass es entsprechend dem Urteil des EuGH vom 08.11.2016, C-243/15, dem EuGH-Urteil vom 20.12.2017, C-664/15, dem Leitfaden der Europäischen Kommission und vor allem dem Erkenntnis des VwGH vom 19.02.2018, Ra 2015/07/0074, unzweifelhaft sei, dass in Verfahren mit unionsrechtlichem Bezug anerkannten Umweltorganisationen zu beteiligen seien. Das Recht der Parteistellung ergebe sich dabei nicht aus der direkten Anwendung von Art 9 Abs 2 bzw. 3 der Aarhus Konvention sondern aus der Aarhus-konformen Auslegung des Unionsrecht gemäß der jüngsten Judikatur des EuGH (C-664/15). Unabhängig davon, ob eine potentiell erhebliche Umweltauswirkung wahrscheinlich sei, sei Parteistellung zu gewähren. Im gegenständlichen Fall KW Schwarze Sulm sei ein Verfahren nach § 104a WRG (Art 4 Abs 7 WRRL) durchgeführt worden, das jedenfalls eine potentiell erhebliche Umweltauswirkung bedeute. Parteistellung sei daher jedenfalls zu gewähren. Die Beschwerdeführerin sei nicht geladen worden, es sei auch kein Edikt erfolgt. Die belangte Behörde hätte mit Bescheid vom 22.07.2016, ABT13-32.00-297/2012-207, selbst zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei anerkannten Umweltorganisationen um übergangene Parteien handle. Eine Präklusion sei schon vom EuGH im Fall C-664/15 ausgeschlossen, da eine Umweltorganisation, die ex lege das Recht auf Beteiligung hätte, mangels Parteistellung im Erstverfahren nicht präkludieren könne. Es handle sich daher bei der Beschwerdeführerin um eine übergangene Partei.

3.2.    Unter der Überschrift „Zur Frage der Rechtskraftdurchbrechung bzw. Rückwirkung“ führt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass das Grundprinzip der österreichischen Bundesverfassung (rechtsstaatliches Prinzip) nicht im Widerspruch zum Unionsrecht stehe, weshalb das EuGH Urteil nicht ignoriert werden könne. Es würde sich hier um eine Abwägungsfrage handeln, wonach neben der Rechtsposition des Projektwerbers auch jene der Beschwerdeführerin geschützt sei. Übergangene Parteien hätte auch nach nationalem Recht die Möglichkeit, Bescheidzustellung zu begehren.

Die Behauptung „ein Verstoß gegen nationales Umweltrecht“ würde nicht vorliegen, sei unzutreffend, da der „bekämpfte“ Bescheid (Anmerkung des Gerichtes: wohl gemeint „der wasserrechtliche Bewilligungsbescheid“) bereits einmal im Rechtsmittelverfahren aufgehoben und nur aus formellen Gründen wieder in Kraft gesetzt worden sei. Eine inhaltliche Kontrolle des Bescheides sei nicht erfolgt.

Entscheidungen des EuGH hätten prinzipiell unbeschränkte Wirkung, sofern der Gerichtshof keine zeitliche Schranke einziehe. Eine solche Beschränkung sei im gegenständlichen Fall (RS C-664/15 vom 20.12.2017) nicht erfolgt.

Die Beschwerdeführerin hätte bereits im Jahr 2012 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Fall KW Schwarze Sulm eingebracht und sei dieser Antrag mit Bescheid des Landeshauptmannes 22.07.2016, mit dem Hinweis, dass der Antrag auf Zustellung des zuletzt ergangenen Bescheides als übergangene Partei das korrekte Mittel wäre, negativ entschieden worden.

Aus der rechtswidrigen Nicht-Umsetzung von Unionsrecht bzw. Völkerrecht dürften keine Vorteile (wie zum Beispiel weniger Arbeitsaufwand durch Nicht-Einbindung von anerkannten Umweltorganisationen, kein Zugang zu Verfahrensunterlagen) gezogen werden.

