TE Lvwg Erkenntnis 2019/7/23 VGW-151/019/3004/2019

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Veröffentlicht am 23.07.2019
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Entscheidungsdatum

23.07.2019

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

NAG §11 Abs1 Z5
NAG §11 Abs3
NAG §21 Abs1
NAG §21 Abs2 Z5
NAG §21 Abs6
NAG §64 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter Mag. Pichler über die Beschwerde der Frau A. B., vertreten durch Migrantinnenverein, vom 11.2.2019 gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 18.1.2019, Zl. …, betreffend Aufenthaltstitel,

zu Recht:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm § 11 Abs. 1 Z 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. 100/2005, idF BGBl. 14/2019, wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine 1987 geborene kanadische Staatsangehörige, stellte am 16. Oktober 2018 bei der belangten Behörde den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Student“ gemäß § 64 Abs. 1 NAG.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, sowie, dass die Beschwerdeführerin ihre sichtvermerksfreie Zeit im Bundesgebiet überschritten habe und daher das Erteilungshindernis des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG verwirklicht sei.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig Beschwerde und brachte darin zusammengefasst vor, die Ansicht der belangten Behörde, sie habe die Herkunft der Geldmittel nicht nachgewiesen, sei unzutreffend. Sie sei Teilhaberin eines … Verlages, sie habe Geldmittel aus früherer Erwerbstätigkeit und Erbschaft und sei Anteilseignerin eines erfolgreichen Verlagsunternehmens. Ihr Vermögen habe sie zum Teil auf ein Bankguthaben bei einem österreichischen Kreditinstitut transferiert, ihr Lebensunterhalt sei daher gesichert. Die Beschwerdeführerin sei auf Anraten eines Mitarbeiters der belangten Behörde rechtzeitig ausgereist und sei danach wiedergekommen, wie aus den Stempeln des Reisepasses ersichtlich sei. Der Vorwurf, sie habe über den erlaubten Zeitraum hinaus im Schengengebiet gelebt, treffe daher nicht zu.

4. Die belangte Behörde sah von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung ab und legte dem Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde unter Anschluss des verwaltungsbehördlichen Aktes vor.

II. Sachverhalt:

Das Verwaltungsgericht Wien geht von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

1. Die Beschwerdeführerin ist eine 1987 geborene kanadische Staatsangehörige, die am 16. Oktober bei der belangten Behörde den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Student“ gestellt hat.

2. Die Beschwerdeführerin hat sich im Jahr 2018 zu folgenden Zeiten im Bundesgebiet aufgehalten:

?    27. Juli 2018 bis 19. Oktober 2018

?    21. Oktober 2018 bis 22. Dezember 2018

Die Beschwerdeführerin hat sich daher in den letzten 180 Tagen vor dem 22. Dezember 2018 – das ist der Zeitraum seit dem 26. Juni 2018 – an 148 Tagen im Bundesgebiet aufgehalten.

3. Die Beschwerdeführerin ist seit 2. Oktober 2018 durchgehend im Bundesgebiet an der Adresse C.-Straße, Wien, aufrecht gemeldet und seit 5. Oktober 2018 bei der Wiener Gebietskrankenkassa gemäß § 16 Abs. 2 ASVG selbst krankenversichert. Besondere integrationsbegründende Umstände hat die Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens vorgebracht.

III. Beweiswürdigung:

Das Verwaltungsgericht kommt zu diesen Feststellungen auf Grund der folgenden Beweiswürdigung:

1. Das Verwaltungsgericht Wien hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, Würdigung des Beschwerdevorbringens und der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen (insbesondere der Kopie des Reisepasses der Beschwerdeführerin und der in diesem enthaltenen Stempel über die Ein- und Ausreise der Beschwerdeführerin).

2. Die Feststellungen zum Verfahrensgang, zum Antrag der Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde und zu ihren persönlichen Daten ergeben sich aus dem Verwaltungsakt.

