TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/3 I413 2210409-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.04.2019
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Entscheidungsdatum

03.04.2019

Norm

ABGB §1332
AsylG 2005 §3
AVG §71 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §17
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §33
VwGVG §33 Abs1
VwGVG §33 Abs3
VwGVG §33 Abs4
ZustG §23
ZustG §8 Abs1
ZustG §8 Abs2

Spruch

I413 2210409-1/14E

Schriftliche Ausfertigung des am 11.03.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom XXXX, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.03.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste am 25.10.2016 in das Bundesgebiet ein und stellte am gleichen Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er an, in seiner Heimat keine Freiheit zu haben und dass sein Leben dort in Gefahr sei. Er sei homosexuell und werde deshalb verfolgt und diskriminiert. Ein Freund des Beschwerdeführers sei kurz vor seiner Ausreise von unbekannten Männern halb Tod geprügelt worden; aus Angst, dass auch er getötet werde, sei er geflohen.

2. Mit Bescheid vom XXXX, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III., erster Teil), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III., zweiter Teil) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III., dritter Teil). Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage (Spruchpunkt IV.).

3. Dieser Bescheid wurde am 21.06.2017 durch Hinterlegung im Akt gemäß § 23 Abs 2 ZustellG zugestellt.

4. Mit Schriftsatz vom 19.06.2018 beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (1.) und führte zugleich eine Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom XXXX aus (2.). Begründend führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass ihm gegenständlicher Bescheid nie zugestellt worden sei, obgleich er zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung und Zustellung einen gemeldeten Wohnsitz gehabt habe. Nach Kontaktaufnahme mit dem BFA habe sich herausgestellt, dass der Bescheid im Akt hinterlegt worden sei, da eine Meldeadresse des Beschwerdeführers nicht evident gewesen sei. Der beiliegenden Bestätigung der Caritas XXXX vom 08.06.2017 sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer über eine vorläufige Kontaktadresse an der Einrichtung der Caritas XXXX verfügt habe und obgleich der Beschwerdeführer erst am 06.07.2017 unter der Adresse

XXXX zur behördlichen Anmeldung gelangt sei, er dennoch über eine entsprechende Kontaktadresse verfügt habe, sodass er berechtigterweise davon ausgehen habe können, dass Schreiben, Benachrichtigungen oder Bescheide auch unter dieser Adresse ihm bereits vor behördlicher Anmeldung übermittelt werden. Den Beschwerdeführer treffe somit kein Verschulden an der nicht rechtzeitigen Einbringung der Beschwerde.

5. Mit Bescheid vom XXXX, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück. Zusammenfassend begründete das BFA diese Entscheidung damit, dass dem Beschwerdeführer der Bescheid im März 2018 vom "Verein Zebra" ausgehändigt worden sei und er, nachdem er vom Bescheid Kenntnis erlangt habe, keinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand innerhalb der Zweiwochenfrist eingebracht habe. Auch der nunmehrige Rechtsvertreter des Beschwerdeführers habe, nachdem er nach Rücksprache mit der Einlaufstelle des BFA am 05.05.2018 Kenntnis vom Bescheid erlangt habe, nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt.

6. Gegen diesen Bescheid vom XXXX richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom 23.11.2018 (beim BFA eingelangt am selben Tag), die die Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend macht.

7. Mit Schriftsatz vom 04.03.2019 teilte der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers mit, dass eine Kontaktaufnahme mit dem Beschwerdeführer nicht erfolgen konnte und der Beschwerdeführer keinen aktuellen Hauptwohnsitz aufweise. Außerdem verwies er auf die im Schriftsatz vom 20.12.2018 erstattete Erklärung an Eides Statt und dass eine persönliche Anwesenheit des Rechtsvertreters in der am 11.03.2019 anberaumten Beschwerdeverhandlung mangels Kontaktaufnahme mit dem Beschwerdeführer nicht erfolgen wird.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 11.03.2019 eine mündliche Verhandlung durch, zu welcher weder der Beschwerdeführer, noch sein Rechtsanwalt nicht erschienen sind. In dieser Verhandlung wurde XXXX als Zeuge einvernommen und die Sachlage mit der belangten Behörde erörtert. Sodann verkündete das Bundesverwaltungsgericht das Erkenntnis.