Der Vertrauensschutz in die Rechtskraft der wasserrechtlichen Bewilligung sei durch zahlreiche Anträge von Umweltorganisationen, dem wasserwirtschaftlichen Planungsorgan, der Landesumweltanwaltschaft erschüttert und könne nicht davon gesprochen werden, dass der Bescheid bereits jahrelang problemlos gültig wäre. Die Vorlagefrage an den EuGH durch den VwGH im Fall C-664/15 (Protect) sei bereits 2015 erfolgt. Das Kraftwerk sei bis dato nicht verwirklicht – nicht einmal mit dem Bau begonnen worden, zumal forstrechtliche Bewilligungen fehlen, die Frage der Eingliederung des KW Schwarze Sulm in das Speicherkraftwerkprojekt K und die Frage der UVP-Pflicht vom Bundesverwaltungsgericht noch geprüft werden müsse, und schon daher der Vertrauensschutz in die wasserrechtliche Bewilligung nur minimal sein könne bzw. dürfe.

3.3.             Begehrt wird die Abänderung des bekämpften Bescheides dahingehend, dass der Beschwerdeführerin als übergangene Partei der zuletzt ergangene Bescheid FA13A-32.00 M 27-07/88 zuzustellen ist, in eventu die Aufhebung und Zurückverweisung der Rechtsache an die belangte Behörde.

4.                Die S GmbH als Konsensinhaberin der wasserrechtlichen Bewilligung für das Kraftwerk an der Schwarzen Sulm (mitbeteiligte Partei) erstattete die Beschwerdegegenschrift vom 11.04.2018 und bringt dabei vor, dass die von der Beschwerdeführerin für die beantragte Bescheidzustellung ins Treffen geführte Anwendung des § 104a WRG (Art 4 Abs 7 WRRL) mit dem seit 20.05.2007 rechtskräftig vorliegendem wasserrechtlichem Bewilligungsbescheid vom 20.05.2007 (Anmerkung des Gerichts: wohl gemeint 24.05.2007) erfolgt sei. Mit dem Bau des Kraftwerkes sei am 15.05.2013 begonnen worden. Die Rechtmäßigkeit der wasserrechtlichen Bewilligung sei sowohl gemäß dem innerstaatlichen Recht als auch nach dem Unionsrecht (EuGH C-346/14 vom 04.05.2016) bestätigt worden.

Das EuGH-Urteil vom 20.12.2017 sei für das seit über zehn Jahren rechtskräftig beendete Verfahren betreffend KW Schwarze Sulm nicht einschlägig, habe doch die vom EuGH als wesentlicher Bestandteil seiner Entscheidung ins Treffen geführte Europäische Grundrechtscharta erst zwei Jahre später – durch den Vertrag von Lissabon mit 01.01.2009 – Geltung erlangt.

Zudem habe der EuGH in seiner Entscheidung vom 20.12.2017 (C-664/15) mehrfach betont, dass die Legitimation von Umweltorganisationen, sich unter Berufung auf die Aarhus Konvention an Verwaltungsverfahren zu beteiligen, darauf beschränke, dass das Verfahren Rechtsvorschriften der Union im Bereich des Umweltrechts betreffe, um durch die Beteiligung von Umweltorganisationen sicherzustellen, dass das gemeinschaftliche Umweltrecht nicht verletzt werde.

Mit der Entscheidung des EuGH vom 04.05.2016, C-346/14, sei bereits erwiesen, dass die Umweltauswirkungen durch das KW Schwarze Sulm alle unionsrechtlichen Vorgaben des Umweltrechts erfülle und alle Verpflichtungen aus der WRRL (RL 2000/60 des Unionsrechts) eingehalten seien. Die rechts- und unionsrechtskonforme Bewilligung des KW Schwarze Sulm sei nach Maßgabe des § 104a WRG bzw. Art 4 WRRL von EuGH und VwGH mehrfach bestätigt worden. Das Recht auf Überprüfung könne dort nicht mehr bestehen, wo bereits überprüft worden sei. Ziel des Art 9 Abs 3 Aarhus Konvention sei es, die gerichtliche Prüfung der Übereinstimmung des Vorhabens mit dem gemeinschaftlichen Umweltrecht hinreichend zu verwirklichen. In der Entscheidung des EuGH vom 04.05.2016, C-346/14, halte dieser fest, dass die Republik Österreich bei der Bewilligung des KW Schwarze Sulm Art 4 Abs 1 der Richtlinie 2000/60/EG (WRRL) in Verbindung mit Art 4 Abs 7 WRRL ordnungsgemäß angewandt hätte. Auch der VwGH habe in seiner Entscheidung vom 24.05.2016, 2013/07/0227, die Rechtmäßigkeit und Unionskonformität der Bewilligung vom 24.05.2007 unter Bezugnahme auf die Entscheidung des EuGH C-346/14 bestätigt. Im Verfahren nach § 21a WRG habe der VwGH in seiner Entscheidung vom 30.06.2016, Ro 2014/07/0028, neuerlich festgehalten, dass aufgrund des Urteils des EuGH vom 04.05.2016 allen europarechtlichen Bedenken der Beschwerdeführerin gegen den wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid für das KW Schwarze Sulm vom 24.05.2007 der Boden entzogen sei.

