TE Vwgh Erkenntnis 1957/12/6 2843/54

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Veröffentlicht am 06.12.1957
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Index

EStG

Norm

BAO §23 Abs2
EStG 1939 §1
EStG 1953 §1
EStG 1953 §1 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Ondraczek und die Räte Dr. Wasniczek, Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek und Dr. Eichler als Richter, im Beisein des Ministerialsekretärs Dr. Heinzl als Schriftführer, über die Beschwerde der Verlassenschaft nach Dr. HP, zuletzt in G, vertreten durch den amtlichen Liquidator FH in G, gegen den Bescheid der Berufungskommission für Wien bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 29. Juni 1954, Zl. VI - 1959/1 - 1953, betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer für 1947 bis 1951, Vermögensteuer für 1948 bis 1951, Besatzungskostenbeiträge von Vermögen für 1949 bis 1952, Vermögenszuwachsabgabe und Vermögensabgabe, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. PS, und des Vertreters der belangten Behörde, Finanzrat FA, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Vermögensteuer, die Besatzungskostenbeiträge vom Vermögen, die Vermögenszuwachsabgabe und die Vermögensabgabe betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Dr. HP, dessen Verlassenschaft als Beschwerdeführerin auftritt, hatte bis zum Jahre 1938 in Wien eine Rechtsanwaltskanzlei betrieben und war dann ausgewandert. Im Jahre 1945 wurde er wieder mit dem Sitze in W in die Liste der Rechtsanwälte bei der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland eingetragen. Er behielt jedoch seinen Wohnsitz im Ausland (Genf) bei und es wurden für ihn von der Rechtsanwaltskammer Abwesenheitssubstituten in der Person des Dr. GR (vom Jahre 1946 bis 24. September 1947) und des Dr. RB bestellt. Dr. P. kam nur zeitweilig nach Wien, wo er sich, soweit festgestellt werden konnte, im Hotel A aufhielt. Seine Aufenthalte in Wien in den Jahren 1948 bis 1951 umfaßten Zeiträume von zwei Tagen bis zu mehr als zwei Monaten. Er hat in den Jahren 1947 bis 1951 in einer Reihe großer Rückstellungsfälle eine anwaltliche Tätigkeit entfaltet und einen Stempelaufdruck folgenden Wortlautes verwendet: "Rechtsanwalt Dr. HP., W, X-gasse 10, Telephon nn" Steuererklärungen hat er nicht eingebracht.

Als das Finanzamt von der Geschäftstätigkeit des Dr. P. erfuhr, nahm es in der Zeit vom 10. Dezember 1951 bis zum 15. März 1952 eine Betriebsprüfung vor. Aufzeichnungen über die geschäftliche Tätigkeit des Dr. P. wurden nicht vorgefunden. Es wurde aber festgestellt, daß er an Honoraren in Rückstellungsangelegenheiten im Jahre 1947 51.000 S, im Jahre 1948

676.200 S, im Jahre 1949 191.700 S, im Jahre 1950 30.000 S und im Jahre 1951 20.000 S eingenommen hatte. In einigen anderen Rückstellungsfällen wurden zwar Honorarzahlungen nicht festgestellt, der Prüfer schätzte aber die Einnahmen in diesen Fällen auf 20 % der vermutlich zurückgestellten Werte und gelangte so zu Zuschätzungen von je 214.000 S in den Jahren 1948 und 1949 und von 164.000 S im Jahre 1950. Festgestellte Zahlungen an den Substituten Dr. B. und an dessen Kanzleipersonal (141.700 S im Jahre 1948, 22.000 S im Jahre 1949 und 280 S im Jahre 1950) wurden als Betriebsausgaben anerkannt und so Gewinne von 748.500 S im Jahre 1948, von 383.700 S im Jahre 1949 und von 193.720 S im Jahre 1950 ermittelt. Die Gewinne für die Jahre 1947 und 1951 wurden in der Höhe der Umsätze ermittelt. Der Prüfer schätzte den Verbrauch des Dr. P. auf 30 % der jeweiligen Einkünfte und nahm den Rest als Bargeldbestand zu Beginn des jeweils folgenden Jahres an. Diese Bargeldbestände und einige festgestellte Außenstände nahm er als Betriebsvermögen an und berechnete auf dieser Grundlage die Einheitswertes des Betriebsvermögens (444.000 S am 1. Jänner 1948, 880.000 S am 1. Jänner 1949, 1,048.900 S am 1. Jänner 1950 und 1,184.000 S am 1. Jänner 1951). Auf die gleiche Weise ermittelte der Prüfer die Bemessungsgrundlagen der Vermögensteuer, der Vermögenszuwachsabgabe und der Vermögensabgabe. Das Finanzamt erließ die entsprechenden Bescheide zur Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Vermögensteuer, Vermögenszuwachsabgabe, Vermögensabgabe und zu den Besatzungskostenbeiträgen vom Einkommen und vom Vermögen. Es erlegte dem Dr. P. auch jeweils Verspätungszuschläge von je 10 % der vorgeschriebenen Abgabenbeträge auf. In den Steuerbescheiden über die Besteuerung vom Vermögen wurde das gesamte der Besteuerung unterworfene Vermögen als Betriebsvermögen bezeichnet, Einheitswertbescheide über das Betriebsvermögen wurden jedoch nicht erlassen.