9. Mit Schriftsatz vom 13.03.2019, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 15.03.2019, stellte der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers den Antrag auf Übermittlung einer Ausfertigung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.03.2019.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Der Beschwerdeführer hatte zuletzt vom 03.03.2017 bis 29.05.2017 einen gemeldeten Hauptwohnsitz.

2. Der Beschwerdeführer war zwischen 29.05.2017 und 06.07.2017 in Österreich nicht gemeldet. Der belangten Behörde war in diesem Zeitraum keine Abgabestelle des Beschwerdeführers bekannt. Die Bestätigung der Caritas vom 08.06.2017 betreffend den Wohnsitz des Beschwerdeführers wurde der belangten Behörde erstmals mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den Vorigen Stand vom 19.06.2018 übermittelt.

3. Vom 06.07.2017 bis zum 02.01.2019 war der Beschwerdeführer in der XXXX, obdachlos gemeldet. Seit 02.01.2019 besteht kein aktueller Eintrag mehr im Zentralen Melderegister hinsichtlich des Beschwerdeführers.

4. Anlässlich seiner Erstbefragung am 26.10.2016 wurde der Beschwerdeführer über seine ihn treffenden Mitwirkungspflichten und seiner Pflicht, sich gemäß § 3 Abs 1 MeldeG binnen 72 Stunden bei der Meldebehörde anzumelden, belehrt. Der Beschwerdeführer wusste seit 26.10.2016, dass er sich innerhalb von 72 nach den Vorschriften des Meldegesetzes anmelden musste und dass er jede Änderung seiner Abgabestelle zu melden hatte. Dennoch kam er dieser Pflicht nicht nach.

5. Der den Asylantrag abweisende Bescheid vom XXXX Zl. XXXX, wurde mit Zustellverfügung vom 21.06.2017 im Akt hinterlegt. Er erwuchs in Rechtskraft.

6. Zu einem nicht mehr konkret feststellbaren Zeitpunkt im März 2018 erhielt XXXX vom "Verein Zebra" als Vertreter des Beschwerdeführers ein Exemplar des Bescheides vom 20.06.2019, Zl. XXXX, von der belangten Behörde. Dieses Bescheidexemplar händigte XXXX dem Beschwerdeführer in weiterer Folge im März 2018 aus. Der Inhalt des vorgenannten rechtskräftigen Bescheides ist dem Beschwerdeführer im März 2018 spätestens zur Kenntnis gelangt.

7. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid vom XXXX binnen offener Frist keine Beschwerde.

8. Erst am 05.06.2018 nahm der vom Beschwerdeführer bevollmächtigte Rechtsanwalt telefonisch Kontakt mit der belangten Behörde auf, wobei ihm mitgeteilt wurde, dass der Bescheid vom XXXX mit Zustellverfügung vom 21.06.2017 im Akt hinterlegt wurde und dass der Beschwerdeführer keinen offiziellen Wohnsitz hatte.

9. Mit Schriftsatz vom 19.06.2018 beantragte der nunmehr einschreitende Rechtsanwalt des Beschwerdeführers die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und brachte unter einem eine Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX ein.

10. Der Wiedereinsetzungsantrag wurde mit Bescheid vom XXXX zurückgewiesen und dem bevollmächtigten Rechtsanwalt des Beschwerdeführers am 23.11.2018 zugestellt.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den angefochtenen Bescheid und die dagegen erhobene Beschwerde, in den vorgelegten Verwaltungsakt und durch Erörterung der Sachlage sowie Einvernahme von XXXX als Zeugen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 11.03.2019.

Der in Punkt I. wiedergegebene Verfahrensgang ergibt sich zweifelsfrei aus dem Verwaltungsakt.

Die Feststellungen zum zuletzt gemeldeten Wohnsitz des Beschwerdeführers und seiner Obdachlosen-Hauptwohnsitzmeldung ergeben sich zweifelsfrei aus dem eingeholten Auszug aus dem ZMR vom 19.03.2019.

