TE Vwgh Erkenntnis 2019/5/28 Ra 2019/15/0014

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Veröffentlicht am 28.05.2019
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

DurchschnittssatzV Gewinnermittlung 2005/II/258 §6 Abs2
EStG 1988 §21 Abs2 Z1

Betreff

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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des Finanzamts Kitzbühel Lienz in 9900 Lienz, Dolomitenstraße 1, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 29. Oktober 2018, Zl. RV/3100162/2013, betreffend Einkommensteuer 2008 bis 2010 (mitbeteiligte Partei: P T in H), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte betreibt eine Landwirtschaft. Ab 1995 errichtete er - nach den Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichts - einen Zubau an das landwirtschaftliche Wohn- und Wirtschaftsgebäude, in welchem sich neben einer privat genutzten Wohnung und landwirtschaftlich genutzten Räumlichkeiten und Flächen zwei Ferienwohnungen (eine mit vier Betten, eine mit fünf) befinden, die seit 1997 vermietet werden. Der Anteil der Ferienwohnungen an diesem Neubau beträgt 32,13% der Gesamtfläche. Gäste, die die Ferienwohnungen mieten, können den Hof besichtigen, bei der Arbeit zusehen und auch mithelfen; sie können auch den Bauern begleiten, wenn dieser sich um das Vieh auf der Alm kümmert. Frühstück wird nicht verabreicht; die Gäste können sich aber auf dem Hof mit dort produzierten Lebensmitteln versorgen und ihre Wäsche waschen lassen. An Familien mit Kindern richten sich Angebote wie Traktorfahrten, Streicheln, Füttern und Striegeln von Tieren sowie "Heuschlachten". Der Betrieb des Mitbeteiligten ist auf einer Internet-Seite betreffend Urlaub am Bauernhof "verlinkt"; dort wird ebenfalls damit geworben, dass die Gäste bei der Hofarbeit mithelfen können.

2 Der Mitbeteiligte behandelte die Einkünfte aus Vermietung der Ferienwohnungen in den Einkommensteuererklärungen als land- und forstwirtschaftlichen Nebenerwerb. Den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft ermittelte er mittels "Vollpauschalierung". 3 Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer 2008 mit Bescheid vom 16. September 2009 fest. Die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft wurden mit 0 EUR ausgewiesen; die Einkünfte aus der Vermietung der Ferienwohnungen wurden als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung behandelt. Begründend führte das Finanzamt aus, die Tätigkeit der Vermietung von Ferienwohnungen ohne Nebenleistungen (wie etwa Verabreichung eines Frühstücks, tägliche Reinigung) führe zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung; es handle sich um keinen land- und forstwirtschaftlichen Nebenerwerb.

4 Der Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Berufung. Er machte darin insbesondere geltend, die Vermietung von Ferienwohnungen erfülle insgesamt jene Kriterien, die eine Zuordnung zu "Urlaub am Bauernhof" rechtfertigten, sodass es sich um landwirtschaftliche Nebeneinkünfte handle.

5 Mit Berufungsvorentscheidung vom 6. September 2012 änderte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2008 (in im Revisionsverfahren nicht strittigen Punkten) ab. Begründend führte das Finanzamt zu den im Revisionsverfahren strittigen Einnahmen aus Vermietung aus, diese führten zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, da kein Frühstück verabreicht werde. Die Einnahmen würden entsprechend dem in der Berufung angeführten Wert zum Ansatz gebracht; Werbungskosten würden pauschal mit 30% der Nettoeinnahmen aus der Vermietung berücksichtigt.

6 Mit weiteren Bescheiden vom 6. September 2012 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für die Jahre 2009 und 2010 fest und verwies darin jeweils auf die Begründung der Berufungsvorentscheidung betreffend Einkommensteuer 2008. Die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft wurden jeweils mit 0 EUR ausgewiesen; die Einnahmen aus der Vermietung von Ferienwohnungen wurden darin - wiederum nach Abzug von pauschalen Werbungskosten - als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung behandelt. 7 Der Mitbeteiligte beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz betreffend Einkommensteuer 2008 und erhob Berufung betreffend Einkommensteuer 2009 und 2010.

8 Im Vorlagebericht an den unabhängigen Finanzsenat verwies das Finanzamt insbesondere darauf, dass sich durch die Verschiebung in der Einkunftsart eine Erhöhung des Gesamtbetrages der Einkünfte ergebe, zumal bei der pauschalen Gewinnermittlung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes angefallene Abzugsposten sich nicht mehr zur Gänze einkommensmindernd auswirkten, da die Untergrenze des Gewinnes bei der Pauschalierung 0 EUR betrage.