3. Die festgestellten Aufenthaltszeiten der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet ergeben sich für das erkennende Gericht aus den Ein- und Ausreisestempeln, die aus der vorgelegten Kopie von Seiten aus dem Reisepass der Beschwerdeführerin ersichtlich sind und auf welche die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde selbst Bezug nimmt. Den in den – von der Beschwerdeführerin initiativ vorgelegten – Kopien des Reisepasses enthaltenen Ein- und Ausreisestempeln kommt nach Auffassung des erkennenden Gerichts auch auf Grund des Art. 11 der Verordnung [EU] 2016/399, der eine Verpflichtung enthält, bei der Ein- und Ausreise eines Drittstaatsangehörigen in oder aus dem Hoheitsgebiet eines Schengenmitgliedstaates einen entsprechenden Stempel im Reisedokument des Drittstaatsangehörigen anzubringen, große Bedeutung zu.

IV. Rechtslage:

1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes – NAG, BGBl. I 100/2005, lauten:

"Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

         1. gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;

         2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;

         3. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;

         4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

         5. eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder

         6. er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

         1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

         2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

         3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

         4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

         5. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;

         6. der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat, und

         7. in den Fällen der §§ 58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß § 58 Abs. 5 mehr als vier Monate vergangen sind.

(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 7 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

         1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

         2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

         3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

         4. der Grad der Integration;

         5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

         6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

         7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

         8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

         9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

[…]

Verfahren bei Erstanträgen

§ 21. (1) Erstanträge sind vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen. Die Entscheidung ist im Ausland abzuwarten.

[…]

(6) Eine Inlandsantragstellung nach Abs. 2 Z 1, Z 4 bis 9, Abs. 3 und 5 schafft kein über den erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalt hinausgehendes Bleiberecht. Ebenso steht sie der Erlassung und Durchführung von Maßnahmen nach dem FPG nicht entgegen und kann daher in Verfahren nach dem FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten.“

2. Das am 1. Juli 1956 in Kraft getretene Sichtvermerksabkommen zwischen Österreich und Kanada, BGBl. 124/1956, lautet (auszugsweise):

„B (1) […]

(2) Kanadische Staatsbürger, welche nach den Grundsätzen von Treu und Glauben Nichteinwanderer und im Besitz eines gültigen kanadischen Reisepasses sind, können ohne vorherigen Erhalt eines österreichischen Visums Österreich bis zu einer Zeitdauer von drei Monaten besuchen.

(3) Es besteht Übereinstimmung darüber, daß diese Änderung der Einreisebestimmungen österreichische und kanadische Staatsbürger, welche Kanada beziehungsweise Österreich besuchen, nicht von der Notwendigkeit ausnimmt, die Gesetze und Vorschriften des betreffenden Landes hinsichtlich Einreise, Aufenthalt und Arbeit oder Beschäftigung von Ausländern zu befolgen; weiters ist diese Änderung auf Inhaber von Fremdenpässen (certificates of identity), das heißt also Nichtösterreicher und nichtkanadische Staatsbürger nicht anwendbar; Personen, welche den Landesgesetzen und Vorschriften nicht gerecht werden, kann die Bewilligung, an Land zu gehen oder einzureisen, verweigert werden.“

V. rechtliche Erwägungen:

1. Die Beschwerdeführerin begehrt die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung „Student“ gemäß § 64 NAG. Voraussetzung für die Erteilung des von der Beschwerdeführerin begehrten Aufenthaltstitels ist gemäß § 64 Abs. 1 Z 1 leg.cit. die Erfüllung der Voraussetzungen des ersten Teils des NAG mit Ausnahme des § 11 Abs. 2 Z 2 leg.cit.