Aus einer Abfrage des Zentralen Melderegister vom 19.03.2019 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer zuletzt vom 03.03.2017 bis 29.05.2017 einen gemeldeten Hauptwohnsitz hatte. Daraus folgt, dass er zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung und Zustellung über keine gemeldete Zustelladresse verfügte. Aus der Bestätigung der Caritas vom 08.06.2017 ist ersichtlich, dass diese an keinen Adressaten gerichtet ist. Es fehlt an jedem Hinweis, dass diese Bestätigung der belangten Behörde je zugegangen ist und zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung am XXXX bekannt war. Aus dem Vorbringen des Antrages auf Wiedereinsetzung in den Vorigen Stand vom 19.06.2018 geht nur hervor, dass diese Bestätigung ausgestellt wurde, nicht aber, ob und wann sie der belangten Behörde zugestellt wurde. Dieses Vorbringen wäre zweifellos erstattet worden, wäre diese Bestätigung der belangten Behörde damals vorgelegt worden. Dem vollständig übermittelten Verwaltungsakt liegt diese Bestätigung vom 08.06.2017 nicht ein. Auch der angefochtene Bescheid erwähnt sie nicht. Daher ist das Bundesverwaltungsgericht davon überzeugt, dass die Bestätigung der Caritas vom 08.06.2017 über die Wohnsitznahme des Beschwerdeführers der belangten Behörde nicht zugegangen ist und diese erstmals mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 19.06.2018 hiervon Kenntnis erhielt, weshalb die entsprechenden Feststellungen zu treffen waren.

Dass der Beschwerdeführer über seine Mitwirkungspflichten im Asylverfahren und seine Pflicht zur Meldung seines Wohnsitzes nach dem Meldegesetz anlässlich der Erstbefragung belehrt wurde, ergibt sich zweifelsfrei aus dem Protokoll vom 26.10.2016, wonach dem Beschwerdeführer das Merkblatt Pflichten und Rechte von Asylwerbern sowie aus der Bestätigung/Information Verteilungsquartier vom 26.10.2016. Aufgrund dieser Belehrungen wusste der Beschwerdeführer über seine Pflicht, seine Abgabestelle der belangten Behörde bekanntzugeben, Bescheid. Dass er dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, ergibt sich zweifelsfrei aus dem Auszug aus dem ZMR, wonach der Beschwerdeführer seit 29.05.2017 über keine gemeldete Wohnsitzadresse und somit Abgabestelle mehr verfügte und aus dem Umstand, dass er bereits anlässlich der Erstbefragung am 26.10.2016 "unkooperativ bis zum geht nicht mehr" war (Protokoll vom 26.10.2016, Seite 5).

Die Feststellung über die Hinterlegung des Bescheides vom XXXX ergibt sich aus der im Akt befindlichen Zustellverfügung vom 21.06.2017.

Die weitere Feststellung, wonach im März 2018 ein Exemplar des Bescheides dem Vertreter des Beschwerdeführers, XXXX vom "Verein Zebra" übergeben wurde, ergibt sich aus der glaubhaften Aussage des Zeugen XXXX im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 11.03.2019. Dass dieses Exemplar von XXXX dem Beschwerdeführer tatsächlich im März 2018 ausgehändigt wurde, ergibt sich neben der glaubhaften Aussage des Zeugen XXXX in der mündlichen Verhandlung am 11.03.2019 insbesondere auch aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 19.06.2018 (Seite 2). Dort wird vorgebracht: "Auf die Frage, ob und wer gegen diesen Bescheid das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht hat, erwähnte er [sc der Beschwerdeführer], dass eine Beschwerde nicht eingebracht wurde, da von XXXX, vom "Verein Zebra" der Bescheid ihm im März 2018 ausgehändigt und gleichzeitig mitgeteilt wurde, dass der gegenständliche Bescheid dem Ast zugestellt wurde und die Beschwerdefrist bereits abgelaufen ist. Ein Rechtsmittel gegen den Bescheid könne sohin laut den Ausführungen von XXXX nicht mehr eingebracht werden." Weiters wird in der gegenständlichen Beschwerde die Aushändigung des Bescheides vom XXXX an den Beschwerdeführer im März 2018 ausdrücklich zugestanden ("In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass es der Richtigkeit entspricht, dass wie bereits in dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeführt, dem BF im März 2018 von XXXX XXXX vom "Verein Zebra" der Bescheid ausgehändigt wurde. Gleichzeitig wurde dem BF mitgeteilt, dass der gegenständliche Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom XXXX dem BF zugestellt und die Beschwerdefrist abgelaufen sei."). Auch die belangte Behörde stellt diesen Umstand im angefochtenen Bescheid fest ("Es wurde Ihnen der Bescheid im März 2018 vom "Verein Zebra" ausgehändigt."