Weiters für die mitbeteiligte Partei aus, dass die Beschwerdeführerin zudem – unter Verweis auf die gemäß §§ 41 f AVG erfolgte doppelte Kundmachung im Bewilligungsverfahren 2007 - präkludiert sei. Die Voraussetzungen für den Eintritt der Präklusion sei bei der Beschwerdeführerin jedenfalls erfüllt. Die Beschwerdeführerin hätte gar nie versucht an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen oder rechtzeitig Einwendungen zu erheben, um die behauptete Rolle als Partei im Verfahren zu wahren. Dies gelte auch für das mit Bescheid vom 21.03.2017 betreffende Änderungsverfahren, wobei der verfahrensgegenständliche Antrag nicht auf diesen Bescheid Bezug nehme.

Abschließend verweist die mitbeteiligte Partei darauf, dass A bzw. der W, als Gründungsmitglied von A, sämtliche Bescheide betreffend KW Schwarze Sulm bereits seit Jahren vorliegend hätten und sei der wasserrechtliche Bewilligungsbescheid vom 24.05.2007 auch im youtube-Video „Ko“ abgebildet gewesen. Der Antrag sei daher schikanös und rechtsmissbräuchlich.

Die mitbeteiligte Partei beantragt die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen in eventu unbegründet abzuweisen.

II. Der gegenständlichen Entscheidung liegt der Akt der belangten Behörde, das Beschwerdevorbringen sowie die Beschwerdegegenschrift der mitbeteiligten Partei zur Grunde und geht das Landesverwaltungsgericht Steiermark von folgenden Erwägungen aus:

5.                Mit dem bekämpften Bescheid vom 16.02.2018 wurde der Antrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin auf Zustellung des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides des Landeshauptmannes von Steiermark vom 24.05.2007, GZ: FA13A-32.00 M 27-07/88, und damit verbunden der Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung in diesem (abgeschlossenen) Verfahren abgewiesen.

6.1. Zur Verfahrenschronologie ist festzuhalten, dass der wasserrechtliche Bewilligungsbescheid für das KW Schwarze Sulm mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16.03.2012, G126/11-12, rückwirkend Rechtskraft erlangt hat.

6.2.    Mit Urteil des EuGH vom 04.05.2016, C-346/14 (Vertragsverletzungsverfahren Europäische Kommission gegen Republik Österreich) wurde Folgendes festgestellt:

„Somit hat der Landeshauptmann der Steiermark – entgegen den Ausführungen der Kommission – das streitige Vorhaben insgesamt, nämlich einschließlich seiner unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen auf die Ziele der Richtlinie 2000/60, geprüft und seine Vorteile und negative Auswirkungen auf den Zustand des Oberflächenwasserkörpers der Schwarzen Sulm gegeneinander abgewogen. Insbesondere hat er im Rahmen dieser Prüfung berücksichtigt, dass dieser Fluss von sehr hoher ökologischer Qualität ist, aber angenommen, dass angesichts der verschiedenen von dem Vorhaben zu erwartenden Vorteile die damit verbundenen öffentlichen Interessen eindeutig die Auswirkungen für das von dieser Richtlinie verfolgte Ziel der Vermeidung einer Verschlechterung übersteigen. Er hat sich daher nicht bloß in abstrakter Weise auf das übergeordnete allgemeine Interesse gestützt, das die Erzeugung erneuerbarer Energien darstellt, sondern seiner Schlussfolgerung, dass die Bedingungen für eine Ausnahme vom Verschlechterungsverbot erfüllt seien, eine detaillierte und spezifische wissenschaftliche Prüfung dieses Vorhabens zugrunde gelegt.