2. Im vorliegenden Fall steht der Erteilung des von der Beschwerdeführerin begehrten Aufenthaltstitels aber das Erteilungshindernis des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG entgegen:

2.1. Die Beschwerdeführerin ist als kanadische Staatsangehörige grundsätzlich zur visumsfreien Einreise berechtigt; ferner kann sich die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer Staatsangehörigkeit in einem Zeitraum von 90 in 180 Tagen visumsfrei im Bundesgebiet aufhalten (vgl. dazu Art. 1 Abs. 2 iVm mit Anlage II der Verordnung [EG] 539/2001, Art. 6 Abs. 1 der Verordnung [EU] 2016/399 und Art. 20 Abs. 1 SDÜ). Im Zeitpunkt ihrer Antragstellung (16. Oktober 2018) hatte die Beschwerdeführerin den ihr zukommenden Zeitraum des visumsfreien Aufenthalts noch nicht überschritten; sie war daher gemäß § 21 Abs. 2 Z 5 NAG – abweichend von der Grundregel des § 21 Abs. 1 NAG – zur Stellung eines Antrages im Inland berechtigt. Das Erteilungshindernis des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG, das zunächst eine zulässige Inlandsantragstellung voraussetzt, kann im Hinblick auf die Beschwerdeführerin daher zur Anwendung kommen (vgl. VwGH 10.5.2016, Ra 2016/22/0005). In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass das Sichtvermerksabkommen zwischen Österreich und Kanada, BGBl. 124/1956, auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, weil gemäß Abschnitt B Abs. 2 dieses Abkommens es lediglich kanadischen Staatsbürgern, welche nach den Grundsätzen von Treu und Glauben Nichteinwanderer und im Besitz eines gültigen kanadischen Reisepasses sind, erlaubt ist, Österreich ohne vorherigen Erhalt eines Visums bis zu einer Zeitdauer von drei Monaten zu besuchen. Nun hat die Beschwerdeführerin aber einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach den Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes gestellt und insoweit zum Ausdruck gebracht, Österreich nicht bloß vorübergehend als „Nichteinwanderer“ besuchen zu wollen. Ferner sieht Abschnitt B Abs. 3 des erwähnten Abkommens vor, dass österreichische und kanadische Staatsbürger, welche Kanada bzw. Österreich besuchen, nicht von der Notwendigkeit ausgenommen sind, die Gesetze und Vorschriften des betreffenden Landes hinsichtlich Einreise, Aufenthalt und Arbeit oder Beschäftigung von Ausländern zu befolgen. Auch daraus ergibt sich, dass auf die Beschwerdeführerin die vorzitierten Bestimmungen (Art. 1 Abs. 2 iVm mit Anlage II der Verordnung [EG] 539/2001, Art. 6 Abs. 1 der Verordnung [EU] 2016/399 und Art. 20 Abs. 1 SDÜ) über die zulässige Dauer des visumsfreien Aufenthalts anzuwenden sind.

Die Beschwerdeführerin war somit nach der rechtmäßigen Stellung ihres Antrages im Inland nicht berechtigt, den ihr zukommenden Zeitraum des sichtvermerkfreien Aufenthalts im Bundesgebiet zu überschreiten:

Zweck der Bestimmung des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG ist es nämlich zu verhindern, dass Fremde ihren Aufenthalt im Bundesgebiet durch das Stellen eines Antrages nach dem NAG über den sichtvermerkfreien Zeitraum hinaus ohne Vorliegen eines Aufenthaltstitels ausdehnen. Das Verfahren ist nach rechtmäßiger Antragstellung und Ablauf des sichtvermerkfreien Zeitraumes im Ausland abzuwarten. Ein Zuwiderhandeln steht der Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels grundsätzlich entgegen, auch wenn zwischenzeitlich eine Ausreise erfolgt ist (vgl. VwGH 22.2.2018, Ra 2017/22/0154; 22.3.2018, Ra 2017/22/0177).

2.2. Nun hat die Beschwerdeführerin – wie sich aus den festgestellten Aufenthaltszeiten ergibt – den ihr zukommenden sichtvermerkfreien Zeitraum deutlich überschritten – nämlich im Zeitraum von 26. Juni 2018 bis 22. Dezember 2018 um 58 Tage –, weshalb im vorliegenden Fall das Erteilungshindernis des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG zum Tragen kommt.

