TE Lvwg Erkenntnis 2019/7/16 LVwG-AV-503/001-2019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.07.2019
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Entscheidungsdatum

16.07.2019

Norm

AWG 2002 §73 Abs1
AWG 2002 §74 Abs1
AWG 2002 §74 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Binder als Einzelrichterin über die Beschwerde des A, vertreten durch die B KG in ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 28. März 2019,
Zl. ***, betreffend Behandlungsauftrag nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§§ 73 Abs. 1, 74 Abs. 1 und 2 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 – AWG 2002

§ 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 28. März 2019,
Zl. ***, wurde der nunmehrige Beschwerdeführer wie folgt verpflichtet:

„Die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg verpflichtet Sie folgende Maßnahmen durchzuführen:

1. Das auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, abgestellte Fahrzeug der Marke Opel Corsa B, Farbe Grau, Baujahr 1996, mit KFZ-Einzelteilen im Fahrgastraum, ist nach den Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, umgehend, spätestens jedoch bis 30. April 2019 nachweislich von einem hierzu Befugten entsorgen zu lassen.

1. Der Entsorgungsnachweis ist der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg bis längstens 30. April 2019 vorzulegen.

Rechtsgrundlagen

für die Sachentscheidung:

§ 74 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 – AWG 2002“

In ihrer Begründung zitierte die belangte Behörde die maßgeblichen Rechtsvorschriften und führte aus, dass eine Anzeige der Polizeiinspektion *** betreffend die Ablagerung eines Fahrzeuges der Marke Opel Corsa B, Farbe Grau, Baujahr 1996, mit KFZ-Einzelzeilen im Fahrgastraum, auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, eingelangt sei. Im Zuge eines Telefonates, welches am 14. März 2019 geführt wurde, habe der nunmehrige Beschwerdeführer der belangten Behörde mitgeteilt, dass er am anderen Ende von *** wohne und nur selten auf dem Grundstück sei. Die belangte Behörde habe daraufhin mit Schreiben vom selben Tag den letzten Zulassungsbesitzer aufgefordert, das Fahrzeug zu entfernen, wobei dieser der belangten Behörde in weiterer Folge mitgeteilt habe, dass er das Fahrzeug nach dem 23. August 2017 über die Plattform „***“ verkauft hätte und dieses nicht mehr in seinem Besitz sei. Die in weiterer Folge durchgeführte Befragung der Anrainer, ob diese nähere Informationen zum Fahrzeug hätten, sei negativ verlaufen.

Das verfahrensgegenständliche Grundstück weise keinerlei Einfriedung auf und seien auch Hinweisschilder, dass ein Ablagern von Abfällen verboten wäre, nicht bekannt. Aus rechtlicher Sicht habe der Beschwerdeführer damit zumutbare Kontroll- und Abwehrmaßnahmen an seinem Grundstück unterlassen und komme daher die subsidiäre Grundstückseigentümerhaftung nach § 74 AWG 2002 zur Anwendung.

Diesbezüglich führte die belangte Behörde weiters aus, dass sich aus der schlüssigen und nachvollziehbaren Stellungnahme des umweltkundlichen Organs der Polizeiinspektion *** ergeben habe, dass es sich bei den gegenständlichen Ablagerungen im objektiven Sinn um Abfall handle. Die Behandlung dieser Abfälle liege im öffentlichen Interesse gemäß § 1 Abs. 3 Z 2, 3 und 9 AWG 2002, da sowohl Gefahren für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren oder Pflanzen oder für den Boden verursacht werden könnten, die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden könne, sowie das Orts- und Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt werde. Abfälle dürften darüber hinaus außerhalb von hiefür genehmigten Anlagen oder von für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Die Lagerungen in der gegenständlichen Form seien nicht genehmigt und sei deren Entfernung überdies im öffentlichen Interesse gelegen, weshalb die ordnungsgemäße Entfernung vorgeschrieben hätte werden müssen.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

In seiner rechtzeitig dagegen erhobenen Beschwerde bekämpfte der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer den Bescheid seinem gesamten Inhalt nach. Dabei behauptete er das Vorliegen materieller Rechtswidrigkeit und beantragte, das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich möge das Ermittlungsverfahren fortsetzen und den Bescheid ersatzlos beseitigen.