9 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht den (nunmehrigen) Beschwerden Folge und änderte die Einkommensteuerbescheide ab. Es sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

10 Nach Feststellung des eingangs dargestellten Sachverhalts und Schilderung des Verfahrensgangs führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, eine land- und forstwirtschaftliche Nebentätigkeit liege dann vor, wenn diese wegen ihres engen Zusammenhanges mit der Haupttätigkeit und wegen ihrer dieser Haupttätigkeit gegenüber untergeordneten Bedeutung in dieser gleichsam aufgehe, sodass die gesamte Tätigkeit des Land- und Forstwirtes als land- und forstwirtschaftlich anzusehen sei. 11 Ob eine wirtschaftliche Unterordnung der Nebentätigkeit vorliege, sei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Die Ermittlung eines Gewinnes aus der land- und forstwirtschaftlichen Haupttätigkeit sei im vorliegenden Fall nicht möglich, da das land- und forstwirtschaftliche Einkommen aufgrund des Einheitswertes berechnet worden sei. Der Mitbeteiligte räume in seiner Vorhaltsbeantwortung selbst ein, dass der Erlös aus der Vermietung der Ferienwohnungen höher sein werde als das landwirtschaftliche Einkommen.

12 Was das Verhältnis der Umsätze betreffe, so könne eine wirtschaftliche Unterordnung angenommen werden, wenn der Umsatz aus der Nebentätigkeit weniger als 25% der Gesamtumsätze aus der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit betrage. Diese Grenze von 25% werde im Fall des Mitbeteiligten zweifellos nicht eingehalten. Unter Berücksichtigung der erhaltenen Subventionen sei von einem Anteil der Umsätze aus Vermietung an den Gesamteinnahmen von zwischen 32% und 44% auszugehen. Selbst wenn berücksichtigt werde, dass - nach den Angaben des Mitbeteiligten - in den Streitjahren die landwirtschaftlichen Einnahmen aus verschiedenen Gründen hinter jenen aus anderen Jahren zurückgeblieben seien, ergäbe sich bei Ansatz von zusätzlich vom Mitbeteiligten angegebenen Einnahmen, dass der Anteil der Umsätze aus der Vermietung weiterhin mehr als 25% betrage (25,67% bis 33,73%).

13 Als weiteres Kriterium zur Unterordnung habe der Mitbeteiligte ins Treffen geführt, dass der Arbeitsbzw. Zeitaufwand betreffend die Vermietung der Ferienwohnungen nicht einmal 10% der Gesamtarbeitszeit ausmache. Aufgrund der vorgelegten Aufstellungen über die Ausgaben im Zusammenhang mit der Vermietung der Ferienwohnungen ergebe sich außerdem, dass der (laufende) finanzielle Einsatz der Vermietungstätigkeit ebenfalls weit unter jenem für die land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit liege bzw. nur einen geringen Anteil am laufenden Kapitaleinsatz betrage.

14 Das Gesamtbild der Verhältnisse stelle sich damit so dar, dass die wirtschaftliche Unterordnung der Vermietungstätigkeit tatsächlich vorliege. In Zusammenschau mit der Einbettung der Appartementvermietung in die Land- und Forstwirtschaft als "Urlaub am Bauernhof" seien die Voraussetzungen für das Vorliegen einer land- und forstwirtschaftlichen Nebentätigkeit im vorliegenden Fall erfüllt. Es seien nicht ausschließlich die verhältnismäßig hohen Einnahmen aus der Vermietung der Ferienwohnungen bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Unterordnung zu berücksichtigen, sondern ebenso der zweifellos notwendige hohe finanzielle Aufwand sowie der Zeit- und Arbeitsaufwand, den die Land- und Forstwirtschaft mit sich bringe.

15 Die Vermietung der Ferienwohnungen sei glaubhaft nicht Selbstzweck, sondern werde im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft als "zweites Standbein" zur Abfederung finanzieller Verluste aus der sehr kapitalintensiven Landwirtschaft betrieben. Abgerundet werde dieser Sachverhalt noch dadurch, dass der Mitbeteiligte während der Wintersaison einer nichtselbständigen Tätigkeit bei einer Bergbahn nachgehe.

16 Das Bundesfinanzgericht habe auf Grundlage der im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes 93/14/0134 aufgestellten Kriterien entschieden; die Revision sei daher nicht zuzulassen gewesen.

