TE Vwgh Erkenntnis 1998/11/16 97/10/0234

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Veröffentlicht am 16.11.1998
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Index

80/02 Forstrecht;

Norm

ForstG 1975 §17;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Toifl, über die Beschwerde des HF in O, vertreten durch Dr. Bernd Brunner, Rechtsanwalt in Tulln, Karlsgasse 12, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 24. Juni 1997, Zl. 18.323/08-IA8/97, betreffend Rodungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 24. Juni 1997 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Rodungsbewilligung für ein näher bezeichnetes Grundstück und eine Teilfläche eines weiteren Grundstückes in der KG Ollern, zum Zweck der Baulandschaffung (Schließung einer Verbauungslücke) abgewiesen. Hiezu wurde - nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Gesetzesbestimmungen - im wesentlichen ausgeführt, die verfahrensgegenständlichen Grundstücke seien rechtskräftig als Bauland gewidmet. Die NÖ Landesregierung habe mit Bescheid vom 13. Jänner 1997, Zl. RU1-R-549/035, die Verordnung der Marktgemeinde Sieghartskirchen vom 18. Dezember 1995, mit der ein örtliches Raumordnungsprogramm erlassen wurde, genehmigt. Dies bedeute, daß ein im Siedlungswesen begründetes öffentliches Interesse vorliege. Dieser Umstand vermöge aber noch nicht das Überwiegen dieses öffentlichen Interesses gegenüber jenem an der Walderhaltung begründen. Wenn die Rodungsfläche im Flächenwidmungsplan der Gemeinde als Bauland ausgewiesen sei, bedeute dies nämlich noch nicht, daß eine Verwirklichung dieser anderen Widmung entgegen dem Grundsatz der Walderhaltung auf jeden Fall zulässig sei. Es habe jedenfalls die Forstbehörde aufgrund der forstrechtlichen Bestimmungen festzustellen, ob die beantragte Rodungsbewilligung als im überwiegenden öffentlichen Interesse gelegen zu erteilen sei. Zur Beurteilung der Frage, welches Gewicht dem öffentlichen Interesse am Siedlungswesen im konkreten Fall zukomme, seien von allen drei Instanzen raumordnungsfachliche Gutachten eingeholt worden. In sämtlichen Gutachten sei ein öffentliches Interesse an der Verbauung der gegenständlichen Grundstücke aus der Sicht der überörtlichen Raumplanung verneint worden. Zwar sei in den im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten ausgeführt worden, daß die (damalige) Baulandwidmung auf einen - auf überholten Rechtsgrundlagen beruhenden - vereinfachten Flächenwidmungsplan zurückgehe, der den heutigen Intentionen der Raumordnung nicht mehr entspreche. Die negative raumordnungsfachliche Beurteilung sei aber auch unter Berücksichtigung der nunmehr vorliegenden neuerlichen rechtskräftigen Baulandwidmung aufrechterhalten worden. Der Amtssachverständige habe hiezu begründend ausgeführt, daß in dem nunmehr rechtswirksam gewordenen neuen Flächenwidmungsplan rund 87 ha Baulandreserven auf nicht bewaldeten Flächen zur Verfügung stünden und daher nicht zu erkennen sei, daß die Siedlungstätigkeit in der Gemeinde Sieghartskirchen auf die gegenständlichen Waldgrundstücke angewiesen wäre. Weiters ergebe sich aus dem Gutachten, daß die schon im bisherigen Verfahren angeführten fachlichen Einwände gegen die Baulandwidmung der gegenständlichen Grundstücke auch im Verfahren zur Genehmigung des örtlichen Raumordnungsprogrammes der Gemeinde Sieghartskirchen aufrechterhalten worden seien. Diese fachlichen Argumente seien jedoch bei der Genehmigung des örtlichen Raumordnungsprogrammes nicht berücksichtigt worden, weil von der den Genehmigungsbescheid