Begründet wurde die Beschwerde nach Wiedergabe des Sachverhaltes und der bisherigen Verfahrensschritte der belangten Behörde wie folgt:

„3.     Richtig ist, dass der Beschwerdeführer Grundstückseigentümer des Grundstücks mit der Nummer *** und der Nummer ***, KG *** ist. Das Grundstück Nummer *** hat laut Angaben der Gemeinde *** vom 11.04.2019 eine Grundstücksbreite von 7,39 Meter und eine Grundstückslänge von 103,75 Meter.

Die Vermessung des Grundstückes hat ergeben, dass sich das beschwerdegegenständliche Fahrzeug, sowie nun auch ein weiteres Fahrzeug, tatsächlich auf dem Grundstück ***, KG *** befindet und ist der Beschwerdeführer daher nicht Eigentümer jener Liegenschaft, auf welchem das beschwerdegegenständliche Fahrzeug abgestellt ist.

Es ist daher festzuhalten, dass keine Haftung des Beschwerdeführer gegeben ist, da dieser weder Halter des beschwerdegegenständlichen Fahrzeugs, noch Eigentümer jener Liegenschaft ist, auf welchem das beschwerdegegenständliche Fahrzeug abgestellt ist.

4.       Für den Fall das festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer trotz des oben beschriebenen Vorbringens Eigentümer jener Liegenschaft ist, auf welchem das beschwerdegegenständliche Fahrzeug abgestellt wurde, wird sowohl die Abfalleigenschaft des beschwerdegegenständlichen Fahrzeuges sowie die subsidiäre Haftung des Beschwerdeführers bestritten.

Eine subsidiäre Haftung des Liegenschaftseigentümers kommt nur zur Anwendung wenn der Liegenschaftseigentümer die Lagerung duldet und zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen werden. Beide Tatbestandselemente müssen kumulativ vorliegen.

Unter Duldung im Sinne des §74 AWG 2002 ist eine konkludente Zustimmung zu verstehen. Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer dem Abstellen des beschwerdegegenständlichen Fahrzeuges weder konkludent noch ausdrücklich zugestimmt. Eine Duldung liegt demnach nicht bloß vor, wenn vom Liegenschaftseigentümer keine wirksamen Abwehrmaßnahmen gegen eine Lagerung ergriffen wurden.

Der Beschwerdeführer hat erst im Zuge des gegenständlichen Verwaltungsverfahrens von gegenständlicher Lagerung erfahren und dies auch im Telefonat am 14.03.2019 der Behörde mitgeteilt. In VwGH 94/05/0055 stellte der VwGH fest, dass selbst die Bekanntheit einer Ablagerung nicht die Schlussfolgerung zulässt, dass ein Liegenschaftseigentümer diesen Vorgang zustimmt oder duldet. Im gegenständlichen Fall war die Ablagerung noch nicht einmal bekannt, weshalb jedenfalls nicht von der Duldung der Ablagerung auszugehen ist und demnach keine Haftung des Liegenschaftseigentümers vorliegt.

Ausdrücklich hingewiesen wird jedoch noch einmal auf Punkt 3. Dieser Beschwerde.“

Zum Beweis dieses Vorbringens beantragte der Beschwerdeführer seine Parteieneinvernahme sowie die Durchführung eines Ortsaugenscheines. Darüber hinaus legte er einen Grundbuchauszug betreffend die Grundstücke Nr. *** und ***, KG ***, als Beilage ./A, einen Auszug aus dem Grundstücksverzeichnis zum Stichtag 11. April 2019 als Beilage ./B und ein Konvolut an Lichtbildern, zeigend das Ergebnis der vom Beschwerdeführer beauftragten Vermessung des Grundstückes Nr. ***, KG ***, und zwei im Bereich außerhalb der vom Vermesser festgestellten südwestlichen Grenze dieses Grundstückes abgestellte Fahrzeuge als Beilage ./C vor.