Dr. P. berief gegen alle diese Bescheide. Er bestritt zunächst die Steuerpflicht überhaupt und berief sich auf das Doppelbesteuerungsübereinkommen zwischen dem Deutschen Reich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 15. Juli 1931, DRGBl. II S. 38. Nach, dessen Artikel 4 liege die Ausübung eines freien Berufes in einem der beiden Staaten nur dann vor, wenn die Berufstätigkeit in diesem Staate einen festen Mittelpunkt hat. Ein solcher fester Mittelpunkt fehle aber bei der Tätigkeit des Dr. P. in Österreich. Der Geschäftsstempel habe nur den Zweck gehabt, "gelegentlichen Prozeßvertretungen eine Zustellung zu ermöglichen". Unter der im Stempel angegebenen Anschrift bestehe für Dr. P. weder ein Haupt- noch ein Untermietverhältnis. Er besitze weder eine Schreibmaschine noch irgendwelche Büroeinrichtungen, sei kein Fernsprechteilnehmer und auch nicht im Verzeichnis der Fernsprechteilnehmer eingetragen. Er habe mach keine Angestellten oder Arbeiter beschäftigt und habe nur fallweise eine Schreibkraft seines Substituten für Schreibarbeiten honoriert. Alle diese Tatsachen seien bereits seinerzeit beim zuständigen Finanzamt in einem Protokoll festgehalten worden und dabei sei festgestellt worden, daß für Dr. P. keine Steuerpflicht bestehe. Er habe daher auch keine Steuererklärungen abgegeben und eine Aufforderung zur Abgabe von solchen Erklärungen erst am 11. Jänner 1952 erhalten. Dabei sei ihm nur aufgetragen worden, innerhalb von 24 Stunden Steuererklärungen für die Jahre 1946 bis 1951 abzugeben, ohne daß die Art der Steuern, über die er Erklärungen abzugeben habe, bezeichnet gewesen sei. Dieser Aufforderung habe er infolge der Kürze der Frist nicht entsprechen können. Die Aufzeichnungen lagen in der Schweiz, wo er auch von seinen gesamten Einkünften besteuert werde. Auch bei Bejahung der Steuerpflicht hätte eine angemessene Frist zur Geltendmachung der Betriebsausgaben gesetzt werden müssen, bevor zu einer Teilschätzung geschritten werde. Die von der Betriebsprüfung festgestellten Forderungen würden erst bei erfolgreicher Durchführung zum Zuge gelangen. Die aus den Steuern sich ergebenden Verpflichtungen seien bei der Festsetzung der Steuern vom Vermögen abzuziehen gewesen. Mangels schuldbarer Verspätung bei Abgabe der Steuererklärungen könne auch kein Verspätungszuschlag vorgeschrieben werden. In einer weiteren Eingabe brachte Dr. P. vor, daß er nunmehr aus der Liste der Rechtsanwälte in Wien rechtskräftig gelöscht worden sei, weil die gesetzliche Voraussetzung des Wohnsitzes in Wien nicht erfüllt und daher die seinerzeitige Eintragung in die Rechtsanwaltsliste nichtig gewesen sei.