Aus alledem folgt, dass der Landeshauptmann der Steiermark, der sich unter Zugrundelegung eines Gutachtens des Instituts geäußert hat, das ihm die maßgebenden Informationen über die Auswirkungen des streitigen Vorhabens zur Verfügung stellen konnte, sämtliche in Art. 4 Abs. 7 der Richtlinie 2000/60 vorgesehene Bedingungen berücksichtigt hat und zu Recht annehmen konnte, dass diese erfüllt sind.“

 

6.3.    In der Entscheidung des VwGH vom 30.06.2016, Ro 2014/07/0028, betreffend Revision der nunmehrigen Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des BMLFUW vom 19.12.2013, Zl. BMLFUW-UW.4.1.12/0367-I/6/2013 (Verfahren gemäß § 21a WRG) hat dieser Folgendes ausgeführt:

„Darüber hinaus hat der EuGH in dem eingangs bereits zitierten Urteil vom 4. Mai 2016, C-346/14, die in der Klage der Europäischen Kommission gegen die Republik Österreich vertretene Ansicht, dass letztere dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1 und 7 der WRRL verstoßen habe, dass mit Bescheid des LH vom 24.05.2007 das gegenständliche Kraftwerk an der Schwarzen Sulm bewilligt worden sei, nicht geteilt. Den sich im Ergebnis gegen den wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid vom 24. Mai 2007 gerichteten Bedenken der revisionswerbenden Partei ist somit auch aus europarechtlichen Erwägungen der Boden entzogen.“

7.                Mit dem seitens der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Entscheidung vom 20.12.2017, C-664/15 „Protect“ hat der EuGH folgende Aussagen getroffen:

1.                  Art. 9 Abs. 3 des am 25. Juni 1998 in Aarhus unterzeichneten, mit dem Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigten Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass ein Bescheid, mit dem ein möglicherweise gegen die Verpflichtung aus Art. 4 der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, eine Verschlechterung des Zustands der Wasserkörper zu verhindern, verstoßendes Vorhaben gebilligt wird, von einer nach den Voraussetzungen des nationalen Rechts ordnungsgemäß gegründeten und tätigen Umweltorganisation vor einem Gericht angefochten werden können muss.

2.      Art. 9 Abs. 3 des mit dem Beschluss 2005/370 genehmigten Übereinkommens in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte sowie Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/60 sind dahin auszulegen, dass nationales Verfahrensrecht, das in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens Umweltorganisationen nicht das Recht zuerkennt, sich an einem Bewilligungsverfahren zur Umsetzung der Richtlinie 2000/60 als Partei zu beteiligen, und das Recht, Entscheidungen, die im Rahmen des Bewilligungsverfahrens ergehen, anzufechten, nur Personen, die im Verwaltungsverfahren die Stellung als Partei hatten, zuerkennt, nicht mit diesen Bestimmungen vereinbar ist.

3.      Unter dem Vorbehalt der Überprüfung der relevanten tatsächlichen Umstände und des einschlägigen nationalen Rechts durch das vorlegende Gericht ist Art. 9 Abs. 3 und 4 des mit dem Beschluss 2005/370 genehmigten Übereinkommens in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte dahin auszulegen, dass mit diesen Bestimmungen nicht vereinbar ist, dass in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens für eine Umweltorganisation nach den nationalen Verfahrensvorschriften eine Ausschlussregelung gilt, nach der eine Person ihre Stellung als Partei im Verwaltungsverfahren verliert und deshalb keine Beschwerde gegen eine in diesem Verfahren ergangene Entscheidung erheben kann, wenn sie Einwendungen nicht rechtzeitig bereits im Verwaltungsverfahren, spätestens in dessen mündlichem Abschnitt, erhoben hat.