3.   Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Einsichtnahme in den verwaltungsbehördlichen Verfahrensakt zur Zl. *** sowie durch Einsichtnahme in das offene Grundbuch Beweis erhoben.

Mit Schreiben vom 14. Mai 2019 beauftragte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich darüber hinaus den Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz, C, mit der Erstellung von Befund und Gutachten betreffend die Fragen, auf welchem Grundstück sich das verfahrensgegenständliche Fahrzeug befinde und ob die Einstufung als Abfall, welche von den Organen der Öffentlichen Aufsicht getroffen wurde, aus boden- und gewässerschutztechnischer Sicht nachvollzogen werden könne.

Der Amtssachverständige für Deponietechnik und Gewässerschutz erstattete zu diesen Beweisthemen unter Zugrundelegung des Aktes der belangten Behörde wie folgt Befund und Gutachten:

„(…) Am 06.06.2019 wurde das gegenständliche Fahrzeug vor Ort von mir begutachtet und die Lage des Fahrzeugs mit einem Maßband eingemessen.

Die vordere Stoßstange des Fahrzeuges befand sich am 06.06.2019 in einem Abstand von 7,69 m zum nördlich angrenzenden Betonfundament eines grünen Maschendrahtzaunes. (siehe Beilage A Foto1)

Laut Luftbild im NÖGIS-Imap mit unterlegtem Katasterplan befindet sich dieser grüne Maschendrahtzaun auf der Grundstücksgrenze der beiden Grundstücke *** und *** KG ***

Das Fahrzeug war mit der Motorhaube Richtung Norden parallel zur *** abgestellt.

Der Abstand des linken Vorderreifens zum asphaltierten Straßenrand der *** betrug 2,10 m.

Ein Vergleich mit dem NÖGIS-Imap Lufbild lässt eindeutig erkennen, dass sich das Fahrzeug auf dem Gst. Nr. *** KG *** befindet.

Auf der Luftbildaufnahme aus dem Jahr 2018 ist das Fahrzeug auch eindeutig zu erkennen. Ein Vergleich mit der messtechnischen Lagebestimmung vor Ort am 06.06.2019 lässt erkennen, dass sich die Lage des Fahrzeugs seit dem Zeitpunkt der Luftbildaufnahme nicht verändert hat.

Auf der Lichtbildbeilage im Bericht der PI *** vom 10.03.2019 ist derselbe Standort des Fahrzeuges dokumentiert.

Im Bericht der PI *** wurde offensichtlich irrtümlich das nördlich angrezende Nachbargrundstück Gst. Nr. *** KG *** als Standort angegeben.

In Beantwortung der gestellten Anfrage ist somit festzuhalten, dass sich das gegenständliche Fahrzeug zum Zeitpunkt meiner Erhebung am 06.06.2019 auf dem Gst. Nr. *** KG *** befand.

Aus Sicht des Boden- und Gewässerschutzes erscheint die im Erhebungsbericht der Polizeiinspektion *** vom 10.03.2019 durchgeführte Einstufung als nicht entfrachtetes Altfahrzeugwrack – Typ 4 mit der Abfallschlüsselnummer

160104* (Abfallcode nach der Abfallverzeichnisverordnung) plausibel und nachvollziehbar.

Hingewiesen wird darauf, dass die 6-stelligen Abfallcodes nach der Abfallverzeichnisverordnung derzeit (noch) nicht angewendet werden.