3. Steht der Erteilung eines Aufenthaltstitels das Erteilungshindernis des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG entgegen, kann der Aufenthaltstitel gemäß § 11 Abs. 3 NAG trotzdem erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

3.1. Die Beschwerdeführerin trifft – nicht zuletzt nach § 29 Abs. 1 NAG – eine Mitwirkungspflicht an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes. Insbesondere ist sie gehalten, Umstände die aus ihrer Sphäre stammen, wie auch integrationsbegründende Umstände, denen maßgebliche Bedeutung zukommen könnte, initiativ geltend zu machen (vgl. etwa VwGH 22.1.2014, 2012/22/0245). Die Beschwerdeführerin wurde auch schon im Rahmen der behördlichen Verständigung von der Beweisaufnahme – wie auch im angefochtenen Bescheid – darüber informiert, dass bei der Behörde keine Umstände vorlägen, die im Zuge einer Interessensabwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG iVm Art. 8 EMRK einer anderen als der beabsichtigten abweisenden Vorgehensweise bedürften. Dem ist die Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt entgegen getreten.

Die Beschwerdeführerin hat keine familiären Bindungen in Österreich releviert. Die Beschwerdeführerin weist zwar keine strafrechtlichen Verurteilungen auf. Sie verfügte bis dato aber noch nie über einen Aufenthaltstitel für Österreich. Die Beschwerdeführerin hat sich zwar in den festgestellten Zeiträumen in Österreich aufgehalten. Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt im Verfahren betreffend Aufenthaltstitel jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zu (VwGH 21. Jänner 2016, Ra 2015/22/0119; VwGH 20. Jänner 2011, 2008/22/0501).

Die Beschwerdeführerin war nach Überschreitung ihres zulässigen Inlandsaufenthaltes unrechtmäßig in Österreich aufhältig, weshalb sie auch gegen aufenthaltsrechtliche Normen verstoßen hat.

Vor diesem Hintergrund besteht im Bundesgebiet kein durch Art. 8 EMRK geschütztes Privat- und Familienleben und war daher auch nicht gem. § 11 Abs. 3 NAG eine Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels geboten.

Die vorliegende Beschwerde war daher abzuweisen und der angefochtene Bescheid mit Maßgabe der vorstehenden Ausführungen zu bestätigen.

4. Die Entscheidung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Akten ließen erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. So blieb der entscheidungserhebliche Sachverhalt unbestritten und wurde im Hinblick auf die vorliegend gelösten Rechtsfragen von dem von der Beschwerdeführerin – hinsichtlich ihrer Aufenthaltszeiten im Schengener Raum – vorgebrachten Sachverhalt bzw. der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen ausgegangen (vgl. VwGH 26.04.2016, Ra 2016/03/0038). Schließlich waren im Ergebnis anhand der vorliegenden Beweise – vor dem Hintergrund der einschlägigen höchstgerichtlichen Judikatur – bloß Rechtsfragen ohne besondere Komplexität zu klären. Daher stehen weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC dem Entfall der mündlichen Verhandlung entgegen (vgl. hiezu bspw. EGMR 5.9.2002, Appl. Nr. 42.057/98, Speil [ÖJZ 2003, 117]; 7.3.2017, Appl. Nr. 24.719/12, Tusnovics). Im Übrigen berührt die Versagung eines Aufenthaltstitels kein civil right iSd Art. 6 EMRK (VwGH 15.6.2010, 2009/22/0347).

5. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da im Beschwerdefall keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Verwaltungsgericht Wien hat sich bei seiner Entscheidung betreffend das Erteilungshindernis des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG und die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK an der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs orientiert. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

Aufenthaltsbewilligung Student; allgemeine Erteilungsvoraussetzungen; Inlandsantragstellung; visumsfreier Aufenthalt; Visumspflicht; Sichtvermerksabkommen Österreich und Kanada

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.151.019.3004.2019

Zuletzt aktualisiert am

30.08.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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