17 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamtes.

18 Der Mitbeteiligte hat sich - nach Einleitung des Vorverfahrens - am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht beteiligt.

19 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

20 Die Revision ist - wie in ihr aufgezeigt - zulässig, sie ist aber nicht begründet.

21 Gemäß § 21 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 zählen zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft auch Einkünfte aus einem land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetrieb. Als Nebenbetrieb gilt ein Betrieb, der dem land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb zu dienen bestimmt ist.

22 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zählen die Nebentätigkeiten (Nebenerwerbe) im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes in gleicher Weise zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft wie die land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetriebe (vgl. VwGH 16.3.1979, 2979/76, VwSlg. 5360/F; 18.3.1992, 92/14/0019, mwN).

23 Eine land- und forstwirtschaftliche Nebentätigkeit ist eine an sich nicht land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit, die wegen ihres engen Zusammenhangs mit der Haupttätigkeit und wegen ihrer untergeordneten Bedeutung gegenüber dieser Haupttätigkeit nach der Verkehrsauffassung in dieser gleichsam aufgeht, sodass die gesamte Tätigkeit des Land- und Forstwirtes als land- und forstwirtschaftlich anzusehen ist. Die Kriterien des engen Zusammenhanges mit der Haupttätigkeit und der untergeordneten Bedeutung müssen kumulativ vorliegen (vgl. VwGH 15.12.1992, 92/14/0189, VwSlg. 6743/F).

24 Die wirtschaftliche Unterordnung ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen und muss sowohl hinsichtlich der Zweckbestimmung - die Nebentätigkeit darf keinen eigenständigen Tätigkeitszweck annehmen, sondern muss Ausfluss der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit sein - als auch hinsichtlich des wirtschaftlichen Umfangs vorliegen (vgl. VwGH 31.5.2011, 2008/15/0129, mwN).

25 Nach § 6 Abs. 2 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung des Gewinnes aus Land- und Forstwirtschaft (LuF PauschVO 2006, BGBl. II Nr. 258/2005) sind als land- und forstwirtschaftlicher Nebenerwerb Nebentätigkeiten zu verstehen, die nach ihrer wirtschaftlichen Zweckbestimmung zum land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb im Verhältnis der wirtschaftlichen Unterordnung stehen. Die Zimmervermietung mit Frühstück im Ausmaß von höchstens 10 Betten stellt land- und forstwirtschaftlichen Nebenerwerb dar.

26 Nach dieser Bestimmung der Verordnung ist - im Rahmen der Pauschalierung - die Zimmervermietung mit Frühstück im Ausmaß von höchstens 10 Betten stets ein land- und forstwirtschaftlicher Nebenerwerb (vgl. Silber, ÖStZ 2006/220, 121 ff (123)). Bei Einhaltung dieser Grenze von zehn Betten ist eine einzelfallbezogene Beurteilung der Nebenerwerbsqualifikation entbehrlich (vgl. Petschnigg, SWK 2005, S 755 ff (S 756)). 27 Im vorliegenden Fall wird zwar kein Frühstück angeboten. Gäste, die die Ferienwohnungen mieten, können aber den Hof besichtigen, bei der Arbeit zusehen und auch mithelfen; sie können den Bauern begleiten, wenn dieser sich um das Vieh auf der Alm kümmert. Die Gäste können sich auf dem Hof mit dort produzierten Lebensmitteln versorgen und ihre Wäsche waschen lassen. An Familien mit Kindern richten sich verschiedene Angebote. Der Betrieb des Mitbeteiligten ist auf einer Internet-Seite betreffend Urlaub am Bauernhof "verlinkt".

28 Die gegenständliche Landwirtschaft weist damit die einem "Urlaub am Bauernhof" Attraktivität verleihenden Einrichtungen auf (vgl. hingegen etwa den Sachverhalt zu VwGH 21.7.1998, 93/14/0134). Es liegen besondere Dienstleistungen vor, die auf ein einheitliches Vermarktungskonzept "Urlaub am Bauernhof" schließen lassen. Da die 10-Bettengrenze nicht überschritten ist, handelt es sich hiebei um land- und forstwirtschaftlichen Nebenerwerb (vgl. Jilch, Die Besteuerung pauschalierter Land- und Forstwirte4, 250; sowie Jilch, aaO5, 345), ohne dass die wirtschaftliche Unterordnung gesondert zu prüfen wäre.

29 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 28. Mai 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019150014.L00

Im RIS seit

03.09.2019

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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