Entsprechend den derzeit in Verwendung stehenden 5-stelligen Abfallschlüsselnummern nach der Abfallverzeichnisverordnung und der ÖNORM S 2100 „Abfallverzeichnis“ ist für das gegenständliche Altfahrzeug die Abfallschlüsselnummer 35203 gn „Fahrzeuge, Arbeitsmaschinen und –teile mit umweltrelevanten Mengen an gefährlichen Anteilen oder Inhaltstoffen“ (z.B. Starterbatterie, Bremsflüssigkeit, Motor) zu vergeben.“

Dieses Gutachten wurde den Verfahrensparteien mitsamt den Beilagen ./A und ./B mit Schreiben vom 13. Juni 2019 zur allfälligen Stellungnahme übermittelt.

Mit Schriftsatz vom 25. Juni 2019 brachte der Beschwerdeführer vor, dass sich aus dem eingeholten Gutachten eindeutig ergeben habe, dass sich das verfahrensgegenständliche Fahrzeug nicht auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers befinde, weswegen die Einstellung des Verwaltungsverfahrens beantragt werde.

4.   Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist grundbücherlicher Alleineigentümer der Grundstücke
Nr. *** und ***, inneliegend in EZ ***, KG ***. An den südwestlichen Bereich des Grundstückes Nr. *** grenzt unmittelbar das Grundstück Nr. *** an, welches im Alleineigentum des D, geb. ***, steht.

Auf dem Grundstück Nr. *** ist im unmittelbaren Grenzbereich zum Grundstück Nr. *** zumindest seit dem Jahr 2018 ein Altfahrzeug der Marke Opel Corsa B, Farbe Grau, Baujahr 1996, Fahrgestellnummer ***, mit KFZ-Einzelteilen im Fahrgastraum, abgestellt bzw. gelagert. Dieses Fahrzeug war insbesondere auch im Zeitraum von 10. März 2019 bis 06. Juni 2019 in diesem Bereich des Grundstückes abgestellt.

Eine bestimmungsgemäße Verwendung des Fahrzeuges erfolgt nicht, vielmehr ist dieses augenscheinlich für die Demontage und Wiederverwendung von Ersatzteilen oder zum Schreddern/zur Verschrottung bestimmt und nicht fahrbereit, zumal dessen rechte Vorderachse teilweise abgebaut wurde. Das Kraftfahrzeug war im festgestellten Zeitraum nicht dem Stand der Technik entsprechend trockengelegt und befand sich unter anderem auch noch der Gurtstraffer in diesem.

Die konkrete Abstellfläche auf dem Grundstück Nr. *** ist zur Lagerung von Altfahrzeugen nicht geeignet.

Beim verfahrensgegenständlichen Fahrzeug handelt es sich um gefährlichen Abfall, für welchen die Abfallschlüsselnummer 35203 gn „Fahrzeuge, Arbeitsmaschinen und –teile mit umweltrelevanten Mengen an gefährlichen Anteilen oder Inhaltstoffen (z.B. Starterbatterie, Bremsflüssigkeit, Motoröl)“ zu vergeben ist.

Das Fahrzeug war zuletzt im Zeitraum von 13. März 2017 bis 23. August 2017 auf E, geb. ***, zugelassen, wies vormals das behördliche Kennzeichen *** auf und wurde nach dem 23. August 2017 über die Plattform „***“ an eine derzeit noch unbekannte Person verkauft.

Der Beschwerdeführer ist jedenfalls weder Eigentümer noch Besitzer des verfahrensgegenständlichen Fahrzeuges und hat dieses auch nicht auf dem Grundstück Nr. *** abgestellt.

5.   Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu den Eigentumsverhältnissen an den Grundstücken Nr. ***, *** und ***, alle KG ***, ergeben sich aus einer Einsichtnahme in das offene Grundbuch.

Dass das verfahrensgegenständliche Fahrzeug zumindest seit dem Jahr 2018 auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, abgestellt bzw. gelagert und hierbei nicht bestimmungsgemäß verwendet wird, ergibt sich aus den Ausführungen des dem Beschwerdeverfahren beigezogenen Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz, C, im Rahmen seines Gutachtens vom 12. Juni 2019.

