TE Vwgh Erkenntnis 1979/1/23 0451/78

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.01.1979
beobachten
merken

Index

Verfahren vor dem VwGH

Norm

AVG §58 Abs2
EGVG Art2 Abs4
VwGG §41 Abs1
VwGG §42 Abs2 litc Z2
VwGG §42 Abs2 Z3 litb

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Loebenstein und die Hofräte Dr. Draxler, Dr. Großmann, Dr. Hoffmann und Dr. Herberth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rat im Verwaltungsgerichtshof Dr. Feitzinger, über die Beschwerde der EF in W, vertreten durch Dr. Eduard Wegrostek und Dr. Josef Wegrostek, Rechtsanwälte in Wien I, Domgasse 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 27. Dezember 1977, Zl. 14.802/1-I 10/77 (mitbeteiligte Partei: HF in B, vertreten durch Dr. Kurt Heller, Rechtsanwalt in Wien I, Blutgasse 7), betreffend Anerkennung eines ausländischen Ehescheidungsurteiles, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 3.210,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Auf Grund eines mit 14. Dezember 1977 datierten, beim Bundesministerium für Justiz am 27. Dezember 1977 eingelangten Antrages des HF, der mitbeteiligten Partei dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, erließ der Bundesminister für Justiz noch am selben Tag und ohne Anhörung der Beschwerdeführerin unter der Zl. 14.802/1-I 10/77 einen Bescheid, mit dem unter Hinweis auf § 24 Abs. 1 der Vierten Durchführungsverordnung zum Ehegesetz vom 25. Oktober 1941, deutsches RGBl. I S. 654, festgestellt wurde, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Entscheidung des Bezirksgerichtes in Katowice vom 29. Oktober 1976, Zl. VII.1.C 653/75, rechtskräftig seit dem 22. Dezember 1976, soweit mit dieser die am 1. Februar 1969 vor dem Standesamt in Katowice geschlossene Ehe der Beschwerdeführerin und des Mitbeteiligten geschieden worden ist, gegeben seien. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, daß die vom Mitbeteiligten als Antragsteller nach Tarifpost 18a 3 zum Gerichts- und Justizverwaltungsgebührengesetz 1962 zu entrichtende Verwaltungsgebühr mit S 2000 bemessen werde. Eine Begründung im Sinne der Vorschriften des § 58 Abs. 2 und des § 60 AVG 1950 enthält der Bescheid nicht.

Gegen diesen ihr nach Ausweis der Verwaltungsakten am 5. Jänner 1978 zugestellten Bescheid brachte die Beschwerdeführerin rechtzeitig gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften verbunden mit dem Antrag ein, den angefochtenen Verwaltungsakt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 aufzuheben. Unter dem Gesichtspunkt einer dem Bescheid anhaftenden inhaltlichen Rechtswidrigkeit wendete die Beschwerdeführerin ein, daß - entgegen der unbegründet gebliebenen Rechtsanschauung der belangten Behörde - die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung des Ehescheidungsurteiles des Bezirksgerichtes in Katowice nicht gegeben seien. In Ausführung der Verfahrensrüge wird in der Beschwerde in der Hauptsache geltend gemacht, daß die belangte Behörde lediglich auf Grund der Aktenlage entschieden habe und der Beschwerdeführerin keine Gelegenheit geboten worden sei, vor Erlassung des angefochtenen Bescheides ihre Rechte und rechtlichen Interessen zur Geltung zu bringen. Unter diesen Umständen stelle die Verletzung des Rechtes auf Wahrung des Parteiengehörs die Außerachtlassung einer Verfahrensvorschrift dar, bei deren Einhaltung die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

In dem über diese Beschwerde eingeleiteten Vorverfahren legte die belangte Behörde die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. Diesem Antrag schloß sich der Mitbeteiligte, der zur Beschwerde gleichfalls eine Gegenschrift erstattete, an.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gegenstand des angefochtenen Bescheides ist die innerstaatliche Anerkennung eines die am 1. Februar 1969 zwischen der Beschwerdeführerin und dem Mitbeteiligten geschlossene Ehe betreffenden Ehescheidungsurteiles eines ausländischen Gerichtes. Da diese Anerkennung ihre Rechtsstellung und ihre rechtlichen Interessen zunächst berührt und der angefochtene Bescheid durch seine Zustellung auch ihr gegenüber wirksam geworden ist, kann die Berechtigung der Beschwerdeführerin zur Beschwerdeerhebung nicht zweifelhaft sein. Die Beschwerde ist daher zulässig.

