TE Lvwg Erkenntnis 2019/7/18 LVwG-2017/34/1167-8

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Veröffentlicht am 18.07.2019
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Entscheidungsdatum

18.07.2019

Index

82/05 Lebensmittelrecht
40/01 Verwaltungsverfahren
E3R E03070000
E3R E15203000
E3R E13301400
E3R E15202000

Norm

LMSVG 2006 §90 Abs3 Z1
VStG §27 Abs1
VStG §45 Abs1 Z3
32002R0178 Lebensmittelsicherheit Art3 Z8
32006R1924 Lebensmittel nährwert- gesundheitsbezogene Angaben Art1 Abs2
32006R1924 Lebensmittel nährwert- gesundheitsbezogene Angaben Art2 Abs2 Z4
32006R1924 Lebensmittel nährwert- gesundheitsbezogene Angaben Art3
32006R1924 Lebensmittel nährwert- gesundheitsbezogene Angaben Art8 Abs1
32006R1924 Lebensmittel nährwert- gesundheitsbezogene Angaben Art28 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin MMag.a Dr.in Besler über die Beschwerde des AA, vertreten durch BB Rechtsanwälte GmbH, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 4.4.2017, *****, betreffend Übertretung nach dem Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG) in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (kurz: Health-Claims-Verordnung), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 30.5.2017,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben und das Straferkenntnis wegen örtlicher Unzuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Y behoben.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (LVwG Tirol) vom 26.7.2017 zu LVwG-2017/34/1167-4, und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.3.2019 zu Ra 2017/10/0147 verwiesen.

Mit dem Erkenntnis vom 26.7.2017 wies das LVwG Tirol die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen das angefochtene Straferkenntnis der belangten Behörde vom 4.4.2017 als unbegründet ab und bestätigte den Spruch dieses Straferkenntnisses mit der Maßgabe, dass es bei der als erwiesen angenommenen Tat (§ 44a Z 1 VStG) zu lauten hatte:

„Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als gemäß § 9 Abs 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der CC GmbH in **** X, Adresse 2, zu verantworten, dass am 13.6.2016 in der Filiale der DD GmbH in **** W, Adresse 3, das Produkt „EE“ mit einer Aussage, dass dieses Lebensmittel besondere positive Nährwerteigenschaften aufgrund der Energie, die es den ganzen Vormittag liefert, besitzt, nämlich konkret der nachstehenden Aussage auf der Vorder- und Rückseite der Verpackung: „Energie für den ganzen Vormittag*“, zum Verkauf angeboten wurde, obwohl diese Aussage, die für den Verbraucher voraussichtlich dieselbe Bedeutung hat wie die Aussage ein Lebensmittel „liefert Energie“ im Anhang der Health-Claims-Verordnung nicht aufgeführt wurde und diese Aussage als nährwertbezogene Angabe mangels deren Aufführung im Anhang der Health-Claims-Verordnung nicht gemacht werden hätte dürfen, wodurch Art 8 Abs 1 der Health-Claims-Verordnung zuwidergehandelt wurde.“

Dadurch habe der Beschwerdeführer gegen § 9 Abs 1 VStG in Verbindung mit § 90 Abs 3 Z 1 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG), BGBl I Nr 13/2006 in der Fassung BGBl I Nr 144/2015, in Verbindung mit Art 2 Abs 2 Z 4 lit a sublit i und Art 8 Abs 1 der Verordnung (EG) Nr 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (kurz: Health-Claims-Verordnung) verstoßen, weshalb über ihn gemäß § 90 Abs 3 Z 1 LMSVG, BGBl I Nr 13/2006 in der Fassung BGBl I Nr 144/2015, eine Geldstrafe von EUR 50,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Stunde) verhängt wurde. Der von ihm zu leistende Beitrag zu den Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens wurde gemäß § 64 VStG mit EUR 10,00 bestimmt.

Infolge der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Revision hob der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des LVwG Tirol vom 26.7.2017 wegen Rechtswidrigkeit auf (vgl VwGH 27.3.2019, Ra 2017/10/0147).

II.      Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer war vom 1.3.2009 bis zumindest 15.12.2016 handelsrechtlicher Geschäftsführer der CC GmbH mit Sitz in **** X, Adresse 2. Bis zumindest 15.12.2016 war im Firmenbuch eine Zweigniederlassung in **** Z eingetragen.

Im Zuge einer am 13.6.2016 in der Filiale der DD GmbH in **** W durchgeführten Kontrolle entnahm ein Lebensmittelaufsichtsorgan eine Probe mit der Warenbezeichnung „EE“. Die Probe wurde vom Institut für Lebensmittelsicherheit V der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES) beurteilt.

Auf der Verpackung der Ware wurden die „CC Deutschland, D-***** U“ und die „CC Österreich, A-**** Z“ als Hersteller angegeben.

Die CC GmbH hatte diese Ware am 29.3.2016 an das Zentrallager der DD GmbH in **** T geliefert. Es steht nicht fest, ob die Ware von **** X oder von **** Z ausgeliefert worden war. Die Filiale in **** W war von der DD GmbH in **** T beliefert worden. In **** W wurde die Ware zum Verkauf angeboten.