Ebenso basieren die Feststellungen zum Zustand des Kraftfahrzeuges, sowie dessen

Einstufung als gefährlicher Abfall samt Vergabe der Abfallschlüsselnummer 35203 gn auf dem Gutachten des Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz in Zusammenschau mit den Ausführungen des umweltkundigen Organs der Polizeiinspektion *** vom 10. März 2019.

Die getroffenen Feststellungen zum Zeitraum der letzten Zulassung des Fahrzeuges, zum letzten Zulassungsbesitzer und den Weiterverkauf durch ihn ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt des Aktes der belangten Behörde.

In Anbetracht des glaubhaften Vorbringens des Beschwerdeführers, dass es sich beim verfahrensgegenständlichen Fahrzeug nicht um sein Eigentum handelt und er erst durch die belangte Behörde von der Lagerung des verfahrensgegenständlichen Fahrzeuges Kenntnis erlangte, konnte die Feststellung dahingehend getroffen werden, dass das Fahrzeug nicht im Eigentum bzw. Besitz des Beschwerdeführers stand bzw. dieses von ihm im fraglichen Bereich auch nicht abgestellt wurde.

6.   Rechtslage:

§ 1 Abs. 3 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002) normiert:

Im öffentlichen Interesse ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich, wenn andernfalls

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,

2.

Gefahren für Wasser, Luft, Boden, Tiere oder Pflanzen und deren natürlichen Lebensbedingungen verursacht werden können,

3.

die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden kann,

4.

die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,

5.

Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,

6.

Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können,

7.

das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern begünstigt werden können,

8.

die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann oder

9.

Orts- und Landschaftsbild sowie Kulturgüter erheblich beeinträchtigt werden können.

§ 2 Abs. 1 AWG 2002 bestimmt:

Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen,

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder

2.

deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.

§ 15 Abs. 1 und 3 AWG 2002 regeln:

(1) Bei der Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung von Abfällen und beim sonstigen Umgang mit Abfällen sind

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

die Ziele und Grundsätze gemäß § 1 Abs. 1 und 2 zu beachten und

2.

Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) zu vermeiden.

(…)

(3) Abfälle dürfen außerhalb von

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

hiefür genehmigten Anlagen oder

2.

für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten

nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in hiefür genehmigten Deponien erfolgen.

§ 73 Abs. 1 AWG 2002 schreibt vor:

Wenn

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen, nach EG-VerbringungsV oder nach EG-POP-V gesammelt, gelagert, befördert, verbracht oder behandelt werden oder

2.

die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) geboten ist,

hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen dem Verpflichteten mit Bescheid aufzutragen oder das rechtswidrige Handeln zu untersagen.

§ 73 Abs. 7 AWG 2002 bestimmt auszugsweise:

Für Behandlungsaufträge ist – sofern im Folgenden nicht anderes bestimmt ist – die zuständige Behörde die Bezirksverwaltungsbehörde.

(…)

§ 74 Abs. 1 und 2 AWG 2002 normieren:

(1) Ist der gemäß § 73 Verpflichtete nicht feststellbar, ist er zur Erfüllung des Auftrags rechtlich nicht imstande oder kann er aus sonstigen Gründen nicht beauftragt werden, so ist der Auftrag nach Maßgabe der folgenden Absätze dem Eigentümer der Liegenschaft, auf der sich die Abfälle befinden, zu erteilen. Ersatzansprüche des Liegenschaftseigentümers an den gemäß § 73 Verpflichteten bleiben unberührt.

(2) Eine Haftung des Liegenschaftseigentümers besteht, wenn er der Lagerung oder Ablagerung entweder zugestimmt oder diese geduldet und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat. Die Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers haften, wenn sie von der Lagerung oder Ablagerung Kenntnis hatten oder bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis haben mussten. Die Haftung des Liegenschaftseigentümers und der Rechtsnachfolger besteht nicht bei gesetzlichen Duldungspflichten.

7.   Erwägungen:

Die Anwendung des AWG 2002 setzt zunächst voraus, dass das vom Behandlungsauftrag betroffene Fahrzeug den Abfallbegriff des AWG 2002 erfüllt.