8.               Wenn nunmehr die Beschwerdeführerin vorbringt, sie sei übergangene Partei im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren 2007 und ihr würde – insbesondere auf Grund der aktuellen Judikatur des EuGH und des VwGH – in Verfahren mit unionsrechtlichem Bezug als anerkannte Umweltorganisation jedenfalls Parteistellung zuzuerkennen sein, so übersieht die Beschwerdeführerin, dass Art 9 Abs 3 der Aarhus Konvention in Verbindung mit Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union eine Anfechtungsmöglichkeit für Umweltorganisationen nur insoweit einräumt, als dass ein Bescheid möglicherweise ein, gegen die Verpflichtung aus Art. 4 der Richtlinie 2000/60/EG (WRRL), verstoßendes Vorhaben billigt. Mit Entscheidung des EuGH vom 04.05.2016, C-346/14, hat dieser jedoch bereits festgestellt, dass die Genehmigung des KW Schwarze Sulm unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten zulässig war und den Verpflichtungen aus Art 4 WRRL entsprochen wurde. Die Erteilung einer Ausnahme vom Verschlechterungsverbot iSd § 104a WRG war gerechtfertigt und wurden die Vorgaben der WRRL erfüllt. Der EuGH bestätigte damit die Unionskonformität der Entscheidung des Landeshauptmannes von Steiermark vom 24.05.2007.

Wie bereits der VwGH in seiner Entscheidung vom 30.06.2016 festgehalten hat, ist aber damit der Beschwerdeführerin einer Anfechtungsmöglichkeit gegen den wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid vom 24.05.2007 aus europarechtlichen Erwägungen der Boden entzogen. Die Beschwerdeführerin führt in ihrem Antrag auf Zustellung des zuletzt ergangenen Bescheides (und damit verbunden auf Zuerkennung der Parteistellung im Verfahren) wiederum Art 4 Abs 7 der WRRL ins Treffen und übersieht dabei offenbar, dass ein möglicher Verstoß gegen die Verpflichtung aus Art 4 WRRL bereits mit dem Urteil des EuGH C-346/14 ausgeschlossen wurde.

Dieses Beschwerdevorbringen ist somit nicht geeignet eine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides aufzuzeigen, hat auch die belangte Behörde zutreffend auf diesen Umstand verwiesen und ihre Entscheidung damit begründet.

9.                Zudem ist der mitbeteiligten Partei (Konsensinhaberin) beizupflichten, wenn diese vorbringt, dass ein Eingriff in die rechtskräftige wasserrechtliche Bewilligung des KW Schwarze Sulm durch die Entscheidung des EuGH vom 20.12.2017, C-664/15, (und der darauf basierenden aktuellen VwGH-Judikatur) nicht gedeckt ist.

Wenn die Beschwerdeführerin ausführt, dass es prinzipiell eine unbeschränkte Wirkung der EuGH-Urteile gebe (sofern der Gerichtshof nicht ausdrücklich eine zeitliche Schranke einzieht), so ist dazu festzuhalten, dass eine Rückwirkung des EuGH-Urteils vom 20.12.2017 auf gegenständliches, bereits rechtkräftig abgeschlossenes Verfahren nicht erblickt werden kann. Dies aus folgenden Gründen:

Der EuGH hat im Zusammenhang mit der Rechtswirkung von Richtlinien (Rückwirkung nach Ablauf der Umsetzungsfrist) im Bereich des Umweltrechts die ständige – bis in die 90er Jahre zurückreichende – „pipeline-Judikatur“ gebildet. Nach dieser Rechtsprechung stellt der Gerichtshof auf den Zeitpunkt der förmlichen Beantragung (Einleitung) eines umweltrechtlichen Genehmigungsverfahrens ab: Liegt dieser Zeitpunkt vor dem Tag des Ablaufes der Umsetzungsfrist, können sich Rechtsunterworfene (z.B. Projektwerber) und Mitgliedstaaten noch auf die alte – vor Inkrafttreten der Richtlinie geltende – Fassung des Unionrechts berufen, was dazu führt, dass eine neue Richtlinie zum Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung auf ein solches „Altverfahren“ noch keine Wirkung entfaltet. Diese Einschränkung des Grundsatzes der sofortigen Wirksamkeit der Richtlinie nach Ablauf der Umsetzungsfrist begründet der Gerichtshof im Wesentlichen damit, dass es nicht angebracht sei, dass Verfahren, die bereits auf nationaler Ebene komplex sind, durch die spezifischen Anforderungen der Richtlinie noch zusätzlich belastet und verzögert und bereits entstandene Rechtspositionen beeinträchtigt werden.

Im gegenständlichen Fall wurde der Antrag auf wasserrechtliche Bewilligung des KW Schwarze Sulm am 20.08.2003 bei der zuständigen Behörde eingebracht. Die Bewilligung wurde im Jahr 2007 erteilt und wurde (rückwirkend) auf Grundlage der Entscheidung des VfGH vom 16.03.2012 im Jahr 2007 rechtskräftig.