Seite 3 des angefochtenen Bescheides). Diese Feststellungen werden in der dagegen erhobenen Beschwerde nicht bestritten, sondern - wie ausgeführt - sogar ausdrücklich als der richtig entsprechend bestätigt. Damit steht die Kenntnis vom Bescheid vom XXXX seitens des Beschwerdeführers spätestens im März 2018 zweifelsfrei fest.

Aus dem Aktenvermerk vom 05.06.2018 ergibt sich, dass der nunmehr einschreitende Rechtsanwalt des Beschwerdeführers am selben Tag Kenntnis davon erlangte, dass der Bescheid vom XXXX mit Zustellverfügung vom 21.06.2017 im Akt hinterlegt wurde und dass der Beschwerdeführer keinen offiziellen Wohnsitz hatte.

Die Feststellung über die Zustellung des Bescheides vom XXXX ergibt sich aus der Übernahmebestätigung vom 23.11.2018.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

1. Gemäß § 33 Abs 1 VwGVG ist, wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Gemäß § 33 Abs 3 VwGVG ist der Wiedereinsetzungsantrag binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.

In einem Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde ist bei Versäumen der Beschwerdefrist für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist § 33 VwGVG (und nicht die hinsichtlich der Voraussetzungen der Wiedereinsetzungsgründe, des Verschuldens und der Frist inhaltsgleichen §§ 71, 72 AVG) die maßgebliche Bestimmung.

Bis zur Vorlage der Beschwerde hat gemäß § 33 Abs 4 VwGVG über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden, nach Vorlage hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Im gegebenen Fall hat die belangte Behörde vor Beschwerdevorlage über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entschieden, sodass diese gemäß § 33 Abs 4 VwGVG zur bescheidmäßigen Erledigung dieses Antrages zuständig war.

Im gegebenen Fall vergriff sich die belangte Behörde in der Rechtsnorm, indem sie die Zurückweisung des Antrages über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf § 71 AVG stützte. Nachdem sich der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf die Beseitigung der Säumnisfolgen im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht richtet, ist maßgebliche Norm gemäß § 17 VwGVG die Bestimmung des § 33 VwGVG und nicht die des § 71 AVG (vgl dazu auch VwSlg 19.462 A/2016). Dieses Vergreifen in der Norm führt aber nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, da aus dem Gesamtzusammenhang klar ersichtlich war, dass die belangte Behörde als effektiv zuständige Behörde (vgl VwSlg 19.462 A/2016) berechtigt über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand absprach, deren Voraussetzungen (Wiedereinsetzungsgründe, Verschulden, Frist) nach § 33 VwGVG und § 71 AVG deckungsgleich sind.

2. Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind (1) die Glaubhaftmachung eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses und (2) dass der Partei an der Versäumung kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens zur Last liegt.

2.1. Unvorhergesehen ist ein Ereignis, das die Partei nicht einberechnet hat und dessen Eintritt sie unter Bedachtnahme auf die nötige Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten durfte. Solche Gründe sind glaubhaft zu machen.

Im gegenständlichen Fall wurden keine Wiedereinsetzungsgründe glaubhaft gemacht. Es fehlt an jeglichem Vorbringen, das auf ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis hindeuten würde. Es liegt somit auch kein solches Ereignis vor.

Daher war der Antrag auf aufschiebende Wirkung bereits mangels glaubhaft gemachter Wiedereinsetzungsgründe zurückzuweisen.