Die Betriebsprüfungsstelle nahm eingehend zu den Ausführungen des Dr. P. Stellung. Sie führte unter anderem aus, die zum 1. Jänner 1948 festgestellten, "weder zweifelhaften noch uneinbringlichen Forderungen" beträfen lediglich zwei bestimmte Honorarforderungen, die in den Geschäftsbüchern der schuldnerischen Unternehmungen zum gleichen Stichtag und in gleicher Höhe als Betriebsschulden ausgewiesen worden seien. Daß mit Dr. P., wie er behaupte, seinerzeit ein Protokoll beim Finanzamt aufgenommen und dabei ausgesprochen worden sei, daß Dr. P. nicht steuerpflichtig sei, habe nicht festgestellt werden können. Nachdem das Finanzamt die Berufung mit Einspruchsbescheid abgewiesen und diesem Einspruchsbescheid eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsprüfers angeschlossen und Dr. P. die Entscheidung der Berufungskommission beantragt hatte, wurde vom Vorsitzenden dieser Kommission ein neuerliche Ermittlungsverfahren durchgeführt. Ein Angestellter des Steuerberaters, der Dr. P. im Berufungsverfahren vertrat, wurde aufgefordert, den Beweis für die seinerzeitige Vorsprache beim Finanzamt und die Feststellung der Steuerfreiheit beizubringen und die Aufzeichnungen und Belege über die inländischen Einkünfte des Dr. P. vorzulegen. Der Steuerberater ersuchte wiederholt um Verlängerung der Äußerungsfrist und brachte schließlich eine Äußerung ein, die jedoch nur das bisherige Vorbringen wiederholte. Außerdem brachte er vor, Dr. P. habe weder Vermögen nach Einkünfte ins Ausland verbracht, er habe vielmehr mehr verbraucht, als ihm zugeflossen sei und habe daher nachweislich bedeutende Beträge einführen müssen. Zur Frage der seinerzeitigen Verhandlung über die grundsätzliche Steuerpflicht des Beschwerdeführers berief sich der Steuerberater auf das Zeugnis des Rechtsanwaltes Dr. OM. Es wurde dann Dr. GR vernommen. Dieser gab an, er habe für Dr. P. nur hie und da freundschaftlich eine Erhebung durchgeführt und Dr. P. habe in der Kanzlei des Zeugen hie und da eine Konferenz abgehalten. Entgelte für seine Vertretertätigkeit habe Dr. R. nicht erhaltend Dr. RB wurde gleichfalls vernommen und gab an, er sei am 24. September 1947 zum Substituten des Dr. P. bestellt worden. Dieser habe ihm im Laufe der Jahre 1947 bis 1952 etwa fünf bis acht nennenswerte Angelegenheiten zur teilweisen Bearbeitung übergeben. Er sei fast ausschließlich im Ausland beauftragt worden bzw. habe er als Emigrant vom Auslande her Verbindungen mit den Auftraggebern gehabt. Die Tätigkeit des Zeugen in diesen Angelegenheiten habe die gesamte gewöhnliche Anwaltstätigkeit umfaßte. In diese Tätigkeit habe sich Dr. P. bei gelegentlicher Anwesenheit im Inland auch eingeschaltet, habe auch die Angelegenheiten überwacht und sich Bericht erstatten lassen und sei auch sonst auf dem Laufenden gehalten worden. Bei Gericht habe Dr. P. nur selten persönlich vertreten, habe aber im Einvernehmen mit dem Zeugen die Honorare festgesetzt und sie teils allein, teils gemeinsam mit dem Zeugen den vertretenen Personen bekanntgegeben. Die Honorare habe der Zeuge selbst oder durch seine Kanzleikräfte nur zu dem Teil kassiert, der ihm nach den fallweisen Vereinbarungen verbleiben sollte. Im übrigen habe Dr. P. selbst kassiert, möglicherweise auch einige Male durch Kanzleiangestellte des Zeugen für sich kassieren lassen. Über die Höhe der Honorare verweigerte dieser Zeuge die Auskunft, gab aber schließlich zu, daß er Dr. P. im Jahre 1948 zu verschiedenen Malen Beträge von insgesamt ungefähr 50.000 S vorgelegt habe, die bei späteren internen Verrechnungen bzw. bei den Honorareingängen berücksichtigt wurden. Auch Dr. OM wurde vernommen, konnte aber nur angeben, daß er einmal in den Jahren 1948, 1949 oder 1950 Dr. P. beim Finanzamt getroffen habe. Über den Zweck seines Besuches und darüber, ob mit ihm ein Protokoll aufgenommen wurde, wisse er nichts. Es wurde sodann noch eine Auskunft des Hotels A über den Aufenthalt des Beschwerdeführers in den fraglichen Jahren eingeholt. Dieses Schreiben und die Zeugenaussage des Dr. B. sowie eine gleichfalls eingeholte Auskunft der Österreichischen Nationalbank wurden dem Steuerberater des Dr. P. am 1. August 1953 vorgehalten. (In diesem Zeitpunkt war Dr. P. bereits gestorben.)