Das Übereinkommen von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten samt Erklärung (Aarhus-Konvention) ist gemäß Art 20 Abs 3 dieses Übereinkommens für Österreich am 17.04.2005 in Kraft getreten – somit fast zwei Jahre nach Einbringung des Antrages auf wasserrechtliche Bewilligung.

Der Bestimmung des Art 9 Abs 3 Aarhus Konvention kommt keine unmittelbare Wirkung zu und hängt die Durchführung und die Wirkung dieser Vorschrift von der Erlassung eines weiteren Rechtsaktes ab. Der EuGH betont in der Rechtssache C-664/15, dass Art 9 Abs 3 Aarhus Konvention (nur) in Verbindung mit Art 47 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, einen gerichtlichen Schutz der durch das Recht der Union garantierten Rechte, insbesondere der Vorschriften des Umweltrechts, zu gewährleisten (siehe Rn. 45).

Der EuGH sieht somit als wesentlichen Bestandteil dieser Entscheidung Art 47 der Grundrechte-Charta. Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist durch den Vertrag von Lissabon am 01.01.2009 – somit mehr als fünf Jahre nach Antragseinbringung und mehr als eineinhalb Jahre nach Erlassung des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides – in Kraft getreten.

In Anwendung der sog. „pipeline-Judikatur“ des EuGH war zum Zeitpunkt der Einleitung bzw. förmlichen Beantragung des wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens im Jahr 2003 weder die Aarhus-Konvention noch die Grundrechte-Charta in Österreich in Kraft. Dass die Aarhus-Konvention am 17.04.2005 – vor Erlassung des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides – in Kraft getreten ist, ändert aus Sicht des Verwaltungsgerichtes zu diesem Zeitpunkt jedoch nichts an der Rechtslage, zumal Art 9 Abs 3 keine unmittelbare Anwendbarkeit zukommt. Unter Zugrundelegung der EuGH-Entscheidung vom 20.12.2017 hat sich die Rechtslage (wenn überhaupt) erst mit Inkrafttreten der Grundrechte-Charta (Vertrag von Lissabon) am 01.01.2009 geändert hat (als fast zwei Jahre nach Bescheiderlassung). Eine Rückwirkung des EuGH-Urteils vom 20.12.2017 kann daher allenfalls nur bis zu diesem Zeitpunkt der Umsetzung bzw. des Inkrafttretens des Unionsrechts bzw. des Völkerrechts zurückreichen. Damit hat aber die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Entscheidung des EuGH vom 20.12.2017 keine Relevanz für das gegenständliche Verfahren.

Von einer rechtswidrigen Nicht-Umsetzung von Unionsrecht bzw. Völkerrecht kann jedenfalls keine Rede sein.

10.      Auch die weiteren Vorbringen der Beschwerdeführerin (mangelnder Vertrauensschutz auf Grund zahlreicher Eingaben und Rechtsmittel, fehlende Umsetzung des Vorhabens, Prüfung einer allfälligen UVP-Pflicht) sind nicht geeignet eine Parteistellung im rechtskräftig abgeschlossenen Bewilligungsverfahren KW Schwarze Sulm dazulegen bzw. zu begründen.

11.               Das Verwaltungsgericht kommt daher zum Schluss, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um keine (übergangene) Partei im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren, welches mit Bescheid vom 24.05.2007 rechtskräftig abgeschlossen wurde, handelt und war daher zu Recht der Antrag auf Zustellung des Bescheides (und Zuerkennung der Parteistellung) abzuweisen. Es war spruchgemäß zu entscheiden.

12.               Auf die weiteren Vorbringen, insbesondere hinsichtlich Präklusion, war mangels Parteistellung der Beschwerdeführerin nicht mehr weiter einzugehen.

13.               Diese Entscheidung konnte ohne Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichtes gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG getroffen werden, zumal eine solche auch nicht beantragt wurde.

II.    Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Wasserkraftwerk, Zuerkennung auf Parteistellung, Ausnahme vom Verschlechterungsverbot, wasserrechtliche Bewilligung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGST:2018:LVwG.41.34.835.2018

Zuletzt aktualisiert am

06.09.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Steiermark LVwg Steiermark, http://www.lvwg-stmk.gv.at
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