TE Vwgh Erkenntnis 1998/11/20 98/02/0116

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Veröffentlicht am 20.11.1998
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §102 Abs5 lita;
KFG 1967 §102 Abs5 litb;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde des DG in Wien, vertreten durch Dr. Bernhard Krause, Rechtsanwalt in Wien I, Schottenring 23, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 23. September 1997, Zl. Senat-SW-96-445, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 und des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.000,-- und das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 5.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 23. September 1997 war der Beschwerdeführer für schuldig befunden worden, er habe am 21. April 1996 um 04.35 Uhr in Schwechat-Mannswörth an einem näher beschriebenen Ort

1.

ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt,

2.

auf der Fahrt den Führerschein nicht mitgeführt und

3.

auf der Fahrt den Zulassungsschein des gelenkten Kraftfahrzeuges nicht mitgeführt.

Der Beschwerdeführer habe dadurch zu 1. gegen § 5 Abs. 1 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. a Straßenverkehrsordnung 1960, zu 2. gegen § 102 Abs. 5 lit. a in Verbindung mit § 134 Abs. 1 Kraftfahrgesetz 1967 und zu 3. gegen § 102 Abs. 5 lit. b in Verbindung mit § 134 Abs. 1 Kraftfahrgesetz 1967 verstoßen, weshalb gegen ihn Geldstrafen in der Höhe von zu 1. S 8.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Woche), zu 2. und 3. je S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 12 Stunden) hätten verhängt werden müssen.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 2. März 1998, B 2822/97, die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat diese gleichzeitig dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beigebrachten Beschwerdeergänzung macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid damit, daß die beiden Sicherheitswacheorgane, die seinerzeit die Amtshandlung durchgeführt hätten, den Beschwerdeführer, der sich damals mit seinem Reisepaß ausgewiesen habe, in der Berufungsverhandlung als den seinerzeitigen Lenker wiedererkannt hätten. Dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen zu erklären, wie ein angeblich anderer Lenker in den Besitz seines Fahrzeuges und seines Reispasses gelangt sein könne. Die Lenkereigenschaft des Beschwerdeführers sei auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß der Angehaltene bei Durchführung der Alkomatuntersuchung einen Zahnersatz für das Oberkiefer habe entfernen müssen, während der Beschwerdeführer behaupte, keinen Zahnersatz zu tragen und nur natürlich gewachsene Zähne aufzuweisen. Eine amtsärztliche Untersuchung des Beschwerdeführers habe nämlich ergeben, daß dessen Oberkiefer sanierungsbedürftig und lückenhaft sei; dies sei auch in der Berufungsverhandlung wahrzunehmen gewesen. Aus vom Beschwerdeführer beigebrachten Bestätigungen von Krankenversicherungsträgern darüber, daß er keinerlei Kostenersatz für Zahnersatz in Anspruch genommen habe, könne für ihn nichts gewonnen werden, weil Zahnersatz auch ohne Heranziehung einer Krankenkasse zum Kostenersatz hergestellt werden könne. Der die Angaben des Beschwerdeführers bestätigenden Aussage seiner Ehefrau habe kein Glauben geschenkt werden können. Von der Einholung eines zahnärztlichen sowie eines graphologischen Gutachtens habe Abstand genommen werden können, weil an der Lenkereigenschaft des Beschwerdeführers keine Zweifel bestünden

Der Beschwerdeführer bestreitet in der Beschwerde wie auch bereits im Verwaltungsstrafverfahren die Begehung der ihm zur Last gelegten Übertretungen und macht geltend, er habe sich zum Tatzeitpunkt schlafend in seiner Wohnung in Wien aufgehalten, und verweist auf die dies bestätigende Zeugenaussage seiner Ehefrau. Der Zeugenaussage des die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt durchführenden Sicherheitswacheorgans RI M. S. vom 15. Mai 1996 sei zu entnehmen, daß die untersuchte Person bei Durchführung des Alkoholtests einen Zahnersatz habe entfernen müssen, wobei die sichtbaren Zähne am Oberkiefer Zahnersatz gewesen seien. Der Beschwerdeführer trage keinen künstlichen Zahnersatz und seine Zähne seien in diesem Bereich natürlich gewachsen. Wohl habe der Amtsarzt der Behörde erster Instanz, welcher offensichtlich kein Zahnarzt sei, festgestellt, daß der Oberkiefer des Beschwerdeführers sanierungsbedürftig und auch lückenhaft sei, doch habe der Beschwerdeführer in der von der belangten Behörde am 23. Mai 1997 durchgeführten Berufungsverhandlung durch Vorzeigen seiner Zähne den Beweis dafür geliefert, daß sämtliche sichtbaren Zähne am Oberkiefer natürlich gewachsen seien. Ein vom Beschwerdeführer beantragtes zahnärztliches Gutachten habe die belangte Behörde nicht eingeholt. Ebensowenig habe sie ein von ihm verlangtes graphologisches Gutachten erstellen lassen. Daraus hätte sich nach Ansicht des Beschwerdeführers ergeben, daß die seinen Namen aufweisende Unterschrift auf dem Protokoll über die Alkomatuntersuchung nicht von ihm stamme.

Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten unternahm die am 21. April 1996 sich dem Alkomattest unterziehende Person zunächst zwei ungültige Blasversuche; die laut Protokoll anschließenden beiden Blasversuche waren gültig. Das die Untersuchung durchführende Sicherheitswacheorgan führte am 15. Mai 1996 als Zeuge einvernommen vor der Behörde erster Instanz unter anderem aus, "daß der von uns Angehaltene einen Zahnersatz getragen hat, da er diesen bei Durchführung des Alkotestes entfernte (die sichtbaren Zähne am Oberkiefer waren Zahnersatz)." In den Verwaltungsakten findet sich weiters ein handschriftliches den Beschwerdeführer betreffendes Schreiben eines Dr. F. H. (dieser ist offenbar der von der belangten Behörde angeführte Amtsarzt) vom 15. Mai 1996, welches folgenden Wortlaut aufweist:

"Bei heutiger Untersuchung ist Oberkiefer sanierungsbedürftig, teilweise fehlend bzw. lückenhaft. UK re lückenhaft. Z. Ztpkt d. Untersuchung werden keine Prothesen getragen. Besitz solcher wird verneint."

Im Beschwerdefall stellt sich die Beweislage als ergänzungsbedürftig dar. So vermag aus dem Bestehen eines sanierungsbedürftigen und lückenhaften Oberkiefers noch nicht der Schluß gezogen zu werden, die Behauptung des Beschwerdeführers keinen Zahnersatz zu tragen, sei widerlegt. Vielmehr bedingt nach den Erfahrungen des täglichen Lebens das Tragen eines Zahnersatzes in der Regel auch durch zahnärztliche Eingriffe herbeigeführte Veränderungen an den zur Befestigung des Zahnersatzes dienenden natürlich gewachsenen Zähnen. Auch hat die belangte Behörde Feststellungen darüber, wieviele und welche Zähne im Oberkiefer des Beschwerdeführers fehlen und ob an den vorhandenen natürlich gewachsenen Zähnen auf das Tragen von Prothesen hindeutende Veränderungen vorgenommen wurden, nicht getroffen. Solche auf entsprechenden, allenfalls unter Beiziehung von Sachverständigen durchgeführten Ermittlungen beruhende Feststellungen wären aber erforderlich gewesen, um den Wahrheitsgehalt der den Aussagen der Sicherheitswacheorgane widersprechenden Behauptungen des Beschwerdeführers in verläßlicher Weise prüfen zu können.

Ebensowenig finden sich im angefochtenen Bescheid nähere Ausführungen zu der - auch von seiner Ehefrau bestätigten - Behauptung des Beschwerdeführers, die Unterschrift auf dem Protokoll über die Alkomatmessung stamme nicht von ihm. Die nicht zu übersehenden Unterschiedlichkeiten zwischen dieser Unterschrift und den sonstigen in den Verwaltungsakten aufscheinenden Unterschriften des Beschwerdeführers hätten die belangte Behörde veranlassen müssen, in dieser Hinsicht durch entsprechende Ermittlungen - allenfalls durch Einholung eines im übrigen von der Behörde erster Instanz beantragten graphologischen Gutachtens - eine Klärung herbeizuführen.

Soweit die belangte Behörde die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau auch mit der Begründung verneint hat, diese hätten übereinstimmend behauptet, am Abend vor dem fraglichen Zeitpunkt an einer Feier in Hornstein teilgenommen zu haben, wobei sie angegeben hätten, Hornstein befinde sich in der Nähe von Horn, ist ihr zu entgegnen, daß im gegebenen Zusammenhang aus Unsicherheiten über die geographischen Verhältnisse in Österreich noch nicht auf eine für das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren maßgebliche grundsätzliche Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau geschlossen werden kann. Dies umso weniger, als es sich bei beiden um Personen handelt, die aus (dem ehemaligen Staatsgebiet) Jugoslawien stammen.

Da somit der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht hinreichend geklärt ist und nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung der dargelegten Verfahrensmängel zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer bereits im Pauschalsatz für den Schriftsatzaufwand enthalten ist, und ein Ersatz der Gebühr gemäß § 24 Abs. 3 VwGG nur in dem in dieser Gesetzesstelle angeführten Ausmaß zuerkannt werden kann.

Wien, am 20. November 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998020116.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

03.02.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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