Der Steuerberater teilte dem Vorsitzenden des Berufungssenates mit, daß Dr. P. bereits gestorben sei und bat um Erstreckung der Äußerungsfrist. Diese Erstreckungsansuchen wiederholte er in der Folge und begehrte das letzte Mal eine Fristerstreckung bis zum 30. März 1954.

Die Berufungskommission wies die Berufung mit Bescheid vom 29. Juni 1954 ab. In der Begründung gab sie die Aussagen der vernommenen Auskunftspersonen wieder und führte aus, alle diese Unterlagen seien dem Vertreter des Dr. P. vollinhaltlich vorgehalten worden. Es sei erwiesen, daß Dr. P. in die Liste der österreichischen Rechtsanwälte als befugter Rechtsanwalt eingetragen war, daß er in Österreich festgestelltermaßen in mindestens acht großen Rückstellungsfällen, die ihm Honorareingänge von weit über einer Million Schilling einbrachten, als Rechtsanwalt entweder selbst oder durch einen Substituten tätig war, einen Geschäftsstempel mit einem Aufdruck führte, der auf den Bestand einer Rechtsanwaltskanzlei hinwies and seine Tätigkeit in Österreich zum großen Teil in den Kanzleiräumlichkeiten seines Substituten durchführte, dessen Kanzleipersonal ihm für Diktate, Inkassi usw. zur Verfügung gestanden und auch fallweise honoriert worden sei. Dr. P. habe auch Honorare so kassiert, als ob er eine feste Betriebsstätte in Österreich habe. Die inländische Berufstätigkeit sei demnach von einem festen Mittelpunkt aus ausgeübt worden. Demnach stehe auch im Hinblick auf das Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz die Steuerpflicht des Dr. P. bezüglich der inländischen Einkünfte fest. Die Höhe der Einkünfte bzw. des abgabenpflichtigen Vermögens habe aber nur im Schätzungswege ermittelt werden können. Die Schätzung überschreite aber nicht den Rahmen des Möglichen und Wahrscheinlichen. Dr. P. habe keine Angaben über die tatsächliche Höhe der Betriebsausgaben gemacht, er könne sich also nicht beschwert fühlen, wenn nur die festgestellten Ausgaben anerkannt wurden. Im übrigen sei auch keine Gewähr dafür vorhanden, daß Dr. P. nicht außer den namentlich bekannten Vertretungsfällen noch andere dem Finanzamt nicht bekannte Fälle übernommen habe. Nach Ansicht des Berufungssenates wäre den vom Finanzamt ermittelten Einkünften noch ein Risikozuschlag von mindestens 100 % hinzuzurechnen gewesen und bei Anwendung eines angemessenen Hundertsatzes für geschätzte Betriebsausgaben die Besteuerung immer noch höher gewesen als die vom Finanzamt vorgenommen. Auch die Schätzung des steuerpflichtigen Vermögens erscheine angemessen, zumal weder das tatsächliche Vermögen noch eine bessere Art der Schätzung vom Steuerpflichtigen angegeben worden sei. Die Verspätungszuschläge seien zu Recht festgesetzt worden, weil Dr. P. weder der gesetzlichen Pflicht, Steuererklärungen abzugeben, nachgekommen sei noch auch den wiederholten Aufforderungen zur Abgabe dieser Erklärungen Folge geleistet habe. Eine gesetzliche Pflicht, vor der Erlassung von Steuerbescheiden ein zwischenstaatliches Verfahren durchzuführen, bestehe nicht. Es bestehe aber auch keine Möglichkeit, etwa in einem eigenen Feststellungsverfahren bescheidmäßig über den Bestand der Steuerpflicht abzusprechen.