Gemäß § 2 Abs. 1 AWG 2002 sind Abfälle bewegliche Sachen, deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat (subjektiver Abfallbegriff), oder deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 nicht zu beeinträchtigen (objektiver Abfallbegriff). Abfall liegt bereits dann vor, wenn entweder der objektive oder der subjektive Abfallbegriff erfüllt ist (vgl. VwGH 23. Februar 2012, 2008/07/0179).

Der objektive Abfallbegriff ist erfüllt, wenn durch das verfahrensgegenständliche Fahrzeug die in § 1 Abs. 3 AWG 2002 normierten öffentlichen Interessen beeinträchtigt werden könnten. An der objektiven Abfalleigenschaft des verfahrensgegenständlichen Fahrzeuges im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 2 AWG 2002 ist nicht zu zweifeln und wurde dies auch im gesamten Verfahren seitens der Verfahrensparteien an keiner Stelle bestritten. Vielmehr hat auch der dem Beschwerdeverfahren beigezogene Amtssachverständige für Deponietechnik und Gewässerschutz dem verfahrensgegenständlichen Fahrzeug die Abfallschlüsselnummer 35203 gn „Fahrzeuge, Arbeitsmaschinen und –teile mit umweltrelevanten Mengen an gefährlichen Anteilen oder Inhaltsstoffen (z.B. Starterbatterie, Bremsflüssigkeit, Motoröl)“ aufgrund dessen festgestellten Zustand zugeordnet und damit das umweltkundige Organ der Polizeiinspektion *** in seiner Auffassung bestätigt, dass es sich bei diesem Fahrzeug um Abfall im objektiven Sinn handelt.

Zu betonen ist in diesem Zusammenhang auch, dass für die Verwirklichung des objektiven Abfallbegriffes keine konkrete Kontamination, sondern bereits die bloße Möglichkeit einer Gefährdung von Schutzgütern im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 ausreicht (vgl. VwGH 22. Dezember 2005, 2005/07/0088). Dass durch das verfahrensgegenständliche Fahrzeug bzw. dessen Bestandteile (Öle, Flüssigkeiten, etc.) sehr wohl Gefahren für Wasser, Luft, Boden, Tier oder Pflanzen und deren natürlichen Lebensbedingungen verursacht werden könnten (§ 1 Abs. 3 Z 2 AWG 2002), die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden könnte (§ 1 Abs. 3 Z 3 AWG 2002) und die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden könnte (§ 1 Abs. 3 Z 4 AWG 2002) ergibt sich aus dem vom Verwaltungsgericht eingeholten Gutachten des Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz (unter Berücksichtigung dessen Fachkunde) in Zusammenhalt mit dem Bericht des umweltkundigen Organs der Polizeiinspektion *** vom 10. März 2019.

Da im gegenständlichen Fall bereits der objektive Abfallbegriff erfüllt ist, erübrigt sich ein Eingehen auch auf die subjektive Abfalleigenschaft des § 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002.

Das verfahrensgegenständliche Fahrzeug wurde offensichtlich nach seiner Verwendung auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, abgestellt bzw. zurückgelassen. Damit scheidet die Annahme einer Verwertung von vornherein aus.

Ein Ablagern von Abfällen ist gemäß § 15 Abs. 3 letzter Satz AWG 2002 nur in hiefür genehmigten Deponien zulässig. Eine für die Ablagerung bzw. für die Lagerung des verfahrensgegenständlichen Fahrzeuges genehmigte Anlage oder Deponie liegt jedoch ebenfalls nicht vor.