ausstellenden Abteilung des Amtes der Landesregierung die Auffassung vertreten worden sei, daß eine Rückwidmung von als Bauland bereits gewidmeten Grundstücken nicht erzwungen werden könne. Daraus ergebe sich, daß in der Genehmigung des örtlichen Raumordnungsprogrammes der Gemeinde Sieghartskirchen kein Indiz für eine Änderung der - in den vorinstanzlichen Verfahren dargelegten - Intentionen der Raumordnung ersehen werden könne. Diese Intentionen bestünden insbesondere darin, einen wirksamen Schutz der Landschaft vor einer - gerade im Umland der Großstadt Wien ständig vorhandenen - Bedrohung durch Zersiedelungstendenzen vorzusehen. Dies komme auch in der "Wienerwald-Deklaration" zum Ausdruck, in der u.a. eine Einschränkung der Siedlungsentwicklung und eine Verstärkung des Landschaftsschutzes in der örtlichen Raumplanung angeführt sei. In diesem Zusammenhang seien auch die Ausführungen des forsttechnischen Amtssachverständigen zu berücksichtigen, wonach der Waldentwicklungsplan für den umgebenden Waldbereich eine hohe Wertigkeit der Wohlfahrtsfunktion sowie eine hohe bzw. mittlere Wertigkeit der Erholungsfunktion ausweise, woraus sich ein besonderes öffentliches Interesse an der Erhaltung des Waldes in der unmittelbaren Nähe zum städtischen Raum Wien ableite. Die hohe Wertigkeit der Wohlfahrtsfunktion erkläre sich insbesondere aus der Wirkung des Waldes auf den Klimaausgleich und die Luftreinhaltung im Großraum Wien. Es sei daher festzustellen, daß kein überwiegendes öffentliches Interesse an der beantragten Rodung bestehe. Bei dieser Beurteilung komme dem unwidersprochen gebliebenen Umstand einer ausreichenden Baulandreserve besondere Bedeutung zu. Denn das Vorhandensein einer ausreichenden Baulandreserve auf Nichtwaldflächen in der Gemeinde lasse nicht auf einen derart dringenden, auf andere Weise nicht sinnvoll zu befriedigenden Baulandbedarf in der Gemeinde schließen, daß die Annahme eines Überwiegens des Siedlungsinteresses gegenüber jenem an der Walderhaltung berechtigt wäre. Der Hinweis des forsttechnischen Amtssachverständigen, daß die Rodefläche aufgrund ihrer Größe einen kaum meßbaren Beitrag zu den genannten Waldfunktionen leisten könne, führe zu keiner anderen Beurteilung, weil von einer gesamthaften Betrachtung ausgegangen werden müsse; andernfalls wäre fortschreitenden kleinflächigen Rodungen Zug um Zug Tür und Tor geöffnet. Die privaten Interessen des Beschwerdeführers an der Erteilung der beantragten Rodungsbewilligung würden keineswegs verkannt; diese hätten jedoch aufgrund der Rechtslage bei der vorzunehmenden Interessenabwägung außer Betracht zu bleiben. Ein überwiegendes öffentliches Interesse am Siedlungswesen könne nicht durch das Interesse eines einzelnen, ein ihm gehörendes Grundstück zu verbauen, begründet werden; ein solches Interesse werde vielmehr insbesondere dann anzunehmen sein, wenn dem Interesse der Allgemeinheit, eine weitere Siedlungstätigkeit bzw. -entwicklung zu ermöglichen, anders nicht (mehr) entsprochen werden könne. Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Argument der Ausnützung schon bestehender bzw. geplanter Infrastruktur sei einerseits, wie vom Amtssachverständigen für Raumordnung dargelegt, fachlich nicht haltbar. Zum anderen sei dazu festzuhalten, daß es aus der Sicht einer dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechenden Vorgangsweise erforderlich gewesen wäre, mit der Vornahme von Investitionen für die Realisierung des Projektes so lange zuzuwarten, bis die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen sind.

Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluß vom 30. September 1997, B 2114/97, abgelehnt hatte, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 1 Forstgesetz 1975 (ForstG) ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten.

Unbeschadet der Bestimmung des Abs. 1 kann die gemäß § 19 Abs. 1 zuständige Behörde gemäß § 17 Abs. 2 eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.

Gemäß § 17 Abs. 3 leg. cit. sind öffentliche Interessen im Sinn des Abs. 2 insbesondere begründet in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- und öffentlichen Straßenverkehr, im Post- und öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung sowie im Siedlungswesen.

Gemäß § 17 Abs. 4 leg. cit. hat die Behörde bei Abwägung der öffentlichen Interessen im Sinn des Abs. 2 insbesondere auf eine die erforderlichen Wirkungen des Waldes gewährleistende Waldausstattung Bedacht zu nehmen. Unter dieser Voraussetzung sind die Zielsetzungen der Raumordnung zu berücksichtigen.

Der Beschwerdeführer bringt vor, die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung sei unzureichend. Zwar werde releviert, daß es in der Gemeinde Sieghartskirchen ausreichend Baulandreserven auf Nichtwaldflächen gebe, eine Auseinandersetzung mit den Gründen, aus denen die zur Rodung beantragte Fläche als Bauland gewidmet worden sei, sei jedoch ebenso unterblieben wie eine Berücksichtigung des Umstandes, daß dem Beschwerdeführer eine Baubewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses auf dieser Fläche erteilt worden sei. Weiters sei die infrastrukturelle Ausstattung des zur Rodung beantragten Bauplatzes übergangen worden. Die raumordnungsfachlichen Stellungnahmen hätten sich mit dieser Frage "nicht wirklich" beschäftigt und daher nicht ausreichend berücksichtigt, daß es sich bei der Fläche um den letzten unverbauten Bauplatz einer Siedlung handle, in der bereits über 100 Wohnhäuser stünden. Es würde eine Vergeudung öffentlicher Mittel bedeuten, könnte dieses aufgeschlossene Grundstück nicht verbaut werden. Schließlich sei auch nicht ausreichend berücksichtigt worden, daß die Gemeinde Sieghartskirchen ohnedies eine überdurchschnittlich hohe Waldausstattung aufweise und die zur Rodung beantragte Fläche einen nur geringfügigen Beitrag zu den Waldfunktionen leisten könne.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein im Siedlungswesen begründetes öffentliches Interesse jedenfalls dann vor, wenn Grundflächen der Verwirklichung eines nach dem Flächenwidmungsplan zulässigen Bauvorhabens dienen sollen. Dieser Umstand vermag aber noch nicht das Überwiegen dieses öffentlichen Interesses gegenüber jenem an der Walderhaltung zu begründen. Selbst wenn nämlich die Rodungsfläche in einem bereits bestehenden Flächenwidmungsplan der Gemeinde als Bauplatz ausgewiesen ist, bedeutet dies noch nicht, daß eine Verwirklichung dieser anderen Widmung entgegen dem Grundsatz der Walderhaltung auf jeden Fall zulässig wäre; es hat vielmehr die Forstbehörde festzustellen, ob die erforderliche Rodungsbewilligung aufgrund der forstrechtlichen Vorschriften als im öffentlichen Interesse gelegen zu erteilen ist. Die Verwirklichung der von der Gemeinde vorgesehenen anderen Verwendung einer Waldfläche ist in jedem Fall von der Entscheidung der Forstbehörde abhängig, die auf einer dem Gesetz entsprechenden Interessenabwägung beruhen muß (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1996, Zl. 94/10/0111, und die hier zitierte Vorjudikatur).

Dem im Verfahren eingeholten raumordnungsfachlichen Gutachten zufolge entspricht die Realisierung der in Rede stehenden Baulandwidmung nicht den Zielen der überörtlichen Raumplanung nach einer Einschränkung der Siedlungsentwicklung und einer Verstärkung des Landschaftsschutzes, wie dies auch in der "Wienerwald-Deklaration" zum Ausdruck komme. Überdies sehe der Flächenwidmungsplan rund 87 ha Baulandreserven auf Nichtwaldflächen vor, sodaß nicht erkennbar sei, daß die Siedlungstätigkeit in der Gemeinde auf das in Rede stehende Grundstück angewiesen sei. Der Beschwerdeführer ist weder im Verwaltungsverfahren, noch selbst in der vorliegenden Beschwerde der Annahme entgegengetreten, es bestünden die dargelegten überörtlichen Raumordnungsziele und es stehe für Siedlungszwecke eine ausreichende Baulandreserve in Form der erwähnten auf Nichtwaldflächen zur Verfügung. Ist aber - wovon die belangte Behörde somit zu Recht ausgehen konnte - in der Gemeinde eine ausreichende Baulandreserve auf Nichtwaldflächen vorhanden, die für eine Verbauung zur Verfügung stehen, dann kann nach ständiger hg. Judikatur von einem Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Rodung einer Waldfläche für Bauzwecke nicht die Rede sein (vgl. nochmals das zitierte Erkenntnis vom 29. Jänner 1996 und die hier zitierte Vorjudikatur). Schon aus diesem Grunde konnte die Interessenabwägung nicht zugunsten der Rodung ausfallen; die geltend gemachte Rechtswidrigkeit liegt somit nicht vor.

Soweit der Beschwerdeführer schließlich noch vorbringt, der verfahrensgegenständliche Rodungsantrag sei von seinem Rechtsvorgänger im Grundeigentum zu einem Zeitpunkt eingebracht worden, in dem dieser nicht mehr Grundeigentümer und daher auch nicht mehr antragslegitimiert gewesen sei, genügt es darauf hinzuweisen, daß in dem in den Verwaltungsakten erliegenden Grundbuchsauszug, der vom selben Tag stammt, an dem der Rodungsantrag gestellt wurde, der (damalige) Antragsteller als Grundeigentümer ausgewiesen aufscheint.

Die sich als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. November 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997100234.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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