In der gegen diesen Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof überreichten Beschwerde wiederholt die beschwerdeführende Verlassenschaft das Vorbringen im Verwaltungsverfahren. Sie führt aus, von einer nachhaltigen Anwaltstätigkeit könne angesichts der wenigen Angelegenheiten, die Dr. P. vertreten habe, nicht gesprochen werden, zumal der große Teil der Klienten ausseiner Kanzleitätigkeit in Genf stamme und von dort aus vertreten worden sei. Die Behörde sei auch zu ganz verfehlten Schätzungsergebnissen gelangt. Unter der Annahme, daß die Ziffern für die Bemessungsgrundlagen der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer richtig sind, sei die Schätzung des Vermögens unrichtig. E gehe nicht an, die Höhe des Verbrauches bloß mit 30 % der erzielten Einkünfte zu schätzen und 70 % dieser Einkünfte der Vermögensbesteuerung zu unterziehen. Aus den Akten gehe hervor, daß Dr. P. nicht nur die in Österreich erzielten Einkünfte dort verbraucht, sondern mit ihnen nicht einmal das Auslangen gefunden habe. Nach dem Tode des Dr. P. habe sich herausgestellt, daß im Inland außer zwei Honorarforderungen kein Vermögen mehr vorhanden war, daß also die gesamten Einnahmen in Österreich verbraucht sein mußten. Jedenfalls hätten die Steuerschulden als Lasten des steuerpflichtigen Vermögens berücksichtigt werden müssen. Überdies könne man auch bei der Annahme, daß Vermögen ins Ausland geschafft wurde, nicht von einem fiktiven Vermögen Steuern einheben. Es sei auch nicht richtig, daß die Vorhalte nicht beantwortet worden seien. Dr. P. sei noch innerhalb der ihm gesetzten Frist gestorben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Zur Frage der inländischen Besteuerung:

Die Beschwerdeführerin beruft sich auf die Bestimmungen eines Doppelbesteuerungsvertrages zwischen dem Deutschen Reich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft aus dem Jahre 1931. Dieser Doppelbesteuerungsvertrag bezieht sich seinem Artikel 1 zufolge nur auf direkte Steuern und Erbschaftsteuern. Zu diesen Arten von Steuern gehört die Umsatzsteuer nicht. Die Umsatzsteuerpflicht kann also unter Berufung auf dieses Übereinkommen nicht bestritten werden. Im übrigen handelt es sich bei diesem Übereinkommen um einen Staatsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechtes ist die Wirksamkeit dieses Übereinkommens zwar durch die Okkupation Österreichs im Jahre 1938 auch auf das Gebiet Österreichs ausgedehnt worden, durch die Wiedererlangung der staatlichen Selbständigkeit Österreichs im Jahre 1945 aber wieder für Österreich außer Kraft getreten. In der Folge ist ein Übereinkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen Österreich und der Schweiz erst am 12. November 1953 abgeschlossen und am 25. September 1954 ratifiziert worden. Dieses Übereinkommen findet also auf Besteuerungen für die Jahre 1947 bis 1951 keine Anwendung. Wohl hat ein Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen vom 8. Februar 1949 verfügt, daß allfällige zwischen Österreich und der Schweiz sich ergebende Doppelbesteuerungsfälle bis zum Abschluß eines neuen österreichisch-schweizerischen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung einstweilen im Sinne der bis zum 9. Mai 1945 im österreichisch-schweizerischen Verhältnis befolgten Ordnung auf Grund des seinerzeitigen deutsch-schweizerischen Doppelbesteuerungsübereinkommens aus dem Jahre 1931 zu bereinigen seien. Dieser Erlaß ist aber nicht im Bundesgesetzblatt kundgemacht und so konnte die Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgerichtshof durchsetzbare Rechtsansprüche aus ihm nicht ableiten. Der Verwaltungsgerichtshof konnte somit die Frage der österreichischen Steuerhoheit nur auf Grund der österreichischen steuerrechtlichen Vorschriften beurteilen.