Zudem handelt es sich beim betroffenen Bereich, in dem das verfahrensgegenständliche Fahrzeug abgestellt wurde, mangels geeigneter Einrichtungen (es handelt sich um Ackerboden, der weder mineralölbeständig noch flüssigkeitsdicht ist, Auffangeinrichtungen (z.B. Pumpensumpf, Betonschwelle) sind nicht vorhanden und auch eine Ableitung der Niederschlagswässer über eine Reinigungseinrichtung (z.B. Ölabscheider) ist nicht gegeben) um keinen für die Sammlung oder Behandlung derartiger Abfälle vorgesehenen geeigneten Ort iSd
§ 15 Abs. 3 Z 2 AWG 2002, sodass auch ein Lagern rechtswidrig ist.

Für die Eigenschaft als Verpflichteter im Sinne des § 73 Abs. 1 AWG 2002 ist wesentlich, ob derjenige in zurechenbarer Weise Abfälle entgegen dem AWG 2002 oder einer nach dem AWG 2002 erlassenen Verordnung gesammelt, gelagert, befördert, verbracht und behandelt hat (Z 1) oder die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3 AWG 2002) geboten ist (Z 2). Für einen Behandlungsauftrag nach § 73 Abs. 1 AWG 2002 ist damit Voraussetzung, dass eine abfallrechtswidrige Handlung in zurechenbarer Weise gesetzt wird.

Im gegenständlichen Fall konnte jedoch nicht festgestellt werden, dass das verfahrensgegenständliche Fahrzeug im Eigentum bzw. Besitz des Beschwerdeführers stand und wurde dieses durch den Rechtsmittelwerber im fraglichen Bereich auch nicht abgestellt.

Aus den dargelegten Gründen ist der Beschwerdeführer auch nicht Verpflichteter im Sinne des § 73 Abs. 1 AWG 2002.

Die subsidiäre Haftung des Liegenschaftseigentümers besteht gemäß § 74 Abs. 2 AWG 2002 nur dann, wenn dieser der Lagerung oder Ablagerung zugestimmt oder diese geduldet und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat. Voraussetzung der subsidiären Haftung ist demnach, dass der Bescheidadressat Eigentümer desjenigen Grundstückes ist, auf welchem sich der Abfall befindet bzw. (ab-)gelagert wurde.

Der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestellte Amtssachverständige für Deponietechnik und Gewässerschutz hat schlüssig und nachvollziehbar in Übereinstimmung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers festgestellt, dass das verfahrensgegenständliche Fahrzeug zumindest seit dem Jahr 2018, jedenfalls aber im Zeitraum von 10. März 2019 bis 06. Juni 2019, auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, abgestellt war. Da dieses Grundstück nicht im Eigentum des Beschwerdeführers steht, scheidet auch seine subsidiäre Haftung als Liegenschaftseigentümer nach § 74 Abs. 1 und 2 AWG 2002 aus.

Unter Berücksichtigung dieses Verfahrensergebnisses war auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers nicht mehr einzugehen. Vielmehr war der Beschwerde Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

8.   Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG unterbleiben, weil ungeachtet des Antrages des Beschwerdeführers auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung (eines „Ortsaugenscheines“) bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Vielmehr stand bereits aufgrund der Aktenlage fest, dass der in Beschwerde gezogene Bescheid aufzuheben ist. Die Voraussetzungen hinsichtlich der Klärung des Sachverhaltes waren sohin gegeben und wurden darüber hinaus auch keine Rechtsfragen aufgeworfen, für die eine Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erforderlich wäre (vgl. VwGH 14. Dezember 2017, Ra 2015/07/0126; 12. Dezember 2017, Ra 2015/05/0043).

9.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht, eine solche Rechtsprechung nicht fehlt und die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einheitlich beantwortet wird. Überdies stützt sich die gegenständliche Entscheidung auf den eindeutigen und klaren Gesetzeswortlaut (vgl. aus der stRsp. zur Unzulässigkeit der Revision in derartigen Fällen z.B. VwGH 15. Dezember 2016, Ra 2016/18/0343).

Schlagworte

Umweltrecht; Abfallwirtschaft; Behandlungsauftrag; Abfallbegriff; Verpflichteter;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.503.001.2019

Zuletzt aktualisiert am

05.09.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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