III.     Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ist unstrittig.

IV.      Erwägungen:

Für den hier vorliegenden Fall des Vorwurfs einer unzulässigen nährwertbezogenen Angabe auf der Verpackung eines vorverpackten Lebensmittels durch den Hersteller des Lebensmittels ist auf dessen Inverkehrbringen im Sinne des Art 3 Z 8 der Verordnung (EG) Nr 178/2002 abzustellen (vgl VwGH 27.3.2019, Ra 2017/10/0147, Rn 19).

Demgemäß bezeichnet der Ausdruck „Inverkehrbringen“ das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jeder anderen Form der Weitergabe, gleichgültig, ob unentgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst.

Für einen Fall wie den vorliegenden ist daher als Tatort der Ort anzusehen, wo das Lebensmittel in Verkehr gebracht wurde. Im Fall der Lieferung durch einen Erzeugungsbetrieb wird die Verwaltungsübertretung am Sitz dieses Betriebes in dem Augenblick begangen, in dem die Ware expediert wird. Korrespondierend zum Tatzeitpunkt ist Tatort der Ort, von dem aus das Lebensmittel ausgeliefert wird (vgl VwGH 27.3.2019, Ra 2017/10/0147, Rn 19).

Auf den gegenständlichen Fall übertragen, bedeutet dies, dass die CC GmbH die Ware zwar am 29.3.2016 durch Lieferung von **** X oder von **** Z aus an die DD GmbH in **** T in Verkehr gebracht hat, nicht aber zu dem im angefochtenen Straferkenntnis genannten Tatzeitpunkt, dem 13.6.2016. Die CC GmbH hat die Ware auch nicht in **** W in Verkehr gebracht, sondern in **** X oder in **** Z.

Nach § 27 Abs 1 VStG ist die Behörde örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

Die belangte Behörde war daher zur Verfolgung der Verwaltungsübertretung nicht örtlich zuständig.

Da nach § 44a Z 1 VStG der Spruch eines Straferkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten hat und der den Deliktstatbestand erfüllende Sachverhalt mit allen rechtserheblichen Merkmalen nach Ort und Zeit konkretisiert umschrieben werden muss, liegt ein Verstoß gegen diese Bestimmung vor, der wegen Ablaufs der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist nach § 31 Abs 1 VStG nicht mehr saniert werden kann.

Nach § 45 Abs 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat (Z 2) oder Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen (Z 3).

Weder hat der Beschwerdeführer die ihm im angefochtenen Straferkenntnis zur Last gelegte Verwaltungsübertretung - nämlich das Inverkehrbringen der Ware mit der Bezeichnung „EE“ - am 13.6.2016 in **** W begangen noch wurde ihm das Inverkehrbringen dieser Ware zu jener Tatzeit, als diese Ware vom Erzeugungsbetrieb ausgeliefert wurde, und an jenem Tatort, an dem dies geschah, vorgeworfen. Aus diesem Grund sind die Einstellungsgründe des § 45 Abs 1 Z 2 und 3 VStG verwirklicht.

Die Annahme des Verwaltungsgerichtes, die Verwaltungsbehörde sei zur Erlassung des Straferkenntnisses unzuständig gewesen, rechtfertigt die Aufhebung des Straferkenntnisses, nicht aber auch die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens. Das Verwaltungsgericht trifft in einem solchen Fall vielmehr die Verpflichtung, die Befassung der ihrer Meinung nach zum Einschreiten zuständigen Strafbehörde zu veranlassen. Diese Verpflichtung besteht nur, sofern dies in Ansehung der Verjährungsbestimmungen noch zulässig oder zielführend ist (vgl VwGH 15.12.1995, 95/11/0267).

Insofern wird von der Befassung der (zuständigen) Strafbehörde wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung, der Ermittlung jenes Ortes, von dem aus das Lebensmittel ausgeliefert wurde und der Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens abgesehen und das angefochtene Straferkenntnis (bloß) behoben.

Der Beschuldigte hat grundsätzlich kein subjektives Recht auf Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens (vgl VwGH 22.1.1980, 1967/79).

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Mit dem Erkenntnis vom 27.3.2019, Ra 2017/10/0147, hob der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des LVwG Tirol vom 26.7.2017, LVwG-2017/34/1167-4, auf. Im Sinne des § 63 Abs 1 VwGG war das LVwG Tirol verpflichtet, den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Das LVwG Tirol ist dieser Verpflichtung mit der vorliegenden Entscheidung nachgekommen.

Im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Vorgehensweise bei örtlicher Unzuständigkeit der Strafbehörde (vgl VwGH 15.12.1995, 95/11/0267) wurde das angefochtene Straferkenntnis (bloß) behoben, davon ausgegangen, dass eine Verpflichtung, eine zuständige Strafbehörde zu befassen, infolge des Eintritts der Verfolgungsverjährung nicht besteht, und das Verwaltungsstrafverfahren nicht eingestellt.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art 133 Abs 4 B-VG liegt daher nicht vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrens-hilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

MMag.a Dr.in Besler

(Richterin)

Schlagworte

Tatort; Tatzeit; unzulässige nährwertbezogene Angabe; Verpackung vorverpacktes Lebensmittel; Hersteller

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2017.34.1167.8

Zuletzt aktualisiert am

26.08.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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