Nach den Feststellungen der Verwaltungsinstanzen hat Dr. P. in den fraglichen Jahren in Österreich weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt. Er ist also in diesen Jahren in Österreich nur beschränkt steuerpflichtig gewesen. Gemäß § 49 Z 3 des Einkommensteuergesetzes 1939 sind inländische Einkünfte, die auch bei beschränkt Steuerpflichtigen der Einkommensteuer in Österreich unterliegen, unter anderem Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die im Inland ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist. Von dem Vorhandensein einer festen Betriebsstätte im Inland ist also die Besteuerung von Einkünften beschränkt steuerpflichtiger Personen aus selbständiger Arbeit nicht abhängig. Daß aber Dr. P. seine anwaltliche Tätigkeit in den fraglichen Jahren in Wien ausgeübt und mindestens dadurch verwertet hat, daß er die Honorare im Inland eingezogen hat, wird nicht bestritten, ja es wird sogar behauptet, daß diese Einkünfte auch zur Gänze im Inlande verbraucht worden seien. Die Einkommensteuerpflicht von den Einkünften aus dieser Tätigkeit kann also nicht mit Recht bestritten werden.

Bei beschränkt vermögensteuerpflichtigen Personen erstreckt sich die inländische Vermögensteuerpflicht gemäß § 2 Abs. 2 des Vermögensteuergesetzes vom 16. Oktober 1934, DRGBl. I S. 1052) auf das Inlandsvermögen, das gemäß §§ 73 bis 77, des Bewertungsgesetzes (vom 16. Oktober 1934, DRGBl. I S. 1035, BewG) zu ermitteln ist. Nach § 77 Abs. 2 BewG gehört zum Inlandsvermögen eines beschränkt Steuerpflichtigen das inländische land- und forstwirtschaftliche Vermögen, das inländische Grundvermögen, daß inländische Betriebsvermögen, gewerblich genutzte Urheberrechte bestimmter Art, ferner andere Wirtschaftsgüter, die einem inländischen Gewerbebetrieb überlassen, vor allem an diesen vermietet oder verpachtet sind, weiter bestimmte Gattungen von Gegenständen des "sonstigen Vermögens". Im Inland befindliches Bargeld gehört, weil es in dieser Aufzählung nicht enthalten ist, ebenso wie bestimmte Arten von Forderungen, nur dann zum inländischen Vermögen eines beschränkt Steuerpflichtigen, wenn es zu einem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen oder zu einem Betriebsvermögen gehört. Für die Zwecke der Vermögensabgabe und der Vermögenszuwachsabgabe sind allerdings gemäß § 4 Abs. 3 des Vermögenszuwachsabgabegesetzes, BGBl. Nr. 165/1948, und § 4 Abs. 4 des Vermögensabgabegesetzes, BGBl. Nr. 166/1948, auch Zahlungsmittel und Forderungen jeder Art gegen inländische Schuldner dem inländischen Vermögen zuzurechnen.

2. Umsatzsteuerpflicht:

Der Umsatzsteuer unterliegen nach § 1 Z. 1 des Umsatzsteuergesetzes (vom 16. Oktober 1934, DRGBl. I S. 942) die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Unternehmer ist nach § 2 desselben Gesetzes, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt. Daß Dr. P. im Inland Leistungen gegen Entgelt erbracht hat, bestreitet die Beschwerde nicht. Bestritten wird nur die Erlaubtheit und die Nachhaltigkeit dieser Tätigkeit.