Gemäß Art. II Abs. 4 EGVG 1950 ist unter anderem auch das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1950 auf das behördliche Verfahren der Bundesministerien in allen Fällen anzuwenden, in denen sie als erste Instanz einschreiten. Da ein solcher Fall bei Handhabung des § 24 Abs. 1 der Vierten Durchführungsverordnung zum Ehegesetz vorliegt, richtet sich sohin das hiebei zu beobachtende Verfahren nach den Vorschriften des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950. Dies bedeutet, daß gemäß § 58 Abs. 2 leg. cit. im Anerkennungsverfahren zu erlassende Bescheide, wenn nicht dem Standpunkt aller am Verfahren beteiligter Parteien Rechnung getragen wird, jedenfalls zu begründen und zufolge der Regelung des § 60 AVG 1950 in dieser Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtslage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind. Diese Begründungserfordernisse schließen entgegen der in der Gegenschrift der belangten Behörde offensichtlich zum Ausdruck kommenden gegenteiligen Ansicht auch in jenen Fällen, in denen "der maßgebende Sachverhalt von vornherein klar gegeben ist" (vgl. § 56 AVG 1950), die Verpflichtung der Behörde mit ein, in der Bescheidbegründung in eindeutiger Weise darzutun, von welchen konkreten Tatsachenfeststellungen sie bei ihrer Entscheidung ausgegangen ist (vgl. u. a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. November 1947, Slg. 206/A, und vom 24. Mai 1974, Slg. 8619/A, sowie die Ausführungen bei Mannlicher-Quell, Das Verwaltungsverfahren, 8. Aufl., 1975, S. 318 f). Bescheide, die dieser Rechtspflicht nicht entsprechen und die über die Sachverhaltsannahme der Behörde keinerlei Aufschluß geben, erschweren aber nicht nur die Rechtsverfolgung der durch den Bescheid allenfalls beschwerten Partei. Sie nehmen insbesondere auch im Falle der Beschwerdeführung dem Verwaltungsgerichtshof die Möglichkeit, seiner Rechtskontrollfunktion, wie sie im § 41 Abs. 1 erster Satz VwGG 1965 in der Fassung des Art. I Z. 10 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 316/1976 verankert ist, insoweit voll zu entsprechen, als Bescheide, welche jeglicher Begründung entbehren, inhaltlich auch keine Überprüfung "auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte (§ 28 Abs. 1 Z. 4)" zulassen.

Da der dem bekämpften Verwaltungsakt zufolge des Fehlens jeglicher Begründung solcherart anhaftende Mangel gemäß der (ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 16. März 1950, Slg. 1326/A, vom 27. Jänner 1960, Slg. 5186/A, und vom 24. Jänner 1967, Zl. 1567/66) auch nicht dadurch geheilt werden konnte, daß die Behörde die fehlende Bescheidbegründung und insbesondere die fehlende Aussage über den als maßgebend festgestellten Sachverhalt in ihrer Beschwerdegegenschrift nachgeholt hat, mußte daher im Gegenstand mit einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften schon gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 VwGG 1965 vorgegangen werden.

Das S 3.210,-- übersteigende Kostenmehrbegehren war, soweit es sich auf den Ersatz des Schriftsatzaufwandes bezieht, wegen der gesetzlich vorgesehenen Pauschalierung dieses Aufwandes, in Ansehung des geltend gemachten Verhandlungsaufwandes aber deshalb abzuweisen, weil ein solcher Aufwand nicht entstanden ist. Im übrigen stützt sich die Kostenentscheidung auf die §§ 47, 48 Abs. 1, 49 Abs. 1 und 2 sowie § 59 VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I lit. A Z. 1 der Verordnung vom 31. Oktober 1977, BGBl. Nr. 542, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Wien, am 23. Jänner 1979

Schlagworte

Angenommener Sachverhalt (siehe auch Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein und Sachverhalt Verfahrensmängel)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1979:1978000451.X00

Im RIS seit

30.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

30.08.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten