TE Vwgh Erkenntnis 1989/4/24 89/10/0045

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Veröffentlicht am 24.04.1989
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Index

Polizeirecht - EGVG

Norm

EGVG Art9 Abs1 Z4
EGVG Art9 Abs3
GewO 1973 §103 Abs1 litb Z2
RAO 1945 §57 Abs2 idF 1985/556
RAO 1945 §8 Abs1 idF 1985/556
RAO 1945 §8 Abs2 idF 1985/556
RAO 1945 §8 Abs3 idF 1985/556
VwGG §42 Abs2 Z1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sittenthaler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kirchner, über die Beschwerde des RK in W, vertreten durch Dr. Reinhard Neureiter, Rechtsanwalt in Wien I, Reichsratsstraße 15, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 7. Oktober 1988, Zl. MA 62-III/399/88/Str, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Art. IX Abs. 1 Z. 4 EGVG 1950, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 3. September 1987 im Rahmen seines Gewerbes als Versicherungsberater die Ausstellung einer Vollmacht von einem Klienten zur entgeltlichen Vertretung vor Ämtern, Behörden, Polizei etc. angestrebt und dadurch Tätigkeiten gewerbsmäßig angeboten, zu denen er nicht befugt sei; er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach Art. IX Abs. 1 Z. 4 EGVG 1950 (Winkelschreiberei) begangen. Es wurde über ihn eine Geldstrafe verhängt sowie eine Ersatzarreststrafe festgesetzt.

In der Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, laut Inhalt der vom Beschwerdeführer verfaßten Vollmacht müsse das Anbieten zur Vertretung vor Gericht oder Verwaltungsbehörden, das im Zusammenhang mit dem Gewerbebetrieb des Beschwerdeführers über den Umfang der Gewerbeberechtigung hinausgehend gestellt worden sei, bejaht werden. Aus dem Inhalt der Vollmacht gehe deutlich hervor, daß sich der Beschwerdeführer nicht nur zur Einsichtnahme in Behördenakten und zur Beschaffung von Abschriften anbiete, sondern daß mit der Vollmacht eine Prozeßführung und der Abschluß auch gerichtlicher Vergleiche unter Einschaltung von durch den Beschwerdeführer frei auszuwählenden Rechtsanwälten abgedeckt werden sollten. Dies ergebe sich insbesondere aus den (näher zitierten) Formulierungen der Vollmacht. Daraus könne ohne Zweifel geschlossen werden, daß der Beschwerdeführer durch diese Vollmacht die Absicht gehabt habe, sich zu Tätigkeiten, wie Vertretung vor Ämtern, Behörden, Gerichten etc., anzubieten, die dem Berufsstand der Rechtsanwälte vorbehalten seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Wer in Angelegenheiten, in denen er nicht zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugt ist, gewerbsmäßig für den Gebrauch vor inländischen oder ausländischen Behörden (Gerichten oder Verwaltungsbehörden) schriftliche Anbringen oder Urkunden verfaßt, einschlägige Auskünfte erteilt, vor inländischen Behörden Parteien vertritt oder sich zu einer dieser Tätigkeiten mit schriftlichen oder mündlichen Kundgebungen anbietet (Winkelschreiberei), begeht gemäß Art. IX Abs. 1 Z. 4 EGVG 1950 eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde nach dieser Gesetzesstelle zu bestrafen.

Nach Art. IX Abs. 3 leg. cit. findet die Bestimmung des Abs. 1 Z. 4 keine Anwendung, soweit besondere Vorschriften gegen die unbefugte Parteienvertretung bestehen.

Als solche "besondere Vorschrift", kommt im Beschwerdefall § 57 Abs. 2 der Rechtsanwaltsordnung in der Fassung der am 1. Jänner 1986 in Kraft getretenen Novelle BGBl. Nr. 556/1985 in Betracht. Nach dieser Bestimmung begeht, wer unbefugt eine durch dieses Bundesgesetz den Rechtsanwälten vorbehaltene Tätigkeit gewerbsmäßig ausübt, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu S 60.000,-- zu bestrafen. Diese Tat darf nicht auch nach anderen Bestimmungen über die Strafbarkeit der Winkelschreiberei geahndet werden.

Die hier erwähnte "vorbehaltene Tätigkeit" ist in § 8 der Rechtsanwaltsordnung in der erwähnten Fassung geregelt, nach dessen Abs. 1 sich das Vertretungsrecht eines Rechtsanwaltes auf alle Gerichte und Behörden der Republik Österreich erstreckt und die Befugnis zur berufsmäßigen Parteienvertretung in allen gerichtlichen und außergerichtlichen, in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten umfaßt. Nach § 8 Abs. 2 leg. cit. ist die Befugnis zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung im Sinn des Abs. 1 den Rechtsanwälten vorbehalten. Die Berufsbefugnisse der Notare, Patentanwälte, Wirtschaftstreuhänder und Ziviltechniker werden hiedurch nicht berührt. Nach § 8 Abs. 3 leg. cit. bleiben jedenfalls u.a. Befugnisse unberührt, die in den Berechtigungsumfang von gebundenen oder konzessionierten Gewerben oder von Handwerken fallen.

Zunächst kann kein Zweifel bestehen, daß die vom Beschwerdeführer angebotenen Tätigkeiten, wären sie tatsächlich ausgeübt worden, den Rechtsanwälten gemäß § 8 Abs. 1 und 2 (erster Satz) vorbehalten sind. Aber auch eine der erwähnten Ausnahmen von diesem Vorbehalt, insbesondere im Hinblick auf das vom Beschwerdeführer betriebene gebundene Gewerbe des Beraters in Versicherungsangelegenheiten (§ 103 Abs. 1 lit. b Z. 2 Gewerbeordnung 1973) kam nicht in Betracht, fällt doch in den Berechtigungsumfang der Berater in Versicherungsangelegenheiten jedenfalls nicht die Vertretung vor Gerichten und Verwaltungsbehörden (vgl. dazu Mache-Kinscher, Die Gewerbeordnung sowie die gewerberechtlichen Nebengesetze und Verordnungen, Wien 1982, S. 389).

Wenn auch die Bestimmung des § 57 Abs. 2 erster Satz Rechtsanwaltsordnung auf die gewerbsmäßige "Ausübung" der den Rechtsanwälten vorbehaltenen Tätigkeit abstellt, so ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes dennoch davon auszugehen, daß dieser Begriff vom Zweck der Regelung her gesehen auch das "Anbieten" einer solchen Tätigkeit im Sinne des dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verhaltens - Anstreben der Ausstellung einer Vollmacht zur Parteienvertretung - umfaßt. Was schließlich die im § 57 Abs. 2 erster Satz Rechtsanwaltsordnung geforderte "Gewerbsmäßigkeit" anlangt, so genügt es, auf die hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 12. Dezember 1983, Zl. 81/10/0136) zu verweisen, wonach jede im Rahmen eines Gewerbebetriebes ausgeübte Tätigkeit schon hiedurch allein den Charakter der Gewerbsmäßigkeit an sich hat.

Zusammenfassend ist festzustellen, daß das von der belangten Behörde spruchgemäß als erwiesen angenommene Verhalten des Beschwerdeführers - weil von der Strafbestimmung des § 57 Abs. 2 erster Satz Rechtsanwaltsordnung erfaßt - nicht dem Tatbestand des Art. IX Abs. 1 Z. 4 EGVG unterstellt werden durfte, was den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß in das Beschwerdevorbringen näher einzugehen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 24. April 1989

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1989:1989100045.X00

Im RIS seit

02.09.2019

Zuletzt aktualisiert am

02.09.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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