Darauf aber, ob die seinerzeitige Eintragung des Dr. P. in die Rechtsanwaltsliste "nichtig" gewesen ist, ob also die von ihm entfaltete Tätigkeit erlaubter Weise ausgeübt wurde, kommt es nicht entscheidend an. Denn nach § 5 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes wird die Besteuerung nicht dadurch ausgeschlossen, daß ein Verhalten, das den steuerpflichtigen Tatbestand erfüllt, gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Zur Nachhaltigkeit der Tätigkeit genügt es jedoch, wenn ein Rechtsanwalt nur wenige einzelne Fälle bearbeitet, wenn daraus auf die Absicht, diese Tätigkeit zu wiederholen, geschlossen werden kann. Da sich die Tätigkeit des Dr. P. über mehrere Jahre erstreckt hat und vom Substituten Dr. B. nach dessen Aussage auch noch im Jahre 1952 Rückstellungsfälle für Dr. P. bearbeitet wurden, konnte die Behörde mit Recht die Nachhaltigkeit der Tätigkeit des Dr. P. in diesen Jahren, also seine Unternehmereigenschaft bejahen und die erzielten Entgelte der Umsatzsteuer unterwerfen. Gegen die Höhe der Schätzung der Entgelte wurde aber im Verwaltungsverfahren nichts Stichhältiges eingewendet und auch die Beschwerde bringt in dieser Einsicht nichts vor. Überdies wurde Dr. P. noch zu Lebzeiten zu Handen seines Steuerberaters aufgefordert, Angaben über die Höhe seiner Einkünfte und Umsätze in den fraglichen Jahren zu liefern. Er hat diese Aufforderung noch zu Lebzeiten beantwortet, aber Angaben über die Höhe der Besteuerungsgrundlagen nicht geliefert, sondern ist sich nur in allgemeinen Ausführungen ergangen. In der Frage der Umsatzsteuerpflicht konnte somit der Beschwerde kein Erfolg beschieden sein.

3. Einkommensteuerpflicht:

Daß die Einkommensteuerpflicht von den Einkünften aus der inländischen Anwaltstätigkeit des Dr. P. nicht mit Grund bestritten werden kann, wurde bereits unter 1. Ausgeführt. Was unter 2. zur Frage der Höhe der Betriebseinnahmen ausgeführt wurde, gilt auch hier. Die Beschwerdeführerin bemängelt nun, daß Betriebsausgaben nicht in einem höheren Ausmaß berücksichtigt worden sind als dies die Verwaltungsinstanzen getan haben. Dr. P. hat aber der zu seinen Lebzeiten an ihn gestellten Aufforderung, Angaben über die Höhe seiner Einkünfte, also auch seiner Betriebsausgaben zu liefern, nicht entsprochen. Er hat zwar behauptet, er habe die Einkünfte im Inland verbraucht. Welche Betriebsausgaben er aber gehabt hat, hat er nicht angegeben. Wenn ausgeführt wird, daß namhafte Reisekosten zwischen Genf und Wien aufgelaufen seien und daß diese Kosten hätte berücksichtigt werden müssen, genügt es, darauf hinzuweisen, daß Dr. P. nach seinen Angaben im Verwaltungsverfahren eine umfangreiche Tätigkeit für das Österreichische Rote Kreuz entfaltet hat und daß diese Fahrtauslagen zwischen Wien und Genf, dem Sitz der Internationalen Organisation vom Roten Kreuz, also in erster Linie als Auslagen der Tätigkeit für das Rote Kreuz angesehen werden mußten. Derartige Ausgaben sind aber keine Betriebsausgaben und welcher Teil dieser Ausgaben durch die in Österreich entfaltete anwaltliche Tätigkeit ausgelöst worden ist, wurde von Dr. P. nicht dargelegt,

4. Abgaben vom Vermögen:

Das Finanzamt hat das Vermögen des Dr. P., das es festgestellt zu haben glaubte, als Betriebsvermögen bezeichnet und so der Vermögensbesteuerung zugrunde gelegt. Es hat aber Einheitswerte für das Betriebsvermögen nicht festgestellt. Erscheint es nun an sich schon ungewöhnlich, Beträge, die im Betriebe einer Rechtsanwaltskanzlei eingenommen, aber nicht verbraucht worden sind, in voller Höhe weiter als Bestandteile eines Betriebsvermögens anzusehen, so hat die Behörde sich andererseits mit dem Vorbringen des Dr. P., er habe alle Einnahmen im Inlande verbraucht, nicht auseinandergesetzt. Wenn die im Inland vorhandenen Bargeldbestände nicht Betriebsvermögen sind, dann können sie schließlich bei der Besteuerung eines beschränkt Steuerpflichtigen nicht dem Inlandsvermögen zugerechnet werden, soweit es sioh nicht um die Veranlagung zur Vermögenszuwachsabgabe oder zur Vermögensabgabe handelt. Im übrigen aber haben die Finanzbehörden für die einzelnen Jahre von 1947 bis 1952 hohe Beträge an Einkommensteuer und Umsatzsteuer ermittelt. Da mit Ablauf der betreffenden Jahre der Tatbestand der Steuerpflicht bereits verwirklicht war, bestanden diese Steuerschulden am Beginn der jeweils folgenden Jahre zu Recht und da sie für Zeiträume "erhoben" wurden, die spätestens in den Veranlagungszeitpunkten der Abgaben vom Vermögen für das folgende Jahr geendet hatten, waren sie gemäß § 62 Abs. 1 (Umsatzsteuer) bzw. § 74 Abs. 1 Z 1 (Einkommensteuer) BewG und § 53 a der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz (in der Fassung der Verordnung vom 22. November 1939, DRGBl. I S. 2271) bei der Veranlagung dieser Abgaben als Abzugsposten anzuerkennen, zumal Dr. P. in den Ausführungen seiner Berufung den Abzug dieser Schulden begehrt hatte. Die belangte Behörde hat diesem Antrag nicht entsprochen. Somit beruht die Ermittlung der Abgaben vom Vermögen zum Teil auf einem mangelhaften Verfahren, zum Teil ist sie ihrem Inhalte nach rechtswidrig und so mußte der angefochtene Bescheid in diesem Umfange wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

5. Verspätungszuschläge:

Dr. P. ist noch im Laufe des Betriebsprüfungsverfahrens zur Abgabe von Steuererklärungen aufgefordert worden. Er hat solche bis zum Ende der Betriebsprüfung, ja bis zur Erlassung der Steuerbescheide nicht beigebracht. Schon aus diesen Gründen erweist sich die Auferlegung von Verspätungszuschlägen gemäß § 10 des Abgabeneinhebungsgesetzes, BGBl. Nr. 87/1951, als gerechtfertigte

6. Bisher nicht behandelte angebliche Verfahrensmängel:

Die Ergebnisse der Vernehmung des Dr. R. und des Dr. OM. sind zwar dem Dr. P. nach der Aktenlage - entgegen den Behauptungen im angefochtenen Bescheid - nicht vorgehalten worden. Sie betreffen aber nur Umstände von untergeordneter Bedeutung. Die für die Beurteilung der Steuerpflicht wesentliche Aussage des Dr. B. wurde aber dem Steuerberater des Dr. P. vorgehalten. Daß dies erst nach dem Ableben des Dr. P. geschah, bedeutet keinen Verfahrensmangel, weil die Verlassenschaft von der Zustellung des Vorhaltes an den Steuerberater (6. August 1953) bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides (29. Juni 1954) hinreichend Gelegenheit zur Stellungnahme hatte und dieser Steuerberater, wie aus den Ausführungen in einer seiner Eingaben hervorgeht, mit der Witwe des Verstorbenen in brieflicher Verbindung stand. Daß der Steuerberater nach dem Ableben des Dr. P. nicht mehr berechtigt gewesen sei, weitere Vertretungsschritte zu unternehmen, ist unrichtig, da § 1022 ABGB ihm dies sogar für den Fall zur Pflicht macht, daß andernfalls Nachteile für den früheren Vollmachtgeber bzw. dessen Erben entstehen würden. Somit erweist sich auch die Verfahrensrüge als unberechtigt.

7. Zusammenfassung:

Aus allen angeführten Gründen mußte somit der angefochtene Bescheid, soweit er die Veranlagung des Dr. P. zur Vermögensteuer, zur Vermögensabgabe, zur Vermögenszuwachsabgabe und zu den Besatzungskostenbeiträgen vom Vermögen betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden. Im übrigen war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 6. Dezember 1957

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1957:1954002843.X00

Im RIS seit

23.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

26.08.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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