2.2. Auch die weitere Voraussetzung, nämlich, dass die Partei von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat, ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Wie in weiterer Folge näher erläutert wird, trifft den Beschwerdeführer ein grobes Verschulden an der Versäumung der Beschwerdefrist:

Gemäß § 8 Abs 1 ZustG hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. § 8 Abs 2 ZustG ordnet für den Fall, dass diese Mitteilung unterlassen wird, an, dass, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen ist, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Der Beschwerdeführer hatte aufgrund des am 25.10.2016 gestellten Antrages auf internationalen Schutz Kenntnis vom Verfahren über seinen Antrag. Er wurde zudem noch eindrücklich schriftlich über die ihn treffenden Mitwirkungspflichten im Asylverfahren und seine Pflicht zur Meldung seines Wohnsitzes binnen 72 Stunden belehrt.

Wurde die Zustellung des Bescheides gemäß § 8 Abs 2 iVm § 23 ZustG ohne vorausgehenden Zustellversuch durch Hinterlegung bei der Behörde (im Akt) vorgenommen, so setzt deren Rechtswirksamkeit voraus, dass der Fremde seine Mitteilungspflicht nach § 8 Abs 1 ZustG verletzt hat. Das ist nur der Fall, wenn der Fremde die unverzügliche Mitteilung der Änderung seiner Abgabestelle unterlassen hat, wobei auch die Aufgabe einer Abgabestelle (bei anschließender Obdachlosigkeit) eine solche Änderung darstellt (VwGH 19.03.2013, 2011/21/0244; vgl VwGH 18.04.2002, 2001/01/0559). Der Beschwerdeführer hatte seine diesbezügliche, aus § 8 Abs 1 ZustG erfließende Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung der Änderung der Abgabestelle verletzt. Seinen letzten Hauptwohnsitz meldete er am 29.05.2017 ab. Bis zum 06.07.2017 war der Beschwerdeführer entgegen seiner Pflicht, sich binnen 72 Stunden anzumelden, in Österreich nicht gemeldet. Die mit Antrag auf Wiedereinsetzung in den Vorigen Stand vorgelegte Bestätigung der Caritas vom 08.06.2017 ging der belangten Behörde nie zu, sodass vom 29.05.2017 bis 06.07.2017 der belangten Behörde keine Abgabestelle des Beschwerdeführers bekannt war. Es fehlte somit an einer Abgabestelle zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung. Mangels Zustelladresse konnte die belangte Behörde den Bescheid vom XXXX dem Beschwerdeführer nicht aushändigen, weshalb dieser Bescheid zu Recht gemäß § 23 ZustG durch Hinterlegung im Akt am 21.06.2017 zugestellt wurde und somit nach Ablauf der Rechtsmittelfrist am 05.07.2017 in Rechtskraft erwuchs.

Nachdem der Beschwerdeführer es während seines laufenden Asylverfahrens unterlassen hatte, eine zustellfähige Meldeadresse bekanntzugeben, trifft ihn ein grobes Verschulden an der Versäumung der Beschwerdefrist. Von seiner Meldepflicht hatte der Beschwerdeführer aufgrund der Belehrungen anlässlich seiner Erstbefragung am 26.10.2016 Kenntnis. Dass er sich dabei unkooperativ zeigte und sich auch in weiterer Folge nicht um seine Pflichten scherte, zeigt eine grundsätzliche Sorglosigkeit bzw Gleichgültigkeit gegenüber den diesbezüglichen Regeln auf. Diese Sorglosigkeit und Gleichgültigkeit indiziert jedenfalls bereits ein grobes Verschulden.

Nach der zu § 71 Abs 1 AVG ergangenen und - insoweit auf § 33 Abs 1 VwGVG übertragbaren - Rechtsprechung liegt ein minderer Grad des Versehens - iSd leichten Fahrlässigkeit nach § 1332 ABGB - nur vor, wenn dem Wiedereinsetzungswerber ein Fehler unterlaufen ist, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (VwGH 22.11.1996, 95/17/0112; 23.05.2001, 99/06/0039; 01.06.2006, 2005/07/004). Auffallende Sorglosigkeit oder das Außerachtlassen der nach den persönlichen Fähigkeiten des Wiedereinsetzungswerbers zumutbaren Sorgfalt stehen der Annahme eines minderen Grades des Versehens entgegen (vgl VwGH 08.10.1990, 90/15/0134; 20.01.2000, 98/06/0108; 27.06.2008, 2008/11/0099).

Auch wenn bei dem rechtsunkundigen, mit den Usancen des Verwaltungsverfahrens nicht vertrauten Beschwerdeführer kein allzu strenger Maßstab anzusetzen ist, kann nicht übersehen werden, dass er anlässlich seiner Antragstellung im Rahmen der Ersteinvernahme am 26.10.2016 umfassend über seine Pflichten zu Mitwirkung am Verfahren und zur Meldung seines Wohnsitzes belehrt worden ist. Ein sorgfältiger, rechtstreuer Antragsteller mit den Kenntnissen und Fähigkeiten des Beschwerdeführers hätte - selbst wenn er nicht mit behördlichen Verfahren vertraut ist - sich nach diesen Belehrungen verhalten und seinen Wohnsitz gewissenhaft gemeldet. Dagegen weicht der Beschwerdeführer massiv ab, indem er über lange Zeit - zwischen 29.05.2017 und 06.07.2017 - nicht gemeldet war und auch die provisorische Hauptwohnsitzbestätigung der Caritas vom 08.06.2017 nicht der belangten Behörde übermittelte. Damit verstieß er qualifiziert gegen die ihn treffenden und bekannten bzw aufgrund der erfolgten Belehrungen als bekannt vorauszusetzenden Meldepflichten. Diese Unterlassungen sind nicht bloß als Fehler anzusehen, die einem sorgfältigen Menschen einmal unterlaufen können, sondern sind als grobes Verschulden zu werten, welche die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließen.

3. Unabhängig vom Vorgesagten ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Vorigen Stand - wie die belangte Behörde zutreffend ausführt - auch nicht rechtzeitig erfolgt.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Frist von 14 Tagen nach Wegfall des Hindernisses iSd § 33 Abs 1 VwGVG zu stellen (§ 33 Abs 3 1. Fall VwGVG).

Spätestens im März 2018 hatte der Beschwerdeführer vom Inhalt des Bescheides vom XXXX Kenntnis erlangt. Er hätte sohin bereits im März 2018 binnen 14 Tagen den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - unter Glaubhaftmachung von Wiedereinsetzungsgründen - stellen müssen.

Hierbei kommt es nicht darauf an, dass ihm sein VertreterXXXX mitteilte, dass der Bescheid rechtskräftig ist, was ja auch eine Voraussetzung für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bildet. Die Säumnis seines Vertreters XXXX vom Verein Zebra oder dessen mangelnden Kenntnisse über Rechtsbehelfe gegen Verspätungsfolgen hat sich der Beschwerdeführer zuzurechnen (vgl dazu Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, § 71 Rz 43 ff mwN). Auf die Kenntnis des nunmehr einschreitenden Rechtsanwalts kommt es dagegen nicht an. Der erst Monate später eingebrachte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher jedenfalls verspätet und somit zurückzuweisen.

Somit sind die Voraussetzungen für die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gegeben, weshalb der Beschwerde der Erfolg zu versagen ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Frage, ob im Sinn des § 33 Abs 1 VwGVG ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne grobes Verschulden der Partei zur Fristversäumung geführt hat, unterliegt grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl VwGH 22.03.2016, Ra 2016/02/0049; 08.07.2015, Ra 2015/08/0005; 26.02.2016, Ra 2016/03/0026; 25.11.2015, Ra 2015/06/0113). Dies ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, weshalb die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht zulässig ist.

Schlagworte

Abgabestelle, Asylverfahren, Fristablauf, Fristüberschreitung,
Fristversäumung, Gesamtbetrachtung, Glaubhaftmachung,
Glaubwürdigkeit, Hauptwohnsitz, Kenntnisnahme, Meldefehler,
Meldepflicht, Meldeverstoß, minderer Grad eines Versehens,
Mitteilung, Mitwirkungspflicht, mündliche Verhandlung, mündliche
Verkündung, Rechtskraft der Entscheidung, Rechtskraftwirkung,
Rechtzeitigkeit, schriftliche Ausfertigung, Sorgfaltspflicht,
unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, Verschulden,
Wiedereinsetzungsantrag, Zurechenbarkeit, Zurückweisung, Zustellung
durch Hinterlegung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I413.2210409.1.00

Zuletzt aktualisiert am

06.09.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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